Gliederung
Gliederung
Grundlagen und Problemkreis
-
Diagnostische Kriterien der posttraumatischen
Belastungsstörung
-
Punkt- und Verlaufsdiagnostik
-
Die psychopathologischen Besonderheiten der PTBS an einem
Fallbeispiel
-
Anforderungsprofil an Psychotherapie und
Psychopharmakotherapie
-
Neurobiologie der PTBS
Neurobiologie des akuten
Psychotraumas
Flashbacks im traumatischen Prozess
Allgemeine und spezielle Psychopharmakotherapie der PTBS
-
Psychopharmakologische Behandlungsstrategien
-
Antidepressiva
Selektive
Serotonin-Rückaufnahmehemmer (SSRI)
Trizyklische
Antidepressiva
Monoaminoxidase-Hemmer
-
Benzodiazepine
-
Phasenprophylaktika
-
Antiadrenerge Substanzen
-
Neuroleptika
-
Opiatantagonisten
-
Stoffgruppen im Vergleich nach Kriterien der Agency for Health
Care Policy and Research (AHCPR)
Integration der Psychopharmakotherapie in psychodynamische und
neurobiologische Modelle der PTBS
-
Psychopharmakologische Behandlungsstrategien im
Verlaufsmodell
-
Spezielle Psychopharmakotherapie und Verlaufsdiagnostik
-
Pharmakotherapie und Neurobiologie der PTBS
-
Abschließende Überlegungen und Ausblick
Grundlagen und Problemkreis
Grundlagen und Problemkreis
Diagnostische Kriterien der posttraumatischen
Belastungsstörung
Im ICD-10 findet sich die posttraumatische Belastungsstörung
(PTBS) unter den Erlebnisreaktionen. Der auslösende Stressor wird nach
Dilling [1] definiert als:
„Ein belastendes Ereignis oder eine Situation
außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalen Ausmaßes (kurz
oder lang anhaltend), das fast bei jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen
würde. Hierzu gehören Naturereignisse oder von Menschen verursachte
Katastrophen, eine Kampfhandlung, ein schwerer Unfall oder Zeuge des
gewaltsamen Todes anderer oder selbst Opfer von Folterung, Terrorismus,
Vergewaltigung oder anderer Verbrechen zu sein.”
Der Symptomkomplex besteht aus der Trias intrusive
Erinnerungsbilder, Verleugnung/Vermeidung und erhöhtes physiologisches
Erregungsniveau. Im DSM-IV finden sich 6 diagnostische Kriterien für die
PTBS, die nach dem standardisierten Interview SKID [2]
abgefragt werden und auf die sich internationale Studien zur
Psychopharmakotherapie beziehen. Das A-Kriterium erfasst das psychotraumatische
Ereignis. Das B-, C-, und D-Kriterium beschreibt jeweils den Symptomenkomplex
der Intrusionen, Vermeidung und Übererregung. Das F-Kriterium erfasst die
Beeinträchtigung des Betroffenen durch die Symptomatik in seinen sozialen
Bezügen, und das E-Kriterium bezieht sich auf die Zeitdimension.
Punkt- und Verlaufsdiagnostik
Die angeführten diagnostischen Manuale verleiten zu einer
punktdiagnostischen Krankheitsauffassung. Wie in anderen Bereichen der Medizin
sollte die Punktdiagnose durch eine Verlaufsdiagnose ergänzt werden. Um
diesen Ansatz aufzugreifen, haben Fischer und Riedesser [3] ein Verlaufsmodell der psychischen
Traumatisierung vorgeschlagen (siehe Abb. [5]). Es umfasst im einzelnen die
Phasen von (1) traumatische Situation - (2) Reaktion
- (3) Prozess. Ein traumatischer Prozess
tritt ein, wenn der Übergang in die postexpositorische Erholungsphase
dauerhaft scheitert. Er kann näher untergliedert werden in die zeitnahe
Einwirkungsphase des Traumas (bis ca. 14 Tage bis 4
Wochen postevent) und die Phase der Verfestigung.
Vereinfacht kann man sagen, dass im traumatischen Prozess sich die
unmittelbare, spontane Reaktion auf das Trauma zu einem dynamischen System
verfestigt, das in der Zeitachse unterschiedliche Symptomkonstellationen
hervorbringen kann.
5 solch typischer Verlaufsmuster des traumatischen Prozesses
wurden von Nathan und Fischer [4] an psychosomatischen
Patienten ermittelt und in einer Lebenslaufperspektive beschrieben: (1) ein
„leistungskompensatorischer” Verlaufstyp, bei dem Ablenken durch
Arbeit im Vordergrund steht, (2) Kompensation durch Suchtverhalten, (3) der
PTBS-Angsttyp, bei dem die traumatischen Ängste überwiegen, (4) der
Vermeidungstyp mit habitueller Dominanz im Vermeidungsflügel des PTSD
sowie ein (5) „Dissoziationstyp” mit Überwiegen eines
dissoziativen Kontrollstils. Weitere Verlaufsmuster sind im Spektrum von
psychiatrischen Krankheitsbildern zu finden. Der Kristallisationspunkt des
Prozessverlaufes lässt sich mit einer speziellen Typologie der
psychotraumatischen Situationsdynamik [5]
beschreiben.
Während das Verlaufsmodell der
psychischen Traumatisierung Erleben und Verhalten in der
Lebenslaufperspektive beschreibt, weist das Modell von Post et al.
[6] eine Verlaufssequenz aus, die neurophysiologische
Faktoren auf Rezeptorebene berücksichtigt. Die Autoren machen in ihrem
hypothetischen Modell deutlich, dass der traumatische Prozess zur Entwicklung
psychiatrischer Begleiterkrankungen führen kann (siehe Abb. [1]), die im wesentlichen das Komorbiditätsspektrum
der PTBS abdeckt und auf Rezeptorebene hierfür typische Regulationsmuster
bildet (nicht dargestellt, vergleiche hierzu [6] oder
[7])
Abbildung 1: Komorbidität
durch den traumatischen Prozess (in Anlehnung an [6]).
Die Darstellung hat idealtypischen Charakter. Im Zuge des
Verarbeitungsprozesses von Intrusion und Verleugnung können
Krankheitsbilder entstehen, die mit zuviel oder zuwenig Erregung assoziiert
sind.
Das Schaubild macht deutlich, wie sich aus einer traumatischen
Belastungssituation psychiatrische Erkrankungen entwickeln können. Hierbei
kommt es darauf an, welche Symptome der PTBS im Vordergrund stehen. Steht
Übererregung im Vordergrund, so kommt es möglicherweise
zusätzlich zur Selbstmedikation und Suchtproblematik (ICD-10: F1,
„Sucht-Verlaufstyp”) oder einer Angststörung (ICD-10: F40,
F41; „PTBS-Angsttyp”). Steht die Vermeidung im Vordergrund, kommt
es eher zur Komorbidität von depressiven (ICD-10: z. B. F32;
„Vermeidungstyp”) oder dissoziativen Störungsbildern
(ICD-10: F44, „Dissoziationstyp).
Vor diesem Hintergrund wird es verständlich, warum Studien,
die sich mit psychiatrischen Krankheitsbildern und deren Komorbidität mit
posttraumatischen Belastungsstörungen beschäftigen, zum Ergebnis
kommen, dass ein hoher Prozentsatz der Patienten in der psychiatrischen
Regelversorgung die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung
erfüllt [8],[9],[10],[11].
