Psychotraumatologie 2001; 2(2): 14
DOI: 10.1055/s-2001-15745
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Massenmord: Der Fall des Friedrich Haarmann, Teil II

Überlegungen zum Verhältnis von Perversion und JustizHans - Joachim Behrendt
Weitere Informationen
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Autor:

Prof. Dr. iur. Hans - Joachim Behrendt

Kartäuserstr. 118 f

79104 Freiburg

Telefon: Tel. 0761 / 22255

eMail: brep@uni-freiburg.de

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
15. August 2001 (online)

 
Inhaltsübersicht #

Zusammenfassung

Die Arbeit geht unterschwelligen Verbindungen zwischen den Erscheinungsformen der Perversion und den Theorie- und Praxisgestalten strafrechtlicher Reaktion nach. Es wird gezeigt, dass in beiden Phänomenbereichen frühkindliche Traumatisierungen und ihre Konsequenzen für die psychische Strukturbildung entscheidende Bedeutung besitzen.

Unter Heranziehung moderner Theorien der Perversionsentstehung wird zunächst die Lebens- und Kriminalitätsgeschichte des Friedrich Haarmann, eines Mörders aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, nachgezeichnet. Unter den Theorien zur Perversionsentstehung werden neben manchen anderen insbesondere Konzepte Masud Khans, etwa hinsichtlich der Rolle des „idolisierten inneren Objekts” und der Phantasie vom „montierten inneren Objekt”, berücksichtigt. Alle Erklärungsansätze werden durch knappe Ausschnitte aus Fallberichten verdeutlicht. Anschließend wird die Reaktion der damaligen Justiz einschließlich der seinerzeitigen forensischen Psychiatrie geschildert und die hypothetische Frage nach der heutigen Behandlung des Falles erörtert. Die unbewusste, auch heute noch zu beobachtende Kollusion zwischen dem perversen Kriminellen und der Strafjustiz verweist auf weitgehende Analogien der seelischen Strukturbildung beider.

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Mass Murder: The Case of Friedrich Haarmann, Part II.
Reflections on the Relation between Perversion and Criminal Justice.

The article examines subliminal connections between the phenomena of perversion and the theoretical und practical aspects of personality in the sphere of criminal justice. It is shown that in both areas traumatisations in early childhood and their consequences exercise profound influence on the formation of psychic structure. Citing modern theories of perversion-formation, the biography and the criminal career of Friedrich Haarmann, a murderer in the first half of the 20th century, is reconstructed. Among the theories on the formation of perversion especially the concepts of Masud Khan are considered, for instance those on the role of the „idolized internal object” and the fantasy of the „collated internal object”. All theoretical approaches are illustrated by short extracts from case studies. Subsequently the reaction of the judicial system at that time is reported, including forensic psychiatry, and the hypothetical question is discussed how the case would be treated today. The still persisting unconscious collusion between the perverse criminal and the judicial system refers to far reaching analogies concerning the formation of psychic structure.

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Kommentar

Der vorliegende Beitrag von Herrn Prof. Hans-Joachim Behrendt „Massenmord: Der Fall Haarmann. Überlegungen zum Verhältnis von Perversion und Justiz” erscheint aufgrund seiner Länge in 2 Teilen. Den ersten Teil konnten Sie in der ersten Ausgabe diesen Jahres einsehen. Der Beitrag beschäftigt sich mit der psychoanalytischen Sichtweise auf die Psychodynamik des Massenmörders Haarmann, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verhaftet und verurteilt worden war. Im zweiten Teil wird der Fall unter damals und heute gültigem Recht neu bewertet. Die psychoanalytische Ausführung und die juristische Argumentation gehören zusammen. Diesen zweiten Teil lesen Sie hier in der aktuellen Ausgabe der PSYCHOTRAUMATOLOGIE.

Wir hoffen, dass auch über die psychoanalytischen Annahmen hier und in weiteren Ausgaben von PSYCHOTRAUMATOLOGIE eine Diskussion zustandekommt, die dazu führt, das Wissen der Psychoanalyse unter klinischen, theoretischen und empirischen Kriterien auf den aktuellen Stand zu bringen.

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Der Fall Haarmann Teil II: Die Justiz

Hält man sich die damalige juristische Behandlung des Falles durch das Schwurgericht in Hannover noch einmal vor Augen, so ist - entsprechend der Technik juristischer Fallbearbeitung - zuerst zu fragen, ob Haarmanns Verhalten den Tatbestand des Mordes erfüllte. § 211 StGB hatte zur Tatzeit die folgende Fassung: „Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung mit Überlegung ausgeführt hat, wegen Mordes mit dem Todte bestraft.” Vom gesetzlichen Tatbestand des § 212 StGB, der den Totschlag pönalisierte („Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung nicht mit Überlegung ausgeführt hat, wegen Todtschlags mit Zuchthaus nicht unter 5 Jahren bestraft.”), unterschied sich der Mord danach dadurch, dass letzterer mit Überlegung ausgeführt wird. Der Begriff der Überlegung wurde damals in der Rechtsprechung und in der Literatur weithin übereinstimmend in der Weise definiert, dass für sie die Abwägung der kontrastierenden Motive wesentlich sei. Sie wurde etwa bestimmt als „diejenige geistige Beschaffenheit, bei der sich der Täter der von der Handlung abhaltenden Motive bewusst ist und sie gegen die ihn zur Handlung drängenden Motive abwägt.” [54] Das Gesetz verlangte weiter, dass die Überlegung bei der Ausführung der Tat gegeben ist. Die Zeitdauer zwischen der Fassung des Tatentschlusses und seiner Ausführung konnte dabei durchaus sehr kurz sein.

Betrachten wir danach die damalige Qualifikation der Taten Haarmanns als Mord, so kommen allein schon im Hinblick auf die getroffene tatbestandliche Einordnung ernste Zweifel auf. Haarmann wurde, wie dargestellt, im Augenblick der Tat von schwersten destruktiven Regungen förmlich überfallen, von einer Überlegung im Tatzeitpunkt - wie sie das Gericht annahm: „Alle diese Handlungen hat Haarmann mit vollem Bewusstsein und in klarer Erwägung über ihren Zweck und Erfolg vorgenommen.” [55] - kann somit nicht gesprochen werden. Dass Haarmann sich vorher gelegentlich Gedanken machte über das, was über ihn hereinbrechen würde und es manchmal geradezu fürchtete, mag für sich genommen das Merkmal der Überlegung erfüllen, im Tatzeitpunkt war diese Überlegung jedoch nicht mehr gegeben.

