Einleitung
Nur vereinzelte Untersuchungen sind bislang der Frage nach dem Zusammenhang zwischen
nächtlicher Bronchialobstruktion und Schlaf nachgegangen, einheitliche Befunde waren
jedoch nicht zu objektivieren [1]
[2]. Eine Beziehung zwischen nächtlichen Bronchialobstruktionen und Schlafstadien, beispielsweise
ein vermehrtes Auftreten im REM-Schlaf, konnte bislang nicht nachgewiesen werden.
Die Interaktion Schlaf - Bronchialobstruktion - Vigilanz ist jedoch gerade auch unter
dem Aspekt der physischen und mentalen Leistungsfähigkeit der Patienten von großer
Bedeutung [3]
[4]
[5]
[6]. Die akustische Langzeitregistrierung der Atemgeräusche stellt eine methodische
Voraussetzung zur kontinuierlichen Erfassung von Bronchialobstruktionen dar [7]
[8]. Punktuelle und nur von der Vigilanz (Wachsein) abhängige Messungen der Lungenfunktion
sind unter der gleichzeitigen Beurteilung der Schlafqualität nicht sinnvoll [9]
[10].
In der vorliegenden Studie wird der Frage nachgegangen, ob bei Patienten mit am Tage
bestehender Bronchialobstruktion eine solche auch im Schlaf nachweisbar ist. Zudem
stellt sich die Frage, ob und wie die Schlafqualität durch Bronchialobstruktionen
beeinträchtigt wird.
Patienten und Methode
Bei 20 Patienten (9 Männer und 11 Frauen) mit am Tage nachweisbarer bronchialer Obstruktion
(auskultatorisch Giemen, Brummen und Pfeifen) wurden nächtlich eine akustische Langzeitregistrierung
der Atemgeräusche sowie eine Polysomnographie durchgeführt. Das Alter der Patienten
lag im Mittel bei 55 ± 12 Jahren (23 bis 74 J.). Bei allen Patienten war eine obstruktive
Atemwegserkrankung vorbekannt. Eine antiobstruktive Therapie erfolgte bei 18 der 20
Patienten (s. Tab. [1]).
Für die Aufzeichnung der Lungengeräusche wurde das Gerät Pulmotrack 1010 (Karmel Medical
Acoustic Technologies Ltd., Yokneam Illit, Israel) verwendet [11]
[12]. Dieses Gerät zeichnet kontinuierlich über die gesamte Zeit die Wheezing-Ereignisse
mittels 5 piezoelektrischer Sensoren auf. Die Detektion der typischen Auskultationsphänomene
erfolgt beim Pulmotrack mit einer gewichteten Frequenzanalyse auf der Basis der Fast
Fourier Transformation. Es wurden Parameter festgelegt, die eine präzise qualitative,
quantitative und zeitliche Auflösung der Wheezing-Ereignisse erlauben und eine Korrelation
mit den parallel abgeleiteten polysomnographischen Daten ermöglichen.
Dabei wurden zur Beschreibung bronchialer Obstruktionen folgende, auch von anderen
Arbeitsgruppen angewandte, Parameter benutzt [11]
[13]
[14]:
-
Die Wheezing-Time-Rate (WTR): Sie entspricht dem Anteil der erkannten asthmatypischen
Nebengeräusche (Brummen, Giemen, Pfeifen) innerhalb von 30-Sekunden-Fenstern.
-
Die Wheezing-Time (WT): Sie entspricht dem Anteil der Zeit am Schlaf, für die die
Wheezing-Time-Rate über 5 % lag.
Bei allen Patienten wurde neben der Aufzeichnung der Lungengeräusche eine Polysomnographie
nach Standardkriterien durchgeführt. Abb. [1] zeigt die synchrone Registrierung von Atemgeräuschen und Polysomnographie bei einem
Patienten mit COPD. Neben der deutlich gestörten Schlafstruktur mit Verminderung der
Tiefschlafanteile NREM III/IV ist eine Häufung von Bronchialobstruktionen zwischen
3.30 und 5.30 Uhr zu erkennen.
Abb. 1 Auswertung der Schlaf- und Wheezing-Daten: Erkennbar ist die Zunahme nächtlicher
Bronchialobstruktionen gegen Morgen. (SBAS: Schlafbezogene Atmungsstörungen; O2: Sauerstoffsättigung; Sleep: Schlafstadien; TrWTR: tracheale Wheezing Time Rate;
ChWTR: Maximalwert aller thorakalen WTR; WTR AR: WTR axillar rechts, WTR BR: WTR basal
rechts, WTR AL: WTR axillar links, WTR BL: WTR basal links).