Für die Psychopharmakotherapie ergeben sich aus dem Gesagten
vielschichtige Implikationen:
-
Wie lautet die aktuelle Lehrmeinung zur
psychopharmakologischen Behandlung der PTBS?
-
Welche Regeln lassen sich aus dem Blickwinkel des
Komorbiditätsspektrums für die Wahl des Pharmakons ableiten?
-
Welcher Interaktionsprozess liegt dem psychodynamischen
[3] und neurobiologischen Verlaufsmodell
[6] zugrunde und welche Konsequenzen ergeben sich
hieraus für die Psychopharmakotherapie?
Um dieser schwierigen Aufgabe näher zu kommen, erfolgt die
Darstellung der Psychopharmakotherapie sowohl unter Einbeziehung der
psychodynamischen Modellbildung als auch unter neurobiologischen
Gesichtspunkten. Sicherlich führt dieser Anspruch dazu, dass
Wissenslücken deutlich werden, die derzeitig nicht überbrückt
werden können. Dennoch vertreten wir diesen Schritt, da nur diese
Vorgehensweise es möglich macht, den Zeigefinger auf Forschungsinhalte der
Zukunft zu richten. Im nächsten Schritt wenden wir uns einem Fallbeispiel
zu.
Die psychopathologischen Besonderheiten der PTBS an einem
Fallbeispiel
Herr K. wurde Zeuge eines schweren Busunglückes. Er
beschreibt die Situation mit den Worten: „Ich kann mich an alles wie in
Zeitlupe genau erinnern”. Er sei sofort zur Stelle gewesen und habe mit
einem Kumpel versucht, ein Mädchen aus dem verunfallten Bus zu heben.
Andere Helfer seien vollkommen erstarrt gewesen. Bei dem Rettungsversuch sei
der Kopf des Mädchens umgeschlagen. Er habe in die Luftröhre schauen
können. Nachdem ihm klar geworden sei, dass er nicht helfen könne,
habe er seinen LKW wieder in Bewegung gesetzt. Ohne Pause sei er ca.
800 km nach Hause gefahren. Für die gesamte Fahrzeit habe er keine
Erinnerung.
Zunächst habe er sich „normal” gefühlt.
Doch einige Wochen danach habe er begonnen, unter seinen Erinnerungen zu
leiden. In der Nacht habe er Albträume. Er höre die Schreie der
Kinder. Er habe schon Angst, zu Bett zu gehen. Er kämpfe gegen Suchtdruck.
LKW fahre er nicht mehr. Er müsse sich zwingen, aus dem Haus zu gehen. Die
Geschichte habe er im Gespräch mit Freunden zur Sprache gebracht. Die
sagen: „Das geht vorüber”. Herr K. fühlte sich
isoliert, kämpft mit Alkoholrückfälligkeit.
Diese Fallgeschichte kann einige Zielsymptome der PTBS
verdeutlichen. Die Basissymptome einer PTBS, wie sie im DSM und ICD-10
beschrieben werden, äußern sich in einem Vermeidungsverhalten (z. B.
fährt kein LKW mehr), Intrusionen (z. B. Albträume, in denen er die
Schreie der Kinder hört) und einem erhöhten Erregungsniveau, welches
sich in einer höheren Angstspannung äußert (z. B. Angst zu Bett
zu gehen). Nach dem Verlaufsmodell der psychischen
Traumatisierung können die psychopathologischen Merkmale der
traumatischen Situation, der peritraumatischen Reaktion, der Einwirkphase und
des traumatischen Prozesses betrachtet werden. Die traumatische Situation und (peritraumatische)
Reaktion sind in dem vorliegenden Beispiel von
dissoziativen Phänomenen der Derealisation und Amnesie geprägt. Das
Zeiterleben ist hypermnestisch und die Einordnung in Raum und Zeit verzerrt,
indem Herr K. die Situation „wie in Zeitlupe” erlebt. In der
traumatischen Reaktion gerät der Patient in einen
amnestischen Zustand. Er fährt 800 km, ohne sich zu erinnern. Der
Dissoziationsneigung in der traumatischen Situation spricht man eine bedeutsame
Rolle als Prädiktorvariable bei der Ausbildung einer PTBS zu
[12],[13], welche
entsprechend in den Kölner Risikoindex eingeht
[3].
Die Einwirkungsphase des Traumas ist bei Herrn K. geprägt von
einer emotionalen Anästhesie (oder Numbing), die ihn vor Leidensdruck
schützt und zunächst auch die Intrusionen unterdrückt. Im
weiteren Verlauf treten die unkontrollierbaren Erinnerungsbilder auf. Herr K.
leidet unter Flashbacks mit Albträumen. Im Vordergrund steht die
akustische Sinnesmodalität. Herr K. hört dann „die Schreie der
Kinder”. Der Patient reagiert mit sozialem Rückzug und kämpft
gegen seine soziale Isolierung an.
Charakteristisch für die posttraumatische Belastungsreaktion
ist eine tiefe Verunsicherung („traut sich nicht mehr, in sein Bett zu
gehen”), die ihn in ständige Alarmbereitschaft versetzt. Viele
Patienten versuchen, sich zu verschließen und sehen Reize
„unterschiedslos” als potentielle Gefährdung. Dieses
Phänomen wurde auch als emotionale
Entdifferenzierung bezeichnet. Im weiteren Verlauf gewinnt die Neigung des
Patienten an Bedeutung, auf Suchtmittel zurückzugreifen. Es aktualisiert
sich seine Alkoholerkrankung, indem er mit Suchtdruck kämpft. Bereits die
lebensgeschichtliche Perspektive weist bei Herrn K. auf die Verlaufsgestalt
„Suchttyp” als traumakompensatorische
„Selbstmedikation”.
Anforderungsprofil an Psychotherapie und
Psychopharmakotherapie
An dieser Fallvignette wird das Anforderungsprofil deutlich, das
sowohl an die Psychotherapie wie an die Psychopharmakotherapie des Traumas zu
stellen ist. Im Zentrum des Verlaufsprozesses steht der biphasische Wechsel
zwischen Vermeidung und Intrusion, wie er als „Zyklus der
Traumaverarbeitung” in der folgenden Abbildung veranschaulicht wird
[3],[14],[15].
Abbildung 2: Zyklus der
Traumaverarbeitung. Erklärung: Die aktuelle
traumatische Erfahrung durchläuft zunächst die Quadranten I bis III
und pendelt sich dann zwischen II und III ein. Damit entsteht jenes Oszillieren
zwischen Intrusion und Vermeidung, das den Kern der PTBS bildet. Auch im
Normalfall wechseln Blockierung und Zulassen der Erinnerung einander ab, so
dass ein kontrolliertes, „dosiertes” Erinnern und Durcharbeiten
möglich wird. Dies entspricht dem „natürlichen
Selbstheilungsprozess” auch bei Trauma, den die Therapie
unterstützen und vollenden kann. Bei PTBS ist dieser normale Vorgang
„entgleist” und festgefahren in einem dynamischen System, das
zwischen extremer Verdrängung und überflutender Erinnerung oszilliert
(Rückkopplungspfeil zwischen III und II, wirksam meist als positives
Feedback mit Tendenz zur Eskalation).
Herr K. leidet unter Nachhallerinnerungen mit primär
akustischer Sinnesmodalität („Schreie der Kinder”). Hierbei
handelt es sich nicht um eine Erinnerung im gewöhnlichen Verständnis.