Der Tatbestand wäre allenfalls über die Konstruktion der actio libera in causa zu halten gewesen, die bedeutet, dass alle Unrecht und Schuld begründenden Tatumstände, da im Zeitpunkt der unmittelbaren Tatausführung nicht auffindbar, im Vorfeld der Tat in einem Moment zusammenkommen müssen. Das Gericht erwähnte diesen Gesichtspunkt jedoch nur ganz flüchtig und beiläufig.

Hinsichtlich der für ein Schuldurteil erforderlichen Zurechnungsfähigkeit bestimmte das damals geltende Recht in § 51 StGB: „Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Thäter zur Zeit der Begehung der Handlung sich in einem Zustande von Bewusstlosigkeit oder krankhafter Störung der Geistesthätigkeit befand, durch welchen seine freie Willensbestimmung ausgeschlossen war.” Das Merkmal der Bewusstlosigkeit wurde übereinstimmend im Sinne einer erheblichen Bewusstseinstrübung interpretiert, da bei Bewusstlosigkeit im strengen Sinne schon das Element einer strafbaren Handlung nicht gegeben war. Eine solche erhebliche Bewusstseinstrübung sei anzunehmen, wenn das Bewusstsein seiner selbst oder der Außenwelt hochgradig eingeschränkt ist. Als Beispiele hierfür wurden unter anderem genannt: starke Trunkenheit, Fieberdelirien, Hypnose und epileptische Dämmerzustände sowie hochgradige Affekte [56].

Die psychiatrische Begutachtung hielt es für möglich, dass Haarmann an epileptischen Zuständen litt, schloss aber aus, dass solche Störungen während der Tatausführung vorgelegen hätten. Das damalige Urteil ist, wenn es in diesem Punkte der psychiatrischen Beurteilung folgt, zumindest im Ergebnis nicht zu bemängeln, denn es ist wenig wahrscheinlich, dass es, wenngleich während der genannten epileptischen Zustände komplexe Handlungen und auch Straftaten vorgenommen werden können, in solchen Zuständen zu praktisch identischen Tatausführungen gekommen sein sollte [57].

Zum Thema eines hochgradigen Affekts findet sich im Urteil, das auch insofern mit der psychiatrischen Begutachtung übereinstimmt, nur ein einziger Satz: „Die sexuelle Erregung, in der sich Haarmann befunden haben kann, bewirkt keine Bewusstlosigkeit im Sinne des § 51 StGB.” [58] Diese Beurteilung des Gerichts ist schwer verständlich, besonders wenn man sich vor Augen führt, dass das Tatgeschehen, wie es das Gericht (in der oben zitierten Form) selbst schildert, ohne die Annahme tiefgreifender und schwerwiegender Affekte gar nicht zu erklären ist.

Was das Merkmal der krankhaften Störung der Geistestätigkeit angeht, so konnte nach damaliger Auffassung diese Störung entsprechend der Kraepelinschen Einteilung auf allen Gebieten des geistigen Lebens hervortreten: bei einem Vorgang der Wahrnehmung, der Verstandestätigkeit, des Gefühlslebens, des Wollens oder des Handelns. Der Begriff der Krankhaftigkeit bedeutete damals nach überwiegender Auffassung über die Abweichung vom Normalen hinaus die organische Bedingtheit der Abnormität [59]. So wurde auch der Fall des sogenannten „moralischen Irreseins” (moral insanity) bei Fehlen einer zusätzlichen besonderen pathologischen Grundlage nicht unter die zweite Variante des § 51 StGB subsumiert [60]. Insofern war die Argumentation des Gerichts schlüssig, wenn es das Vorliegen eines im Sinne des § 51 StGB relevanten Schwachsinns trotz der intellektuellen Zurückgebliebenheit Haarmanns verneinte und in gleicher Weise auch die fehlerhafte moralische Einstellung Haarmanns („... besonders tief steht er aber in moralischer Beziehung” [61]) für nicht strafrechtserheblich hielt, nachdem im psychiatrischen Gutachten körperliche Besonderheiten, insbesondere eine organische Hirnerkrankung, ausgeschlossen wurden. Und auch wenn das Gericht bei Haarmann das Krankheitsbild der Hebephrenie, wiederum dem psychiatrischen Gutachten folgend, verneinte, wird man ihm zumindest im Ergebnis angesichts des damaligen Standes psychiatrischen und psychodiagnostischen Wissens zustimmen können.

Insgesamt muss an der psychiatrischen Begutachtung, auf die sich das Gericht einschränkungslos stützte, kritisiert werden, dass ein Gesamtbild der Persönlichkeit Haarmanns und ihres Einflusses auf die Tatbegehung auch nur in deskriptiver, eine gewisse Einfühlung verratender und damit ein Mindestmaß an Verständnis ermöglichender Darstellung nicht entworfen wurde. Vor allem fehlte eine vollständige biographische Anamnese unter Einschluss von Kindheit und Jugend. Entscheidend fällt ins Gewicht, dass die zentrale Frage nach der in der Tat zutage tretenden Dynamik destruktiver und sexueller Affekte nicht einmal gestellt, geschweige denn beantwortet wurde, und dies, obwohl § 51 StGB wie dargestellt unter dem Merkmal der „Bewusstlosigkeit” eine Behandlung dieses Themas verlangte und obwohl der Begriff der Perversion der zeitgenössischen Psychiatrie (wenn auch mit einer gegenüber dem heutigen Begriff abweichenden ätiologischen Fundierung) seit längerem geläufig war [62]. Freilich muss bei dieser Kritik berücksichtigt werden, dass in der psychiatrischen Wissenschaft zu damaliger Zeit unter dem maßgeblichen Einfluss der Lehren Kraepelins Einfühlung und Verstehen keinen allzu hohen Kurswert besaßen. Neben der illegitimen thematischen Beschränkung fällt eine gewisse tendenziöse Parteilichkeit des Gutachtens auf, ferner eine Vermischung von Tatsachenfeststellung und Werturteil, sowie eine deutliche Überbetonung strafrechtlicher Kontrollaspekte.

Das Gericht schloss sich der psychiatrischen Begutachtung gleichwohl in vollem Umfang an und ließ es damit an der kritischen Distanz ihr gegenüber entgegen der Vorschrift des Gesetzes in § 261 StPO in nennenswertem Umfang fehlen. Die genannte Vorschrift normiert damals wie heute den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung. Danach ist die persönliche Überzeugung des Richters von der Schuld des Angeklagten entscheidend. Auch wenn vor Gericht ein Sachverständigen-Gutachten erstattet wird, darf das Gericht das Gutachten nicht automatisch und ungeprüft übernehmen, sondern muss sich durch den Sachverständigen sachkundig machen lassen und danach über die mitgeteilten Tatsachen sowie über deren Bewertung in eigener Verantwortung entscheiden. Zu solch eigenständiger Betrachtung und Beurteilung hätte die offenkundige und gleichsam ins Auge springende Psychopathologie Haarmanns - wie sie auch in den psychiatrischen Protokollen hervortritt - und vor allem die mehr als merkwürdige Form der Tatbegehung besondere Veranlassung geben müssen.

