Suchttherapie 2002; 3(3): 173-177
DOI: 10.1055/s-2002-34320
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ergebnisse einer katamnestischen Untersuchung ambulant behandelter Alkoholabhängiger[*]

Follow-up Results of Alcoholics Treated in an Outpatient Treatment ProgramWolfgang Schulz1 , Nelly Witte2 , Gerhard Emmermacher1
  • 1Institut für Psychologie, Technische Universität Braunschweig
  • 2Psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstelle, Caritasverband Hildesheim
Further Information

Prof. Dr. Wolfgang Schulz

Institut für Psychologie, Technische Universität Braunschweig

Spielmannstraße 12a

38106 Braunschweig

Email: Wolfgang.Schulz@tu-bs.de

Publication History

Publication Date:
25 September 2002 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

In dieser Studie wird über die Ergebnisse einer katamnestischen Untersuchung von 85 Patienten berichtet, die an einer ambulanten Rehabilitationsbehandlung einer psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle teilgenommen hatten. Diese 85 Patienten stellen 24,4 % der Gesamtklientel der Beratungs- und Behandlungsstelle dar; sie unterscheiden sich von den Beratungsklienten dadurch, dass sie im Durchschnitt etwas älter sind, außerdem sind Frauen etwas häufiger vertreten. Die katamnestische Untersuchung bestand aus einer schriftlichen Befragung. Der Rücklauf betrug 63,5 % (n = 54). Die Haltequote für die 85 Patienten beträgt 81,2 %. Die Abstinenzquote beträgt bei einer Katamnesedauer von durchschnittlich 2œ Jahren nach der Berechnungsform F4 (die nicht erreichten Patienten wurden als nicht abstinent eingestuft) 49,4 %. Die meisten Patienten sind sozial integriert und mit ihrer Lebenssituation überwiegend zufrieden. Eine Kontaktanzahl unter 30 scheint sich eher ungünstig auf die Abstinenz auszuwirken. Diese Ergebnisse korrespondieren mit denen anderer Studien zur ambulanten Rehabilitation Alkoholabhängiger.

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Abstract

This study reports on the follow-up results of 85 patients treated in an outpatient program. These 85 patients represent 24.4 % of all outpatient clinic clients; in comparison with the clients on average the patients are older and furthermore, women participate more frequently. The follow-up was realised by a questionnaire. The return amounts to 63.5 % (n = 54). The drop-out rate of the 85 patients amounts to 18,8 %. In view of an average period of 2.5 years follow-up according to computation form F4 the rate of abstinence amounts to 49.4 % (non available patients are considered as non-abstinent). Most patients are socially integrated and mainly satisfied with their situation in life. Contacts below 30 seem to be adverse to abstinence. These results correspond to other studies concerning outpatient treatment programs.

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Einleitung

Mit dieser katamnestischen Untersuchung soll ein Beitrag zur Qualitätssicherung ambulanter Rehabilitation bei Alkoholabhängigen geleistet werden. Während in vielen Studien und Metaanalysen die Wirksamkeit der stationären Rehabilitation Alkoholabhängiger nachgewiesen werden konnte, auch im deutschsprachigen Raum, gibt es zum Erfolg ambulanter Rehabilitation Alkoholabhängiger nur sehr wenige Studien [1, 2]. Entsprechend groß ist die Unsicherheit bei der Einschätzung der Wirksamkeit ambulanter Rehabilitation.

Süß [1] kam in seiner Metaanalyse zu einer durchschnittlichen Abstinenzrate von 37,3 % bei ambulanter Rehabilitation (nach der Berechnungsform F4, [3]). Diese Rate ist nur geringfügig niedriger als die bei stationärer Rehabilitation (39,3 %). Auch bei einem gezielten Vergleich von stationärer und ambulanter Therapie konnte Süß [1] keine Belege für die Überlegenheit einer dieser beiden Behandlungsformen finden (ES-F4 = - 0,08). Bei diesen Vergleichen müssen aber die unterschiedlichen Behandlungsbedingungen und vor allem die unterschiedlichen Patientenselektionen berücksichtigt werden. So wird z. B. vermutet, dass die soziale Stabilität der ambulant behandelten Patienten größer ist als die der Patienten in stationärer Therapie.

