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DOI: 10.1055/s-2001-16974
Hämosiderose des Zentralnervensystems aufgrund rezidivierender Subarachnoidalblutungen bei myxopapillärem Ependymom der Cauda equina
Publication History
Publication Date:
10 September 2001 (online)
Die Hämosiderose des Zentralnervensystems ist eine seltene Erkrankung mit weltweit bislang weniger als 150 Fallbeschreibungen. Die Diagnose stützt sich zuerst auf die klinische Symptomatik mit bilateralem Hörverlust, zerebellärer Gang- und Standataxie, Pyramidenbahnzeichen sowie der späteren Entwicklung einer Demenz. Versuche an Hunden, in denen durch wiederholte Injektionen von Blut oder Eisen in den Subarachnoidalraum eine Siderose des ZNS erzeugt werden konnte, sowie Liquorbefunde bei betroffenen Patienten stützen die Theorie rezidivierender SAB's als Erkrankungsursache (Iwanowski et al. J Neuropathol Exp Neurol 1960; 19:433).
Zerebrale Hämosiderosen können unterschieden werden in idiopathische Fälle, d. h. Hämosiderosen ohne Nachweis einer ursächlichen Erkrankung, sowie in sekundäre Formen mit diagnostizierter Blutungsquelle. Conus- bzw. Cauda-equina-Ependymome gehören zu den häufigeren Befunden bei sekundären Hämosiderosen (weltweit ca. 10 Fälle). An unserem Patienten ist von besonderer Bedeutung, dass kernspintomographisch wie auch histopathologisch Einblutungen in den intraduralen Tumor nachweisbar waren und somit die Ätiologie der Hämosiderose belegten.
#Fallbeschreibung
Die stationäre Aufnahme des 61-jährigen Patienten erfolgte aufgrund einer seit Dezember 1999 bestehenden und langsam progredienten Parese des rechten Beines mit Hypästhesie und Hypalgesie. Ferner klagte er über zunehmende Konzentrations- und Gedächtnisstörungen. Seit mehreren Jahren bestanden eine Anakusis rechts sowie eine ausgeprägte Hypakusis links. In der klinischen Untersuchung zeigten sich zudem eine zerebelläre Ataxie und Pyramidenbahnzeichen.
In der Kernspintomographie des Schädels fanden sich in den T2*-gewichteten Gradientenecho-Sequenzen bandförmige Hypointensitäten als Ausdruck von Suszeptibilitätsartefakten im Bereich der äußeren Liquorräume, vor allem in der Oberwurmzisterne und um den Hirnstamm (Abb. [1]). Als Ursache der supratentoriell aufgeweiteten Liquorräume fand sich - bei durchgängigem Aquädukt - ein Hydrocephalus malresorptivus. MR-angiographisch konnte intrakraniell kein Aneurysma nachgewiesen werden.
Die Diagnostik des Spinalkanals wies mehrere bis zu 3,5 cm große, intradural gelegene, kräftig KM-aufnehmende Raumforderungen lumbo-sakral nach (Abb. [2]). In der T2*-gewichteten FLASH 2D- und TSE-Sequenz zeigten die Tumoren wie auch der Conus medullaris und die Cauda equina teilweise ausgeprägte Signalminderungen (Abb. [3] und [4]).
Die Histologie der lumbal und sakral gelegenen Tumoren ergab ein myxopapilläres Ependymom WHO Grad I mit zahlreichen frischen Einblutungen und fokalen Residuen älterer Hämorrhagien in Form von Hämosiderinpigmentablagerungen.
Postoperativ war der Patient mit Hilfe eines Rollators wieder voll steh- und gehfähig.
Der Liquorbefund bei Entlassung war normal, insbesondere hatte sich der Eisenwert im Liquor von präoperativ 56 µg/dl auf postoperativ 8 µg/dl erniedrigt.
#Diskussion
Die umfangreichste Einzelarbeit zur zerebralen Hämosiderose erfasst lediglich 8 Patienten. In einer Übersicht, die Fallbeschreibungen aus 41 Publikationen analysierte (Fearnley et al., Brain 1995;118:1051 - 1066), fand sich eine Blutungsquelle bei lediglich 34 von insgesamt 63 Patienten (54 %). Bei 20 dieser 34 Patienten lag die Blutungsquelle intrakraniell (59 %). Hierbei handelte es sich vor allem um Patienten mit verschiedenen hirneigenen Tumoren (n = 7), mit Komplikationen nach Hemispherektomie wegen therapierefraktärer Epilepsie (n = 5) sowie um Patienten mit Gefäßerkrankungen (n = 3). Mit einem Anteil von ca. 21 % folgten Erkrankungen des zervikalen Myelons, wobei in 5 von 7 Fällen ein Nervenwurzelausriss vorlag. Eine Blutungsquelle im thorakalen Spinalkanal wurde lediglich bei einem Patienten gefunden (arteriovenöse Malformation). Erkrankungen des lumbalen Spinalkanals lagen in 7 Fällen (21 %) vor, wobei Cauda-equina-Ependymome 5-mal nachweisbar waren. Trotz einer nur mäßigen Vaskularisation weisen diese Tumoren oft Einblutungen und zystische Veränderungen auf. Bedingt durch die rezidivierenden Einblutungen, die auch auf den Subarachnoidalraum übergreifen können, zeigen myxopapilläre Ependymome in T2-gewichteten Sequenzen randständig oft hypointense Areale. Bei unserem Patienten ließen sich die Residuen der Einblutungen mit FLASH-Sequenzen nachweisen.