Man wird deshalb zusammenfassend feststellen können, dass selbst bei Berücksichtigung der damals gegenüber heute eingeschränkten Möglichkeiten psychiatrischer Diagnostik und des seinerzeit engeren gesetzlichen Rahmens eine Ausschöpfung des damaligen psychiatrischen Wissensstandes zu ernsten Zweifeln an der Zurechnungsfähigkeit Haarmanns im Tatzeitpunkt hätte führen müssen [63]. Danach hätte bei pflichtgemäßer richterlicher Überzeugungsbildung und bei Berücksichtigung des in dubio - Prinzips ein Schuldspruch und ein entsprechender Strafausspruch nicht erfolgen dürfen. Maßregeln der Besserung und Sicherung kannte das damalige Recht noch nicht. Das Polizeirecht erlaubte jedoch die unter Umständen unbefristete Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt. Es bleiben freilich gewisse Zweifel, ob das damalige Urteil nicht - unter Voraussetzung der seinerzeitigen psychiatrischen und juristischen Mittel der Wahrheitserforschung - bei einer regelgerechten juristischen Würdigung aufgrund des Gesichtspunkts der actio libera in causa hätte Bestand haben können. Das Gericht betrachtet den Fall unter diesem Gesichtswinkel nur ganz kurz und beiläufig. Man wird indessen annehmen können, dass eine erschöpfende gutachterliche und richterliche Wahrheitsermittlung auch der Anwendung dieser Konstruktion die sachverhaltliche Grundlage entzogen hätte.

Man muss für eine gerechte Würdigung des hannoverschen Urteilsspruchs freilich immer bedenken, dass das Gericht wie auch die anderen Prozessbeteiligten dem enormen Druck einer ganz Deutschland erfassenden öffentlichen Erregung ausgesetzt waren, die ihr Urteil längst gesprochen hatte. Sehr genau erfasste der wahrnehmungsfähige und empfindsame Theodor Lessing, der am Prozess teilnahm, den Zusammenhang zwischen der Macht der öffentlichen Meinung und dem Mangel an gesundem Alltagsverstand, einfühlendem Verstehen und besonnener Redlichkeit auf Seiten des Justizpersonals. Er schrieb [64]:

Es bedarf also nur des menschlichen und sachlichen Fühlungnehmens. Gegen diese Grundsätze sündigte das Hannoversche Gericht in fast unbegreiflicher Weise. Man rechtsprechelte fürs Auge. Man versuchte gleichzeitig mit der Entscheidung der Rechtsfälle auch die Prüflese der ‚öffentlichen Meinung‘ einzuleiten. Fortwährend brachten Gerichtsdiener die neuesten Zeitungsblätter. In dem überhitzten Saal, 10 Tage lang von früh bis spät, unausgeschlafen, überrege und überarbeitet, Stuhl an Stuhl sitzend, vermochte keiner etwas anderes zu erfühlen als nur sich selber.

Abschließend soll der Frage nachgegangen werden, wie wohl die gegenwärtige strafrechtliche Behandlung des Falles aussehen würde.

Aus heutiger psychiatrischer Sicht [65] ist angesichts erweiterter und verfeinerter Methoden der Diagnostik und unter Einbeziehung einer tiefenpsychologisch orientierten dynamischen Betrachtungsweise bei Haarmann von einer schweren Persönlichkeitsstörung (im Sinne einer Perversion wie dargetan) auszugehen, die durch eine hinzutretende hirnorganische Beeinträchtigung akzentuiert wurde.

Nach heutigem Recht wäre Haarmanns Verhalten tatbestandlich als Totschlag nach § 212 StGB zu werten. Die Mordqualifikation des § 211 StGB (Abs. 2 : „Mörder ist, wer ... zur Befriedigung des Geschlechtstriebes ... einen Menschen tötet.”) griffe im Ergebnis nicht ein.

Das Gesetz ordnet das Motiv der „Befriedigung des Geschlechtstriebes” unter die „niedrigen Beweggründe” ein und spricht damit Fälle an, in denen das Töten als Mittel der geschlechtlichen Befriedigung benutzt wird. Den Tatbestand des Mordes verwirklicht danach, wer in der Tötungshandlung selbst sexuelle Befriedigung sucht wie im Falle des sogenannten „Lustmordes”, wer tötet, um sich an der Leiche zu vergehen oder wer bei einer Vergewaltigung den Tod des Opfers in Kauf nimmt. Der Begriff des Geschlechtstriebes hat hier dem Alltagsverständnis entsprechend eine ersichtlich engere Bedeutung als der psychoanalytische Terminus der Psychosexualität. Auch ist der vom Gesetz verwendete Begriff des Beweggrundes weder definitorisch leicht und zweifelsfrei zu fassen noch als geistig-seelisches Faktum ohne Verzerrungen feststellbar. Letzteres gilt besonders für den Fall der Perversionen, in denen das sexuelle Moment der Stabilisierung einer labilen psychischen Struktur dient. Entscheidend jedoch gerade im Hinblick auf den Fall Haarmann ist die Tatsache, dass in den Fällen einer Perversionsentwicklung, die zur wiederholten Vornahme von Tötungshandlungen geführt hat, die Abwehr schwerster sadistisch-destruktiver Regungen durch eine ritualisierte sexuelle Inszenierung nicht mehr gelingt und der Zusammenbruch dieses Abwehrmechanismus, da in keiner Weise bewusst und steuerbar, nicht die besondere Verwerflichkeit der Gesinnung des Täters zum Ausdruck bringt, die das Gesetz mit der Nennung der Mordmotive voraussetzt [66].