Betrachtet man den deutschen Sprachraum, so wird die Einschätzung der Wirksamkeit ambulanter Therapie nicht nur durch die geringe Anzahl an Studien erschwert, sondern auch durch die unterschiedlichen Konzeptionen ambulanter Therapie. Das Spektrum reicht von speziellen Motivationsbehandlungen im ambulanten Setting [4] und ambulanter Entgiftung [5] über ambulante Entwöhnungsbehandlungen ([6-8]; siehe auch [2]) und tagesklinische Programme [9] bis hin zur kombinierten stationären und ambulanten Behandlung [10, 11] und ambulanter Nachsorge [12].

Für die vorliegende Studie sind vor allem neuere katamnestische Studien zur ambulanten Entwöhnungsbehandlung von Bedeutung. Soyka u. a. [7] kamen in einer 18- bis 24-Monats-Katamnese bei 65 Alkoholikern zu einer Abstinenzrate von 48,0 % (F4). Zu einem ähnlichen Ergebnis kam Zeissler [8]. Ein halbes Jahr nach Abschluss der Behandlung waren 53,7 % der Patienten abstinent, 45,2 % dauerhaft abstinent (F4). Diese Raten liegen über denen der Metaanalyse von Süß [1].

Die vorhandenen Indikationskriterien für die ambulante Behandlung leiten sich in erster Linie aus der beruflichen Erfahrung ab, gezielte empirische Studien liegen nicht vor. Dieser geringe empirische Kenntnisstand über die Wirksamkeit, Indikation und Prognose ambulanter Rehabilitation ist verwunderlich, denn die Empfehlungsvereinbarung „Ambulante Rehabilitation Sucht” trat bereits 1991 in Kraft, mittlerweile führen 369 Suchtberatungsstellen ambulante Entwöhnungsbehandlungen durch und jährlich werden von den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung über 10000 Anträge auf ambulante Rehabilitation bewilligt [13]. Die Bedeutung der vorliegenden katamnestischen Studie leitet sich aus diesem geringen Kenntnisstand ab.

Die beiden wichtigsten Fragen dieser Untersuchung sind:

  • Wie erfolgreich ist die ambulante Entwöhnungsbehandlung (Effektivität der Behandlung)?

  • Welche Patienten beenden die Behandlung erfolgreich und welche nicht (prognostische Merkmale)?

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Methodisches Vorgehen

Die Psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstelle (PSBB) ist eine Einrichtung des Caritasverbandes Hildesheim und führt ambulante Beratungen und Behandlungen für Suchtgefährdete und Suchtkranke durch, die in der Regel aus dem Einzugsgebiet der Stadt und des Landkreises Hildesheim stammen. Für die Beratung und Behandlung sind sechs Mitarbeiter zuständig. Die Klientel der Beratungsstelle besteht in erster Linie aus Alkoholabhängigen. Seit dem 1.1.1998 wird die ambulante Behandlung entsprechend der Empfehlungsvereinbarung „Ambulante Rehabilitation Sucht” durchgeführt. Aufgenommen werden alle Patienten mit Bereitschaft zu aktiver und regelmäßiger Mitarbeit, Patienten mit gravierenden psychischen Störungen oder hirnorganischen Beeinträchtigungen werden nicht behandelt. Die ambulante Behandlung erfolgt in der Regel durch eine Kombination aus Einzel- und Gruppentherapie. Als Maßnahmen kommen gesprächspsychotherapeutische, verhaltenstherapeutische und familientherapeutische Methoden zum Tragen. Die Behandlung gliedert sich in vier Phasen mit unterschiedlichen Schwerpunkten: 1. Beratungsphase (bis zu 5 Einzelgespräche): Diagnostik, Motivationsförderung, Antragstellung, 2. Vorbereitungsphase (2-4 Monate): ggf. Entgiftung, Informationsvermittlung, Motivationsunterstützung, 3. Intensivphase (6-12 Monate): Einzel- und Gruppentherapie und 4. Nachsorgephase (2-4 Monate): Einzel- und Gruppengespräche, Anschluss an eine Selbsthilfegruppe.

