Epidemiologische Studien haben eindeutig gezeigt, dass
das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen mit dem Blutdruck
ansteigt. Dies gilt nicht nur für Herzinfarkt, plötzlichen
Herztod und Schlaganfall, sondern auch für die Herzinsuffizienz.
Für die Festlegung der Blutdrucknormalwerte gibt es keinen Schwellenwert,
ab dem das kardiovaskuläre Risiko ansteigt. Vielmehr scheint
die Beziehung zwischen Blutdruck und kardiovaskulärem Risiko
kontinuierlich wahrscheinlich schon ab 120 mmHg systolisch und 80
mmHg diastolisch anzusteigen.
In der vorliegenden Arbeit soll dargestellt werden, welches die
aktuellen Blutdruckgrenzwerte sind und wie das kardiovaskuläre
Risiko in Abhängigkeit von Begleiterkrankungen die Therapieindikation
und die Blutdruckzielwerte bestimmt. Eine Schwierigkeit besteht
darin, dass sich alle gebräuchlichen Grenz- und Zielwerte
auf Gelegenheitsmessungen des Blutdrucks in der Praxis beziehen.
Auch wenn sich in der Praxis zunehmend komplementäre Blutdruckmessmethoden
wie Blutdruckselbstmessung und ambulante 24-h-Messung durchsetzen,
existieren nur in sehr begrenztem Umfang prognostische Daten bezüglich
dieser Messmethoden. Norm- und Zielwerte des Blutdrucks können
jedoch nicht von der Praxismessung auf andere Messmethoden übertragen
werden.
Definition und Klassifikation des Bluthochdrucks (WHO
1999)
Definition und Klassifikation des Bluthochdrucks (WHO
1999)
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat zusammen mit der International
Society of Hypertension im Jahre 1999 eine Klasifikation des Bluthochdrucks
publiziert [1]. Neben der Definition
eines optimalen Blutdrucks bei 120/80 mmHg und der Einführung
einer Kategorie »hochnormal« [Tab. 1] ist die Klassifikation des Schweregrads
geändert worden. Die früher gebräuchlichen
Kategorien mild, mittelschwer und schwer wurden in Grad 1-3
geändert, und die Grenzwerte wurden gesenkt. Falls systolischer
und diastolischer Blutdruck in unterschiedliche Schweregrade fallen
( z. B. 182/103 mmHg) gilt die höhere
Kategorie (hier Grad 3). Im Unterschied zu früheren Definitionen
(z. B. International Society of Hypertension 1993) werden
die Hypertonie im Alter und die isolierte systolische Hypertonie
nicht separat behandelt. Die vorliegenden Grenzwerte gelten also
in gleicher Weise für alle Altersgruppen. Die Tatsache,
dass die Prävalenz der Hypertonie bei Anwendung der neuen
Grenzwerte im Alter stark ansteigt, spiegelt eben das sehr hohe
kardiovaskuläre Risiko im Alter wider. Die Normwerte orientieren
sich also nicht an der Prävalenz, sondern an der prognostischen
Bedeutung von Blutdruckwerten.
Tab. 1 Definition
und Klassifikation des Bluthochdrucks gültig für
alle Altersgruppen (WHO 1999).
|
Blutdruck
(mmHg)
|
|
systolisch
|
diastolisch
|
Optimal
|
<120
|
<80
|
Normal
|
<130
|
<85
|
Hochnormal
|
<140
|
<90
|
Hypertonie Grad 1
|
140-159
|
90-99
|
- Subgruppe: grenzwertig
|
140-149
|
90-94
|
Hypertonie: Grad 2
|
160-179
|
100-109
|
Hypertonie: Grad 3
|
≥180
|
≥110
|
Isolierte systolische Hypertonie
|
≥140
|
<90
|
-Subgruppe: grenzwertig
|
140-149
|
<90
|
Die angegeben Grenzwerte gelten für Gelegenheitsmessung des
Blutdrucks in der Praxis. Da der Blutdruck eine sehr hohe spontane
Variabilität zeigt, sollte die Blutdruckmessung mehrmals
an verschieden Tagen nach mindestens 5- bis 10- minütiger
Ruhe im Sitzen wiederholt werden. Zumindest bei Älteren
sollte die Messung auch im Liegen und nach dem Aufstehen (Orthostase)
durchgeführt werden. Die Normgrenzen sind jedoch nicht
mit den Zielblutdruckwerten gleichzusetzen, die im Folgenden diskutiert
werden.
