Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(13): 700
DOI: 10.1055/s-2002-23478
Fragen aus der Praxis
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Wie ist eine Thromboseprophylaxe bei paroxysmaler absoluter Tachyarrhythmie durchzuführen?

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Publication Date:
27 March 2002 (online)

Frage: Eine knapp 62-jährige, schlanke Patientin leidet seit etwa 10 Jahren unter paroxysmalen absoluten Tachyarrhythmien, welche etwa 3- bis 4-mal jährlich auftreten und bisher selten mehr als 12 Stunden angehalten haben; nach einer Reihe von Klinikaufenthalten und intensiver, auch invasiver Diagnostik wird eine Dauerbehandlung mit Digitoxin und ASS durchgeführt, die Patientin kupiert die Anfälle selbst mit Sotalol. Echokardiographisch wurde eine Mitral- und Trikuspidalklappeninsuffizienz jeweils vom Grad I-II festgestellt, Thrombenbildungen in den Vorhöfen sind bisher nicht nachgewiesen gewesen.

Kürzlich kam es nun, kurz nach dem morgendlichen Aufstehen, zu einer synkopalen Attacke mit kurzer Bewusstlosigkeit ohne Stuhl- und Urinabgang, mit vollständiger Erholung nach dem Ereignis noch am selben Morgen; 20 Stunden zuvor war eine Tachyarrhythmie von diesmal mehr als 12 Stunden Dauer zu Ende gegangen. Nach dem Ablauf muss damit gerechnet werden, dass es sich um eine emboligene TIA gehandelt hat, auch wenn sich nach dem Ereignis erneut echokardiographisch keine Vorhofthromben nachweisen ließen. Damit wäre die Indikation für eine Marcumartherapie gegeben, der die Patientin jedoch bisher ablehnend gegenüber steht (sie hat aus Angst vor den Risiken die bereits eingeleitete Therapie wieder abgebrochen).

Die Patientin selbst, die bei jedem Krankenhausaufenthalt unverzüglich mit niedermolekularen Heparinen behandelt worden ist, fragt nun, ob es nicht ausreichend sei, wenn sie selbst unmittelbar nach Beginn einer tachyarrhythmischen Attacke eine Heparinbehandlung beginnt, um Thrombenbildungen zu verhindern. Wenn dieses Verfahren bei den doch recht seltenen Attacken und dem bisher im Wesentlichen unkomplizierten Verlauf aussichtsreich wäre, könnte man damit eine Dauer-Marcumarbehandlung umgehen.

Gibt es zu einer solchen Vorgehensweise Untersuchungen und Erfahrungen? Welche Empfehlung soll man der Patientin geben?

Antwort: In die großen Interventionsstudien zur Antikoagulation bei Vorhofflimmern wurden ca. 12 % Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern aufgenommen. Diese Patienten hatten ein vergleichbares Thrombembolierisiko und eine vergleichbare Reduktion thrombembolischer Komplikationen durch Marcumar wie Patienten mit chronischem Vorhofflimmern. Beim individuellen Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern ist das thrombembolische Risiko jedoch von der jeweiligen Dauer und Häufigkeit der arrhythmischen Phasen abhängig und wird bei seltenen Arrhythmien mit einer Dauer < 48 Stunden als gering eingeschätzt [1].

Größere randomisierte Studien zur Antikoagulation mit niedermolekularen Heparinen bei Vorhofflimmern liegen nicht vor. In kleineren Observationsstudien war die Gabe von niedermolekularem Heparin bei Vorhofflimmerpatienten effektiv (2; 4). Dosierungen und Kontraindikationen entsprachen denen beim Einsatz niedermolekularer Heparine bei tiefer Beinvenenthrombose [3]. Insbesondere ist aber, gerade beim älteren Patienten, auf Nebenwirkungen bei Niereninsuffizienz zu achten. Da niedermolekulare Heparine renal eliminiert werden, kann es bei eingeschränkter Nierenfunktion zu einer gefährlichen Kumulation mit schweren, evt. letalen Blutungskomplikationen kommen. Da in der klinischen Routine bisher keine Möglichkeit des Monitoring besteht, sollten niedermolekulare Heparine somit bei eingeschränkter Nierenfunktion nicht zum Einsatz kommen.

Das akute synkopale Ereignis kurz nach dem morgendlichen Aufstehen bei der beschriebenen Patientin stellt am ehesten eine neuronal-vermittelte Reflexsynkope dar und ist nicht als Folge eines embolischen Ereignisses zu sehen. Embolische, transitorisch-ischämische Attacken führen zu fokalen neurologischen Defekten und gehen nur in extremen Ausnahmefällen mit einer Bewusstlosigkeit einher (dann ebenfalls begleitet von einer neurologischen Symptomatik mit z. B. Schwindel, Nausae etc.).

Bei der beschriebenen Patientin erscheint somit eine weitere Gabe von ASS 300 gerechtfertigt. Bei arrhythmischen Phasen, die länger als 48 Stunden andauern, wäre bei normaler Nierenfunktion eine Antikoagulation mit niedermolekularen Heparinen während des Vorhofflimmerns sowie vier Wochen nach Konversion in den Sinusrhythmus sinnvoll.

Literatur

  • 1 Albers G W, Dalen J E, Laupacis A, Manning W J, Petersen P, Singer D E. Antithrombotic therapy in atrial fibrillation.  Chest. 2001;  119 194S-206S
  • 2 Harenberg J, Huhle G, Piazolo L, Giese C, Heene D L. Long-term anticoagulation of outpatients with adverse events to oral anticoagulants using low-molecular-weight heparin.  Semin Thromb Hemost. 1997;  23 167-172
  • 3 Schellong S M, Schwarz T, Schroder H E. Ambulante Therapie der tiefen Beinvenenthrombose.  Dtsch Med Wochenschr. 1999;  124 810-815
  • 4 Shulman R I. Assessment of low-molecular-weight heparin trials in cardiology.  Pharmacol Ther. 2000;  87 1-9

Autor

Priv.-Doz. Dr. med. Uta C. Hoppe

Klinik III für Innere Medizin

Universität zu Köln

Joseph-Stelzmann-Straße 9

50924 Köln (Lindenthal)