Die Gesamtstichprobe besteht aus 349 Patienten. Es handelt sich dabei um all diejenigen Patienten, die mindestens zwei Gespräche mit einem Suchtberater bzw. Suchttherapeuten geführt und diese zwischen dem 1.1.1996 und dem 31.7.1999 beendet hatten. Entsprechend den beiden zentralen Aufgaben der PSBB wurde die Gesamtstichprobe unterteilt in eine Beratungsstichprobe (n = 264, 75,6 %) und eine Therapiestichprobe (ambulante Rehabilitation, n = 85, 24,4 %). Die ambulante Rehabilitation wurde bestimmt durch eine Mindestanzahl von 20 Gesprächen in einem Zeitraum von maximal neun Monaten.

Zur Ermittlung von Selektionskriterien für die ambulante Rehabilitation wurde geprüft, ob sich die ambulant behandelten Patienten (n = 85) von den Beratungsklienten (n = 264) unterscheiden. Untersucht wurden die Merkmale Alter, Geschlecht und Art der Therapiebeendigung. Die Ergebnisse zeigen, dass die ambulant behandelten Patienten im Durchschnitt drei Jahre älter sind (47,9 vs. 44,9 Jahre), außerdem sind Frauen etwas häufiger vertreten (29,4 % vs. 22,0 %). Diese Unterschiede sind aber nicht signifikant, nur tendenziell vorhanden (p = 0,07 bzw. p = 0,16). Wie zu erwarten, unterschieden sich die ambulant behandelten Patienten von den Beratungsklienten hinsichtlich der Art der Therapiebeendigung hochsignifikant (p < 0,001). Während nur 18,8 % der Therapiepatienten die Therapie abbrechen, sind es bei den Beratungsklienten 53,8 % (Tab. [1]).

Tab. 1 Beschreibung der Stichproben und Überprüfung der Repräsentativität
MerkmalGesamtstichprobeBeratungsstichprobeTherapiestichprobeStat. Prüf.KatamnesestichprobeNichtantworterStat. Prüf.
n%n%n%pn%n%p
Alter (M)45,744,947,90,0749,944,4< 0,01
Alter
 bis 30
 31-40
 41-50
 51-60
 über 60

 21
102
115
 75
 36

 6,0
29,2
33,0
21,5
10,3

20
82
83
52
27

 7,6
31,1
31,4
19,7
10,2

 1
20
32
23
 9

 1,2
23,5
37,6
27,1
10,6

0,09

 0
10
19
17
 8

 0,0
18,2
34,5
30,9
14,5

 1
10
13
 6
 1

 3,2
32,3
41,9
19,4
 3,2

0,13
Geschlecht
 Männer
 Frauen
266
 83
76,2
23,8
206
 58
78,0
22,0
60
25
70,6
29,4
0,1636
18
66,8
33,3
24
 7
77,4
22,6
0,30
Therapie-beendigung
 Abbruch
 regulärbeendet
158
191
45,3
54,7
142
122
53,8
46,2
16
69
18,8
81,2
< 0,01
8
46
14,8
85,2
8
23
25,8
74,2
0,21
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Durchführung der Katamnese und Repräsentativität der Katamnesestichprobe