Vielmehr wird aus neurobiologischen Gründen die traumatische Erfahrung oft
ohne räumliche und zeitliche Einordnung prozessiert (s. u.). In den
sogenannten Flashbacks wird die traumatische Situation demnach real wieder
durchlebt, was einer Retraumatisierung der Betroffenen gleichkommt. Aus diesem
Grunde mobilisiert der Organismus all seine Ressourcen, um ein erneutes
Durchleben des Traumas zu verhindern. Hierbei handelt es sich, wie
erwähnt, um eine physiologisch wie auch psychologisch sinnvolle und
notwendige Abwehrmaßnahme, da Retraumatisierung den Gesamtzustand der
Persönlichkeit verschlimmern und beispielsweise die PTBS-Komponente
„Übererregung” in bedrohlicher Weise verstärken
würde.
Als gemeinsame Strategie für Psychotherapie und
Psychopharmakotherapie ergibt sich daraus die Notwendigkeit, die
„Schaukelbewegung” zwischen Intrusion und Vermeidung zu
stabilisieren. Während Herr K. in der Phase des Aufschreis (Phase I) auf
einen dissoziativen Kontrollstil ausweicht, erlebt er in der Einwirkphase als
Ausdruck eines zugespitzten Vermeidungsverhaltens eine emotionale
Anästhesie (Phase II), die ihn vor Leidensdruck schützt und
retrospektiv als symptomlose Übergangsphase imponiert. Im weiteren Verlauf
bestimmen Übererregungssymptome das klinische Bild. Phase III ist
gekennzeichnet durch eine Lockerung der Abwehr mit einem unkontrollierbaren
Pendelausschlag in unerträgliche Erinnerungsbilder; Leidensdruck kommt
auf, und Herr K. begibt sich in eine Psychotherapie, die psychopharmakologisch
gestützt wird , so dass nach Abb. [2] der
Übergang in den Quadranten IV, „Durcharbeiten” auf der
Grundlage von „kontrolliertem Wiedererleben”, möglich wird.
Auf der dialektischen Strategie, die Extreme abzumildern, um einen produktiven
„Schaukelprozess” zwischen Vermeidung und Intrusion in Gang zu
halten, beruht die „Mehrdimensionale Psychodynamische
Traumatherapie” [16]. Im Zentrum stehen
Diagnostik, gezielte Stärkung und Differenzierung des
„traumakompensatorischen Repertoires”, das der Patient spontan
zum Ausdruck bringt. Extreme Formen von Intrusion (Quadrant III) auf der einen
und Vermeidung (Quadrant II) auf der anderen Seite werden abgemildert, so dass
der Zyklus der Traumaverarbeitung so lange durchlaufen
werden kann, bis sich die intrusiven Phänomene von „traumatischer
Erinnerung” in „normale” Erinnerung (qua
„Er-Innerung”) zurückverwandeln.
Am gleichen Anforderungsprofil, die traumatisch verzerrte
Selbstregulation der Persönlichkeit zu unterstützen und
schließlich wieder herzustellen, ist die Psychopharmakotherapie zu
messen. Die Pharmakotherapie muss ebenfalls zwischen den unterschiedlichen
syndromalen Ausprägungen sinnvoll vermitteln und eine Harmonisierung
bewirken. Darüber hinaus ist eine Pharmakotherapie wünschenswert, die
das Spektrum von komorbiden Störungen miterfasst (z. B.
Depressionen und Angststörungen).
Neurobiologie der PTBS
Die psychopharmakologische Behandlung greift in die
Homöostase von zentralen und peripheren Botenstoffen ein. Vor diesem
Hintergrund sind psychobiologische Mechanismen interessant, die der PTBS
zugrunde liegen. Auf dieser Grundlage werden dann Studien vorgestellt, die
Substanzgruppen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen untersucht haben.
Für eine ausführlichere Darstellung der Neuropsychotraumatologie wird
auf Galley et al. [7] verwiesen.
Neurobiologie des akuten Psychotraumas
Abbildung 3 hebt die Strukturen hervor, die für die
zentralnervöse Verarbeitung des Psychotraumas relevant sind. Hierbei
handelt es sich um ein Modell, welches aus didaktischen Gründen die
umfangreichen Zusammenhänge der Hirnregionen stark vereinfacht. Sie
bestehen aus der zentralnervösen Verschaltung von Thalamus, Mandelkern,
Hippokampus und Frontalhirn. Darüber hinaus sind die Stressachse, die
Botenstoffe der Katecholamine, Kortikoide und Opiate aufgeführt, denen man
Relevanz bei der Entwicklung einer PTBS beimisst. Die Stressachse besteht aus
Hypothalamus, Hypophyse, Nebennierenrinde und Nebennierenmark.
In Anlehnung an das Verlaufsmodell der Psychotraumatisierung dient
Abb. [3] zur Darstellung der physiologischen
Reaktion in der traumatischen Situation. Das traumatische Ereignis wird
über die Sinnesmodalitäten wahrgenommen (afferenter Flügel), und
in thalamischen Schaltzentren wird die sensorische Information gebündelt.
Über einen subkortikalen Neuronenkreis erfolgt eine affektive
Bedeutungserteilung im Corpus amygdaloideum (Mandelkernregion). Der
Neuronenkreis über den sensorischen Kortex zum Frontalhirn
ermöglicht, über eine Verknüpfung mit dem limbischen System, die
Bewertung der Situation unter Einbeziehung höherer kortikaler Funktionen.
Es wird eine Bereitstellungsreaktion (efferenter Flügel) ausgelöst
(fight/defense, flight and freeze; siehe Abb. [3]), um dem Anforderungsprofil der traumatischen
Situation gerecht werden zu können.
Abbildung 3: Die traumatische
Situation aus neurobiologischer Sicht. Es werden die
unterschiedlichen neuroanatomischen Strukturen dargestellt, die Relevanz
für die Neurobiologie der Psychotraumatisierung aufweisen. Der afferente
Flügel, d. h. Wahrnehmung der traumatischen Situation, führt
im efferenten Flügel zu Kampf, Flucht oder Totstellreflex (weitere
Erklärung siehe Text).
Analog zur Stresssituation geht man davon aus, dass in der
traumatischen Situation eine Überflutung mit Neurohormonen stattfindet:
Das katecholaminerge-, kortikotrope- und Opiatsystem wird aktiviert (siehe
Abb. [3]). Die physiologischen Auswirkungen und Synergien werden im folgenden
ausgeführt.
Die Aktivierung des adrenergen Systems hat auf den Ebenen des
zentralen und peripheren Nervensystems erhebliche Auswirkungen. Es werden
Orientierungs-, Schreckreaktionen und selektive Aufmerksamkeitsprozesse
ausgelöst. Es kommt zur Aktivierung des Locus coeruleus, der die
Ausschüttung von Noradrenalin über verschiedene Hirnregionen nach
sich zieht und mit Intrusionen in Verbindung gebracht wird. Die Aktivierung der
Mandelkernregion wird verstärkt [17]. Sie steht
über die Stria terminalis mit Kerngebieten im Hirnstamm in Verbindung, die
eine Aktivierung der Nebennierenrinde zur Folge hat und Adrenalin und
Noradrenalin freisetzt. Die Freisetzung von Katecholaminen führt
u. a. zu einer Erhöhung von Herzschlag sowie Blutdruck und
fördert die Glukoseaufnahme in die Zelle (siehe Abb. [3]).
