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DOI: 10.1055/s-2002-25125
Interventionelle Radiologie -
„Vereint sind auch die Schwachen stark”
Interventional radiology - When united the weak are also strong
Publication History
Publication Date:
15 April 2002 (online)
Die Schriftleitung hat mich gebeten, zu dem Editorial von Johannes Lammer über die Zukunft in der interventionellen Radiologie Stellung zu nehmen [1]. Dieser Bitte komme ich gerne nach, da ich in vielen, wenn auch nicht in allen Punkten mit Johannes Lammer übereinstimme und ich wie er der Meinung bin, dass es an der Zeit ist, über die Rolle der Interventionellen Radiologie in der Radiologie nachzudenken.
Zunächst sollte die Bedeutung der Interventionellen Radiologie (IA) für die Allgemeinradiologie betrachtet werden. Neben den Schnittbildverfahren ist die IR das Gebiet in der Radiologie, welches in den letzten Jahren und Jahrzehnten wesentlich als Schrittmacher im Fach gedient hat und dient, neue Impulse gibt und Feld für wissenschaftliche Betätigung bietet. Die Einbindung interventioneller Techniken in bildgebende Verfahren wie Ultraschall, CT und MR eröffnet neue fortschrittsweisende Entwicklungen und Aspekte; Interventionsradiologie ist einer der Fundamente für das gesamte Fach.
Wie auch zunehmend die Kernspintomographie, steht die Interventionelle Radiologie allerdings ständig unter dem Druck, sich zu wandeln, unterliegt den Begehrlichkeiten nichtradiologischer Fächer und ist durch das Wegbrechen selbst entwickelter Felder dazu gezwungen, sich umzuorganisieren und zu strukturieren. Wenn vor Jahren die interventionelle Uroradiologie weitgehend aus der Radiologie verschwunden ist und biliäre Interventionen mit Gastroenterologen geteilt werden müssen, so sind es heute die vaskulären Interventionen, die in den Fokus anderer Fächer wie Kardiologie und Gefäßchirurgie geraten sind.
Ein Wegbrechen der Interventionsradiologie - wohin auch immer - wäre bei gleichzeitigem Druck auf die Alleinvertretung der Kernspintomographie - ein Schlüsselfaktor für eine erhebliche Abwertung der Allgemeinradiologie im Ganzen. Die nationalen und internationalen Fachgesellschaften sollten daher streng darauf bedacht sein, die Interventionsradiologie zu stärken und - allein aus Überlebensinstinkt - in der Allgemeinradiologie zu halten.
Interventionelle Radiologie ist aber nur dann erfolgreich zu halten, wenn die Expertise für die Techniken beim Radiologen liegt und auch auf Dauer aufrecht erhalten wird - soweit stimme ich völlig mit Johannes Lammer überein. Nur über den Lösungsweg gilt es zu streiten. Lammer sieht den Königsweg in der Schaffung von Subdepartments an universitären Einrichtungen, um Qualität und Innnovation zu halten. Dies mag dann gut funktionieren, wenn, wie in Österreich an zwei von drei Universitäten erfolgt, die gesamte Radiologie sich in solche Subabteilungen gliedert und im Kollegialsystem geführt wird.
Dem soll allerdings für die deutsche Situation widersprochen werden. Wie bei anderen Entwicklungen, bietet die Schaffung von Subdepartments an deutschen Universitäten auch Risiken, wie aus anderen ähnlichen Entwicklungen der letzten Jahre schmerzlich gelernt werden musste. Subdepartments bieten neben der Chance der höheren Spezialisierung die Gefahr der Abgrenzung, der Beschränkung in der gesamtradiologischen Ausbildung für die nachwachsenden Fachärzte und einen dauerhaften Dissens bezüglich Ressourcen und Personal. Hierin kann der Kern zur zunehmenden Entfremdung zwischen Mutterfach und Interventioneller Radiologie angelegt sein, wenn die Subdepartementierung zum Prinzip erhoben wird. Dies heißt noch lange nicht, dass einzelne Institutionen diesen Weg nicht gehen können und sollen, wenn die lokalen Bedingungen hierfür günstig sind.
