Einleitung
Einleitung
Das gehäufte Auftreten von Wachstums- und Entwicklungsstörungen asthmakranker Kinder wird im Allgemeinen auf einen schweren Krankheitsverlauf [1]
[2]
[3]
[4]
[5] bzw. eine inadäquate Glukokortikoid-Therapie [6]
[7]
[8]
[9]
[10]
[11] zurückgeführt. Zweifelsohne spielen diese Faktoren eine wichtige Rolle. Sie sind aber keineswegs als alleinige Ursache anzusehen. Dafür sprechen Beobachtungen, nach denen auch Patienten mit leichten Asthmaverläufen, die bislang noch nicht mit Glukokortikoiden behandelt worden sind, erhöhte Kleinwuchsraten aufweisen [2]
[4]
[6]
[12]
[13]
[14]. Diese Befunde sind als Hinweis auf eine möglicherweise kausale Bedeutung der dem Asthma bronchiale oft zugrunde liegenden allergischen Disposition, der Atopie, interpretiert worden [3]
[5]
[15]
[16]
[17].
Bestimmungen des Knochenalters ergaben teilweise deutliche Verzögerungen, so dass die asthmaassoziierte Kleinwüchsigkeit auf einer Skelettretardierung zu basieren scheint [1]
[4]
[15]
[17]
[18]
[19]. Es ist unklar, ob es sich bei diesem Befund lediglich um ein Symptom oder aber die eigentliche Ursache der Entwicklungsverzögerung handelt. Eigene Beobachtungen sprechen für das Vorliegen einer primären atopischen Skelettmanifestation und damit eine vom Asthma bronchiale eher unabhängige Beeinflussung des Knochenwachstums [17]. Durch einen schweren Asthmaverlauf können Wachstum und Entwicklung zusätzlich behindert werden.
Als markantes klinisches Symptom der Entwicklungsverzögerung ist ein verspäteter Pubertätsbeginn beschrieben worden [5]
[18]
[20]
[21]. Die Wachstumsprognose wird jedoch als gut bezeichnet. Betroffene Kinder sollen eine normale Erwachsenengröße erreichen [8]
[18]
[20]
[22]
[23]. Für Asthmatiker mit leichtem Krankheitsverlauf ist sogar eine über dem Altersdurchschnitt liegende Erwachsenenendgröße ermittelt worden [24].
Eine objektive Bewertung der prognostizierten bzw. nach Abschluss des Wachstums direkt ermittelten Endgröße ist allerdings nur unter Berücksichtigung der genetischen Zielgröße möglich. Untersuchungen dieser Art liegen vereinzelt vor. Sie bestätigen die gute Wachstumsprognose [25]
[26]
[27]. Bei der Berechnung der genetischen Zielgröße ist die Akzeleration allerdings nicht immer ausreichend berücksichtigt worden. Das kann zu Fehlinterpretationen des Asthmaeinflusses auf die Endgröße führen.
Ziel der vorliegenden Arbeit war die Ermittlung akuteller Daten zur Wachstumsprognose asthmakranker Kinder. Insbesondere sollte durch Vergleich von genetischer Ziel- und prognostischer Endgröße der Einfluss des Asthma bronchiale bzw. des Erkrankungsschweregrades und der Atopie auf Wachstum und Entwicklung überprüft werden.
Patienten und Methodik
Patienten und Methodik
In die Studie wurden 210 asthmakranke Kinder - 153 Jungen und 57 Mädchen - im Alter von 1,7 bis 18,9 Jahren einbezogen. Das Vorliegen atopischer Begleiterkrankungen, wie Neurodermitis oder Rhinitis allergica, wurde toleriert. Chronische Erkrankungen anderer Genese, Endokrinopathien oder Kleinwuchs der Eltern führte dagegen zum Ausschluss aus dem Untersuchungsprogramm. Von jedem Patienten wurden Lebens-, Knochen- und Längenalter, Körperhöhe, Erkrankungsschweregrad und die mittlere Elterngröße erfasst.
Das chronologische Alter (CA) wurde als Dezimalzahl angegeben. Zur statistischen Auswertung wurden Vierjahresaltersgruppen gebildet: AG 1: 1 - 4 Jahre, AG 2: 5 - 8 Jahre, AG 3: 9 - 12 Jahre, AG 4: 13 - 16 Jahre, AG 5: ≥ 17 Jahre).