Diese Bereitstellungsreaktion führt nach dem Stresskonzept
zur vermehrten Freisetzung von Cortico-Releasing-Factor (CRF) aus dem
Hypothalamus. Dies wiederum bewirkt die Freisetzung von Corticotropin (ACTH)
aus der Hypophyse. ACTH fördert die Ausschüttung von Cortisol aus der
Nebennierenrinde mit einem vielfältigen Wirkprofil. Die erhöhte
Freisetzung von Katecholaminen führt ebenfalls zur erhöhten
Freisetzung von ACTH, so dass in der Stresssituation CRH und Katecholamine in
der Freisetzung von Kortisol synergistisch wirken. Dem Vorläuferprotein
von ACTH ist die Aminosäuresequenz von Beta-Endorphin angehängt.
Beta-Endorphin ist ein Opiat und bewirkt Schmerzreduktion (Analgesie). Das
heißt: bildet sich ACTH, entsteht parallel Beta-Endorphin. Dies
trägt möglicherweise dazu bei, dass in Extremsituationen der
Opiatspiegel ansteigt.
Auf peripherer Ebene erhöht Kortisol die Glucosekonzentration
im Blut. Es wirkt sich aktivierend auf das Herz-Kreislauf-System aus.
Glukokortikoide wirken antientzündlich und antiallergisch. Die massive
Ausschüttung von Neurohormonen, wie es in traumatischen Situationen der
Fall ist, führt möglicherweise zu einer Entkoppelung und Fehlfunktion
der Hippokampusformation (siehe gestrichelter Doppelpfeil in der
Abb. [3]). Dies führt möglicherweise
zu dauerhaften Schäden an Nervenzellen, speziell im Hippokampusbereich
[18].
Flashbacks im traumatischen Prozess
Diese Ausführungen machen deutlich, dass Psychotraumatologie
im neurobiologischen Gesamtkontext gesehen werden muss. Im Zustand
höchster affektiver Erregung werden Zustandsbilder gespeichert, die
assoziativ mit olfaktorischen, visuellen, akustischen oder kinästhetischen
Eindrücken verbunden sind. Traumatische Engramme sind an die Physiologie
des jeweiligen Erregungszustandes gekoppelt. Es entsteht die neuro-kognitive
Repräsentanz des „Traumaschemas”.
Abbildung 4: Neurobiologisches
Modell des Flashback. In der Darstellung wird das gestörte Zusammenspiel
von Mandelkern, Hippokampus und Frontalhirn dargestellt. Es kommt zu einer
Hypersensibilität des katecholaminergen Systems, dem HPA Paradox und
Fluktuationen des Opiatspiegel (weitere Erklärung siehe Text).
Neurobiologische Modelle gehen davon aus, dass während der
Flashbacks eine frontale Dysfunktion des exekutiven Aufmerksamkeitssystem
anzunehmen (siehe gestrichelter Pfeil, Abb. [4]) ist.
Chronische Dysregulationen sind für die Botenstoffe der
Katecholamine, Opiate und Kortikoide festzustellen. Bei Kriegsveteranen mit
einem PTBS führt die Präsentation von Videos über
militärische Kampfhandlungen zu einer naloxonreversiblen Analgesie
[19]. In verschiedenen Untersuchungen fanden sich bei
PTBS-Patienten deutlich höhere Noradrenalinspiegel im Urin als bei der
gesunden Kontrollgruppe [17],[20]. Diese Dysregulation in der
Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse führt auf Dauer zu einem
relativen Hypokortisolismus. Das Phänomen des erhöhten CRF Spiegels
[21] in Kombination mit einem erniedrigten
Kortisolspiegel [22] ist als paradoxe Dysregulation
der Stressachse (HPA-Paradox) bekannt geworden (siehe Abb. [4]).
Neuere Verfahren wie die Positronen-Emissions-Tomographie (PET),
ein bildgebendes Verfahren, das die Gehirnaktivität sichtbar macht,
verweisen auf ein atypisches Zusammenwirken der beiden Hemisphären.
Hiernach ist unter experimentell induzierten Flashbacks besonders das
Broca-Areal (motorisches Sprachzentrum) in seiner Aktivität
unterdrückt [23],[24].
Statt dessen erscheint in der PET die rechte Hirnhälfte, die mit dem
bildhaften Speichern von Emotionen und Sinneseindrücken assoziiert ist,
besonders aktiviert. Dieser Befund erklärt auch, warum viele
Traumatisierte das Geschehen oft nur bildhaft wiedererleben, nicht in Worte
fassen können und immer wieder von einem Zustand wortlosen Entsetzens
(„speachless terror”) berichten.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die
psychophysiologischen Veränderungen, die mit der PTBS assoziiert sind,
vielfältige Auswirkungen haben. Ein dynamisches Bedingungsgefüge
kommt aus dem Gleichgewicht und verursacht eine chronifizierte Dysregulation.
Parallel zum dynamisch-dialektischen Vorgehen der psychodynamischen
Traumatherapie [16] ist die Psychopharmakotherapie
als dynamische Einflussgröße in einem Bedingungsgefüge zu
sehen.
Allgemeine und spezielle Psychopharmakotherapie der PTBS
Allgemeine und spezielle Psychopharmakotherapie der PTBS
Psychopharmakologische Behandlungsstrategien
Bei diesen weitreichenden Auswirkungen auf psychobiologischer
Ebene stellt sich die Frage der pharmakologischen Beeinflussbarkeit. Welche
Psychopharmaka haben sich als wirksam erwiesen, diese chronifizierte
Dysregulation in den Griff zu bekommen? Aus neurobiologischer Sicht kommen
antiadrenerge Substanzen, Benzodiazepine, Opiatantagonisten und
affektstabilisierende Pharmaka (z. B. Antidepressiva) für die
Psychopharmakotherapie der PTBS in Betracht.
Die alleinige Pharmakotherapie posttraumatischer
Belastungsstörungen ist obsolet. Pharmakotherapie ist eine
zusätzliche Hilfe, den psychotherapeutischen Verlauf zu stützen. Die
Psychopharmakologie gehört zur Somatotherapie. Sie richtet sich nach der jeweiligen syndromalen Ausprägung,
Schweregrad und Komorbidität. Die Psychopharmakologie dient zur
kontrollierten Traumaverarbeitung und Konfrontation. Hierzu gehört die
Distanzierung vom traumatischen Geschehen, die Verhinderung von
Übererregungsphänomenen (z. B. Reizbarkeit, Affektinkontinenz,
Schreckhaftigkeit, Albträumen) aber auch die Bewältigung der
emotionalen Anästhesie und Minderung von Symptomen aus dem depressiven
Spektrum (Interessenverluste, sozialer Rückzug und
Konzentrationsstörungen). Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass die
Behandlung der PTBS auf der phänomenologischen Ebene ein breites
Anforderungsprofil einfordert, da z. T. gegenläufige psychopathologische
Syndrome (z. B. Intrusion/Vermeidung) behandelt werden müssen.
Zusammenfassend sollen für Herrn K. Erinnerungsbilder kontrollierbar und
das Erregungsniveau reguliert werden und der Suchtdruck weichen. Die
Psychopharmakologie soll die Wiederherstellung der emotionalen Differenzierung
unterstützen und der chronischen Dysregulation von Botenstoffen
entgegenwirken. Nach der MPTT [16] soll sich durch
eine kombinierte Psychotherapie und Pharmakotherapie das „minimale
kontrollierbare Handlungsfeld” erweitern, damit
Selbstregulationsmechanismen im Sinne der Selbstheilung wieder greifen
können.
Hierzu werden verschiedene Substanzgruppen angewendet. Primär
kommen selektive Serotonin-Rückaufnahmehemmer (SSRI) in Frage. Auch tri-
und tetrazyklische Antidepressiva (Trimipramin, Doxepin, Maprotilin
u. a.) finden Anwendung. Hinzu kommen neuere aktivierende oder
schlaffördernde Antidepressiva mit dualem Wirkmechanismus (z. B.
