Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(15): 796-801
DOI: 10.1055/s-2002-25017
Kasuistiken
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

28-jähriger Patient mit hypokaliämischer Lähmung

Hypokalaemic paralysis in a young manA. Vogel1, 3 , M. Becker2 , R. Lahmer3 , J. Schneider3 , H. Dirks3 , W. Arnold3
  • 1Abteilung für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie (Leiter: Prof. M. P. Manns), Medizinische    Hochschule Hannover
  • 2Nephrologische Praxis, Bremen
  • 3Abteilung für Gastroenterologie, Ernährungsmedizin und Endokrinologie (Leiter: Prof. W. Arnold),    Zentralkrankenhaus St. Jürgenstraße, Bremen
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Publication History

9.10.2001

22.2.2002

Publication Date:
12 April 2002 (online)

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Anamnese und klinischer Befund: Ein 28-jähriger Patient wurde zur Abklärung einer akuten Paraplegie stationär aufgenommen. Anamnestisch bestanden seit einigen Wochen eine verminderte körperliche Belastbarkeit sowie muskelkaterartige Beschwerden in den Oberschenkeln. Bei Aufnahme fiel eine psychosomatische Unruhe des Patienten auf. Nach eigenen Angaben habe er durch eine leichte Diät in den letzten 6 Monaten 15 kg Gewicht abgenommen. Die körperliche Untersuchung war bis auf eine Struma ohne Hinweise auf eine Erkrankung eines speziellen Organsystems.

Untersuchungen: Bei den Laboruntersuchungen fand sich eine ausgeprägte Hypokaliämie von 1,3 mmol/l bei gleichzeitig bestehender Hypomagnesiämie und -phosphatämie. Die endokrinologische Diagnostik ergab zusätzlich das Bild einer ausgeprägten immunogenen Hyperthyreose mit erhöhten Autoantikörpern gegen TSH-Rezeptoren.

Diagnose, Therapie und Verlauf: In Anbetracht der ausgeprägten Hyperthyreose stellten wir die Diagnose einer thyreotoxischen, hypokaliämischen Lähmung. Da sich neben der Hypokaliämie ein erniedrigtes Serum-Magnesium und eine Kalziumausscheidung im unteren Referenzbereich fand, bestand der Verdacht auf ein zusätzlich bestehendes Gitelman-Syndrom. Unter einer thyreostatischen Behandlung wurde innerhalb von 3 Monaten eine euthyreote Stoffwechselsituation hergestellt, und es traten keine weiteren Lähmungen auf. Trotz euthyreoter Stoffwechsellage bestanden im Serum weiterhin erniedrigte Kalium- und Magnesiumwerte, so dass sich als weitere Ursache für die Hypokaliämie die anfängliche Verdachtsdiagnose eines Gitelman-Syndroms bestätigte.

Folgerung: Insgesamt ist die hypokaliämische Lähmung am ehesten Folge der Kombination der ausgeprägten Hyperthyreose bei gleichzeitig bestehendem Gitelman-Syndrom.

History and admission findings: A 38-year-old man was admitted because of acute paraplegia. For several weeks his physical capacity had become impaired and his thigh muscles were aching. On admission he appeared both physically and mentally restless. He reported that during the preceding 6 months he had put himself on a light diet and lost 15 kg weight. Physical examination was unremarkable except for a goitre.

Investigations: Potassium was markedly decreased to 1.3 mmol/l and was associated with hypomagnesaemia and hypophosphataemia. Endocrinological work-up revealed marked immunogenic hyperthyroidism with increased autoantibodies against TSH receptors.

Diagnosis, treatment and course: The findings indicated thyrotoxic hypokalaemic paralysis. Gitelman’s syndrome was suspected by the association of hypokalaemia with serum magnesium and calcium excretion levels at the lower limit of normal. Euthyroid status was regained within 3 months of thyrostatic treatment, and no further episodes of paralysis occured. But despite normal thyroid metabolism, serum potassium and magnesium levels remained low, which confirmed the initial diagnosis of Gitelman’s syndrome (a form of Bartter’s syndrome) as an added cause of the hypokalaemia.

Conclusion: Hypokalaemic paralysis is most commonly due to the coincidence of marked hyperthyroidism with Gitelman’s syndrome.