Bedeutung von systolischem und diastolischem Blutdruck
und Blutdruckamplitude
Bedeutung von systolischem und diastolischem Blutdruck
und Blutdruckamplitude
In der Praxis stellt sich oft die Frage, ob das kardiovaskuläre Risiko
enger mit dem diastolischen oder dem systolischen Blutdruck korreliert.
Frühere Hypertoniedefinitionen und Interventionsstudien
haben die Bedeutung des diastolischen Blutdrucks betont. Dies führte
zu einer Unterschätzung der Bedeutung des systolischen
Blutdrucks insbesondere bei Patienten mit isolierter systolischer
Hypertonie. Inzwischen wird davon ausgegangen, dass der systolische
Blutdruck enger mit dem Risiko für ein kardiovaskuläres
Ereignis assoziiert ist [2]. Schon
Daten aus der MRFIT-Studie aus den achtziger Jahren haben dies dokumentiert [3]
. Es wird geschätzt, dass
etwa 75 % der Hypertoniker in den industrialisierten
Ländern nicht zufriedenstellend therapiert sind und dass
bei über 90 % in dieser Gruppe der systolische
Blutdruck unzureichend kontrolliert ist.
Weiterhin ist auch die Blutdruckamplitude (Differenz systolischer
minus diastolischer Blutdruck) ein unabhängiger Risikofaktor. Über
den Normwert für die Blutdruckamplitude herrscht noch kein
Konsens. Es kann aber von 60 mmHg als Grenzwert ausgegangen werden.
Die Bedeutung der Blutdruckamplitude ist für Hypertoniker
im mittleren und höherem Lebensalter eindeutig dokumentiert.
Für Hypertoniker unter 40 Jahren ist zu Beginn der Entwicklung
eines Bluthochdrucks häufig jedoch eher der diastolische
Blutdruck erhöht und somit die Blutdruckamplitude eher
gering.
Stratifikation von Hypertonikern nach kardiovaskulärem
Risiko
Stratifikation von Hypertonikern nach kardiovaskulärem
Risiko
Zusätzlich zur Blutdruckhöhe wird das absolute
kardiovaskuläre Risiko nach Risikofaktoren (z.B. Rauchen),
Folge- und Begleiterkrankungen (z.B. transitorische ischämische
Atta-cke) und Endorganschäden (z.B. Mikroalbuminurie) ermittelt [Tab. 2].
Die Behandlungsindikation wird nach diesem Konzept auch durch das
gesamte kardiovaskuläre Risiko und nicht nur durch die
Blutdruckhöhe bestimmt [1].
Mit Hilfe dieser Stratifizierung wird das 10-Jahres-Risiko hinsichtlich
kardiovaskulärem Tod, Schlaganfall oder Myokardinfarkt,
ermittelt durch die großen Prognosestudien, wiedergegeben [Tab. 3]
.
Tab. 2 Risikofaktoren,
Folge- und Begleiterkrankungen sowie Endorganschäden, die
für die Stratifizierung herangezogen werden.
Risikofaktoren
Rauchen
Dyslipoproteinämie
Diabetes
mellitus
positive Familienanamnese
Alter
- Männer: ≥
55 Jahre
- Frauen: ≥ 65 Jahre
Folge- und Begleiterkrankungen
symptomatische
KHK
Herzinsuffizienz
Schlaganfall oder TIA
Nierenerkrankung/Proteinurie
periphere
arterielle Verschlusskrankheit
Endorganschäden
Linksherzhypertrophie
Mikroalbuminurie
arteriosklerotische
Plaques (sonographischer oder radiologischer Nachweis)
leichte
Kreatininerhöhung
Retinopathie
|
Tab. 3 Risikostratifizierung
nach Blutdruck, Begleiterkrankungen, Endorganschäden und
Risikofaktoren.