Venlafaxin, Mirtazapin), die sich bisher in kontrollierten Studien kaum
wiederfinden. Zur Reizabschirmung werden Neuroleptika (z. B. Perazin),
Benzodiazepine (Lorazepam u. a.) und Hypnotika (Zolpidem, Zopiclon
u. a.) eingesetzt. Auf Benzodiazepine wird insbesondere
zurückgegriffen, wenn Erregungssymptome unbeherrschbar werden.
Der biphasische Verlauf der PTBS macht auf Stoffgruppen
aufmerksam, die zur Phasenprophylaxe angewendet werden. Hierzu gehören
Lithiumsalze, Carbamazepin oder Valproinsäure, um den
stimmungsstabilisierenden Effekt auszunutzen. Im folgenden werden die einzelnen
Substanzgruppen sukzessive diskutiert.
Antidepressiva
Antidepressiva werden primär zur Behandlung von depressiven
Störungsbildern angewendet. Jedoch hat sich die Substanzgruppe auch
für die Behandlung von Angst- und Zwangserkrankungen sowie bei
Schmerzsyndromen bewährt. Die PTBS kann als Variante einer Angsterkrankung
gesehen werden und wird - im Gegensatz zum ICD-10 - im DSM zu
dieser Gruppe gezählt. Aus der Stoffgruppe der Antidepressiva werden
Trizyklika, MAO-Hemmer und SSRI angeführt.
Selektive Serotonin-Rückaufnahmehemmer
Selektive Serotonin-Rückaufnahmehemmer (SSRI) haben in den
vergangenen Jahren große Bedeutung gewonnen. Dies ist insbesondere darauf
zurückzuführen, dass sie ein günstigeres Nebenwirkungsprofil als
trizyklische Antidepressiva aufweisen. Für die Psychotraumatologie sind
Substanzen mit einem SSRI Wirkmechanismus besonders interessant, da bei der
Entwicklung einer PTBS eine Beteiligung des Serotonin-Systems vermutet wird
[25]. Die Wirksamkeit der SSRI hat in jüngsten
Studien zunehmend Bestätigung gefunden. Vor diesem Hintergrund sind die
Substanzen von Citalopram, Fluvoxamin, Paroxetin und Sertralin genauer
untersucht worden.
Seedat et al. [26] konnten nachweisen,
dass 8 Patienten mit mäßiger bis schwerer PTBS Symptomatik durch die
Gabe von 20 mg Citalopram über einen Behandlungszeitraum von 12
Wochen eine signifikante Besserung der Kernsymptomatik erfahren haben. Figgitt
und McClellan [27] haben die Wirksamkeit von
Fluvoxamin für das Spektrum der Angsterkrankungen untersucht und in diesem
Zusammenhang beschrieben, dass eine Besserung des basalen posttraumatischen
Belastungssyndroms erzielt werden konnte. Die Autoren stellen Fluvoxamin der
Wirksamkeit von Clomipramin (trizyklisches Antidepressivum) gleich. Marshall et
al. [28] haben zeigen können, dass Patienten mit
nicht kriegsbezogener, chronischer PTBS von Paroxetin haben profitieren
können. Auch die Wirksamkeit von Sertralin wurde bei der Behandlung der
PTBS beschrieben [29],[30].
Fluoxetin wird von Meltzer-Brody et al. [31] als
Mittel der ersten Wahl bei der Behandlung der PTBS gesehen. Der Nachweis wurde
erbracht an einer Stichprobe von 53 Patienten, die nach einem Ziviltrauma eine
PTBS entwickelt hatten.
Es gibt auch kritische Stimmen in Bezug auf die Anwendung von
SSRI. Hertzberg et al. [32] konnte in einer
Doppel-Blind-Studie keine Wirksamkeit von Fluoxetin bei Kriegsveteranen mit
einer chronifizierten PTBS nachweisen. Andere Autoren haben sich mit dem
Nebenwirkungsprofil von SSRI auseinandergesetzt. Kotler et al.
[33] haben untersucht, ob sexuelle Dysfunktion der
PTBS oder dem Profil der Nebenwirkung von SSRI zuzuordnen ist. Die Autoren
kommen zum Schluss, dass die sexuelle Dysfunktion mit der PTBS assoziiert ist,
jedoch durch die Gabe von SSRI zusätzlich beeinträchtigt wird.
Zusammenfassend können SSRI als Substanzgruppe der ersten
Wahl betrachtet werden. Die Substanzen haben ihre Wirksamkeit für Symptome
aus dem Spektrum der B, C und D Symptome, d. h. dem gesamten Spektrum
des basalen posttraumatischen Belastungssyndrom gezeigt. Darüber hinaus
haben SSRI eine gute Wirksamkeit in Bezug auf komorbide Störungen aus der
Gruppe der PTBS assoziierten Vermeidungs- (z. B. Depression) und
Übererregungserkrankungen (z. B. Angst, Impulsstörung usw.), die in
Abb. [1] veranschaulicht sind.
Trizyklische Antidepressiva
Trizyklische Antidepressiva (TZA) gehören zu den
bewährtesten Medikamenten der Depressionsbehandlung. Die Anwendung bei
PTBS wird z. T. zurückhaltend bewertet. Reist et al.
[34] konnten für Desipramin keine Wirksamkeit
bei der PTBS nachweisen. Auch Davidson et al. [35]
vermochten eine Symptomverbesserung bei 46 amerikanischen Kriegsveteranen nach
acht Wochen Amitryptylingabe nur für Vermeidungs-Symptome (C-Kriterium)
und die depressive Symptomatik nachzuweisen. Friedman et al.
[36] beurteilen in ihrer Übersichtsarbeit die
Wirksamkeit von TZA wesentlich günstiger, weisen jedoch auf das typische
Nebenwirkungsprofil hin (z. B. Hypotension, Herzrhythmusstörungen,
anticholinerge Effekte, Müdigkeit).
Monoaminoxidase-Hemmer
Monoaminoxidase-Hemmer (MAO-Hemmer) wird eine besondere
Wirksamkeit für Intrusionen (B-Kriterium) nachgesagt
[37],[36]. Besonders
irreversible MAO-Hemmer bringen die Problematik der Tyramin-freien Diät
mit sich. Diese Einschränkung gilt für neuere Substanzen nicht (z. B.
Moclobemid), so dass die Substanz von Friedmann et al. [36] in der PTBS Behandlung als sicher und
zuverlässig eingestuft wird.
Benzodiazepine
Benzodiazepine gehören zu den häufigst eingesetzten
Psychopharmaka. Hauptindikation ist die Behandlung von Angst-, Spannungs- und
Erregungszuständen. Nach Friedmann et al. [36]
sind Benzodiazepine effektive Anxiolytika und bewirken typische
Antiarousal-Effekte, ohne jedoch Intrusionen (B-Kategorie) und
Vermeidungssymptome (C-Kategorie) zu reduzieren. Wie kommt es zu einer solchen
Polarisierung der therapeutischen Wirksamkeit? Befunde weisen darauf hin, dass
Alprazolam die Reizantwort auf akustische Stimuli bei Panikstörungen
reduziert. Dies ließ sich für Patienten mit einer PTBS nicht
bestätigen [38]. Möglicherweise
unterscheidet sich der zugrunde liegende neurobiologische Mechanismus der PTBS
von anderen Angsterkrankungen.