Die katamnestische Untersuchung wurde von Februar bis März 2000 durchgeführt. Sie erfolgte postalisch mit Hilfe eines aus 23 Items bestehenden Fragebogens, der in Anlehnung an den SEDOS-Nachbefragungsbogen zusammengestellt wurde. Angeschrieben wurden alle 85 Patienten der Therapiegruppe (ambulante Rehabilitation). Erinnerungen erfolgten nach zwei und vier Wochen. Von den 85 angeschriebenen Patienten antworteten 54 (Rücklaufquote: 63,5 %). Die Katamnesedauer betrug im Durchschnitt 2œ Jahre. Da bei der Beantwortung Selektionsprozesse zu erwarten sind, wurden, um die Art und das Ausmaß dieses Prozesses abschätzen zu können, die Patienten, die geantwortet haben (Katamnesestichprobe), mit den Patienten verglichen, die nicht geantwortet haben (Nichtantworter). Berücksichtigt wurden auch hier die Merkmale Alter, Geschlecht und Art der Therapiebeendigung. Die Nichtantworter sind im Durchschnitt 5œ Jahre jünger als die Antworter und damit noch etwas jünger als die Patienten der Beratungsstichprobe (44,4 vs. 49,9, p < 0,01). Vor allem die über 50-Jährigen sind überproportional häufig unter den Antwortern (45,4 vs. 22,6 %). Hinsichtlich des Geschlechts unterscheiden sich die beiden Gruppen zwar nicht signifikant, betrachtet man aber die Häufigkeiten, so sind auch hier die Frauen überrepräsentiert (33,3 vs. 22,6 %, p = 0,30). Wie zu erwarten, liegt auch hier die Abbruchrate bei den Nichtantwortern etwas höher (25,8 vs. 14,8 %, p = 0,21). Die Katamnesestichprobe kann nach diesen Ergebnissen nur sehr bedingt als repräsentativ betrachtet werden. Vor allem befinden sich in der Katamnesestichprobe gehäuft ältere Patienten (Tab. [1]).

Bei der statistischen Auswertung wurden Häufigkeitsanalysen, Chi2- und t-Tests durchgeführt.

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Ergebnisse

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Effektivität der Behandlung

Hinweise auf die Effektivität der ambulanten Therapie geben die Haltequote (Anteil regulär beendeter Behandlungen), die Abstinenzrate und die soziale Situation der Patienten. Die Haltequote der Therapiestichprobe beträgt 81,2 %.

Nach den Katamneseergebnissen variieren die Abstinenzraten entsprechend den Katamnesestandards der DGSS [3] zwischen 80,4 und 49,4 % (Tab. [2]). Von den 46 Patienten, die die Therapie beendeten und antworteten, sind 80,4 % abstinent (n = 37); von den acht Patienten, die die Therapie abbrachen und antworteten, sind fünf abstinent; 38 dieser 42 abstinenten Patienten der Katamnesestichprobe waren seit Beendigung der Therapie ununterbrochen abstinent. Geht man konservativ von allen ambulant behandelten Patienten aus und ordnet alle Nichtantworter als rückfällig ein, so beträgt die Abstinenzrate zum Zeitpunkt der Befragung (im Durchschnitt 2œ Jahren nach Abschluss der Therapie) 49,4 % (n = 42).

Tab. 2 Abstinenzraten nach den DGSS-Katamnesestandards
Berechnungsformabstinent (n)nicht abstinent (n)Abstinenzquote (%)
DGSS 1 (n = 46)
(Beender und Antworter)
37980,4
DGSS 2 (n = 69)
(Beender, Nichtantworter = nicht abstinent)
373253,6
DGSS 3 (n = 54)
(alle Antworter)
421277,8
DGSS 4 (n = 85)
(alle Patienten, Nichtantworter = nicht abstinent)
424349,4

Zusätzlich zur Abstinenz wurden soziale Merkmale als Erfolgsindikatoren untersucht:

  • Berufliche Situation und Verbesserungen: 53,7 % der Befragten sind Vollzeit (40,7 %), Teilzeit (7,4 %) oder geringfügig beschäftigt (5,6 %), 22,2 % Rentner und 13,0 % arbeitslos. 57,1 % geben an, dass sich ihre berufliche Situation verbessert hat.

  • Partnerschaft und Familienstand: 63,0 % der Befragten sind verheiratet, 75,5 % leben in einer Partnerschaft.

  • Gesundheitliche Folgen und Zufriedenheit mit der gesundheitlichen Situation: 94,3 % der Befragten nennen keine gesundheitlichen Folgen des Alkoholismus, 83,3 % sind mit ihrer gesundheitlichen Situation entweder sehr zufrieden (25,9 %) oder zufrieden (57,4 %).

