Vorhofflimmern stellt mit einer Prävalenz
von 0,4-0,9 % der Erwachsenenbevölkerung
die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung dar.
Es wird geschätzt, dass in der Bundesrepublik Deutschland
etwa 600 000 Menschen betroffen sind. Die Häufigkeit
dieser Arrhythmie nimmt in Abhängigkeit vom Alter ab dem
40. Lebensjahr um etwa 0,1-0,2 % pro
Jahr zu und liegt bei der Bevölkerungsgruppe über
60 Jahre bei 2-4 % [16] [21]
. Neben dem Alter begünstigen
insbesondere kardiovaskuläre Begleiterkrankungen das Auftreten
von Vorhofflimmern. Bei etwa 25 % der Patienten
mit Vorhofflimmern besteht eine koronare Herzerkrankung [16]. Patienten mit akutem Myokardinfarkt
haben in 10-11 % Vorhofflimmern [12]
[22]. Eine
rheumatische Klappenerkrankung erhöht das Risiko, Vorhofflimmern
zu entwickeln, um das 1,8-Fache [5].
Die Prävalenz von Vorhofflimmern kann bei Patienten mit
einer manifesten Herzinsuffizienz bis zu 40 % erreichen [5]
.
Vorhofflimmern kann den frühen postoperativen Verlauf nach
kardiochirurgischen Eingriffen bei etwa 30 % der
Patienten komplizieren [4]. Auch andere
bradykarde und tachykarde Herzrhythmusstörungen können
mit Vorhofflimmern assoziiert sein. An bradykarden Rhythmusstörungen
wäre insbesondere das Sinusknotensyndrom zu nennen, bei
dem in bis zu 28 % mit atrialen Tachyarrhythmien
zur rechnen ist [1]. Bei Patienten
mit WPW-Syndrom besteht in bis zu 30 % ein begleitendes
Vorhofflimmern [10]. Auch bei Patienten
mit AV-Knoten- Reentry-Tachykardien oder atrialen Tachykardien kann
nicht selten ein begleitendes Vorhofflimmern dokumentiert werden.
Neben einer kardialen Erkrankung können auch extrakardiale
Begleiterkrankungen mit einem erhöhtem Risiko für
Vorhofflimmern vergesellschaftet sein. So besteht bei Patienten mit
einer arteriellen Hypertonie ein 1,5fach erhöhtes und bei Patienten
mit Diabetes mellitus ein 1,4-fach erhöhtes Risiko Vorhofflimmern
zu entwickeln [6]. Patienten mit chronisch obstruktiver
Lungenerkrankung leiden in etwa 3 % an begleitendem
Vorhofflimmern. Eine hyperthyreote Stoffwechsellage als Ursache
von Vorhofflimmern liegt in etwa 2 % vor [18].
Bei etwa 3-11 % der Patienten mit
Vorhofflimmern besteht jedoch keine kardiale Grunderkrankung bzw.
prädisponierende extrakardiale Begleiterkrankung, so dass
von einem so genannten »idiopathischen« Vorhofflimmern
auszugehen ist [8]
[17]. Bei einem Teil dieser Patienten,
vorwiegend Männer in der vierten Lebensdekade, treten die
Arrhythmieepisoden ausschließlich in der Ruhephase und
häufig in der Nacht auf, so dass ein vagal getriggertes
Vorhofflimmern vorliegt [11].
kurzgefasst: Vorhofflimmern stellt
die häufigste anhaltende Arrhythmie dar mit steigender
Prävalenz in höherem Alter bzw. bei kardiovaskulären
Grunderkrankungen.
Pathophysiologie
Pathophysiologie
Pathologisch-anatomische Veränderungen des Vorhofmyokards
wie Fibrose oder inflammatorische Prozesse stellen das Substrat
für die Entwicklung von Vorhofflimmern dar [13]. Als potenzielle Triggerfaktoren
für die Initiierung der Arrhythmie können neben
Veränderungen des autonomen Tonus [11] bzw.
einer akuten oder chronischen Vorhofbelastung [23] auch ektope
Foci dienen [15].
Als wesentliches pathophysiologisches Prinzip zur Aufrechterhaltung
von Vorhofflimmern werden multiple kreisende Erregungen im Vorhofmyokard
angesehen [19]. Die ersten theoretischen Überlegungen
wurden anhand von Mapping- Untersuchungen am Tiermodell bestätigt [3]
. Im Rahmen dieser Untersuchungen
konnte gezeigt werden, dass etwa 6 Wiedereintrittskreise notwendig
sind, um Vorhofflimmern aufrechterhalten zu können.