In der Summe haben Benzodiazepine offensichtlich keine Vorteile
gegenüber anderen Substanzklassen, die für die Behandlung einer PTBS
verwendet werden. Daher schlussfolgern Friedmann et al. [36], dass Benzodiazepine nicht als Monotherapeutikum bei
der Behandlung einer PTBS empfohlen werden können. Das Indikationsprofil
richtet sich insbesondere auf PTB-Syndrome, bei denen Übererregung und
vegetative Entgleisungen mit Schlaflosigkeit unbeherrschbar im Vordergrund
stehen. Benzodiazepine können in diesen Fällen vorübergehend
parallel zu einer antidepressiven Einstellung Anwendung finden. Häufig
werden sie in der akuten psychotraumatischen Belastungssituation verabreicht.
Dies erfolgt unter der Vorstellung, sowohl Zustände des Freezings zu
lösen (z. B. Lorazepam) als auch Erregungszustände in den Griff zu
bekommen. Um Schlafstörungen im Rahmen einer PTBS zu behandeln,
bewährt sich der vorübergehende adjuvante Einsatz von Hypnotika
(Zolpidem, Zopiclon u. a.).
Phasenprophylaktika
Die Anwendung von Carbamazepin und Valproinsäure hat ihre
Hauptindikation ursprünglich in der Behandlung von Epilepsie. Diese
Substanzen haben jedoch in der jüngsten Vergangenheit in der Behandlung
von affektiven Erkrankungen zunehmend Bedeutung gewonnen. Der Gebrauch von
Carbamazepin und Valproat wurde von einer theoretischen Überlegung
abgeleitet, wonach das sogenannte „Kindling” als
pathophysiologischer Prozess der PTBS zugrunde gelegt wird. Das Modell
„Kindling” beinhaltet die Hypothese, dass die wiederholte
Präsentation von unterschwelligen Reizen das limbische System
sensitiviert, und es dadurch zu neuronaler Aktivität kommt. Die
Antikindling-Wirkung dämpft eine durch wiederholte Stressoren verursachte
abnorme Aktivität limbischer Neurone. Friedmann et al.
[36] beschreiben eine Wirksamkeit von Carbamazepin
zur Reduktion von Intrusionen und Erregungssymptomen. Valproinsäure
reduziert Vermeidungs- und Übererregungssymptome. Darüber hinaus
liegen Studien vor, welche die Wirksamkeit von Lithium [39] und Lamotrigine [40]
beschrieben haben.
Antiadrenerge Substanzen
Clonidin (Alpha-2-Antagonist) reduziert Intrusionen,
Übererregung und möglicherweise auch dissoziative Phänomene
[41]. Mit dem Beta-Blocker Propanolol wurde an 11
missbrauchten Kindern eine Abnahme der Nachhall-Erinnerungen erzielt
[42]. Die Anzahl der kontrollierten Studien ist nach
Friedmann et al. [36] sehr begrenzt, so dass keine
grundsätzliche Empfehlung für die Anwendung ausgesprochen werden
kann.
Neuroleptika
Nach Bauer und Priebe [43] wird der
Einsatz von Neuroleptika bei Patienten mit PTBS sehr zurückhaltend
beurteilt. Neuroleptika finden in der Übersichtsarbeit von Friedmann et
al. [36] ein ähnliches Echo. Sie sollten als
Monotherapeutikum grundsätzlich nicht zur Behandlung einer PTBS angewendet
werden. In Einzelfällen mögen sie bei produktiv-psychotischen
Syndromen sinnvoll sein. Hierbei stellt sich jedoch die Frage, ob es sich nicht
um Pseudohalluzinationen handelt, die bei PTBS-Patienten in spezifischen
Erlebniszuständen sowie bei Flashbacks im Rahmen von taktilen,
olfaktorischen, visuellen und gustatorischen Sensationen zu beobachten sind.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob produktiv- psychotische Symptome
die Diagnose einer PTBS als Krankenhaushauptdiagnose nicht ausschließen.
Niederpotente Neuroleptika haben ihr Indikationsspektrum als Adjuvanz, wenn die
Patienten von Symptomen des Übererregungsspektrums gequält sind und
eine ausreichende Sedierung sichergestellt werden muss. Sie bieten den Vorteil,
dass die Problematik der Abhängigkeitsentwicklung, die z. B. die Anwendung
von Benzodiazepinen mit sich bringt, umgangen wird.
Opiatantagonisten
Die Anwendung von Naltrexon wird im Kontext der Behandlung von
dissoziativen Zuständen diskutiert. Vermehrten Einsatz findet die Substanz
bei Borderline-Störungen, um zur Reduktion von
Selbstschädigungshandlungen und zur Affektstabilisierung beizutragen.
Bisher hat die Substanzgruppe in Übersichtsarbeiten [43],[36], die sich mit der
störungsspezifischen Behandlung der PTBS beschäftigt haben, noch
keinen festen Platz. Aus diesem Grunde bleibt die Entwicklung abzuwarten.
Stoffgruppen im Vergleich nach Kriterien der Agency for Health
Care Policy and Research (AHCPR)
Um die Vielzahl der Studien, die zur Psychopharmakotherapie
veröffentlicht worden sind, überschaubar zu machen, haben sich
Friedmann et al. [36] das Codiersystem der Agency for
Health Care Policy and Research (AHCPR) zu Nutze gemacht. Das System
unterscheidet zwischen den Levels A, B, C, D, E und F. Bei der Einstufung
spielen Quantität und Qualität der durchgeführten klinischen
Untersuchungen eine Rolle. Die Einstufung in das Level A basiert z. B. auf
randomisierten Doppelblindstudien, die an der Wirksamkeit der Substanz keinen
Zweifel lassen. Level F hingegen basiert auf kürzlich entwickelten
Substanzen, bei denen noch keine klinischen bzw. empirischen Untersuchungen
vorliegen. Das zugrunde gelegte Anforderungsprofil der Kodierung kann bei Foa
et al. [44] nachgelesen werden.
Nach den AHCPR-Kriterien kommen folgende Einstufungen zustande,
die in der Tab. [1] dargestellt sind.
Tab. 1: Stoffgruppen im
Überblick
Antidepressiva | |
Selektive
Serotonin-Rückaufnahmehemmer (SSRI)
| |
Sertralin | Level A |
Fluoxetin | Level A/B |
Paroxetin | Level B |
Fluvoxamin | Level B |
Trizyklische Antidepressiva (TZA)
| |
Imipramin/Amitriptylin/Desipramin | Level A |
Monoaminoxidase-Hemmer (MAO-Hemmer)
| |
Moclobemid | Level B |
Antiadrenerge Substanzen
| |
Clonidin/Propanolol | Level C |
Antikonvulsiva
| |
Carbamazepin/Valproinsäure | Level B |
Benzodiazepine
| |
Alprazolam | Level B |
Clonazepam | Level C |
Neuroleptika
| |
Thioridazin/Clozapin/Risperidon | Level F |
Einstufung der Stoffgruppen Antidepressiva, antiadrenerge
Substanzen, Antikonvulsiva, Benzodiazepine und Neuroleptika nach den
AHCPR-Kriterien in Bezug auf ihre Eignung zur Behandlung einer PTBS nach
Friedman et al. [36].
Zusammenfassend haben sich nach kritischer Durchsicht der
Literatur für den klinischen Alltag SSRI als Mittel der ersten Wahl bei
der Behandlung der PTBS bewährt. Auch für MAO-Hemmer und TZA werden
gute Wirksamkeiten beschrieben, wobei das Profil der Nebenwirkungen nachteilig
sein kann. Auch antiadrenerge und antikonvulsive Substanzen werden angewendet.