weitere Risikofaktoren und Erkrankungen
|
Blutdruck
(mmHg)
|
|
Grad 1
SBD 140 - 159
oder
DBD 90 - 99
|
Grad 2
SBD 160 - 179
oder
DBD 100 - 109
|
Grad 3
SBD ≥ 180
oder
DBD ≥ 110
|
keine anderen Risikofaktoren
|
niedriges Risiko
|
mittleres Risiko
|
hohes Risiko
|
1-2 Risikofaktoren
|
mittleres Risiko
|
mittleres Risiko
|
sehr hohes Risiko
|
≥3 Risikofaktoren oder Diabetes
oder Endorganschäden
|
hohes Risiko
|
hohes Risiko
|
sehr hohes Risiko
|
Folge- und Begleiterkrankungen
|
sehr hohes Risiko
|
sehr hohes Risiko
|
sehr hohes Risiko
|
10-Jahres-Risiko für kardiovaskulären Tod, Schlaganfall oder Myokardinfarkt
|
|
|
niedrig
|
< 15 %
|
|
|
mittel
|
etwa 15 - 20 %
|
|
|
hoch
|
etwa 20 - 30 %
|
|
|
sehr hoch
|
30 % und mehr
|
|
|
Bei hohem oder sehr hohem Risiko sollte ohne Verzögerung eine
Pharmakotherapie eingeleitet werden. Bei mittlerem Risiko könnte über
einen Zeitraum von 3-6 Monaten mit Allgemeinmaßnahmen
und Therapie der begleitenden Risikofaktoren versucht werden, den
Blutdruck und die Risikostufe zu senken. Falls dies nicht erreicht
wird, sollte mit pharmakologischer Therapie ein Zielblutdruck von
140/90 mmHg erreicht werden, falls nicht Begleiterkrankungen
eine stärkere Blutdrucksenkung erforderlich machen (s. u.).
kurzgefasst: Die WHO hat 1999 neue
altersunabhängige Grenzwerte für den Blutdruck
definiert. Die Therapieindikation wird individuell nach einer Stratifikation
bezüglich begleitender Risikofaktoren und Endorganschäden
bestimmt. Der systolische Blutdruck korreliert nach einer Reihe
von Prognosestudien enger mit dem kardiovaskulären Risiko
als der diastolische Druck, somit ist auch die isolierte systolische
Hypertonie mit einer hohen Blutdruckamplitude eine Therapieindikation.
Zielwerte für Blutdruckselbstmessung und ambulante
24-h-Blutdruckmessung
Zielwerte für Blutdruckselbstmessung und ambulante
24-h-Blutdruckmessung
Für die Blutdruckselbstmessung und die ambulante 24
h- Blutdruckmessung existieren bisher keine in großen Prognosestudien
abgesicherten Grenzwerte. Es gibt eine Reihe von Hinweisen, dass
beide Methoden besser mit dem kardiovaskulären Risiko [4] korrelieren als die Praxismessung.
Aus pragmatischen Gründen wurden die in [Tab. 4] aufgeführten Grenzwerte
von einigen Hypertoniegesellschaften angenommen. Der Grenzwert der
Blutdruckselbstmessung gilt nicht für einzelne, zu zufälligen
Zeiten gemessene Blutdruckwerte, sondern für den Mittelwert
von mindestens 12 Werten, die über eine Woche jeweils zweimal
morgens und zweimal abends nach 3 Minuten Ruhe gemessen wurden [5].
Tab. 4 Obere
Normgrenzen für den Blutdruck in Abhängigkeit von
der Messmethode.
Praxismessung
|
< 140/90 mmHg
|
Blutdruckselbstmessung
|
< 135/85 mmHg
|
Ambulante 24 h-Messung
|
|
- Tagesmittel
|
< 135/85 mmHg
|
- Nachtmittel/Schlafenszeit
|
< 120/75 mmHg
|
- 24 h-Gesamtmittel
|
< 130/80 mmHg
|
Die Grenzwerte der Selbstmessung und der 24 h-Messung sind im
Mittel also niedriger als bei der Praxismessung. Für die
Praxis kann man aber nicht einen einheitlichen »Korrekturfaktor« unabhängig
von der Blutdruckhöhe annehmen. Auch wenn der Vergleich
der Grenzwerte in [Tab. 4] den Eindruck einer Differenz von
5 mmHg der komplementären Messmethoden im Vergleich zur
Praxismessung erwecken könnte, ist der Unterschied für
höhere Blutdruckwerte deutlich höher [6]. Eine Stadieneinteilung der Hypertonie
ist mit Hilfe von Blutdruckselbstmessung oder ambulanter 24 h- Messung
derzeit noch nicht möglich.