Darüber ginge eine solche Subdepartementierung an der Realität der medizinischen Versorgung vorbei. Interventionelle Radiologie wird in Deutschland sicher in ihrem Löwenanteil an nichtuniversitären Krankenhäusern betrieben und aufrechterhalten. Da in Deutschland Stellenpläne in der Regel knapp bemessen sind, ist hier kaum Raum für Subabteilungen in der Radiologie. Dies gilt für die Neuroradiologie, noch mehr aber für die interventionelle Radiologie. Dem interventionellen Spezialistennachwuchs aus der Universität würde daher kein Vorteil erwachsen, da sich ein dedizierter Arbeitsmarkt kaum entwickeln dürfte. Eher würden die Träger die Interventionelle Radiologie in andere Hände geben, als sich noch eine kostentreibende - Abteilung oder Subabteilung zuzulegen.
Welche andere Möglichkeiten bieten sich dann, Expertenwissen für die Interventionsradiologie fester in der Radiologie zu verankert?
Hierbei erscheinen zwei Ansätze wesentlich: Zum einen ist es notwendig, dass sich die Fachgesellschaft um die Entwicklung von Behandlungs- und Technikstandards bemüht, um auch nach außen hin den Anspruch der Radiologie für die Vertretung der jeweiligen Techniken zu erheben. Dies bedeutet ohne Zweifel einen unerhörten Arbeitsaufwand - in diesem Falle für die AGIR - und kann nur in enger Abstimmung mit supranationalen Fachgesellschaften erfolgen, da es keinen Sinn macht, sich in nationale und internationale Standards zu diversifizieren. TASC stellt ein interdisziplinäres Konzept dar, das weithin akzeptiert wird, die SCVIR ist in der Strukturierung solcher Standards weit voraus und die europäische Gesellschaft der interventionellen Radiologen (CIRSE) bemüht sich ebenfalls verstärkt um die Entwicklung solcher Behandlungstrategien auf europäischer Ebene, so dass für viele Felder hier bereits Vorlagen existieren, die für Deutschland geprüft und übernommen werden können.
Eine zweite Säule bildet die strukturierte Ausbildung in der Interventionsradiologie im Rahmen der Facharztausbildung. Auch hier gibt es Beispiele, an denen man sich orientieren kann, ohne alles von Grund auf neu zu erfinden. Im Hinblick auf die zunehmende Europäisierung unserer Gesellschaft stellen die Ausbildungsrichtlinien der EAR - das so genannte „Yellow Book” - eine wichtige Basis dar, auf der man auch für Deutschland eine strukturierte Ausbildung aufbauen kann. Die Weiterbildungskataloge der BSIR der britischen interventionellen Gesellschaft sind eine andere Basisquelle, die genutzt werden könnte.
Um hierbei den Weg in die formale Subspezialisierung zu vermeiden, aber auch um den politischen Unwägbarkeiten der Facharztordnungsänderung durch den deutschen Ärztetag zu entgehen, kann zum Beispiel eine Zertifizierung einer solchen strukturierten Ausbildung der Akademie der DRG anvertraut werden.
Zum dritten sollte die Bedeutung der Interventionsradiologie auch in den Strukturen der DRG noch mehr hervorgehoben werden. Die AGIR hat in den letzten Jahren viel für die Interventionsradiologie erreicht, sie muss aber in den nächsten Jahren noch mehr in das öffentliche Interesse innerhalb der DRG gerückt werden, um die Anforderungen zu meistern. Aber auch berufspolitisch muss darüber diskutiert werden, wie die Interessen der Interventionsradiologie, die sicher mehr zum Krankenhausbereich zugeordnet werden kann, ausreichend vertreten werden können.
Sollte es gelingen, alle diese Ziele zu erreichen, so kann die Interventionsradiologie - aber auch die Radiologie als Gesamtfach - nur gestärkt hieraus hervorgehen.
Dierk Vorwerk