In einer ausführlichen pathologisch-anatomischen Fallbeschreibung von 4 Patienten führte Rosenthal die als Markscheidendegeneration zu beobachtende Parenchymschädigung auf die toxische Wirkung des Eisens zurück (Rosenthal P., Dt Z Nervenheilk 1958; 178: 431 - 472). Bevorzugt betroffen sind daher Gebiete mit enger Beziehung zum Subarachnoidalraum, besonders der Hirnstamm, das Kleinhim und das Rückenmark. Da zerebellär vor allem der Oberwurm befallen ist, steht bei vielen Patienten eine Gang- und Standataxie mit ungerichteter Fallneigung im Rombergschen Stehversuch klinisch im Vordergrund.
Von den Hirnnerven ist der N. vestibulocochlearis wahrscheinlich wegen seines langen glialen Segments und seines langen Verlaufs durch die pontine Zisterne mit höherem Liquorfluss und hierdurch bedingten ausgedehnten Ablagerungen von Hämosiderin bevorzugt betroffen (Fearnley et al., Brain 1995; 118: 1051 - 1066). Die auch bei unserem Patienten seit Jahren bestehende Anakusis rechts und Hypakusis links sind Folgen einer vorwiegend axonalen Schädigung.
Infolge Befalls des Rückenmarks wird ein myelopathisches Syndrom mit beidseitigen Pyramidenbahnzeichen in 50 % der Patienten beobachtet. Gelegentlich wurde ein Hydrozephalus bei Verschluss der basalen Foramina oder infolge einer Obliteration des Subarachnoidalraumes beschrieben (Fearnley et al., Brain 1995; 118: 1051 - 1066).
Das Schädel-CT kann lediglich in 20 % der Fälle Hämosiderinablagerungen um den Hirnstamm nachweisen, die dann als hyperdenser Ring imponieren (Bracchi et al., AJNR 1993; 14: 227 - 236). Eine Kleinhirnatrophie mit Maximum im Bereich des Oberwurms haben gut die Hälfte aller Patienten (Fearnley et al., Brain 1995; 118: 1051 - 1066). Die Kernspintomographie ist heute unbestritten die Methode der Wahl und vor allem bei höheren Feldstärken durch die Verwendung von T2*-gewichteten Gradientenecho-Sequenzen sehr sensitiv im Nachweis von Hämosiderinablagerungen aufgrund der Suszeptibilitätsartefakte. Die durch Magnetfeldinhomogenitäten bedingten, saumartigen, leptomeningealen Signalauslöschungen um die befallenen Hirnareale zeigen sich besonders eindrucksvoll am Hirnstamm. Eine teilweise beobachtete, lepto-meningeale KM-Anreicherung im MR ist bedingt durch die Fibrose als Folge einer aseptischen Meningitis nach chronischer SAB. Sie gilt jedoch nicht als klassisches diagnostisches Kriterium einer Hämosiderose.
Um bei Patienten mit zerebraler Hämosiderose eine Blutungsquelle zu lokalisieren, ist es unerlässlich, das gesamte Hirn und Rückenmark abzuklären, was gegenwärtig primär mittels MRT erfolgt. Sofern sich dabei keine pathologischen Befunde ergeben, ist die Durchführung einer zerebralen Panangiographie sowie auch selektiver spinaler Angiographien erforderlich, um auch kleine Gefäßmissbildungen sicher nachweisen oder ausschließen zu können. Das Auffinden und die Ausschaltung solcher blutungsverursachenden Gefäßmalformationen oder Tumoren stellen die einzige Therapieoption dar, um die Progredienz der Erkrankung zu stoppen. Medikamentös kann durch Eisen-/ Kupfer-Chelatbildner der Krankheitsverlauf in Einzelfällen nur für eine kurze Zeit verzögert werden (Fearnley et al., Brain 1995;118:1051 - 1066).
A. Hillemanns, A. Kastrup, H. Krapf, Tübingen