Die Körperhöhe (KH) wurde nach den Kriterien von Martin und Saller [28] mit einem Anthropometer bestimmt. Kinder unter 2 Jahren wurden im Liegen in einer Messmulde gemessen. Die Messgenauigkeit lag bei 0,1 cm. Für die KH wurden SDS-Werte (standard deviation score) berechnet. Sie ergeben sich aus der Formel SDS = x - : s, wobei x der gemessene Individualwert, der Mittelwert einer normalen Vergleichsgruppe und s die dazugehörige Standardabweichung darstellt. SDS-Werte erlauben unter der Voraussetzung der Normalverteilung eine altersunabhängige Bewertung der gemessenen Variablen.
Die Bestimmung des Knochenalters (KA) erfolgt anhand einer Röntgenaufnahme der linken Hand nach der von Tanner u. Mitarb. angegebenen 20-Bone-Methode [29]. Für Knaben im Alter von 4,0 bis 16,5 Jahren und Mädchen zwischen 4,5 und 15,5 Jahren wurden von Tanner u. Mitarb. Koeffizienten mitgeteilt, die nach der Formel Erwachsenenendgröße = (k1 × KH) - (k2 × CA) - (k3 × KA) + K die Berechnung der prognostischen Endgröße (PEG) ermöglichen. Dazu ist die KA-Bestimmung nach der ebenfalls von Tanner u. Mitarb. inaugurierten RUS-Methode (Radius, Ulna, short bones) erforderlich, so dass das KA für diese Altersgruppen zusätzlich auch auf diese Weise bestimmt worden ist.
Unter Längenalter (LA) ist das Alter zu verstehen, bei dem die akutelle KH der 50. Perzentile - und damit der Durchschnittsgröße der Normalpopulation - entspricht. KA und LA ermöglichen als gut vergleichbare Entwicklungsparameter eine recht verlässliche Abschätzung des körperlichen Entwicklungsstandes.
Abweichend vom derzeit international üblichen Einteilungsschema in 4 Schweregrade, das vor allem Bedeutung für die Therapiegestaltung besitzt, wurde für die vorliegende Arbeit eine gröbere Klassifikation in die Schweregrade 1 (leicht, keine systemischen Glukokortikoide), 2 (mittelschwer, systemische Glukokortikoide bis zu 3 Mon./Jahr) und 3 (schwer, systemische Glukokortikoide länger als 3 Mon./Jahr) vorgenommen, da diese für die zu bearbeitende Problematik als aussagekräftiger anzusehen ist. Als Bewertungsgrundlage diente der medikamentöse Therapiebedarf der letzten ein bis zwei Jahre.
Die KH der Eltern wurde während der Asthma-Sprechstunde gemessen. Eltern, die auf diese Weise nicht erfasst werden konnten, wurden angeschrieben und gebeten, ihre KH möglichst in einer Messgenauigkeit von 0,1 cm mitzuteilen. Das arithmetische Mittel der Größe beider Eltern, die sogenannte mittlere Elterngröße, diente als Basis für die Bestimmung der genetischen Zielgröße (GZG). Diese errechnet sich aus der mittleren Elterngröße zuzüglich 10,2 cm für Knaben und abzüglich 2,6 cm für Mädchen [30]. Da die Koeffizienten zur Bestimmung der PEG nur für bestimmte Altersgruppen vorliegen (siehe oben) und die mittlere Elterngröße nicht in allen Fällen zu ermitteln war, konnten vergleichende Untersuchungen zur Wachstumsprognose nur bei 99 Knaben und 30 Mädchen vorgenommen werden.
Die statistische Auswertung erfolgte mit Hilfe der einfaktoriellen Varianzanalyse, des Friedman- und des Wilcoxon-Tests. Die Irrtumswahrscheinlichkeit wurde bei 5 % angenommen. Als Referenzdaten zur Berechnung der KH-SDS-Werte dienten die von Hesse mitgeteilten Normwerte [31]. Planung und Durchführung der Untersuchungen erfolgten nach den Prinzipien der Helsinki-Deklaration 1989. Die Röntgenaufnahmen der Hand wurden in den Jahren 1989 und 1990 angefertigt. Zu diesem Zeitpunkt war die Berufung einer Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg noch nicht erfolgt.
