Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2002; 37(9): 538
DOI: 10.1055/s-2002-33855
Mini-Symposium
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Editorial

Editorial
Further Information

Publication History

Publication Date:
05 September 2002 (online)

Das vorliegende Mini-Symposium enthält die wesentlichen Beiträge eines Workshops der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin der Krankenanstalten Gilead gGmbH/Bethel in Bielefeld, das sich im Januar 2002 mit dem Management terroristischer Anschläge unter Einsatz von biologischen und sonstigen Massenvernichtungsmitteln befasste. Fachleute mehrerer medizinischer Disziplinen, Vertreter von Krankenhäusern mit unterschiedlichem Versorgungsauftrag und Repräsentanten der entsprechenden Städtischen und Landesstellen stellten ihre verschiedenen Sichtweisen zur Diskussion. Diese Veranstaltung stand noch unter dem frischen Eindruck der Ereignisse des 11. September 2001 und der nachfolgenden Anschläge mit tatsächlichen und vermeintlichen Milzbrand-Sporen - ein Eindruck, der mittlerweile nahezu verblasst ist.

Der Beitrag von C. G. Meyer und J. May aus dem Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg konzentriert sich auf den Einsatz von Infektionserregern als biologische Waffen und damit auf den Bioterrorismus. B-Waffen haben eine lange Tradition; in kriegerischen Auseinandersetzungen sind sie allerdings insgesamt ohne große Bedeutung geblieben. Die wesentlichen Ursachen hierfür sind ihr verzögerter Wirkungsbeginn und die schleichende und kaum eingrenzbare Wirkung mit potenzieller Bedrohung der eigenen Kräfte. Der terroristische Einsatz von B-Waffen, der über den eigentlichen somatischen Schaden hinaus ganz bewusst vor allem Angst und Schrecken, ja Panik verbreiten will, unterliegt diesen Einschränkungen nicht. Hier wird die schleichende und unabschätzbare Wirkung geradezu gesucht, und die panischen Reaktionen bei der bloßen Vermutung eines Anschlags mit Milzbrand-Sporen sollten noch nicht aus unserer Erinnerung verschwunden sein. Die Autoren geben in ihrem Beitrag jedoch nicht nur einen Überblick über den Milzbrand-Erreger, sondern setzen sich darüber hinaus auch mit dem Botulismus-Toxin sowie den Erregern von Pest, Tularämie, Pocken und Hämorrhagischen Fiebern auseinander.

Der Beitrag von H. A. Adams et al., zu dem ein Verbrennungsmediziner, ein Toxikologe und ein verantwortlicher Feuerwehrbeamter wesentlich beigetragen haben, beschreibt zunächst die organisatorischen Grundlagen der Gefahrenabwehr in der Katastrophe und beim Großschaden. Beim Großschaden sind der Leitende Notarzt und der ihn unterstützende Organisatorische Leiter Rettungsdienst für die medizinische Gefahrenabwehr verantwortlich. Beide müssen sich von den gewohnten individualmedizinischen Aufgaben lösen und beim Massenanfall von Patienten versuchen, möglichst vielen Betroffenen gleichmäßig gerecht zu werden und zeitgleich Schaden von bisher nicht Betroffenen abzuwenden. Dies ist schon bei kleineren und überschaubaren Einsätzen eine große Herausforderung - umso mehr wird dies bei einem terroristischen Angriff der Fall sein. Der zweite Teil dieses Beitrags befasst sich mit den möglichen Szenarien unter terroristischer Bedrohung mit ABC-Kampfmitteln sowie den verfügbaren Einsatzmitteln und versucht, die Grundzüge der medizinischen Versorgung aufzuzeigen. So begrenzt die Einsatzmittel auch sein mögen, so sehr wird doch klar, dass unsere Gesellschaft hier nicht am Nullpunkt steht und sehr wohl realistische Konzepte zur Schadenabwehr existieren.

W. Du Bois, Beigeordneter für Umwelt und Gesundheit, Sicherheit und Ordnung der Stadt Bielefeld, berichtet in seinem Beitrag über die Sicherheitslage in seinem Verantwortungsbereich, die vorhandenen Einsatzmittel und die im Rahmen der ¿Milzbrand-Anschläge¿ des Vorjahres getroffenen Präventionsmaßnahmen. Hier wird exemplarisch deutlich, was hinter den Kulissen vorgeht und den politisch Verantwortlichen abverlangt wird.

Insgesamt hoffen die Herausgeber dieses Mini-Symposiums, mit den Beiträgen einen Einblick in Szenarien zu geben, die mit Gottes Hilfe nicht Realität werden mögen. Sollten sie es dennoch werden, können nur besonnenes und entschlossenes Handeln helfen und panische Reaktionen verhindern. Die beste Panikprophylaxe aber ist die Besinnung auf Vorrat [1] - und diesem Ziel soll das Mini-Symposium dienen.

Literatur

  • 1 Bochnik H J. Panikreaktion Einzelner und Panik als Massenphänomen - Verstehen, Vermeiden, Bekämpfen.  In: Hempelmann, G., H. A. Adams, P. Sefrin (Hrsg.). Notfallmedizin. Band 3 des Lehrbuchs ¿Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie¿ (Hrsg. v. G. Hempelmann, C. Krier, J. Schulte am Esch).  Stuttgart New York, Thieme 1999: 604-611