  • Zufriedenheit mit der Lebenssituation: 77,8 % der Patienten sind mit ihrer Lebenssituation entweder sehr zufrieden (25,9 %) oder zufrieden (51,9 %).

Diese Ergebnisse zeigen, dass die meisten Patienten sozial integriert sind, außerdem sind sie mit ihrer Lebenssituation überwiegend zufrieden. Auffällig ist, dass in keinem Fall die untersuchten sozialen Merkmale mit der Abstinenz signifikant korrelieren.

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Prognostische Merkmale

Untersucht wurden die demografischen Merkmale Alter und Geschlecht sowie die Verlaufsmerkmale Art der Therapiebeendigung, Kontaktanzahl, Besuch von Selbsthilfegruppen und weitere therapeutische Maßnahmen nach Abschluss der Behandlung.

  • Männer sind signifikant häufiger abstinent als Frauen (86,1 % vs. 61,1 %, p < 0,05). Demgegenüber besteht zwischen dem Alter und der Abstinenzrate kein signifikanter Zusammenhang.

  • Verlaufsmerkmale: Die Abstinenzrate ist zwar bei den planmäßig Entlassenen etwas höher als bei den Therapieabbrechern (80,4 % vs. 62,5 %), dieser Unterschied ist allerdings nicht signifikant. Eine Kontaktanzahl unter 30 scheint sich eher ungünstig auf die Abstinenzrate auszuwirken (20-30 Kontakte: 69,2 % vs. über 30 Kontakte: 86,7 %, p < 0,05). Eine über 30 hinausgehende Kontaktanzahl steht mit der Abstinenz in keinem erkennbaren Zusammenhang mehr.

  • 40,1 % der Patienten besuchten im Anschluss an die Behandlung eine Selbsthilfegruppe. Bei diesen Patienten lag die Abstinenzrate aber nur geringfügig höher als bei denen, die keine Selbsthilfegruppe besuchten (81,8 % vs. 75,0 %). 29,6 % der Patienten nahmen im Anschluss an die Therapie weitere therapeutische Maßnahmen in Anspruch. Auch dies steht mit der Abstinenz in keinem bedeutsamen Zusammenhang (75,0 % vs. 78,9 %).

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Diskussion

Die Untersuchung kommt zu zwei wichtigen Befunden: Zum einen ist die Abstinenzrate bei den Patienten der ambulanten Rehabilitation 2œ Jahre nach Abschluss der Behandlung mit 49,9 % (DGSS 4) vergleichsweise hoch, zum anderen wird dieses Angebot der ambulanten Rehabilitation (Mindestanzahl von 20 Kontakten) lediglich von 24,4 % der Gesamtklientel in Anspruch genommen.

Diese Abstinenzrate entspricht der vergleichbarer Untersuchungen zur ambulanten Rehabilitation z. B. von Soyka u. a. [7] und Zeissler [8], die Raten von 48,0 % und 53,7 % erhielten. Dieses hohe Maß an Übereinstimmung rechtfertigt die Schlussfolgerung, dass mindestens die Hälfte ambulant behandelter Alkoholiker 2œ Jahre nach Behandlungsabschluss abstinent leben. Der größte Teil dieser Patienten ist ununterbrochen trocken (44,7 %, n = 38). Ein Vergleich mit den Abstinenzraten stationärer Rehabilitation macht deutlich, dass die Raten ambulant behandelter Patienten auf keinen Fall geringer sind (bei vergleichbaren Katamnesezeiträumen). So kamen z. B. Küfner, Feuerlein und Huber [14] in ihrer 4-Jahres-Katamnese zu einer Abstinenzrate von 34,8 % (18-Monats-Katamnese: 42,2 %; DGSS 4; totale Abstinenz im gesamten Katamnesezeitraum) und Missel u. a. [15] in ihrer 1-Jahres-Katamnese zu einer Abstinenzrate von 47,0 % (DGSS 4; totale Abstinenz im gesamten Katamnesezeitraum). Die Abstinenzraten der deutschen Katamnesestudien ambulanter Rehabilitation sind höher als die in Meta-Analysen berichteten Raten ([1]: 37,3 %, s. o.). Dieses Ergebnis verwundert nicht, da die Raten deutscher Studien generell höher sind als die internationaler, vor allem amerikanischer Studien [1].