Statistisch lassen sich jedoch aus der Verteilung von Praxiswerten
und selbst gemessenem Blutdruck Grenzwerte zwischen optimalen, hochnormalen
und hypertensiven Blutdruckwerten auch für die Selbstmessung
ableiten [7].
Die derzeit angenommen Grenzwerte für die komplementären
Blutdruckmessmethoden sind also im Wesentlichen noch als willkürlich
einzuschätzen. Auf der Basis der vorliegenden Daten [7] spricht einiges für das
Konzept, dass systolische Werte von 130 mmHg in der Blutdruckselbstmessung
eher einem Praxiswert von 140 mmHg entsprechen. Alle Zielwerte der antihypertensiven
Therapie sind aber in Untersuchungen entwickelt worden, die auf
der Praxismessung basieren. Eindeutige Zielwerte sind also für
die komplementären Blutdruckmessmethoden noch nicht anzugeben.
Deshalb besteht die Notwendigkeit, in der Zukunft Prognose- und
Therapiestudien unter Verwendung von Blutdruckselbstmessung und
ambulanter 24-h-Blutdruckmessung durchzuführen. Schon jetzt gibt
es jedoch Hinweise, dass eine regelmäßige Blutdruckselbstmessung
die Compliance der Patienten verbessert.
Zielwerte der antihypertensiven Therapie in unterschiedlichen
Altersstufen
Zielwerte der antihypertensiven Therapie in unterschiedlichen
Altersstufen
Ältere Definitionen der Hypertonie gingen davon aus,
dass sich die Normgrenzen im Alter noch oben verschieben (z. B. Normwert
systolischer Blutdruck entspricht 100 plus Lebensalter). Diese Definitionen
gingen von der erhöhten Prävalenz hoher Blutdruckwerte
im Alter aus und haben statistisch eine Normgrenze wie etwa den
Mittelwert plus 2 Standardabweichungen festgelegt. Inzwischen ist
aber eindeutig belegt, dass aus prognostischer Sicht hohe Blutdruckwerte
im Alter mindestens ebenso eng mit dem kardiovaskulären
Risiko wie bei jüngeren oder mittelalten Hypertonikern
korreliert sind. Die neue Definition und Klassifikation der Hypertonie
(s. [Tab. 1]) gilt
somit eindeutig altersunabhängig. Für die Praxis
ergibt diese Definition eine Prävalenz der Hypertonie von
mindes- tens 50 % bei Patienten über
60 Jahre [8]
[9].
Der prognostische Nutzen für eine medikamentöse
Therapie ist für Blutdruckwerte >160 mmHg systolisch
und >95 mmHg diastolisch inzwischen sehr gut belegt. Eine
Reihe von Studien zur Hypertonie im Alter haben dies in Analogie
zu den früheren Studien mit jüngeren und mittelalten
Hypertoniker (jünger als 60 Jahre) nachgewiesen [10]
[11].
Die relative Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen
ist im Alter dabei vergleichbar mit jüngeren Patienten.
Da aber im Alter die absolute Inzidenz von Myokardinfarkt, Schlaganfall
und plötzlichem Herztod deutlich erhöht ist, werden
bei der Therapie von älteren Hypertoniker absolut wesentlich
mehr kardiovaskuläre Ereignisse verhindert [Tab. 5].
Tab. 5 Anzahl
von erwarteten und verhinderten kardiovaskulären Ereignisse
in Hypertoniestudien in Abhängigkeit vom Alter
(nach Holzgreve [12]).
|
Milde Hypertonie
(junge und mittelalte Patienten)
|
Hypertonie
im Alter
|
|
erwartete Ereignisse
|
verhinderte
Ereignisse
|
erwartete Ereignisse
|
verhinderte Ereignisse
|
kardiovaskuläre Todesfälle
(pro 1 000 Patienten in 10 Jahren)
|
30
|
8 - 10
|
238
|
82
|
Schlaganfälle (pro
1 000 Patienten in 10 Jahren)
|
30
|
20
|
228
|
92
|
koronare Ereignisse
(pro 1 000
Patienten in 10 Jahren)
|
60
|
4 - 6
|
174
|
28
|
Therapieziel ist in der Gruppe der 60- bis 80-Jährigen
ein Blutdruck unter 140/90 mmHg. Eine weitere Blutdrucksenkung
wird bei älteren Patienten die Nebenwirkungen wie Schwindel
oder orthostatische Hypotonie ansteigen lassen. Prognostisch ist
der Vorteil einer Blutdrucksenkung auf normale oder sogar optimale
Werte in dieser Altersgruppe nicht nachgewiesen. Unklar ist auch,
ob sehr alte Hypertoniker (Alter über 80 Jahre) von einer
Blutdrucksenkung profitieren. Diese Fragestellung wird zur Zeit
in der HYVET-Studie überprüft [13]. In der Praxis sollte eine antihypertensive
Therapie bei Erreichen des 80. Lebensjahres natürlich nicht
abgesetzt werden. Der Beginn einer antihypertensiven Therapie sollte bei
sehr alten Hypertonikern eher zurückhaltend in Abhängigkeit
vom kardiovaskulären Gesamtrisiko und der Blutdruckhöhe
beurteilt werden.