Wird danach die Tötungshandlung des strukturell Perversen richtigerweise nicht dem Tatbestand des Mordes unterworfen, weil es hierbei nicht um die Suche nach sexuellem Lustgewinn, sondern um die verzweifelte Abwehr einer außer Kontrolle geratenen destruktiven Symptomatik geht, die sich allerdings einer sexuellen Form (häufig geringen Erregungsgrades) bedient, so führt gerade der letztgenannte Umstand dazu, dass die erstinstanzlichen Gerichte sich vielfach an der Oberfläche des Geschehens orientieren, die Funktion und die Rolle der Sexualität des Täters im Gesamtkomplex seiner Psychopathologie nicht sehen und so zur Annahme eines Mordes gelangen [67]. Diese Fehleinschätzung wird oft dadurch begünstigt, dass selbst in Fällen schwerer Perversionsbildung eine unauffällige, sozial angepasste Lebensführung nicht selten gelingt, weil die sexuellen Phantasien kontrolliert ausagiert die Stabilisierung eines zerrissenen und anfälligen Persönlichkeitsgefüges erlauben [68].

Die Frage der Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen regelt das heutige Recht in § 20 StGB. Dort heißt es: „Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.” Die Frage der verminderten Schuldfähigkeit wird in § 21 behandelt.

Üblicherweise wird die Problematik schwerer Perversionen unter dem Merkmal der „schweren anderen seelischen Abartigkeit” diskutiert. Hier findet sich in der Rechtsprechung und in der Literatur unter dem Titel der Triebstörung als ständig wiederholter Obersatz, der die Subsumtionsarbeit leitet, die folgende Formulierung [69]: „ Eine schwere andere seelische Abartigkeit (§§ 20, 21 StGB) in Form einer Triebanomalie kommt in Betracht, wenn die geschlechtliche Triebhaftigkeit des Täters - bei normaler Ausrichtung - derart ausgeprägt ist, dass ihr der Täter selbst bei Aufbietung aller ihm eigenen Willenskräfte nicht ausreichend zu widerstehen vermag, oder wenn sie den Täter in seiner gesamten inneren Grundlage und damit im Wesen seiner Persönlichkeit so verändert, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufbringt, selbst wenn der abnorme Trieb nur von durchschnittlicher Stärke ist.” Obwohl die Formulierung der allein in Betracht kommenden zweiten Alternative etwas ungelenk ist und mit ihrer Vorstellung einer kausal wirkenden geschlechtlichen Triebhaftigkeit auf die Fälle der Perversion nicht recht passt, finden sich neuerdings in der höchstrichterlichen Rechtsprechung [70] und im juristischen Schrifttum [71] Stimmen, die sich bemühen, der Formel einen Gehalt zu geben, der dem Wesen der Perversion gerecht wird. So wird erkannt, dass die perverse Problematik nur im Wege einer Ganzheitsbetrachtung zu erfassen ist, die das Bild der Persönlichkeit des Täters einschließlich ihrer Entwicklung und ihrer Auswirkung auf die Tat umfasst. Auch wird der Abwehrcharakter einer Perversion angesprochen und erkannt, dass selbst schwere sadistische Perversionsbildungen mit ausgesprochen unaggressivem Sozialverhalten und vordergründig guter gesellschaftlicher Eingliederung durchaus vereinbar sind [72]. Schließlich werden Leitsymptome einer für Perversionen typischen sogenannten süchtigen Entgleisung genannt: Verfall an die Sinnlichkeit, zunehmende Frequenz des sexuellen Vollzugs bei abnehmender Befriedigung, Promiskuität und Anonymität sowie progredienter Ausbau von Phantasie und Praktik [73].

Natürlich sind Rechtsprechung und juristische Wissenschaft insgesamt noch weit entfernt davon, auf dem zugegebenermaßen schwer zugänglichen Terrain der Perversionen auf allgemein gebilligten und gesicherten Wegen zu einer sachangemessenen Lösung zu gelangen. Gleichwohl wird man unter den heutigen Bedingungen die Auffassung vertreten können, dass Haarmann bei sachkundiger anwaltlicher Vertretung und bei Hinzuziehung eines tiefenpsychologisch versierten Sachverständigen gute Chancen hätte, wegen Schuldunfähigkeit der gerichtlichen Verhängung einer Strafe zu entgehen. Freilich würde das Gericht in seinem Falle als Maßregel der Besserung und Sicherung die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB anordnen. Eine solche unter Umständen lebenslängliche Unterbringung wird zwingend vorgeschrieben, „wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist”, Voraussetzungen, die bei Haarmann fraglos zu bejahen wären. Damit wäre Haarmann auch unter den Umständen der Gegenwart ein trauriges Los beschieden.

Der Vollzug der Maßregel in einem psychiatrischen Krankenhaus wird im wesentlichen von Sicherheits-, Ordnungs- und Verwaltungsinteressen bestimmt und leidet unter baulichen, personellen und finanziellen Engpässen [74]. Soweit überhaupt von einer Therapie im engeren Sinne gesprochen werden kann, handelt es sich in aller Regel um symptomatisch orientierte medizinisch-pharmakologische Einwirkungen. Ein umfassendes und differenziertes, die diversen Möglichkeiten moderner Behandlungsansätze berücksichtigendes Therapiekonzept fehlt. Besonders für den Sexualdelinquenten läuft die Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zuallermeist auf einen Verwahrvollzug mit einer „triebdämpfenden” pharmakologischen Behandlung hinaus. Erfolgversprechende und in der praktischen Anwendung überprüfte psychotherapeutische Verfahren werden aufs Ganze gesehen nicht genutzt.

Gerade auf dem Gebiet der Perversionsbehandlung wurden auf der Grundlage tiefenpsychologischer Erkenntnisse unter Einbeziehung von Elementen verhaltenstherapeutischer und lerntheoretischer Auffassungen in den letzten Jahrzehnten Therapiekonzeptionen entwickelt und mit Erfolg erprobt [75], die in einen humanen Maßregelvollzug - bei aller Anerkennung des Ausmaßes der zu überwindenden Schwierigkeiten - hätten Eingang finden müssen. Erwähnt sei hier ferner das seit einem halben Jahrhundert in Holland mit Erfolg praktizierte Projekt der sozialtherapeutischen Anstalt [76], in der nach einem fein abgestimmten Gesamtkonzept unter Einschluss analytischer Einzeltherapie in ihrer Entwicklung früh und schwer gestörte Patienten behandelt werden. Auf die Einzelheiten der umfassenden Therapiekonzeption [77] der holländischen Anstalten kann hier nicht eingegangen werden, es sei nur im Hinblick auf die auch für Menschen wie Friedrich Haarmann in Frage kommenden Behandlungsmöglichkeiten klargestellt, dass in Fällen dieser Art mit einer verbalen, noch dazu aufdeckenden analytischen Psychotherapie ohne Anwendung anderer Methoden nicht erfolgreich zu arbeiten ist. In Fällen dieser Art ist vor allem und zuerst eine haltende, stützende, aber auch mit der inneren und äußeren Realität konfrontierende menschliche Begleitung erforderlich, welche eine Nachentwicklung und Nachreifung der Person ermöglicht. Dass auch die größte Bemühung im Falle Haarmanns wahrscheinlich nur begrenzte Wirkungen gezeigt hätte, sei nicht verschwiegen. Jedoch können schon gewisse Veränderungen in Richtung auf Stärkung der Ich-Funktionen, Erhöhung der Realitätseinsicht und Verminderung innerer Spannungen für den Patienten enorme Bedeutung haben.