Die Inanspruchnahmerate ambulanter Rehabilitation beträgt 24,4 %. Sie liegt damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt (Männer: 9 %, Frauen: 14 %; siehe [16]). Diese Rate ist zum einen positiv zu bewerten, denn sie zeigt, dass die Empfehlungsvereinbarung „Ambulante Rehabilitation Sucht” nach einer langen Anlaufzeit langsam an Bedeutung gewinnt, zum anderen stellt sich bei der hohen Abbruchrate von 45,3 % (Beratungs- und Therapiestichprobe) die Frage, ob und wie sich die Inanspruchnahmerate ambulanter Rehabilitation erhöhen lässt. Eine Möglichkeit der Erhöhung der Inanspruchnahmerate liegt sicher in dem gezielten Einsatz von Motivationsprogrammen bei den Patienten, bei denen eine ambulante Behandlung indiziert ist. Diese Studie kam zu dem Ergebnis, dass überproportional häufig Frauen und Ältere die ambulante Therapie durchführen. Dass Frauen häufiger eine ambulante Behandlung in Anspruch nehmen, steht in Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Simon und Palazzetti [16] und liegt vermutlich in den Schwierigkeiten insbesondere von Müttern begründet, eine längere Abwesenheit von zu Hause für eine stationäre Therapie zu organisieren. Für die häufigere Inanspruchnahme von Älteren ist möglicherweise die Zusammensetzung der Mitarbeiter der Beratungsstelle verantwortlich, die zum größten Teil zwischen 50 und 60 Jahre alt sind und naturgemäß zu den Problemen Jüngerer eine größere Distanz haben. Es stellt sich hier die Frage, wie sich das ambulante Behandlungsangebot für Jüngere attraktiver gestalten lässt.

Als wichtigstes Ergebnis zu den prognostischen Merkmalen lässt sich festhalten, dass sich eine Kontaktanzahl unter 30 eher ungünstig auf die Abstinenzrate auszuwirken scheint und dass eine darüber hinausgehende Kontaktanzahl mit der Abstinenz in keinem erkennbaren Zusammenhang mehr steht. Dieses Ergebnis stimmt mit den Ergebnissen der Metaanalyse von Sonntag und Künzel [2] überein, die für die stationäre Rehabilitation einerseits einen positiven Zusammenhang zwischen Therapiedauer und Therapieerfolg fanden, andererseits aber auch zeigen konnten, dass ab einer bestimmten Therapiedauer eine weitere Behandlung keinen Einfluss mehr auf den Therapieerfolg hat. Weiterhin scheint der Besuch einer Selbsthilfegruppe ohne Einfluss auf den Behandlungserfolg zu sein. Die Abstinenzraten von Männern sind zwar signifikant höher als bei Frauen, dieser Effekt verliert aber seine Bedeutung, wenn man berücksichtigt, dass Männer häufiger den Katamnesefragebogen nicht beantwortet haben. Möglicherweise wird die Indikation bei einigen Frauen aber auch weniger aus therapeutischen Gründen gestellt, sondern eher aus den Schwierigkeiten, eine stationäre Therapie zu organisieren.

Diese vorliegenden Ergebnisse bestätigen, dass die ambulante Rehabilitation eine erfolgreiche Alternative zu den klassischen stationären Entwöhnungsbehandlungen darstellt. Die Indikationsfrage ist allerdings nach wie vor empirisch ungeklärt, die Indikationssteller sind weiterhin auf das Erfahrungswissen angewiesen.