Die isolierte systolische Hypertonie ist im Alter häufig.
Auch für den isoliert erhöhten systolischen Blutdruck
wurde der prognostische Nutzen einer antihypertensiven Therapie
erstmals in der SHEP-Studie [11] eindeutig
belegt. Inzwischen haben weitere Studien (Syst-Eur, STOP-2) die
Ergebnisse bestätigt. Das Therapieziel ist die Senkung
des systolischen Blutdruck auf unter 140 mmHg. Der Nutzen einer
weitergehenden Senkung ist nicht dokumentiert. Befürchtungen,
dass eine zu starke Senkung des diastolischen Blutdruck negative Effekte
haben könnte, haben sich zumindest für das Therapieziel
systolischer Blutdruck 140 mmHg nicht bestätigt. Allerdings
sollte bei älteren Hypertonikern der Blutdruck besonders
vorsichtig gesenkt werden.
Auch für jüngere und mittelalte Hypertoniker
ist nicht in jedem Fall eine Blutdrucksenkung auf optimale Blutdruckwerte
indiziert. Die WHO/International Society of Hypertension Richtlinien
empfehlen eine Blutdrucksenkung auf unter 130/ 85 mmHg
auch dann, wenn keine weiteren Risikofaktoren oder Begleiterkrankungen
vorliegen. Die deutsche Hochdruckliga ist in diesem Punkt nicht
eindeutig [14]. In der HOT- Studie [15] wurde der Vorteil einer Blutdrucksenkung
auf diastolische Zielwerte < 85 oder < 80 mmHg
nur für Patienten mit Diabetes nachgewiesen (Reduktion
der kardiovaskulären Ereignisse um 51 % (im
Vergleich zu einem diastolischen Zielblutdruck unter 90). Auch bei
Patienten ohne Begleiterkrankungen war in der Gruppe mit dem Zielwert < 80
mmHg die Ereignisrate am niedrigsten (nicht signifikant), die niedrigste Mortalität
lag jedoch bei einem diastolischen Druck von 86 mmHg. Solange keine
eindeutigen prognostischen Daten für eine Blutdrucksenkung
unter 130/85 mmHg bei jungen und mittelalten Hypertonikern
vorliegen, gehen die Autoren weiterhin von einem Therapieziel von < 140/90
mmHg bei der unkomplizierten Hypertonie in dieser Altersgruppe aus.
Im Kinder- und Jugendalter fehlen genaue Angaben über
die Prävalenz der arteriellen Hypertonie. Die Definition
richtet sich nach der 95. Perzentile der jeweiligen Altersgruppe [16]. Wahrscheinlich sind jedoch
nicht 5 %, sondern nur etwa 1 % der
Kinder und Jugendlichen als Hochdruckkranke einzuordnen. Die oberen
Normgrenzen sind für
-
Säuglinge (unter 1
Jahr) systolisch 120 mmHg,
-
Kleinkinder (2-5 Jahre) 125/75 mmHg,
-
Schulkinder (6-11 Jahre) 135/80 mmHg,
-
Jugendliche (über 12 Jahre) 140 mmHg.
Für Therapieindikationen und Zielwerte fehlen bei Kindern und
Jugendlichen allgemein akzeptierte Empfehlungen.
kurzgefasst: Für ältere
Hypertoniker gelten die gleichen Grenzwerte bei der Definition der
Hypertonie. Nach den bisher vorliegenden Studien zur Hypertonie
bei älteren Patienten gelten 140/ 90 mmHg als
Therapieziel. Der therapeutische Nutzen einer medikamentösen
Blutdrucksenkung ist bei älteren Hypertonikern mindestens
ebenso ausgeprägt wie bei jungen und mittelalten Hypertonikern.