Die Nennung und Beschreibung der Besonderheiten und Merkwürdigkeiten der seinerzeitigen realen oder heutigen hypothetischen Aktivitäten der strafjustiziellen Verfolgungs- und Sanktionsinstanzen im Fall des Friedrich Haarmann befriedigen das Hauptinteresse, das die vorliegende Untersuchung verfolgt, jedoch noch nicht in hinreichendem Maße. Uns geht es letztlich um die Aufdeckung jenes subkutanen und verschwiegenen Verhältnisses, das die Erscheinungen der sexuellen Perversion und die Manifestationen justizieller Aktivität miteinander verbindet.

Schon auf den ersten Blick muss auffallen, dass es zwischen Haarmann und der damaligen Justiz ein gewisses Einverständnis und ein bestimmtes Zusammenspiel gab. Beiden war jenseits und vor aller Überlegung klar, dass eigentlich nur das Köpfen als Sanktion in Frage käme, und beiden war diese Sanktion - so muss man sagen - erwünscht [78]. Man kann also schon angesichts dieser Übereinstimmung davon sprechen, dass Haarmann die Sache der Justiz mindestens in ebensolchem Maße betrieb wie diese die seinige. Doch es gibt weitere Indizien für diese subliminale Kollusion.

Haarmann leistete 6 Jahre lang vor seiner schließlichen Überführung für die hannoversche Polizei Spitzel- und Zuträgerdienste, so dass er dort mit vielen Beamten auf gutem und vertrautem Fuße stand. Umgekehrt gab er sich an den Plätzen, vor allem im Hauptbahnhof, wo er die jungen Leute ansprach (und gelegentlich auch verhörte), mit Hilfe eines - möglicherweise echten - Ausweises als Polizeibeamter aus. Infolge seiner engen Kooperation mit der Polizei wusste er sich zudem vor Verfolgung wegen seiner eigenen Straftaten sicher. Man sieht, Haarmann war der Polizei, die noch heute von vielen Menschen für eine Art richterliche Instanz gehalten wird, ebenso behilflich wie diese ihm [79]. Übrigens wirkte er auch bei seiner eigenen letzten Festnahme in freiwillig-unfreiwilliger Weise mit, indem er einen Jugendlichen, mit dem er in Streit geraten war, zur Bahnhofswache brachte und seine Verhaftung forderte. Da zufällig ein Beamter des Sittendezernats anwesend war, erfolgte nach der Vernehmung des Jungen und dessen Verhaftung auch sogleich Haarmanns Festnahme. Der Junge hatte Haarmann nämlich beschuldigt, ihn mehrere Tage unter Anwendung von Zwang bei sich behalten und sich an ihm vergangen zu haben.

Diese Zusammenarbeit zwischen Haarmann und den Justizorganen ergibt freilich nicht mehr als eine Reihe von Einzelhinweisen auf jene tiefe unbewusste Gesetzlichkeit, die dem Phänomen perversen Verhaltens in gleicher Weise wie der Erscheinung strafjustizieller Aktivität zugrunde liegt. Gemeint ist hier das geradezu eherne Gesetz der aggressiven Antwort auf aggressives Verhalten oder vielleicht deutlicher und richtiger: der destruktiven Vergeltung jeglicher Destruktion. Wir haben bei der Schilderung der für die Perversionsentstehung maßgeblichen frühkindlichen Konstellation gesehen, dass allzu frühe und tiefe Enttäuschungen menschlicher Bedürfnisse zu massivster Destruktivität führen, welche sich in der Form unerbittlicher Verfolgung und schwerer Ängstigung gegen die kindliche Seele selbst zurückwendet [80]. Nehmen wir die Ausdrucksformen der oralen Phase, in der sich dieses Unglück abspielt, hinzu, so können wir die aus den frühkindlichen Gegebenheiten abzuleitende Regelhaftigkeit auch in der Form des kannibalistischen Grundsatzes des ‚Fressens und Gefressenwerdens‘ zum Ausdruck bringen. Nun ist natürlich sogleich zu bemerken, dass diese frühe Verwundung des Menschen zu allermeist eine einigermaßen angemessene mütterliche Versorgung und wohl auch Beschwichtigung und Heilung findet und selten zu solch fürchterlichen Folgen wie bei Haarmann führt. Aber eine Spur dieser ersten Verwundung und eine Erinnerung an sie scheint doch im allgemeinen zurückzubleiben und das weitere Leben zu begleiten, zumal alle späteren unausweichlichen Enttäuschungen und Kränkungen das ursprüngliche Unglück wieder wecken und die ebenso zwecklose wie entsetzliche Dynamik seiner Bewältigung wieder in Gang bringen.

Die so in jedem Menschen installierte Aggressions- Gegenaggressions- Mechanik liegt ganz wesentlich der späteren Ausbildung seines Gewissens zugrunde als einer Auffangvorrichtung für zerstörerische Regungen in seinem Inneren. Auch in seiner Beurteilung und Behandlung fremden aggressiven oder destruktiven Verhaltens lässt der Mensch sich im wesentlichen von dieser internalisierten Mechanik leiten, wobei er über identifikatorische und projektive Verfahren Kontakt mit der Außenwelt aufnimmt. Das unbewusste interne Reaktionsmuster, auf destruktive Regungen im Außenfeld in destruktiver Weise zu antworten, bestimmt bis auf den heutigen Tag Praxis und Theorie des Strafrechts in allen seinen Prozess- und Sanktionsformen. Das fremde Verhalten wird infolge unbewusster Identifikation mitagiert, und die dadurch ausgelöste Gegenaggression wird projektiv im Außenbereich über bereitstehende Agenturen entladen. Dieses Muster lenkt sowohl die theoretische wie die praktische Tätigkeit des Strafrechts. Gewiss reagiert die Justiz zur Zeit nicht so offenkundig kannibalistisch wie zu Zeiten Haarmanns, als sie ihm in gleicher Weise wie dieser seinen Opfern den Kopf abschlug. Aber schon ein erster Blick lehrt, dass der Nebel der projektiven Verkennung der Realität des Täters sich bis heute nicht entscheidend gelichtet hat und dass aggressive und destruktive Reaktionen trotz aller aufgeklärten Terminologie das Feld der strafjustiziellen Aktions- und Reaktionsformen - bis in die Therapie hinein - bestimmen. Die theoretische Verkennung der Täterpersönlichkeit zeigt sich etwa in der ausnahmslos negativen Formulierung des strafrechtlichen - und strafrechtswissenschaftlichen - Schuldbegriffs (Verbotsirrtum § 17 StGB, Entschuldigender Notstand § 35 StGB, Schuldunfähigkeit § 20 StGB), das heißt, die hinter dem Schuldbegriff stehende seelische Wirklichkeit wird nur ex negativo wahrgenommen und in ihrem Zentrum projektiv mit beurteilereigenem Material überdeckt und überladen [81]. Vergleichbar liegen die Verhältnisse im Bereich der Praxis etwa des Maßregelvollzugs. In den aversiven Techniken der hier gelegentlich angewandten Verhaltenstherapie sind ganz unverkennbar Elemente der Gegenaggression enthalten [82], ganz abgesehen davon, dass auch der Maßregelvollzug insgesamt für den Sexualdelinquenten eigentlich nur so etwas wie Bestrafung bereithält.