Ergebnisse
Ergebnisse
Die Mehrzahl asthmakranker Kinder war körperlich normal entwickelt. Jedoch wiesen 9 Jungen (5,9 %) und 2 Mädchen (3,5 %) eine Körperhöhe < x¯ - 2 x auf und waren somit als kleinwüchsig einzustufen (siehe Abb. [1] und [2]). Die Kleinwuchsrate liegt damit etwa um das 2,5- bzw. 1,5fache höher als in einer Normalpopulation. Das Ausmaß der Wachstumsretardierung scheint in gewissem Umfang vom Erkrankungsschweregrad abhängig zu sein. Asthmatiker der Schweregradgruppen 3 zeigten mit mittleren KH-SDS-Werten von - 0,59 ± 1,12 (Knaben) bzw. - 0,97 ± 0,81 (Mädchen) jeweils die größte negative Abweichung (siehe Tab. [1]). Die Unterschiede zwischen den Schweregraden waren beim weiblichen Geschlecht für die KH-SDS-Werte, aber - als Hinweis auf eine inhomogene Altersverteilung in den Gruppen - auch für die KH signifikant.
Die Abb. [3] und [4] veranschaulichen die Relation von Knochen- und Längenalter zum chronologischen Alter. Nur in den Altersgruppen der Ein- bis Vierjährigen besteht eine gute Übereinstimmung. Dann entwickelt sich eine Retardierung des Knochen- und Längenalters, die über den gesamten Beobachtungszeitraum bestehen bleibt. Von dieser Wachtumsverzögerung ist das KA zunächst etwas stärker betroffen. In den zahlenmäßig kleinen Altersgruppen der ≥ 17-Jährigen dominiert dann aber die Retardierung des Längenalters. Die Unterschiede zwischen CA und KA erwiesen sich für die Altersgruppen 2 bis 4 bei beiden Geschlechtern als statistisch signifikant (p < 0,01). Signifikante Differenzen zwischen CA und LA ließen sich in den Altersgruppen 2 (p < 0,05), 3 (p < 0,01) und 5 (p < 0,05) der Jungen sowie 2 (p < 0,05) und 3 (p < 0,01) der Mädchen und zwischen LA und KA in den Altersgruppen 2 bis 4 (p < 0,05) der Knaben bzw. 2 (p < 0,05) und 4 (p < 0,01) der Mädchen nachweisen.
Ein Vergleich von genetischer Zielgröße und prognostischer Endgröße, der Auskunft über das Vorliegen krankheitsbedingter Wachstumsdefizite geben kann, konnte bei 99 von 153 Jungen, aber nur bei 30 von 57 Mädchen vorgenommen werden. Es zeigte sich, dass die Mittelwerte der PEG bei beiden Geschlechtern in allen Schweregradgruppen ausnahmslos unterhalb der entsprechenden Maßzahlen für die GZG lagen. Die Differenzen zwischen beiden Größen waren für die Schweregradgruppe 3 der Jungen (180,8 ± 6,5 zu 175,8 ± 6,2 cm, p < 0,01) und für die Gesamtgruppen (Jungen 180,2 ± 5,3 cm zu 178,6 ± 7,3 cm, p < 0,05, Mädchen 167,7 ± 4,4 cm zu 165,8 ± 6,8 cm, p < 0,05) signifikant. Es wurde weiterhin deutlich, dass sich die Mittelwerte der PEG ausnahmslos unterhalb des Mittelwertes einer Normalpopulation einordneten, ohne aber die Grenze von x¯ - s zu unterschreiten (siehe Tab. [2]). Im Gegensatz dazu zeigte die mittlere GZG als Ausdruck eines völlig normalen Wachstumspotenzials in allen Schweregradgruppen eine sehr gute Übereinstimmung mit den Referenzgruppen für 18-Jährige. Werden beide Größen getrennt betrachtet, lässt sich weder für die PEG noch für die GZG eine signifikante Abhängigkeit vom Erkrankungsschweregrad ausmachen (siehe Tab. [2]).
Abb. 1 Körperhöhe asthmakranker Jungen im Vergleich zu den Referenzwerten (x¯ ± 2 s) nach Hesse [31].
Abb. 2 Körperhöhe asthmakranker Mädchen im Vergleich zu den Referenzwerten (x¯ ± 2 s) nach Hesse [31].
Abb. 3 Chronologisches Alter (CA), Knochen (KA)- und Längenalter (LA) asthmakranker Jungen: Mittelwerte für Vierjahresaltersgruppen a: KA signifikant < CA, b: LA signifikant < CA, c: KA signifikant < LA.
Abb. 4 Chronologisches Alter (CA), Knochen (KA)- und Längenalter (LA) asthmakranker Mädchen: Mittelwerte für Vierjahresaltersgruppen a: KA signifikant < CA, b: LA signifikant < CA, c: KA signifikant < LA.
