Krankenhauspsychiatrie 2001; 12(3): 121-124
DOI: 10.1055/s-2001-17654
PSYCHIATRIEGESCHICHTE

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die relativ verbundene Heil- und Pflegeanstalt in Halle-Nietleben - Eine konzeptionsgeschichtlich interessante Modellanstalt für einen neuen psychiatrischen Versorgungstyp in Deutschland

Teil 1: Der Anstaltstypus der „relativ verbundenen Heil- und Pflegeanstalt” in seiner Entwicklung und zeitgeschichtlichen BedeutungThe German Version of a “Relatively Integrated Mental Hospital and Asylum” at Halle-Nietleben - Part 1: A Model of Conceptual and Architectonical Interest as a New Type of Mental Home and Care in 19th Century GermanyF. Kohl
  • Freiburg
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Publication History

Publication Date:
05 October 2001 (online)

Zusammenfassung

Es wird ein Überblick zur Konzeption, der Planung und den wichtigsten Etappen der Bau- und Wirkungsgeschichte der psychiatrischen Anstalt in Halle-Nietleben gegeben. Zusammen mit der einige Jahre früher (1842) von Chr. F. W. Roller bei Achern in Mittelbaden begründeten „Illenau” stellt diese Anstalt den Prototyp der nachhin so bedeutenden „relativ verbundenen Heil- und Pflegeanstalt” dar. Der Gründungsdirektor der Nietlebener Anstalt, Heinrich Damerow (1798 - 1866), wirkte über mehr als ein Jahrzehnt zielstrebig auf einen Anstaltsneubau - im Übrigen den viertältesten in Deutschland - hin. Damerow konnte in dieser Zeit nicht nur die theoretischen Grundlagen der „relativ verbundenen Heil- und Pflegeanstalt” erarbeiten und monografisch darstellen, er war zugleich maßgeblich an der Begründung des neuen Berufsstandes der Anstaltspsychiater beteiligt. In den über 20 Jahren seiner Tätigkeit in Nietleben (1844 - 1866) konnte er eine für ganz Mitteldeutschland maßgebliche Modellanstalt aufbauen, die nicht nur baugeschichtlich interessant war, sondern auch Maßgebliches für Patientenbehandlung und zur Ausbildung junger Irrenärzte über mehrere Jahrzehnte geleistet hat. Da sich allerdings Damerows Amtsnachfolger in Nietleben - Moritz Koeppe (1832 - 1879) sowie Eduard Hitzig (1838 - 1907) - vornehmlich um den Ausbau anderer Kliniken in Halle an der Saale und in Alt-Scherbitz bei Schkeuditz bemühten, betrieben sie - wohl unbeabsischtigt - implizit auch den zunehmenden Niedergang der Nietlebener „Mutteranstalt”. Nach Jahrzehnten als „Versorgungsklinik” wurde die Nietlebener Anstalt in den 1930er Jahren von den NS-Machthabern aufgelöst und zweckentfremdet genutzt. Ungeachtet dieses tragischen Endes repräsentierte die Nietlebener Anstalt - ähnlich der Illenau - einen exemplarischen Versorgungstyp im psychiatrischen Krankenhausbau, dessen Auswirkungen bis heute in den Strukturen der psychiatrischen Institutionen nachwirken.

We give an overview on the history of the mental asylum of Halle-Nietleben, which was a “pioneer asylum” of the type of the “relatively integrated mental homes and hospitals” which became very influential in German-speaking countries. Founded by Heinrich Damerow (1798 - 1866) in 1844, the asylum of Halle-Nietleben also became an important site of psychiatric education until the 1870's; afterwards its importance was surpassed by the subsequently founded neighbouring psychiatric university clinic of Halle/Saale (1885) and the new type of asylum in Alt-Scherbitz, built in pavillon style. Nevertheless, the asylum of Halle-Nietleben represents a progressive type of psychiatric institution which has influenced the development of psychiatric hospitals to the present day.

  • 01 Literatur siehe Teil 2.

Dr. Franz Kohl

Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie,
Psychotherapeutische Medizin/Rehabilitationswesen

Schillerstr. 18

79102 Freiburg