Krankenhauspsychiatrie 2002; 13(1): 1
DOI: 10.1055/s-2002-24403
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Humor in der Psychiatrie

Humour in the psychiatryR. D.  Hirsch1
  • 1Abteilung für Gerontopsychiatrie und Gerontopschiatrisches Zentrum
    Rheinische Kliniken Bonn
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Publication Date:
04 April 2002 (online)

Psychische Störungen, unter denen Menschen leiden, die zum Psychiater kommen, berühren oft die Grenzen des Menschseins in seiner ganzen Tragik. Bleibt da noch Raum für Humor, der sich äußerlich in verschmitzem Lächeln oder spontanem Lachen äußern kann? Der einem Mut macht, dass die Welt nicht so grausam ist, wie man sie empfindet? Der „salutogenetisch” ist? Darf man in der Psychiatrie überhaupt lachen oder verträgt sich das nicht mit der Würde einer therapeutischen Beziehung?

Humor wird als eine Kraft des Gemütes beschrieben. Seine Absicht ist, Verständnis für die Ungereimtheiten der Welt und Mitgefühl für die eigenen Unzulänglichkeiten zu wecken und deren kreative Bewältigung zu fördern. Humor ist eine „Trotzmacht” gegenüber den Missgeschicken und Beschwerden des täglichen Lebens. Mag Humor auch eine Persönlichkeitseigenschaft sein, so kann der Sinn für Humor mehr oder weniger bei jedem Menschen durch gezielte Interventionen gefördert werden. Gegensätze werden verbunden, Unbewusstes darf bewusst werden, verdrängte Lust und Unlust werden befreit und ambivalente Gefühle verringert oder aufgelöst. Es folgt Entspannung. Humor ist nicht Selbstzweck. Er fördert kreative und heilende Kräfte, lockert Beziehungskonflikte und stärkt den Verstand. Er eröffnet neue Perspektiven. Eine humorvolle Intervention ist auf dessen Verstehen angewiesen. Wird dadurch ein anderer gekränkt, handelt es sich nicht um Humor, sondern um einen Witz „auf Kosten anderer”.

In der Behandlung eines psychisch Kranken werden alle Kräfte darauf verwandt, seine psychische Störung - seinen „Defekt” - zu bekämpfen. Man vergisst, dass jeder Mensch über etwas Humor verfügt, den zu stärken, zu vermehren oder zu rehabilitieren im Rahmen eines Behandlungskonzeptes nicht fehlen sollte. Stärkung des Humors geht mit Verringerung von Selbstunsicherheit, Ängsten, Scham, Rastlosigkeit sowie negativistischen Einstellungen einher. Humor sollten wir psychisch Kranken bewusst, zielorientiert und „wohl dosiert” vermitteln, damit diese ihr Leben wieder selbst, den Alltagstücken trotzend, bewältigen können.

Hierzu bedarf es natürlich auch eines Psychiaters, der über Humor verfügt. Diese Qualifikation sollte auch in Weiterbildungskonzepten Eingang finden![*]

Prof. Dr. R. D. Hirsch

Abteilung für Gerontopsychiatrie und Gerontopsychiatrisches Zentrum, Rheinische Kliniken Bonn

Kaiser-Karl-Ring 20

53111 Bonn