So beklagenswert dieser Zustand des heutigen Strafrechts ist, so sollte doch keineswegs übersehen werden, welch enormer Anstrengungen individueller und kollektiver Art es bedarf, die Verhältnisse zu bessern. Es ist vor allem auch die Aufgabe jedes Einzelnen, durch Selbstaufklärung das kannibalistische Phantasma in sich selbst aufzuspüren und es zumindest ruhig zu stellen, um so eine halbwegs tragfähige Grundlage für die weitere Integration abgespaltener Zerstörung und Unglück stiftender Bestandteile zu erwirtschaften. Nur mittels dieser Veränderung seiner selbst durch Aufklärung gewinnt der Einzelne die Möglichkeit, auf praktischem und wissenschaftlichem Feld für den Delinquenten - und nicht nur für diesen - wirklich hilfreiche Arbeit zu leisten [83].

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Schluss

Wir sehen, der Fall des Friedrich Haarmann hat uns zum Schluss auf uns selbst zurückverwiesen. Es kann auch gar nicht anders sein, denn die für das Verständnis seines Schicksals nötigen Teile in uns selbst sind die, die mit den seinen verwandt und ihnen ähnlich sind [84]. Es bleibt unsere Aufgabe, durch seelische Arbeit uns mit uns selbst vertraut zu machen und damit die Grundlage für eine belastbare und produktive Existenz zu gewinnen. Dass die psychologische und die juristische Befassung mit dem Fall Haarmann wie alle kultur- und gesellschaftswissenschaftliche Beschäftigung mit kannibalistischen Motiven und Mythologien für dieses Projekt der Selbstaufklärung nur Praeliminarien darstellen, darf nicht verschwiegen werden[*].

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54 Frank R. Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich nebst dem Einführungsgesetz. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 16. Aufl., 1925: § 211 Nr. 2; ähnlich RGSt 42, 260-262, hier: 262

55 Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 552

56 So bei Frank R. Das Strafgesetzbuch (wie Anm. 54): § 51 Nr. II 1; Mayer M-E. Der Allgemeine Teil des Deutschen Strafrechts. Lehrbuch. Heidelberg: C. Winters, 2. Aufl., 1923: 208-211

57 Im gleichen Sinne auch Pozsár C. Psychiatrischer Kommentar zu den „Haarmann-Protokollen”. In: Pozsár C, Farin M (Hg.): Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 614. Auch im übrigen schließt sich unsere Darstellung dem Kommentar Pozsárs bei i.e.S. psychiatrischen Fragen an.

58 Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 514; vgl. auch ebenda 468, 469

59 Vgl. Frank R. Das Strafgesetzbuch (wie Anm. 54): § 51 Nr. 2; Mezger, E. Der Krankheitsbegriff in § 51 StGB. ZStW 1912; 30: 159-174; RGSt 15, 97-100. A.A. Mayer M-E. Der Allgemeine Teil (wie Anm. 56): 208-211, ausdrücklich auch hinsichtlich „sexueller Perversitäten”.

60 So besonders Mezger E. Der Krankheitsbegriff (wie Anm. 59): 166-169

61 Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 514

62 Hierzu und zum Geist der zeitgenössischen Psychiatrie vgl. Pozsár C. Psychiatrischer Kommentar (wie Anm. 57): 568-570

63 Ebenso Pozsár C. Psychiatrischer Kommentar (wie Anm. 57): 631

64 Lessing T. Haarmann (wie Anm. 1): 175

65 Hierzu im einzelnen Pozsár C. Psychiatrischer Kommentar (wie Anm. 57): 630, 631

66 So auch Schorsch E. Die juristische Bewertung sexueller Tötungen. In: Jäger H, Schorsch E (Hg.): Sexualwissenschaft und Strafrecht. Stuttgart: Enke, 1987: 117-126, hier: 121, 122

66 Zu den verschiedenen juristischen Wegen, die Verwerflichkeit bei den Mordmerkmalen zu berücksichtigen, vgl. Lackner K. Strafgesetzbuch mit Erläuterungen. München: C.H. Beck, 22. Aufl., 1997: Vor § 211 Nr. 19

67 Zu einer solchen Fehleinschätzung vgl. die Entscheidungen der jeweiligen Vorinstanz in BGHSt JR 1990, 119 und BGHSt NStZ 1994, 75, 76

68 Näher hierzu Schorsch E. Die juristische Bewertung (wie Anm. 66): 121

69 So e.g. in BGHSt NStZ 1994, 75

70 Vgl. BGHSt JR 1990, 119 mit Anmerkung Blau; BGHSt NStZ 1993, 181; BGHSt NStZ 1994, 75, 76; BGHSt NStZ 1996, 77, 78

71 Vgl. Schönke A, Schröder H. Strafgesetzbuch. Kommentar. München: Beck, 25. Aufl., 1997: (Lenckner) § 20 Nr. 19-23; Wassermann R (Hg.). Reihe Alternativkommentare. Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bd. 1. Neuwied: Luchterhand, 1990: (Schild) §§ 20, 21 Nr. 98, jeweils mit weiteren Nachweisen.