Tab. 1 Patientendaten, Medikation bei Aufnahme in die Studie und Ergebnisse von nächtlicher
Langzeitregistrierung der Atemgeräusche sowie Polysomnographie (WT = Wheezing Time;
TST = Total Sleep Time)
| Pat. |
Alter |
Geschlecht |
Medikation |
TST (Min) |
WT % (/TST) |
NREM III+IV % (/TST) |
REM % (/TST) |
|
1
|
44 |
W |
Bronchoretard 350 1-0-2 Berodual DA 2 × 2 |
416,5 |
98,5 |
11,5 |
20,0 |
|
2
|
74 |
W |
Broncho retard 350 1-0-0 Oxis TH 2 × 2 Pulmicort TH 2 × 2 |
447,0 |
73,8 |
28,6 |
25,3 |
|
3
|
44 |
W |
Bronchoretard 350 1-0-1 Berodual DA 2 × 2 |
350,0 |
16,3 |
9,3 |
23,1 |
|
4
|
48 |
M |
Oxis TH 1-0-1 Syntestan 5 mg 1-0-1 Euphylong 1-0-1 |
361,0 |
6,9 |
1,5 |
5,0 |
|
5
|
57 |
W |
Oxis TH 1-0-1 |
322,0 |
7,1 |
6,5 |
25,0 |
|
6
|
64 |
M |
Oxis TH 1-0-1 |
346,5 |
30,0 |
8,7 |
24,4 |
|
7
|
39 |
M |
Viani TH 1-0-1 |
361,5 |
28,8 |
14,9 |
17,4 |
|
8
|
68 |
M |
Pulmicort TH 2 × 2 Unilair 450 ret 3 × 1 Serevent DA 2 × 1 |
312,5 |
9,3 |
13,3 |
17,3 |
|
9
|
56 |
W |
Syntestan 5 1-0-0 |
371,5 |
45,0 |
16,2 |
1,7 |
|
10
|
23 |
W |
Broncho ret 350 1-0-0 Oxis TH 2 × 1 Pulmicort TH 2 × 2 |
382,5 |
32,2 |
23,0 |
11,2 |
|
11
|
61 |
W |
Decortin H 30 mg 1-0-0 Pulmicort TH 2 × 2 Oxis TH 2 × 2 Bronchoretard 350-0-500 mg |
246,5 |
19,5 |
8,3 |
14,2 |
|
12
|
43 |
M |
ACC 200 0-1-1 |
306,0 |
10,8 |
13,2 |
19,0 |
|
13
|
58 |
W |
Pulmicort TH 2 × 2 Broncho ret 350-0-500 Decortin H20 1,5-0-0 Berodual DA 2 × 2 |
32,5 |
58,5 |
26,2 |
9,2 |
|
14
|
62 |
W |
Broncho retard 350 mg 1-0-1 Pulmicort TH 2-0-2 Berodual DA 3 × 2 |
356,0 |
34,3 |
30,3 |
5,1 |
|
15
|
68 |
M |
Pulmicort TH 2-0-2 Berotec 100 DA 3 × 1 |
115,0 |
73,9 |
18,7 |
14,3 |
|
16
|
60 |
M |
Beclometason 2-0-2 Foradil 1-0-1 |
370,0 |
54,1 |
14,1 |
13,2 |
|
17
|
69 |
W |
Berodual DA 2 × 2 Pulmicort TH 2 × 1 |
211,0 |
1,4 |
14,0 |
17,8 |
|
18
|
65 |
M |
keine Medikation |
280,5 |
7,5 |
29,6 |
11,1 |
|
19
|
54 |
M |
Pulmicort TH 2 × 1 Broncho ret 350 mg 0-0-1 |
378,0 |
10,8 |
13,4 |
15,7 |
|
20
|
50 |
W |
Oxis TH 2 × 1 |
279,5 |
21,8 |
19,3 |
22,0 |
Ergebnisse
Bei allen Patienten konnten nächtliche Bronchialobstruktionen registriert werden,
die Wheezing-Time betrug im Mittel 32,1 ± 27,4 %. Die Schlafstruktur fand sich bei
16 der 20 Patienten gestört mit reduziertem Tief- und REM-Schlaf-Anteil sowie einer
verlängerten Einschlaflatenz. In Tab. [1] sind die individuellen Werte der Wheezing-Time sowie der Schlafdaten aufgeführt.