Tab. 1 Körperhöhe (x¯ ± s) und Körperhöhe-SDS-Werte (x¯ ± s) asthmakranker Kinder in Abhängigkeit vom Erkrankungsschweregrad
| Jungen | Mädchen |
Schweregrad
| n | KH (cm) | KH-SDS | n | KH (cm) | KH-SDS |
1
| 30 | 140,9 ± 20,2 | - 0,41 ± 1,1 | 10 | 146,7 ± 23,6 | 0,46 ± 0,5 |
2
| 105 | 133,8 ± 20,7 | - 0,17 ± 1,0 | 40 | 129,7 ± 20,9 | - 0,38 ± 1,1 |
3
| 18 | 131,3 ± 23,4 | - 0,59 ± 1,1 | 7 | 124,8 ± 12,3 | - 0,97 ± 0,8 |
p
| | > 0,05 | > 0,05 | | < 0,05 | < 0,05 |
Tab. 2 Genetische Zielgröße (x¯ ± s) und prognostische Endgröße (x¯ ± s) asthmakranker Kinder in Abhängigkeit vom Erkrankungsschweregrad
| Jungen | Mädchen |
Schweregrad
| n | GZG (cm) | PEG (cm) | PEG-GZG (cm) | n | GZG (cm) | PEG (cm) | PEG-GZG (cm) |
1
| 18 | 180,6 ± 4,2 | 178,3 ± 6,8 | - 2,3 ± 7,9 | 3 | 167,4 ± 1,3 | 166,1 ± 9,0 | - 1,4 ± 7,7 |
2
| 69 | 180,0 ± 5,4 | 179,1 ± 7,6 | - 0,9 ± 5,9 | 21 | 168,2 ± 4,5 | 166,2 ± 7,0 | - 1,9 ± 5,8 |
3
| 12 | 180,8 ± 6,5 | 175,8 ± 6,2 | - 5,1 ± 5,2* | 6 | 165,9 ± 5,2 | 164,9 ± 5,5 | - 1,9 ± 6,1 |
gesamt
| 99 | 180,2 ± 5,3 | 178,6 ± 7,3 | - 1,6 ± 6,3** | 30 | 167,7 ± 4,4 | 165,8 ± 6,8 | - 1,9 ± 5,8** |
p
| | > 0,05 | > 0,05 | > 0,05 | | > 0,05 | > 0,05 | > 0,05 |
KH Referenzwerte für 18-Jährige nach Hesse [31]: Jungen 180,4 ± 6,5 cm, Mädchen 167,7 ± 6,7 cm, *p < 0,01, **p < 0,05 |
Diskussion
Diskussion
Von 210 untersuchten asthmakranken Kindern erwiesen sich 9 Jungen (5,9 %) und 2 Mädchen (3,5 %) als kleinwüchsig (KH < x¯ - 2s). Da nach dem Studiendesign Kinder kleinwüchsiger Eltern nicht berücksichtigt worden sind, kann als Ursache das Vorliegen eines familiären Kleinwuchses ausgeschlossen werden. Wegen fehlender Daten zur körperlichen Entwicklung der Eltern lassen sich zur Prävalenz einer möglichen konstitutionellen Entwicklungsverzögerung keine Angaben machen. Das gehäufte Auftreten dieser Kleinwuchsform bei kindlichen Asthmatikern ist aber eher als unwahrscheinlich anzusehen. Die erhöhte Kleinwuchsrate ist damit am ehesten in einen kausalen Zusammenhang mit dem Asthma bronchiale bzw. dem dieser Erkrankung oft zugrunde liegenden Atopiestatus zu bringen. Die Ätiologie ist aber noch nicht endgültig geklärt. Diskutiert werden Erkrankungsschweregrad [1]
[2]
[3]
[4]
[5], inadäquate Glukokortikoidtherapie [6]
[7]
[8]
[9]
[10]
[11]
[32], chronischer Stress [33] mit Störungen des Nachtschlafes [34] und der nächtlichen Wachstumshormon-Sekretion [15]
[35]
[36]
[37]
[38]
[39], Hypoxie [40], chronische pulmonale Infektionen [2]
[15]
[33], unzureichende bzw. einseitige Ernährung [2]
[6]
[13]
[14]
[18]
[33]
[41]
[42] und ein erhöhter Grundumsatz [43]. Abgesehen davon, dass alle diese Parameter mehr oder weniger direkt mit dem Erkrankungsschweregrad verbunden sind, ist - mit Ausnahme der Glukokortikoidbehandlung - ein sicherer Beweis für die klinische Relevanz der postulierten Kausalzusammenhänge für das Krankheitsbild des Asthma bronchiale bisher noch nicht erbracht worden. Dagegen darf als gesichert gelten, dass ein schweres Asthma bronchiale - wie jedes andere chronische Leiden auch - Wachstum hemmen kann.
