PPH 2001; 7(6): 323-329
DOI: 10.1055/s-2001-18946
PFLEGEFORSCHUNG
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Subtiler Zwang in der psychiatrischen Praxis[1]

K. Lützén
  • RN; Associate Professor Health Care Ethics, Ersta University College, Stockholm Schweden und Institute for Clinical Neuroscience and Family Medicine, Karolinska Institute, Huddinge Hospital, Schweden
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Publication Date:
10 December 2001 (online)

Ein verbreitetes Problem in der psychiatrischen Pflege stellt das Treffen von Entscheidungen für Patienten dar, die ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse nicht mitteilen können. In diesem Artikel werden die Ergebnisse einer qualitativen Studie vorgestellt, die sich auf Situationen konzentriert, in denen Patienten nicht bei einer pflegerischen Entscheidung kooperieren, in der es darum geht, was für sie getan werden soll. Das Forschungsdesign beinhaltet einige Schritte, die der Methode der Grounded Theory entstammen. Die Datensammlung erfolgte mittels unstrukturierter Interviews mit zehn britischen Pflegekräften, die über langjährige Erfahrung in psychiatrischer Pflege verfügen. Durch das Umsetzen der Methode der konstanten komparativen Analyse der transkribierten Interviews wurde herausgefunden, dass Pflegekräfte unterschiedliche Arten von subtilem Zwang benutzen, um ihre eigenen Ziele für den Patienten zu erreichen. Diese Ziele wurden als „im besten Sinne” des Patienten gerechtfertigt. Die Hauptelemente des subtilen Zwangs sind Teil eines Prozesses, der aus folgenden Schritten besteht: Einschätzung der Fähigkeit des Patienten, für sich selbst Entscheidungen zu treffen; strategisches Handeln; Abwandeln des Prinzips der Autonomie; Rechtfertigung der Strategien; und ethisches Reflektieren der durchgeführten Handlungen. Die Studie deutet darauf hin, dass weitere empirische Untersuchungen klinischer Situationen im Zusammenhang mit subtilem Zwang notwendig sind. Besondere Aufmerksamkeit sollte dabei den organisatorischen Einflussfaktoren zukommen und wie diese zum Einsatz von subtilem Zwang beitragen. Eine spezifische Frage bedarf der theoretischen und empirischen Untersuchung: „Kann subtiler Zwang in bestimmten Situationen als ,ethisch vertretbar’ gerechtfertigt werden, in anderen dagegen nicht?”

1 Die Arbeit ist zuerst erschienen im „ ;Journal of Psychiatric and Mental Health Nursing” 1998; 5 (2): 101 - 107. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages Blackwell Science Ltd. Übersetzung aus dem Englischen: Gernot Walter.

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1 Die Arbeit ist zuerst erschienen im „ ;Journal of Psychiatric and Mental Health Nursing” 1998; 5 (2): 101 - 107. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages Blackwell Science Ltd. Übersetzung aus dem Englischen: Gernot Walter.

K.  Lützén

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Schweden

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