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Literatur

  • 1 Süß H M. Zur Wirksamkeit der Therapie bei Alkoholabhängigen: Ergebnisse einer Meta-Analyse.  Psychologische Rundschau. 1995;  46 248-266
  • 2 Sonntag D, Künzel J. Hat die Therapiedauer bei alkohol- und drogenabhängigen Patienten einen positiven Einfluß auf den Therapieerfolg?.  Sucht. 2000;  46 89-176
  • 3 Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung .Standards für die Durchführung von Katamnesen bei Abhängigen. Freiburg; Lambertus 1985
  • 4 Pfeiffer W. Ambulantes Behandlungssetting zur Motivierung von Alkoholikern. Fleischmann H, Klein HE Behandlungsmotivation - Motivationsbehandlung. Suchtkranke im psychiatrischen Krankenhaus Freiburg; Lambertus 1995: 58-72
  • 5 Soyka M, Horak M. Ambulante Entgiftung Alkoholkranker. Evaluation eines Modellprojekts.  Das Gesundheitswesen. 2000;  62 15-20
  • 6 Pfeiffer W, Fahrner E M, Feuerlein W. Katamnestische Untersuchung von ambulant behandelten Alkoholabhängigen.  Suchtgefahren. 1987;  33 309-320
  • 7 Soyka M, Kirchmayer C, Kotter G, John C, Löhnert E, Möller H J. Neue Möglichkeiten der Therapie und Rehabilitation alkoholabhängiger Patienten. Katamnestische Untersuchung zur Effizienz ambulanter Entwöhnungstherapien am Beispiel einer Modelleinrichtung.  Fortschritte der Neurologie und Psychiatrie. 1997;  65 407-412
  • 8 Zeissler E. Indikationsorientierte Evaluation einer ambulanten Alkoholentwöhnungsbehandlung: Erste katamnestische Ergebnisse.  Sucht. 1999;  45 100-107
  • 9 Kielstein V. Indikationskriterien und Prinzipien der ambulant/tagesklinischen Therapie von Alkoholkranken.  Sucht. 1991;  37 114-120
  • 10 Längle G, Schied H W. Zehn-Jahres-Katamnesen eines integrierten stationären und ambulanten Behandlungsprogramms für Alkoholkranke.  Suchtgefahren. 1990;  36 97-105
  • 11 Mann K, Batra A. Die gemeindenahe Versorgung von Alkoholabhängigen. Evaluation eines kombinierten stationären und ambulanten Behandlungskonzeptes.  Psychiatrische Praxis. 1993;  20 102-105
  • 12 Lentner-Jedlicka S, Feselmayer S. Ergebnisse einer katamnestischen Untersuchung im Rahmen der ambulanten Nachbetreuung in Kalksburg im Jahre 1979 und 1981.  Wiener Zeitschrift für Suchtforschung. 1982;  5 13-18
  • 13 Gaßmann R, Leune J. Die Versorgung suchtkranker Menschen in Deutschland. Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren e.V Jahrbuch Sucht 2001 Geesthacht; Neuland 2000: 141-163
  • 14 Küfner H, Feuerlein W, Huber M. Die stationäre Behandlung von Alkoholabhängigen: Ergebnisse der 4-Jahreskatamnesen, mögliche Konsequenzen für Indikationsstellung und Behandlung.  Suchtgefahren. 1988;  34 157-272
  • 15 Missel P, Braukmann W, Buschmann H, Dehmlow A, Herder F, Jahrreiss R, Ott E, Quiten C, Schneider B, Zemlin U. Effektivität und Kosten in der Rehabilitation Abhängigkeitskranker. Ergebnisse einer klinikübergreifenden Katamnese.  Sucht aktuell 4. 1997;  Heft 3 + 4 10-22
  • 16 Simon R, Palazzetti M. Jahresstatistik 1998 der ambulanten Beratungs- und Behandlungsstellen für Suchtkranke in der Bundesrepublik Deutschland.  Sucht. 1999;  45 Sonderheft 1

1 * Diese Untersuchung wurde in der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle (PSBB) des Caritasverbandes Hildesheim durchgeführt. Wir danken dem Leiter des Psychosozialen Dienstes des Caritasverbandes Hildesheim Herrn Dipl.-Psych. J. G. Coughlan sowie den Mitarbeitern und Patienten der PSBB für ihre Unterstützung und Teilnahme an dieser Untersuchung.