Zielblutdruck in der kardiovaskulären Sekundärprävention
Zielblutdruck in der kardiovaskulären Sekundärprävention
Bei koronarer Herzkrankheit, Z.n. Herzinfarkt, Z.n. Bypassoperation,
Herzinsuffizienz oder anderen Endorganschäden (z. B. linksventrikuläre
Hypertrophie) liegt ein besonders hohes Risko für Herztod
oder nicht-tödliche kardiale Ereignisse vor. Studien zur
Herzinsuffizienz haben eine jährliche Mortalität von
10 %, bei Stadium NYHA IV sogar 30-60 % per
annum dokumentiert. Patienten mit instabiler Angina pectoris oder durchgemachtem
Myokardinfarkt haben ein jährliches Risko für
einen Herzinfarkt oder Koronartod von bis zu 5 %.
Das Risiko für ein erneutes Ereignis ist direkt mit dem
Blutdruck korreliert [1].
Das Konzept der risikoadaptierten Therapieindikationen und -ziele
bei Hypertonikern hat dazu geführt, dass von der WHO 1999
und anderen internationalen Richtlinien zur Sekundärprävention
für Patienten mit den oben aufgeführten Herzerkrankungen
ein Zielblutdruck von 130/85 mmHg festgelegt wurde [1]
[17].
Eindeutige Prognosestudien fehlen zu dieser Frage jedoch noch. Im
Bereich von 130-139/80-85 mmHg werden
zunächst Allgemeinmaßnahmen wie Gewichtsabnahme, Salzrestriktion
und Ausdauersport favorisiert.
Falls eine Herzinsuffizienz vorliegt, sollte auch in diesem hochnormalen
Bereich eine medikamentöse, antihypertensive Therapie begonnen
werden [17]. Wahrscheinlich profitieren Hypertoniker
mit Herzinsuffizienz auch von einer Blutdrucksenkung, die über
130/85 mmHg hinausgeht. Eindeutige Studien stehen zu dieser
Fragestellung nicht zur Verfügung.
Die antihypertensive Therapie bei Patienten mit zerebrovaskulären
Erkrankungen war in der Vergangenheit beträchtlichen Kontroversen
unterworfen. Im Zusammenhang mit Stenosen von hirnversorgenden Arterien
wurde zeitweise gefordert, z. T. deutlich erhöhte
Blutdruckwerte im Sinne eines »Erfordernishochdrucks« in
Kauf zu nehmen. In der langfristigen Therapie ist dieses Konzept
inzwischen verlassen worden. Ebenso wie nach einem Myokardinfarkt
ist nach einem Schlaganfall oder einer transitorischen ischämischen
Attacke (TIA) das Risiko für ein erneutes Ereignis hoch.
In der Framingham-Studie [18] war
das kumulative 5-Jahres-Risiko für das Wiederauftreten
eines atherosklerotisch bedingten Schlaganfalls bei 42 % (Männer)
und 24 % (Frauen). Das Therapieziel in der Sekundärprävention
des ischämischen Schlaganfalls ist < 140/90
mmHg. Falls Endorganschäden im Bereich des Herzens vorliegen,
ist auch bei Z.n. Schlaganfall die Grenze 130/85 mmHg,
d. h. eine zerebrovaskuläre Verschlusskrankheit
führt auch in diesem Fall nicht zu höheren Zielwerten
im Sinne der früher vertetenen Hypothese des Erfordernishochdrucks [19]
. Auf die verschiedenen Indikationen
für eine Revaskularisierung soll hier nicht im Detail eingegangen werden.
Nach einem akuten Schlaganfall gelten jedoch eigene Therapieziele.
Es ist derzeit noch nicht eindeutig belegt, ob nach einem Schlaganfall
eine akute Blutdrucksenkung einen prognostischen Nutzen ergibt.
Zur Zeit laufende Studien werden diese Frage klären.
Die periphere arterielle Verschlusskrankheit ist die Komplikation
der Atherosklerose auf der Ebene der peripheren Arterien - meistens
der Bein- und Beckenarterien. An erster Stelle steht die Therapie
der ursächlichen Faktoren wie Rauchen, Hyperlipidämie
und Hypertonie. Da das Rauchen häufig im Vordergrund der
Risikofaktoren zu stehen scheint, wird die konsequente Therapie
von Hyperlipidämie und Hypertonie vernachlässigt.