Die Hinweise verdichten sich, dass die Anwendung von Benzodiazepinen
zurückhaltend bewertet werden sollte. Erstens wird die Wirksamkeit
für die Behandlung von B- und C-Symptomen angezweifelt und zweitens
leistet die Anwendung von Tranquilizern komorbiden Suchterkrankungen Vorschub.
Von Neuroleptikagaben sollte als Monotherpeutikum Abstand genommen werden.
Dosierung und Behandlungsdauer entsprechen den allgemeinen
psychopharmakologischen Richtlinien, was die individuelle Anpassung betrifft
[45], sie sind nicht Bestandteil unseres
Beitrags.
Integration der Psychopharmakotherapie in psychodynamische und
neurobiologische Modelle der PTBS
Integration der Psychopharmakotherapie in psychodynamische und
neurobiologische Modelle der PTBS
Psychopharmakologische Behandlungsstrategien im
Verlaufsmodell
Bisher fehlen Studien, die sich mit dem Einsatz von Psychopharmaka
im Kontext des Verlaufsmodells von Fischer und Riedesser [3] beschäftigen. Im folgenden fügen wir die
Verlaufsdimension in die pharmakotherapeutischen Überlegungen ein (siehe
Abb. [5]). Wir unterscheiden hierbei die
Psychopharmakotherapie der akuten traumatischen Situation (II) von der Phase
der Traumaverarbeitung (III). Letztere besteht zunächst aus der
Einwirkungsphase des Traumas und differenziert sich dann in Erholungsphase vs.
psychotraumatischen Prozess. Beide Verlaufsphasen sind eingebettet in ein
neuro- bzw. psychobiologisches Modell von Persönlichkeit, das als
Antezedenzmerkmal aufgeführt wird (I).
Abbildung 5: Psychopharmakologische
Behandlungsstrategien im Verlaufsmodell der psychischen Traumatisierung. Auf
der Zeitachse werden Antezedenzmerkmale (I), traumatische Situation (II) und
Bewältigung unterschieden (III). Tritt die Erholungsphase ein, so kommt es
zum einem Selbstheilungsprozess, während der „traumatische
Prozess” zu unterschiedlichen Verlaufstypen der psychotraumatischen
Belastungsstörung führt. Der Zeitpunkt der psychopharmakologischen
Intervention ist mit A, B und C wiedergegeben. Intervention C beispielsweise
gibt die Psychopharmakotherapie in mittel- und langfristigen
Prozessverläufen, entsprechend der MPTT, wider. Im internationalen
Studienvergleich hebt sich die Gruppe der Antidepressiva als Standardtherapie
ab. Die Verlaufstypen Sucht, Angst, Dissoziation und Erregung stellen empirisch
abgeleitete psychodynamische Kompensationsstrategien dar, die in der Wahl des
Pharmakons berücksichtigt werden müssen (siehe Text).
Die psychopharmakologischen Interventionslinien unterscheiden sich
im Verlaufsmodell in Behandlungsstrategie A, B und C. In der akuten
traumatischen Situation (A) werden häufig Benzodiazepine verabreicht, um
Erregungszustände in den Griff zu bekommen bzw. dissoziativ/stuporöse
Zustände zu lösen. Für die Einwirkungsphase (B) ist das Konzept
der sekundären Prävention einer PTBS zu berücksichtigen. Hier
ist eine „zielgruppenorientierte Intervention” erforderlich,
welche sich in der Hilfe für Gewaltopfer bereits bewährt hat
[46] und in humanitären bzw. militärischen
Einsätzen der Bundeswehr großflächig umgesetzt werden soll
[47]. Hier wird über den Kölner Risiko Index die Hochrisikogruppe für
PTBS ermittelt und einer psychotherapeutischen Behandlung nach der MPTT
zugeführt. Es stellt sich die Frage, ob und wieweit durch Pharmakotherapie
die Psychotherapie der Risikogruppe signifikant unterstützt werden kann.
Bestätigen zukünftige pharmakologische Studien diese Annahme, so
würde sich daraus die Empfehlung einer antidepressiven Medikation in der
Einwirkungsphase (bis 4 Wochen nach dem Ereignis) ableiten, ohne dass formal
die Diagnose einer PTBS gestellt werden kann.
Die gegenwärtige Literatur beschäftigt sich primär
mit der manifesten PTBS im traumatischen Prozess (C). In der Summe kommen die
angeführten Studien zum Schluss, dass primär Antidepressiva
eingesetzt werden sollten. Sowohl die spezifischen Symptome einer PTBS als auch
das Komorbiditätsspektrum sind hierdurch am günstigsten
abgedeckt.
Welche Aspekte ergeben sich für die Psychopharmakotherapie
aus den angeführten psychodynamischen Charakterzügen der PTBS? Aus
diesem Blickwinkel lässt sich das angezielte Wirkprofil einer
Standardtherapie folgendermaßen umreißen:
-
Die Betrachtung der PTBS als Verlaufserkrankung im Sinne eines
„traumatischen Prozesses” legt nahe, dass Substanzklassen mit
stabilisierendem Langzeiteffekt sich in eine dynamische Psychopharmakotherapie
sinnvoll einfügen.
-
Die „festgefahrenen” Extrempositionen
überflutender Intrusion einerseits und exzessiver Vermeidung (numbing,
emotionale Anästhesie) andererseits müssen abgemildert werden in
Verbindung mit einem psychotherapeutischen Vorgehen, das darauf abzielt, den
psychobiologischen, selbstregulativen Prozess der Traumaverarbeitung in Gang zu
halten bzw. wieder in Gang zu setzen.
In beiden Punkten schneiden Antidepressiva besonders günstig
ab.
Die Entscheidung einer antidepressiven pharmakologischen
Einstellung impliziert die Applikation für eine Zeitspanne von mindestens
einem halben Jahr. Somit kommen für die Psychopharmakotherapie primär
Therapieformen aus der Gruppe mittelfristiger oder langfristiger traumatischer
Prozesse im Sinne der MPTT [16] in Betracht, die auch
unter psychodynamischen Kriterien als schwerwiegend einzustufen sind.
Die Diskussion um das zweite Zielkriterium macht darauf
aufmerksam, dass Antidepressiva möglicherweise Eigenschaften haben, die
zwischen den festgefahrenen Extrempositionen von Erregung und Vermeidung
vermitteln. Dies knüpft an kybernetische Modelle der Neurotransmission an.
Im Gegensatz hierzu beschreiben bewährte Klassiker der antidepressiven
Psychopharmakotherapie (z. B. Kielholz Schema) lediglich statisch die
Auslenkung des depressiven Syndroms (ob z. B. Antriebsarmut oder Agitation im
Vorderund steht). Bei dieser linearen, „ordinalskalierten”
Beschreibung bleibt der zyklische, dynamische Verlauf der Störung
außer Acht, welcher jedoch - ähnlich wie bei der PTBS (vgl.
Abb. [2]) - gerade für die
Überwindung und Auflösung der Depression verantwortlich erscheint.