72 So in BGHSt NStZ 1994, 75, 76

73 So in BGHSt NStZ 1993, 181

74 Zur Realität des Vollzugs der Maßregel vgl. Albrecht P-A. Aspekte des Maßregelvollzugs im psychiatrischen Krankenhaus. Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 1978; 61: 104-126, und Kammeier H. Maßregelvollzugsrecht. Kommentar. Berlin/New York: Walter de Gruyter 1995: 120, 121

75 Man vgl. etwa Schorsch E, Galedary G, Haag A, Hauch M, Lohse H. Perversion als Straftat. Stuttgart: Enke, 2. Aufl., 1996. Vgl. ferner: Reiche R. Psychoanalytische Therapie sexueller Perversionen. In: Sigusch V (Hg.): Sexuelle Störungen und ihre Behandlung. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2. Aufl., 1997: 241-265; Schorsch E. Therapie mit Sexualstraftätern. In: Jäger H, Schorsch E (Hg.): Sexualwissenschaft und Strafrecht. Stuttgart: Enke, 1987: 127-133; Schorsch E. Sexuelle Perversionen: Ideologie, Klinik, Kritik. In: Sigusch V (Hg.): Therapie sexueller Störungen. Stuttgart/New York: Thieme, 2. Aufl., 1980: 119-158

76 Vgl. e.g. Goudsmit W, Reicher JW. Sozialtherapie schwerstgestörter Delinquenten auf psychoanalytischer Grundlage. In: Sigusch V (Hg.): Therapie sexueller Störungen. Stuttgart/New York: Thieme, 2. Aufl., 1980: 247-265

77 Hierzu siehe Reicher JW. Die Entwicklungspsychopathie und die analytische Psychotherapie von Delinquenten. Psyche 1976; 30: 604-612; Rotthaus KP. Die neue Dr.-van-der-Hoeven-Kliniek in Utrecht. Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 1978; 61: 126-134; Warmerdam AA. Soziotherapeutische Basistherapie mit Delinquenten. Psyche 1976; 30: 589-598

78 Unzählige Male betont Haarmann, dass er geköpft werden will. Man vgl. etwa Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 351

79 Lessing T. Haarmann (wie Anm. 1): 77, 78, sagt dazu: „Die Wahrheit ist, dass das Treiben Haarmanns zwischen 1918 und 1924 gerade nur darum möglich war, weil er unter beständiger Polizeiaufsicht stand und weil von einem so allvertrauten, allgemein beliebten und täglich mit allen Polizeipersonen freundschaftlich verkehrenden Manne man zwar alle erdenklichen sittlichen Laster, ganz sicher aber nie einen tief verborgenen Mordwahnsinn vermutete.”

80 Gesprochen wird hier von der paranoid-schizoiden Position i.S. Melanie Kleins und verwandten Auffassungen; man vgl. hierzu die Ausführungen in Anm. 12.

81 Ein Versuch, die Dogmatik des Allgemeinen Teils des Strafrechts anhand tiefenpsychologischer Einsichten zu durchleuchten und umzuformulieren, findet sich bei Behrendt H-J. Die Unterlassung im Strafrecht. Entwurf eines negativen Handlungsbegriffs auf psychoanalytischer Grundlage. Baden-Baden: Nomos, 1979. Man vgl. ferner: Derselbe. Das Prinzip der Vermeidbarkeit im Strafrecht. In: Vogler T (Hg.). Festschrift für Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag. Berlin: Duncker und Humblot, 1985: 303-311

82 Im gleichen Sinne Schorsch E. Therapie mit Sexualstraftätern (wie Anm. 75): 129, 130

83 Zur Bedeutung von Selbsterfahrung und Selbsterkenntnis für die wissenschaftliche Arbeit vgl. Behrendt H-J. Von der Befähigung zur Wissenschaft. In: Werner O, Häberle P, Kitagawa Z, Saenger I (Hg.). Brücken für die Rechtsvergleichung. Festschrift für Hans G. Leser. Tübingen: Mohr Siebeck, 1998: 84-102

84 Mit vollem Recht heißt es deshalb bei Fischer G, Riedesser P. Psychotraumatologie (wie Anm. 11): 60: "Das traumatisierte Individuum ist kein isoliertes Einzelwesen, sondern um einen zunächst paradox klingenden Begriff zu verwenden, ein "individuelles Allgemeines", d.h. die Besonderung jener allgemein menschlichen Möglichkeiten, sozialen Absprachen, Lebensprinzipien und Lebenswerte, an denen wir alle teilhaben, so dass ihre Verletzung letztlich uns alle als eine eigene Möglichkeit betrifft."

85 Der Verfasser hat im Wintersemester 1998/99 und im Sommersemester 1999 an einem vom Psychoanalytischen Seminar Freiburg veranstalteten Seminar zum Thema der Perversion mit großem Gewinn teilgenommen. Er dankt den beiden Seminarleiterinnen Frau Erika Kittler und Frau Dr.med. Erika Krejci auch an dieser Stelle.

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Autor:

Prof. Dr. iur. Hans - Joachim Behrendt

Kartäuserstr. 118 f

79104 Freiburg

Telefon: Tel. 0761 / 22255

eMail: brep@uni-freiburg.de

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54 Frank R. Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich nebst dem Einführungsgesetz. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 16. Aufl., 1925: § 211 Nr. 2; ähnlich RGSt 42, 260-262, hier: 262

55 Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 552

56 So bei Frank R. Das Strafgesetzbuch (wie Anm. 54): § 51 Nr. II 1; Mayer M-E. Der Allgemeine Teil des Deutschen Strafrechts. Lehrbuch. Heidelberg: C. Winters, 2. Aufl., 1923: 208-211

57 Im gleichen Sinne auch Pozsár C. Psychiatrischer Kommentar zu den „Haarmann-Protokollen”. In: Pozsár C, Farin M (Hg.): Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 614. Auch im übrigen schließt sich unsere Darstellung dem Kommentar Pozsárs bei i.e.S. psychiatrischen Fragen an.

58 Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 514; vgl. auch ebenda 468, 469

59 Vgl. Frank R. Das Strafgesetzbuch (wie Anm. 54): § 51 Nr. 2; Mezger, E. Der Krankheitsbegriff in § 51 StGB. ZStW 1912; 30: 159-174; RGSt 15, 97-100. A.A. Mayer M-E. Der Allgemeine Teil (wie Anm. 56): 208-211, ausdrücklich auch hinsichtlich „sexueller Perversitäten”.