Die TST (Total Sleep Time) betrug im Mittel 312 ± 100 min, die Einschlaflatenz 47
± 55 min, die Schlafeffizienz 66 ± 20 %. Der Anteil von NREM I+II wurde im Mittel
mit 68 ± 10 % bestimmt, der Tiefschlafanteil (NREM III+IV) mit 16 ± 8 %. Das Schlafstadium
REM hatte einen Anteil von 16 ± 7 %. Eine zeitliche Rhythmik der bronchialen Obstruktionen
war nicht sicher nachzuweisen, bei 3 Patienten traten die Bronchialobstruktionen gehäuft
in den frühen Morgenstunden auf. Abb. [2 a] u. [b] zeigt die Verteilung der Wheezing-Ereignisse für jeden einzelnen Patienten.
Abb. 2 a, b Relative Verteilung der Wheezing-Ereignisse für die Patienten.
Diskussion
Die Ergebnisse unserer Untersuchung zeigen, dass bei Patienten mit am Tage nachweisbarer
bronchialer Spastik bronchiale Obstruktionen auch im Schlaf nachweisbar sind. So konnten
Bronchialobstruktionen bei allen Patienten in unterschiedlicher Häufigkeit gefunden
werden, wobei eine einheitliche zeitliche Verteilung nicht zu objektivieren war (Abb.
[2 a] u. [b]). Die Schlafstruktur war bei 16 der 20 Patienten gestört, die Tief- und REM-Schlafanteile
fanden sich reduziert.
Die akustische Erfassung von Bronchialobstruktionen ist eine etablierte Methode, deren
diagnostische Relevanz bereits in mehreren Studien belegt werden konnte [11]
[14]
[15]. Die Interaktion zwischen Schlaf und bronchialer Obstruktion ist unklar. Zur Beantwortung
dieser Fragestellung bedarf es der synchronen kontinuierlichen Registrierung von Atemgeräuschen
und Polysomnographie. Die bislang geübte Praxis, bei Patienten mit bronchialen Obstruktionen
nächtliche Peak-Flow-Meter-Messungen oder Lungenfunktionen durchzuführen, ist hinsichtlich
der Beurteilung der Ausprägung einer nächtlichen Bronchialobstruktion nicht aussagefähig,
zumal das Vigilanzstadium „Schlaf” nicht abgebildet wird. Dass nächtliche Atemnot
zu einer gestörten Schlafstruktur und damit Schlafqualität führen kann, erscheint
einleuchtend und wird durch unsere Untersuchungsergebnisse bestätigt.
Von Patienten mit Asthma bronchiale und COPD ist bekannt, dass sie verstärkt unter
Schlafstörungen, Tagesmüdigkeit sowie eingeschränkter Leistungsfähigkeit am Tage leiden
[4]. Dieser Symptomenkomplex ist pathogenetisch durchaus erklärbar durch eine gestörte
Schlafstruktur. Es ist zu erwarten, dass durch eine Optimierung der respiratorischen
Situation im Schlaf eine Verbesserung der Schlafqualität erzielt werden kann.
Unser Patientenkollektiv umfasste eine inhomogene Patientengruppe mit vordiagnostizierter
obstruktiver Atemwegserkrankung, bei der zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme eine
bronchiale Obstruktion nachzuweisen war. Bei allen Patienten konnten nächtliche Wheezing-Ereignisse
in unterschiedlicher Häufigkeit und zeitlicher Verteilung gefunden werden. Es stellt
sich nun die Frage, ob und wie sich Patienten mit COPD und Asthma bronchiale unterscheiden.
Während des stationären Aufenthaltes wurde nur bei einigen Patienten eine Bodyplethysmographie
einschließlich Broncholysetest durchgeführt, so dass eine eindeutige Differenzierung
der Krankheitsentitäten Asthma bronchiale und COPD in dem Gesamtkollektiv nicht vorgenommen
werden kann.
Anhand der Abb. [2 a] u. [b] wird deutlich, dass die zeitliche Verteilung der Wheezing-Ereignisse differiert:
Bei der Mehrzahl der Patienten zeigt sich eine periodische Verteilung ohne Maximum
(Peak) in den frühen Morgenstunden. Dieser Sachverhalt ist am ehesten dadurch zu erklären,
dass bei der Mehrzahl der Patienten eine COPD vorgelegen hat. Die Tatsache, dass beim
Asthmatiker in der Nacht vor allem Einflüsse der zirkadianen Rhythmik zum Tragen kommen,
lässt eine andere Verteilung nächtlicher bronchialer Obstruktionen erwarten.
Die bislang an einem kleinen inhomogenen Patientenkollektiv gewonnenen Daten können
allenfalls einen Ergebnistrend aufzeigen. Sie zeigen aber bereits jetzt, dass der
Interaktion Bronchialobstruktion - Schlaf-Vigilanz mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden
muss. Um beschriebene Phänomene grundlegend beurteilen zu können, sollten diese Patienten
im Schlaf untersucht werden.