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DOI: 10.1055/s-2001-19654
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Kommentar auf Anforderung der Schriftleitung zur Arbeit
Umfrage zur Variabilität des perioperativen Aufwands in der CarotischirurgieInvited CommentaryPublication History
Publication Date:
22 January 2002 (online)
Notwendige Diagnostik, intraoperative Monitoring- und Kontrollverfahren sowie technische Durchführung der Carotisdesobliteration werden seit vielen Jahren in der Literatur und auf Kongressen ausführlich diskutiert. Die Ergebnisse der Umfrage von Grundmann machen deutlich, daß es ein standardisiertes Vorgehen nicht gibt.
Die Diskussion um Shunt oder nicht Shunt ist so alt wie die Carotischirurgie selbst, eine definitive Klärung dieser Frage wird wohl nie gelingen. Mit und ohne Patchplastik werden exzellente Ergebnisse beschrieben. Auch die technische Durchführung der Endarteriektomie - offen oder durch Eversion - scheint mehr eine Frage des persönlichen Geschmacks zu sein: ein Vorteil für eine der beiden Methoden läßt sich statistisch nicht belegen.
Brauchen wir eigentlich einen Standard in der Carotischirurgie, und wenn ja, worauf muß er sich stützen? Sicher nicht auf Mehrheitsmeinungen, sondern auf „evidence based”-Kriterien, die nachweislich zu besseren Ergebnissen führen. Gesicherte Fakten aber liegen nicht vor - siehe oben.
Statt Standard sollte man vielleicht eher Flexibilität und Rationalität fordern. Eine engkalibrige Arteria carotis interna ist wohl besser durch Patch zu verschließen als durch Direktnaht. Bei zusätzlicher Elongation der Arterie kann durch die Eversion ein morphologisch besseres Ergebnis erreicht werden als durch Patchplastik. Die Frage des intraoperativen zerebralen Monitoring ist eng mit der Shuntproblematik verknüpft. Wird routinemäßig ein Shunt verwendet, spricht wenig für ein zerebrales Monitoring. Die sog. Gelegenheitsshunter stützen ihre persönliche Indikation zur Shuntverwendung meist auf den angiographischen Befund. Rational wäre für sie der Einsatz eines Monitoringverfahrens, da hiermit weit zuverlässiger eine Clampingischämie erkannt werden kann.
Neurologische Komplikationsraten von mehr als 1 bis 2 Prozent sind - abgesehen von speziellen Indikationen - auf technische Ursachen zurückzuführen. In der Regel führt das nicht optimale morphologische Rekonstruktionsergebnis zur lokalen Thrombosierung, zum Verschluß oder zur zerebralen Embolie. Es ist deshalb erfreulich, daß ein großer Teil der Befragten auf eine intraoperative Qualitätskontrolle ihrer handwerklichen Arbeit nicht verzichten will. Statistisch beweisbar ist der Vorteil der unmittelbaren morphologischen Kontrolle des Operationsergebnisses bisher nicht. Zweifellos ist sie entbehrlich für den perfekten Opeateur, der nie ein technisch bedingtes neurologisches Defizit gesehen hat. Er kann getrost darauf verzichten, spart er doch wertvolle 2 Minuten Operationszeit ein.
Die Umfrageergebnisse lassen vermuten, daß manche Gefäßchirurgen die intraoperative Kontrolluntersuchung auf den postoperativen Zeitpunkt verlegen. Ein Lerneffekt für den Operateur ist dabei unbestreitbar. Für den Patienten ist der Vorteil nicht so klar: die Nahtstenose hätte man auch intraoperativ erkennen können.
Die Umfrage zeigt wieder einmal, wie wenig in der Carotischirurgie gesichert ist. Wir dürfen uns also weiterhin auf ebenso fruchtlose wie erregte Diskussionen zwischen „Shuntern” und „Nicht-Shuntern” freuen.
Prof. Dr. H. Schweiger
Chefarzt der Abteilung Gefäßchirurgie
Herz- und Gefäßklinik GmbH
Salzburger Leite 1
97616 Bad Neustadt/Saale