Depressive Patienten in Praxen und Kliniken legen täglich Zeugnis davon
ab, dass der Prozess der Depressionslösung zyklisch verläuft,
abhängig etwa vom Tageszeitpunkt (morgens vs. abends) oder auch vom
sozial- bzw. psychotherapeutischen Setting. Diese zyklische Komposition
depressiver und anderer Störungsbilder scheint in der theoretischen
Psychopharmakologie bislang nicht ausreichend berücksichtigt worden zu
sein. Stattdessen werden lineare Konzepte bevorzugt, verbunden mit einer
entsprechenden Beurteilung von „Verbesserung” oder
„Verschlechterung” im Sinne der Zu- oder Abnahme einer
Depression. Übertragen auf die spezielle Pharmakotherapie der PTBS, liegt
die Annahme nahe, dass in dieser „dialektischen”
Wirkkonstellation die pharmakologische und neurobiologische Entsprechung zum
psychodynamischen Zyklus der Traumaverarbeitung zum Ausdruck kommt.
Spezielle Psychopharmakotherapie und Verlaufsdiagnostik
Welche spezielle Psychopharmakotherapie der PTBS lässt sich
aus dem „Verlaufstyp” ableiten? Hierzu sei an die eingangs
beschriebenen Verlaufsstypen „Kompensation durch Suchtverhalten”,
„PTBS-Angsttyp”, bei dem die traumatischen Ängste
überwiegen, „Vermeidungstyp” mit habitueller Dominanz des
phobischen und depressiven Flügels der PTSD sowie an den
„Dissoziationstyp” mit Überwiegen eines dissoziativen
Kontrollstils erinnert [4]. Allen Verläufen
gemeinsam erscheint der Umstand, dass eine antidepressive Medikation und
Einstellung als psychopharmakologische Basisintervention grundsätzlich im
Indikationsspektrum liegt. Die pharmakologische Interventionslinie
unterscheidet sich entsprechend dem Komorbiditätsspektrum bzw. dem
traumakompensatorischen Verarbeitungsstil und den sich hieraus ergebenden
Besonderheiten.
Beim Verlaufstyp „Sucht”
ist psychopharmakologische Zurückhaltung geboten. Gefährliche
Interaktionseffekte psychotroper Substanzen mit Antidepressiva gestatten nur
einen geringen Spielraum. So muss Alkoholrückfälligkeit
beständig überwacht werden, und Pharmaka aus der Stoffgruppe der
Benzodiazepine sind grundsätzlich obsolet. Dieses Dilemma wurde bei
unserem Beispielpatienten, Herrn K., durch eine niedrigdosierte und engmaschig
kontrollierte Einstellung auf Doxepin (50mg) gelöst, auf eine Substanz,
die grundsätzlich auch im Rahmen einer Entzugsbehandlung zugelassen
ist.
Der PTBS-Angsttyp erfordert häufig
eine adjuvante Komedikation mit Hilfe eines Benzodiazepins, niederpotenten
Neuroleptikums oder einer schlafinduzierenden Medikation mit Hilfe eines
Hypnotikums.
Der „Vermeidungstyp”
siedelt sich im Spektrum depressiver Syndrome an. Erregungssymptome sind
ebenfalls von Bedeutung, so dass Antidepressiva als Monotherapeutikum, denen
eine sedierende Komponente fehlt (z. B. SSRI), entsprechend zu ergänzen
sind. Ob der „dissoziative Verlaufstyp”
von einer Komedikation mit Naltrexon profitiert, kann zum derzeitigen
Forschungsstand nicht beantwortet werden.
Auch wenn die Untersuchung charakteristischer Verlaufstypen nach
psychischer Traumatisierung derzeit noch keineswegs abgeschlossen ist, wird
möglicherweise doch schon deutlich, dass die Entwicklung psychodynamisch
fundierter Leitlinien einen „Quantensprung” in der Pharmakologie
bedeuten kann, welcher Psychotherapie und Pharmakotherapie einerseits
gleichberechtigt nebeneinander stellt, andererseits aber auch ihre
Interaktionseffekte sichtbar macht.
Pharmakotherapie und Neurobiologie der PTBS
Bei dem Versuch, neuroanatomische und neurochemische
Veränderungen bei PTBS mit einem psychopharmakologischen Modell zu
verknüpfen, stößt man auf Grenzen. Gegenwärtig existieren
vor allem Hypothesen zu einzelnen Wirkmechanismen. Nach Ehlert et al.
[17] ist der Symptomkomplex der Intrusion und des
Hyperarousals (B- und D-Symptome) an die exzessive Freisetzung von
Katecholaminen geknüpft. Die emotionale Verflachung (C-Symptom) wird nach
van der Kolk [48] Fluktuationen des Opioidsystems
zugeschrieben. Die Bedeutung der paradoxen Regulation der Stressachse ist
bisher unverstanden. Die Psychopathologie des Flashbacks, die
Löschungsresistenz des Traumaschemas sowie die gestörte
räumliche und zeitliche Integration des Psychotraumas werden im Kontext
gestörter zentralnervöser Informationsverarbeitung interpretiert. Auf
welchen neurobiologischen Mechanismus diese Phänomene
zurückzuführen sind, haben wir im Kontext neurobiologischer Modelle
zur PTBS ausführlich diskutiert. Offensichtlich jedoch ist es -
ähnlich wie bei anderen psychischen Störungsbildern - nicht
möglich, psychopharmakologische Behandlungsstrategien, neurobiologische
Konzepte der PTBS und die Effektstärke von Psychotherapien in eine
1-zu-1-Zuordnung zu bringen. Daher sollte dem dynamischen System von
Dysregulationen und Regulationsbemühungen auf psychologischer wie
biologischer Ebene verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet werden. Auch hier
erschöpft sich die apparativ laborchemische Diagnostik des Klinikalltages,
die sich häufig auf punktuelle Messparameter beschränkt.
PTBS-Diagnostik und Verlaufsbeurteilung sollten zunehmend durch
funktionell-dynamische Vorgehensweisen ersetzt werden (24-Std.
Blutdruckmessung; funktionelles MRT, Kortisol, Katecholamin-Tagesprofil usw.),
um das dynamische Bedingungsgefüge der intrasomatischen Teilstrecke
psychotraumatischer Belastung in ihrem Verlaufsprozess abzubilden.
Abschließende Überlegungen und Ausblick
Vom Forschungsansatz her erfordert die Evaluation der
Psychopharmakotherapie im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung den
Übergang von der Symptom- bzw. Syndromebene zum Studium konkreter,
klinischer Verläufe, teilweise auch auf der Mikroebene therapeutischer
Interaktion. Im Mittelpunkt steht hier die Frage nach der Bio- und
Psychodynamik der Pharmawirkung und insbesondere nach möglichen Synergien.
Präparate oder Präparatkombinationen, die sich nach diesem Studientyp
bewähren („within-case” und
„cross-case-studies”)[49], sind
für die klinische Anwendung unmittelbar relevant. Gegenwärtig fehlt
hingegen noch eine ätiopathogenetische Fundierung psychopharmakologischer
Behandlungsstrategien, die das Störungsbild in seiner charakteristischen
Entstehungsgeschichte und seinem Verlauf angemessen erfassen. Die erstaunlich
breite Palette der gegenwärtig klinisch eingesetzten und in den Studien
untersuchten Präparate dürfte auf das noch vorwiegend
symptomorientierte und eklektische Vorgehen zurückzuführen sein.
Psychopharmakotherapie kann gegenwärtig allenfalls eine Stützfunktion
bei der psychotherapeutischen Behandlung des Traumas einnehmen, die den
therapeutischen Prozess katalysiert. Es gilt der Grundsatz, dass
Psychopharmakotherapie als Ergänzung zur Psychotherapie gesehen werden
sollte und beim derzeitigen Forschungsstand schweren Fällen vorbehalten
ist.
Danksagung
Wir danken Herrn Prof. Dr. K. Fasshauer für kritische
Anmerkungen zum Manuskript.