Interessant sind Mitteilungen, nach denen Patienten mit leichtem Krankheitsverlauf und solche, die bislang noch nicht mit Glukokortikoiden behandelt worden sind, ebenfalls erhöhte Kleinwuchsraten aufwiesen [2]
[4]
[6]
[15]. Diese Beobachtungen sprechen für eine kausale Bedeutung der Atopie und könnten als Zeichen einer primären atopischen Skelettmanifestation gedeutet werden [17]. Gestützt wird eine solche Annahme durch erhöhte Kleinwuchsraten bei kindlichen Patienten mit anderen Erkrankungen des atopischen Formenkreises, wie atopische Dermatitis [44]
[45]
[46] und allergische Rhinitis [15].
Als markantes klinisches Symptom asthmaassoziierter Wachstums- und Entwicklungsstörungen muss der verzögerte Pubertätseintritt angesehen werden [18]
[20]
[21]
[22]. Nach den eigenen hier vorliegenden Befunden weisen 1- bis 4-jährige Asthmatiker ein mit dem CA identisches LA und KA auf. Der Retardierungsprozess beginnt bei den 5- bis 8-Jährigen. Er lässt sich dann in allen weiteren Altersgruppen nachweisen und ist auch bei den über 17-Jährigen noch nicht rückläufig. Das Ausmaß der Retardierung von KA und LA unterschritt aber zu keinem Zeitpunkt die untere Grenze des engeren Referenzbereiches von x¯ ± s. Die übereinstimmende Verzögerung von KA und LA spricht für eine gute Wachstumsprognose. Die in den mittleren Altersgruppen beider Geschlechter im Vergleich zum LA signifikant stärkere Retardierung des KA könnte auf ein methodisches Problem zurückzuführen sein. Zachmann u. Mitarb. konnten zeigen, dass die Bestimmung des Knochenalters nach der von Tanner u. Mitarb. mitgeteilten Methode bei älteren Kindern zu vergleichsweise niedrigen Werten führt [47]. Die Umkehrung der KA-LA-Relation zugunsten des KA in den Altersgruppen der über 17-Jährigen würde als Zeichen eines beginnenden Aufholwachstums gewertet werden können.
Eine ganz ähnliche Entwicklungsdynamik mit verzögert einsetzender Pubertät und normaler Endgröße ist auch von anderen Autoren beschrieben worden. Hauspie u. Mitarb. konnten in einer relativ großen gemischten Longitudinalstudie an 531 asthmakranken Jungen im Alter von 2 bis 20 Jahren zeigen, dass der puberale Wachstumsschub im Mittel 1,3 Jahre verspätet einsetzte und die Schamhaarentwicklung eine Verzögerung von bis zu 2 Jahren aufwies. Nach einer verlängerten Wachstumsphase erreichten die Patienten eine normale Endgröße [18]. Balfour-Lynn, der das Wachstum von 66 chronisch kranken Asthmakindern über einen mittleren Zeitraum von 13,1 Jahren verfolgte, konnte bis zu einem Alter von 10 Jahren keinerlei Abweichungen beobachten, dann jedoch kam es bei 30 Kindern zu einer Verzögerung der Wachstumsgeschwindigkeit, verbunden mit einem verspäteten Pubertätseintritt. Alle erreichten eine normale Endgröße [20]. Martin u. Mitarb., die das Wachstum von 342 Asthmakindern zwischen dem 7. und 21. Lebensjahr beobacheten, registrierten eine im Alter von 10 Jahren einsetzende Retardierung, die bei 14-Jährigen ihr größtes Ausmaß erreichte, mit 21 Jahren aber nicht mehr nachweisbar war [8]. Norjavaara u. Mitarb. werteten das medizinische Datenmaterial mehrerer schwedischer Musterungsjahrgänge aus und konnten zeigen, dass 18-jährige Asthmatiker eine normale, im Vergleich zu Gesunden aber signifikant niedrigere Körperhöhe erreichen [48]. Shohat u. Mitarb. wiederum stellten nach Analyse der Musterungsbefunde 17-jähriger israelischer Wehrpflichtiger beiderlei Geschlechts fest, dass Asthmatiker mit leichtem Krankheitsverlauf signifikant größer sind als gesunde Kontrollpersonen [24].