Vorhofflimmern selbst führt zu Veränderungen
am Vorhofmyokard, die zu einer Aufrechterhaltung der Arrhythmie
beitragen, die mit dem Begriff »electrical remodeling« zusammengefasst
werden. Hier spielen eine Verkürzung der atrialen Refraktärperioden
sowie eine intrazelluläre Calciumüberladung atrialer
Myozyten eine wesentliche Rolle [2].
In jüngster Zeit wurde familiär gehäuft
auftretendes Vorhofflimmern assoziiert mit einem Gendefekt auf Chromosom
10 beschrieben [9].
kurzgefasst: Multiple kreisende Erregungsfronten
in den Vorhöfen sind die pathophysiologische Grundlage
von Vorhofflimmern. Die Arrhythmie selbst führt zu Umbauprozessen, die
zu ihrer Perpetuierung beitragen.
Klassifikation
Klassifikation
Vorhofflimmern lässt sich aufgrund seiner klinischen
Erscheinungsform klassifizieren [14].
Das erstmalige Auftreten der Arrhythmie wird als akutes Vorhofflimmern
bezeichnet. Bei der chronischen Verlaufsform werden drei Manifestationsmöglichkeiten
unterschieden. Als paroxysmales Vorhofflimmern wird rezidivierendes
anfallsartiges Vorhofflimmern bezeichnet, das spontan innerhalb
von 24 Stunden terminiert. Von persistierendem Vorhofflimmern spricht
man bei länger als 24 Stunden anhaltenden Arrhythmieepisoden,
die nicht spontan in Sinusrhythmus konvertieren und daher durch
eine Kardioversion zu terminieren sind. Wenn Vorhofflimmern nicht mehr
in Sinusrhythmus zu konvertieren ist, liegt permanentes Vorhofflimmern
vor. Diese Verlaufsform wird im klinischen Alltag häufig
auch als chronisches Vorhofflimmern bezeichnet.
Klinischer Verlauf und Prognose
Klinischer Verlauf und Prognose
Bei Patienten mit anfallsartigem Vorhofflimmern kommt es in etwa
12 % im weiteren Verlauf zu einem permanenten
Vorhofflimmern. In älteren Untersuchungen konnte gezeigt
werden, dass die Morbidität und Mortalität bei
Patienten mit Vorhofflimmern erhöht sind. So war in der
Framingham-Studie Vorhofflimmern mit einer im Vergleich zur Kontrollgruppe verdoppelten
Mortalitätsrate vergesellschaftet [7].
Neben einer erhöhten Rate an thromboembolischen Ereignissen,
insbesondere an Schlaganfällen, tragen die mit Vorhofflimmern assoziierten
kardiovaskulären Begleiterkrankungen und das oft höhere
Lebensalter der Patienten zu einer erhöhten Mortalität
bei. Durch den Einsatz einer verbesserten Therapie bei Patienten
mit Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern konnte die Prognose dieser
Patienten in den letzten Jahren erheblich gebessert werden [24]. Ob Vorhofflimmern per se unabhängig von
dem Alter der Patienten und der kardiovaskulären Begleiterkrankungen
mit einer erhöhten Mortalität behaftet ist, ist nicht
sicher belegt.
kurzgefasst: Die Prognose von Patienten
mit Vorhofflimmern wird im Wesentlichen durch thromboembolische
Komplikationen und die kardiovaskulären Begleiterkrankungen
bestimmt.
Symptomatik
Symptomatik
Die Symptomatik von Vorhofflimmern kann erheblich variieren.
Neben asymptomatischen bis oligosymptomatischen Verläufen
gibt es andere, die insbesondere zu Beginn einer Arrhythmieepisode
hochsymptomatisch sind. Im Vordergrund der Beschwerden stehen Palpitationen,
eingeschränkte körperliche Leistungsbreite, Schwindel
und seltener auch Synkopen. Jedoch nicht alle Episoden von Vorhofflimmern
eines Patienten gehen mit klinischen Beschwerden einher. In Langzeit-EKG-Untersuchungen
hatten Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern häufiger
asymptomatische Episoden als symptomatische [20].