60 So besonders Mezger E. Der Krankheitsbegriff (wie Anm. 59): 166-169

61 Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 514

62 Hierzu und zum Geist der zeitgenössischen Psychiatrie vgl. Pozsár C. Psychiatrischer Kommentar (wie Anm. 57): 568-570

63 Ebenso Pozsár C. Psychiatrischer Kommentar (wie Anm. 57): 631

64 Lessing T. Haarmann (wie Anm. 1): 175

65 Hierzu im einzelnen Pozsár C. Psychiatrischer Kommentar (wie Anm. 57): 630, 631

66 So auch Schorsch E. Die juristische Bewertung sexueller Tötungen. In: Jäger H, Schorsch E (Hg.): Sexualwissenschaft und Strafrecht. Stuttgart: Enke, 1987: 117-126, hier: 121, 122

66 Zu den verschiedenen juristischen Wegen, die Verwerflichkeit bei den Mordmerkmalen zu berücksichtigen, vgl. Lackner K. Strafgesetzbuch mit Erläuterungen. München: C.H. Beck, 22. Aufl., 1997: Vor § 211 Nr. 19

67 Zu einer solchen Fehleinschätzung vgl. die Entscheidungen der jeweiligen Vorinstanz in BGHSt JR 1990, 119 und BGHSt NStZ 1994, 75, 76

68 Näher hierzu Schorsch E. Die juristische Bewertung (wie Anm. 66): 121

69 So e.g. in BGHSt NStZ 1994, 75

70 Vgl. BGHSt JR 1990, 119 mit Anmerkung Blau; BGHSt NStZ 1993, 181; BGHSt NStZ 1994, 75, 76; BGHSt NStZ 1996, 77, 78

71 Vgl. Schönke A, Schröder H. Strafgesetzbuch. Kommentar. München: Beck, 25. Aufl., 1997: (Lenckner) § 20 Nr. 19-23; Wassermann R (Hg.). Reihe Alternativkommentare. Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bd. 1. Neuwied: Luchterhand, 1990: (Schild) §§ 20, 21 Nr. 98, jeweils mit weiteren Nachweisen.

72 So in BGHSt NStZ 1994, 75, 76

73 So in BGHSt NStZ 1993, 181

74 Zur Realität des Vollzugs der Maßregel vgl. Albrecht P-A. Aspekte des Maßregelvollzugs im psychiatrischen Krankenhaus. Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 1978; 61: 104-126, und Kammeier H. Maßregelvollzugsrecht. Kommentar. Berlin/New York: Walter de Gruyter 1995: 120, 121

75 Man vgl. etwa Schorsch E, Galedary G, Haag A, Hauch M, Lohse H. Perversion als Straftat. Stuttgart: Enke, 2. Aufl., 1996. Vgl. ferner: Reiche R. Psychoanalytische Therapie sexueller Perversionen. In: Sigusch V (Hg.): Sexuelle Störungen und ihre Behandlung. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2. Aufl., 1997: 241-265; Schorsch E. Therapie mit Sexualstraftätern. In: Jäger H, Schorsch E (Hg.): Sexualwissenschaft und Strafrecht. Stuttgart: Enke, 1987: 127-133; Schorsch E. Sexuelle Perversionen: Ideologie, Klinik, Kritik. In: Sigusch V (Hg.): Therapie sexueller Störungen. Stuttgart/New York: Thieme, 2. Aufl., 1980: 119-158

76 Vgl. e.g. Goudsmit W, Reicher JW. Sozialtherapie schwerstgestörter Delinquenten auf psychoanalytischer Grundlage. In: Sigusch V (Hg.): Therapie sexueller Störungen. Stuttgart/New York: Thieme, 2. Aufl., 1980: 247-265

77 Hierzu siehe Reicher JW. Die Entwicklungspsychopathie und die analytische Psychotherapie von Delinquenten. Psyche 1976; 30: 604-612; Rotthaus KP. Die neue Dr.-van-der-Hoeven-Kliniek in Utrecht. Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 1978; 61: 126-134; Warmerdam AA. Soziotherapeutische Basistherapie mit Delinquenten. Psyche 1976; 30: 589-598

78 Unzählige Male betont Haarmann, dass er geköpft werden will. Man vgl. etwa Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 351

79 Lessing T. Haarmann (wie Anm. 1): 77, 78, sagt dazu: „Die Wahrheit ist, dass das Treiben Haarmanns zwischen 1918 und 1924 gerade nur darum möglich war, weil er unter beständiger Polizeiaufsicht stand und weil von einem so allvertrauten, allgemein beliebten und täglich mit allen Polizeipersonen freundschaftlich verkehrenden Manne man zwar alle erdenklichen sittlichen Laster, ganz sicher aber nie einen tief verborgenen Mordwahnsinn vermutete.”

80 Gesprochen wird hier von der paranoid-schizoiden Position i.S. Melanie Kleins und verwandten Auffassungen; man vgl. hierzu die Ausführungen in Anm. 12.

81 Ein Versuch, die Dogmatik des Allgemeinen Teils des Strafrechts anhand tiefenpsychologischer Einsichten zu durchleuchten und umzuformulieren, findet sich bei Behrendt H-J. Die Unterlassung im Strafrecht. Entwurf eines negativen Handlungsbegriffs auf psychoanalytischer Grundlage. Baden-Baden: Nomos, 1979. Man vgl. ferner: Derselbe. Das Prinzip der Vermeidbarkeit im Strafrecht. In: Vogler T (Hg.). Festschrift für Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag. Berlin: Duncker und Humblot, 1985: 303-311

82 Im gleichen Sinne Schorsch E. Therapie mit Sexualstraftätern (wie Anm. 75): 129, 130

83 Zur Bedeutung von Selbsterfahrung und Selbsterkenntnis für die wissenschaftliche Arbeit vgl. Behrendt H-J. Von der Befähigung zur Wissenschaft. In: Werner O, Häberle P, Kitagawa Z, Saenger I (Hg.). Brücken für die Rechtsvergleichung. Festschrift für Hans G. Leser. Tübingen: Mohr Siebeck, 1998: 84-102

84 Mit vollem Recht heißt es deshalb bei Fischer G, Riedesser P. Psychotraumatologie (wie Anm. 11): 60: "Das traumatisierte Individuum ist kein isoliertes Einzelwesen, sondern um einen zunächst paradox klingenden Begriff zu verwenden, ein "individuelles Allgemeines", d.h. die Besonderung jener allgemein menschlichen Möglichkeiten, sozialen Absprachen, Lebensprinzipien und Lebenswerte, an denen wir alle teilhaben, so dass ihre Verletzung letztlich uns alle als eine eigene Möglichkeit betrifft."

85 Der Verfasser hat im Wintersemester 1998/99 und im Sommersemester 1999 an einem vom Psychoanalytischen Seminar Freiburg veranstalteten Seminar zum Thema der Perversion mit großem Gewinn teilgenommen. Er dankt den beiden Seminarleiterinnen Frau Erika Kittler und Frau Dr.med. Erika Krejci auch an dieser Stelle.

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