Vergleichende Untersuchungen von Erwachsenenendgröße und genetischer Zielgröße sind bislang nur vereinzelt zur Bewertung wachstumsrelevanter Effekte einer Langzeittherapie mit inhalativen Glukokortikoiden vorgenommen worden. Es konnte gezeigt werden, dass Asthmatiker unabhängig von einer Behandlung mit diesen Medikamenten eine normale und mit der genetischen Zielgröße übereinstimmende Endgröße erreichen [25]
[26]
[27]. Durch die von uns vorgenommene Berechnung der PEG lässt sich die gute Prognose asthmaassoziierter Wachstumsstörungen bestätigen. Unabhängig vom Erkrankungsschweregrad lagen die mittleren PEG-Werte alle im engeren Referenzbereich von - 1 s, allerdings ausnahmslos unterhalb des Mittelwertes der Normalpopulation (siehe Tab. [2]) und - im Unterschied zum Schrifttum - auch unterhalb der GZG. Für die Gesamtgruppen beider Geschlechter und die Schweregradgruppe 3 der Jungen erwiesen sich die Differenzen als statistisch signifikant.
Kindliche Asthmatiker besitzen somit ein normales Wachstumspotenzial, das aber von einem Teil der Patienten nicht voll ausgeschöpft werden kann. Dafür scheint - wie die relativ niedrigen PEG-Mittelwerte in den Schweregradgruppen 3 beider Geschlechter zeigen - teilweise der Erkrankungsschweregrad verantwortlich zu sein. Nach dem gewählten Studiendesign (Definition des Schweregrades über die medikamentöse Therapie) muss auch ein Glukokortikoid-Effekt in Betracht gezogen werden. Das Vorliegen anderer Kausalzusammenhänge kann jedoch nicht ausgeschlossen werden. So könnte das Wachstumsdefizit auch auf einer atopiebedingten primären Störung der Skelettreifung beruhen [17]. Dafür spricht die Tatsache, dass die Mittelwerte der PEG in den einzelnen Schweregradgruppen konstant unter den GZG-Werten lagen und keine signifikanten Unterschiede aufwiesen.
Wird die Differenz von GZG und PEG betrachtet, durch die der Einfluss der Asthmaerkrankung bzw. der Atopie auf das Wachstum abgeschätzt werden kann, dann unterscheiden sich die eigenen Ergebnisse deutlich von den Angaben des Schrifttums. Im Unterschied zu den Mitteilungen von Agertoft u. Mitarb., Silverstein u. Mitarb. und van Bever u. Mitarb. [25]
[26]
[27] konnten wir bei beiden Geschlechtern eine im Vergleich zur GZG signifikant erniedrigte PEG nachweisen. Die Abweichung basiert nicht auf Differenzen in der Berechnung der Endgröße, sondern auf der Verwendung unterschiedlicher Formeln zur Ermittlung der GZG. Um der Akzeleration Rechnung zu tragen, erfolgte in der vorliegenden Arbeit die Bestimmung der GZG bei Knaben durch Addition von 10,2 cm zur und bei Mädchen durch Subtraktion von 2,6 cm von der mittleren Elterngröße [30]. Die sehr gute Übereinstimmung der so berechneten GZG mit den Referenzdaten von Hesse [31] spricht für Aktualität und Korrektheit dieser Berechnungsgrundlage. Sowohl Agertoft u. Mitarb. als auch van Bever u. Mitarb. und Silverstein u. Mitarb. verwendeten andere Korrekturfaktoren und ermittelten so deutlich niedrigere genetische Zielgrößen [25]
[26]
[27]. Daraus resultiert eine relative Zunahme der auf die GZG bezogenen Endgröße. Es ist deshalb fraglich, ob asthmakranke Kinder als Gruppe tatsächlich eine über der GZG liegende Endgröße erreichen. Unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass kindliche Asthmatiker in der Regel eine normale Endgröße erlangen, die aber eher unterhalb des Mittelwertes einer Referenzpopulation im Bereich x¯ - 1 s und unterhalb der GZG liegt. Das deutet auf eine Wachstumsbeeinflussung durch das Asthma bronchiale bzw. die dieser Erkrankung oft zugrunde liegende Atopie hin.