Die klinische Symptomatik wird wesentlich durch die hämodynamischen
Effekte beeinflusst. Der Verlust des Vorhofbeitrages zur ventrikulären
Füllung ist mit einer etwa 20 %-igen
Abnahme des Schlagvolumens vergesellschaftet. Die irreguläre
Kammererregung trägt ebenfalls zu einer Verminderung der
kardialen Förderleistung bei. Bei Patienten mit persistierender
Tachyarrhythmie kann sich eine tachysystolische Kardiomyopathie
ausbilden mit progredienten Zeichen der Herzinsuffizienz.
kurzgefasst: Das typische Beschwerdebild
bei Patienten mit Vorhofflimmern umfasst Palpitationen, eingeschränkte
körperliche Leistungsbreite, Schwindel und seltener auch
Synkopen.
Klinische Untersuchungsmethoden
Klinische Untersuchungsmethoden
Die Abklärung von Vorhofflimmern bei Patienten bietet
im Wesentlichen zwei Aspekte. Zum Einen handelt es sich häufig um
eine symptomatische Arrhythmie, so dass die Abklärung des
Beschwerdebildes und damit die Diagnosestellung im Vordergrund steht.
Zum Anderen muss bei dokumentiertem Vorhofflimmern nach einer hiermit
assoziierten Begleiterkrankung gefahndet werden.
Die Anamnese zielt darauf ab, das klinische Beschwerdebild einzugrenzen.
Fragen nach der klinischen Symptomatik, den Umständen des
Auftretens von Vorhofflimmerepisoden, Dauer und Häufigkeit
sowie der Modus der Terminierung der Arrhythmie z. B. spontan
oder nach medikamentöser bzw. elektrischer Kardioversion
stehen hierbei im Vordergrund. Weiterhin sollte nach Symptomen einer
zugrundeliegenden kardialen Erkrankung wie beispielsweise Angina
pectoris oder Belastungsdyspnoe und nach mit Vorhofflimmern assoziierten
Risikofaktoren wie Diabetes mellitus oder arterieller Hypertonie
gefragt werden. Die körperliche Untersuchung dient zur
Erfassung einer kardialen oder extrakardialen Begleiterkrankung.
Im Ruhe-EKG ist Vorhofflimmern durch unregelmäßige
Abstände der QRS-Komplexe gekennzeichnet. Die Grundlinie weist
feine bis grobe unregelmäßige Flimmerwellen mit
einer Frequenz von 350-600/min. auf. Die Flimmerwellen
sind meist in der Ableitung V1 am besten zu erkennen. Vorhofflimmern
mit regelmäßigen Abständen der QRS-Komplexe bei
langsamer Ventrikelfrequenz tritt bei Patienten mit totalem AV-Block
und junktionalem oder ventrikulärem Ersatzrhythmus auf.
Neben der Diagnosestellung bietet das Ruhe-EKG die Möglichkeit,
elektrokardiographische Hinweise auf eine zugrundeliegende kardiale
Erkrankung (Hypertrophiezeichen, Infarktnarbe etc.) zu erfassen.
Mittels Langzeit-EKG können spontan auftretende paroxysmale
Episoden von Vorhofflimmern registriert werden. Hier steht die Abklärung
von Symptomen, die an ein intermittierendes Vorhofflimmern denken
lassen, im Vordergrund. Zudem können langzeitelektrokardiographisch
eventuell vorhandene Triggermechanismen wie atriale Extrasystolen
oder durch Bradykardie induziertes Vorhofflimmern erfasst werden.
Ein Belastungs-EKG sollte bei der Abklärung von intermittierendem
Vorhofflimmern zum nicht-invasiven Ausschluss einer koronaren Herzerkrankung
durchgeführt werden. Bei Patienten mit belastungsabhängigen
Palpitationen dient die Ergometrie zur Erfassung von sympathikoton
getriggertem Vorhofflimmern. Zum Ausschluss einer kardialen Grunderkrankung
ist ergänzend eine Echokardiographie indiziert. Laborchemische
Untersuchungen sollten eine Bestimmung des basalen TSH- Wertes und
der Elektrolyte umfassen.
kurzgefasst: Die Basisdiagnostik bei
Patienten mit Vorhofflimmern umfasst neben der Anamnese und der
körperlichen Untersuchung eine kardiale Funktionsdiagnostik
einschließlich Echokardiographie und Belastungs-EKG sowie
die Bestimmung von basalem TSH und den Elektrolyten.