Als Therapieziel sollte auch hier 130/85 mmHg gelten. In
wenigen Ausnahmen kann bei hochgradigen Stenosen oder im Stadium
4 für eine limitierte Zeit bis zur definitiven Therapie
ein höherer Blutdruck zur Perfusionssteigerung akzeptiert
werden. Auch bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit
ist jedoch eindeutig ein chronisch erhöhter Blutdruck nicht
mit einer Verbesserung der Perfusion, sondern eher mit einer weiteren
Progression der atherosklerotischen Gefäßläsionen
verbunden.
Zielwerte antihypertensiver Therapie bei Diabetes mellitus
Zielwerte antihypertensiver Therapie bei Diabetes mellitus
Die Prävalenz einer arteriellen Hypertonie ist bei Diabetikern im
Vergleich zu Nicht-Diabetikern 1,5- bis 2,0-fach erhöht. Bei
Typ-2-Diabetes liegt in der Mehrzahl ein metabolisches Syndrom mit Übergewicht,
Dyslipidämie und Hypertonie vor.
Beim Typ-1-Diabetiker ist zu Beginn der Erkrankung nicht von
einer erhöhten Hypertonieprävalenz auszugehen.
Im Verlauf der Erkrankung ändert sich dies am ehesten parallel
zur Entwicklung von Proteinurie und Nephropathie.
Die Therapie der arteriellen Hypertonie ist beim Diabetes mellitus
von großer Bedeutung, da die meisten Diabetiker an makrovaskulären
Komplikationen sterben. Die Wichtigkeit einer antihypertensiven
Therapie bei Typ-2-Diabetikern ist in der UKPD-Studie [20] gezeigt worden. Die Senkung
des Blutdrucks von 154/87 auf 144/82 mmHg hat
das Risiko für makrovaskuläre Komplikationen signifikant
reduziert. Es zeigte sich sogar die Tendenz, dass nur die Patienten
mit der besseren Blutdruckkontrolle von einer Senkung des HBA1c von
7,9 auf 7,0 % profitierten. Auch in der HOT-Studie
zeigte sich für Diabetiker der beste Effekt bei Zielwerten
von 80 mmHg für den diastolischen Blutdruck [15].
Ausgehend von diesen und anderen Untersuchungen ergibt sich für
alle Diabetiker ein Zielblutdruck von 130/80 mmHg in den
neuesten Empfehlungen der Deutschen Hochdruckliga [21]. Bei einer Proteinurie von > 1 g/24 h
sollte der Blutdruck unter 125/75 mmHg gesenkt werde [14].
Blutdruckzielwerte bei chronischer Nierenerkrankung
Blutdruckzielwerte bei chronischer Nierenerkrankung
Die arterielle Hypertonie ist mit dem Diabetes mellitus und den
Glomerulonephritiden die häufigste Ursache für
eine chronische Niereninsuffizienz. Unabhängig von der Ätiologie der
Nierenerkrankung ist der Blutdruck eng mit der Progression der chronischen
Niereninsuffizienz korreliert. Auf der anderen Seite kann die chronische
Niereninsuffizienz eine Ursache der Hypertonie oder deren Therapieresistenz
sein. Eine Reihe von Untersuchungen haben gezeigt, dass eine effektive Blutdruckkontrolle
die Progression einer Nephropathie gleich welcher Ursache verzögern
kann. Ähnlich wie bei Hypertonikern mit Diabetes lautet
für alle Hypertoniker mit chronischer Nierenerkrankung
das Therapieziel 130/80 mmHg, solange keine Proteinurie
von mehr als 1 g/24 h besteht. Bei einer
größeren Eiweißausscheidung heißt
das Therapieziel 125/ 75 mmHg [14].
Hypertonie in der Schwangerschaft
Hypertonie in der Schwangerschaft
Die Definition der Hypertonie in der Schwangerschaft beruht einerseits
auf der absoluten Höhe des Blutdrucks (140/90 mmHg)
und andererseits auf einem Anstieg des Blutdrucks während
der 2. Hälfte der Schwangerschaft ( Anstieg > 30/15 mmHg)
im Vergleich zu den Blutdruckwerten in der ersten Schwangerschaftshälfte.