Prof. Dr. Wolfgang Schulz

Institut für Psychologie, Technische Universität Braunschweig

Spielmannstraße 12a

38106 Braunschweig

Email: Wolfgang.Schulz@tu-bs.de

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Literatur

  • 1 Süß H M. Zur Wirksamkeit der Therapie bei Alkoholabhängigen: Ergebnisse einer Meta-Analyse.  Psychologische Rundschau. 1995;  46 248-266
  • 2 Sonntag D, Künzel J. Hat die Therapiedauer bei alkohol- und drogenabhängigen Patienten einen positiven Einfluß auf den Therapieerfolg?.  Sucht. 2000;  46 89-176
  • 3 Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung .Standards für die Durchführung von Katamnesen bei Abhängigen. Freiburg; Lambertus 1985
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  • 6 Pfeiffer W, Fahrner E M, Feuerlein W. Katamnestische Untersuchung von ambulant behandelten Alkoholabhängigen.  Suchtgefahren. 1987;  33 309-320
  • 7 Soyka M, Kirchmayer C, Kotter G, John C, Löhnert E, Möller H J. Neue Möglichkeiten der Therapie und Rehabilitation alkoholabhängiger Patienten. Katamnestische Untersuchung zur Effizienz ambulanter Entwöhnungstherapien am Beispiel einer Modelleinrichtung.  Fortschritte der Neurologie und Psychiatrie. 1997;  65 407-412
  • 8 Zeissler E. Indikationsorientierte Evaluation einer ambulanten Alkoholentwöhnungsbehandlung: Erste katamnestische Ergebnisse.  Sucht. 1999;  45 100-107
  • 9 Kielstein V. Indikationskriterien und Prinzipien der ambulant/tagesklinischen Therapie von Alkoholkranken.  Sucht. 1991;  37 114-120
  • 10 Längle G, Schied H W. Zehn-Jahres-Katamnesen eines integrierten stationären und ambulanten Behandlungsprogramms für Alkoholkranke.  Suchtgefahren. 1990;  36 97-105
  • 11 Mann K, Batra A. Die gemeindenahe Versorgung von Alkoholabhängigen. Evaluation eines kombinierten stationären und ambulanten Behandlungskonzeptes.  Psychiatrische Praxis. 1993;  20 102-105
  • 12 Lentner-Jedlicka S, Feselmayer S. Ergebnisse einer katamnestischen Untersuchung im Rahmen der ambulanten Nachbetreuung in Kalksburg im Jahre 1979 und 1981.  Wiener Zeitschrift für Suchtforschung. 1982;  5 13-18
  • 13 Gaßmann R, Leune J. Die Versorgung suchtkranker Menschen in Deutschland. Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren e.V Jahrbuch Sucht 2001 Geesthacht; Neuland 2000: 141-163
  • 14 Küfner H, Feuerlein W, Huber M. Die stationäre Behandlung von Alkoholabhängigen: Ergebnisse der 4-Jahreskatamnesen, mögliche Konsequenzen für Indikationsstellung und Behandlung.  Suchtgefahren. 1988;  34 157-272
  • 15 Missel P, Braukmann W, Buschmann H, Dehmlow A, Herder F, Jahrreiss R, Ott E, Quiten C, Schneider B, Zemlin U. Effektivität und Kosten in der Rehabilitation Abhängigkeitskranker. Ergebnisse einer klinikübergreifenden Katamnese.  Sucht aktuell 4. 1997;  Heft 3 + 4 10-22
  • 16 Simon R, Palazzetti M. Jahresstatistik 1998 der ambulanten Beratungs- und Behandlungsstellen für Suchtkranke in der Bundesrepublik Deutschland.  Sucht. 1999;  45 Sonderheft 1

1 * Diese Untersuchung wurde in der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle (PSBB) des Caritasverbandes Hildesheim durchgeführt. Wir danken dem Leiter des Psychosozialen Dienstes des Caritasverbandes Hildesheim Herrn Dipl.-Psych. J. G. Coughlan sowie den Mitarbeitern und Patienten der PSBB für ihre Unterstützung und Teilnahme an dieser Untersuchung.

Prof. Dr. Wolfgang Schulz

Institut für Psychologie, Technische Universität Braunschweig

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