Nach den neuesten Empfehlungen der International Society for the
Study of Hypertension in Pregnancy wird die Definition der Hypertonie
nur noch auf die absolute Höhe des Blutdrucks (≥140/90
mmHg) bezogen.
Für die Genese der Hypertonie in der Schwangerschaft
gibt es folgende mögliche Ursachen:
-
Schwangerschaftsunabhängige
(vorbestehende) Hypertonie
-
Schwangerschaftsbedingte Hypertonie
-
Gestationshypertonie
-
Präeklampsie, Pfropfgestose
Auf Diagnose und Therapie soll hier nicht im Einzelnen eingegangen
werden. Es besteht allgemeine Übereinstimmung, dass bei
der sonst unkomplizierten Schwangerschaft Blutdruckwerte von ≥ 170/110mmHg
behandelt werden sollten. Bei einer Gestose mit bereits vorbestehender
Hypertonie wird eine Therapie auch bereits ab Blutdruckwerten ≥ 160/ 100 mmHg
empfohlen [22]. Da keine eindeutigen
prognostischen Daten über Zielwerte unter Therapie vorliegen,
schwanken die Zielblutdruckwerte systolisch von <140-160
mmHg und diastolisch von <90-100 mmHg [22].
Geographische und ethnische Faktoren
Geographische und ethnische Faktoren
Das Konzept einer antihypertensiven Therapie, die sich am Gesamtrisiko
der Hypertoniker orientiert, muss auch geographische und ethnische
Faktoren berücksichtigen. Internationale Gesellschaften
zur Prävention der koronaren Herzkrankheit haben 1998 Konsensusempfehlungen
publiziert [23], die eine antihypertensive
Therapie bei Hypertonikern mit einem kardiovaskulären Gesamtrisiko
ab 15-20 % über 10 Jahre fordern.
Dieses Risiko kann naturgemäß bei sehr unterschiedlichen
Blutdruckwerten erreicht sein und kann aus der [Tab. 2] abgeleitet werden. Diese Risikostratifizierung
ist von der WHO jedoch unabhängig von der geographischen
Herkunft oder der ethnischen Zugehörigkeit vorgenommen
worden. In der Seven Countries Study [23] wurden
speziell für die Korrelation zwischen Blutdruck und koronaren
Ereignissen in verschiedenen geographischen Regionen sehr unterschiedliche Ergebnisse
dokumentiert. Die Unterschiede im absoluten Risiko zwischen dem
Mittelmeerraum und Nord- und Osteuropa waren bekannt. Darüber
hinaus war aber auch der relative Anstieg des Risikos mit steigendem
systolischem Blutdruck in Nord- und Osteuropa sowie den USA wesentlich
stärker ausgeprägt als im Mittelmeerraum oder
Japan. Im Mittelmeerraum ist zwischen 120 und 160 mmHg nur ein sehr
geringer Anstieg des Risikos festzustellen. Bei 160 mmHg ist das
Risiko für ein koronares Ereignis im Mittelmeerraum 6-fach
niedriger als in Nordeuropa und immer noch niedriger als bei 120 mmHg
in Nordeuropa. Für die Praxis kann daraus abgeleitet werden,
dass in Deutschland das Gesamtrisiko eher an der Obergrenze der
WHO-Risikostratifizierung anzusetzen ist. Deshalb ist es in Ländern
mit hoher Prävalenz von Herz-Kreislauferkrankungen besonders
wichtig, die WHO-Grenz- und Zielblutdruckwerte zu beachten
kurzgefasst: In der kardiovaskulären
Sekundärprävention existieren ebenso wie für
Begleiterkrankungen und Endorganschäden differenzierte
Therapieziele für die arterielle Hypertonie. Patienten
mit Herzerkrankungen, Diabetes oder Nierenerkrankungen profitieren
von niedrigeren Blutdruckwerten, die individuell bestimmt werden
müssen.
Fazit
Fazit
Die Differenzierung der Zielwerte einer antihypertensiven Therapie
in verschiedenen Patientengruppen hat zum Ziel, die in Therapie-
und Prognosestudien erhobenen Daten in die Praxis umzusetzen. Auch
wenn jeder Patient individuell beurteilt werden muss, zeigen sich
doch durchgehend bei höherem kardiovaskulären
Gesamtrisiko strengere Therapieindikationen und häufig
niedrigere Zielwerte.