Sprache · Stimme · Gehör 2002; 26(3): 111-116
DOI: 10.1055/s-2002-34654
Schwerpunktthema
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Diagnostik und Förderung bei Kindern mit auditiven Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörungen durch Bildungseinrichtungen für Hörgeschädigte

Treatment and Support for Children with Auditory Perception- and Processing-Disorder Through Institutions for the Hearing ImpairedP. Zierath1
  • 1Leiter der Abteilung Früherziehung (mit Pädagogischer Audiologie), Landesbildungszentrum für
    Hörgeschädigte Osnabrück
Further Information

Publication History

Publication Date:
10 October 2002 (online)

Zusammenfassung

Die Hörgeschädigtenpädagogik hat sich der Überprüfung und Förderung von Kindern mit zentralen auditiven Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörungen angenommen. Diese Kinder verfügen in der Regel über eine normale periphere Hörfähigkeit, die zentralen Prozesse der auditiven Wahrnehmung und Verarbeitung sind dagegen gestört. In den pädagogisch-audiologischen Beratungsstellen werden die Teilleistungen auditive Aufmerksamkeit, Lautdiskrimination, Richtungshören, Hörmerkspanne, Selektivität und dichotisches Hören überprüft. Bei vielen der Kinder muss davon ausgegangen werden, dass frühe, dauerhafte Schallleitungsstörungen eine unzureichende neuronale Vernetzung bewirkten. Die Kinder fallen häufig in der Schule durch ein Leistungsversagen gerade im Bereich des Lese- und Schreiblehrgangs auf, oft verbunden mit einer unzureichenden auditiven Aufmerksamkeit und Konzentrationsstörungen. Da sich die Zahl der Kinder mit diesen Symptomen in den Schulen vermehrt, ist die Nachfrage nach Überprüfung und sonderpädagogischer Förderung in den letzten Jahren stark gestiegen. Neben einer Störung in den Teilleistungen der auditiven Wahrnehmung und Verarbeitung können auch andere Ursachen zu einem Leistungsversagen mit gleichen und ähnlichen Symptomen vorliegen. Eine interdisziplinäre Diagnostik ist daher oft eine notwendige Grundlage der Empfehlung außerschulischer oder schulischer bzw. sonderpädagogischer Fördermaßnahmen. Die bisherigen Erfahrungen mit der Überprüfung der Kinder, die mit dem Verdacht einer Störung in diesem Bereich in der pädagogisch-audiologischen Beratungsstelle vorgestellt wurden, zeigen, dass es kein einheitliches Störungsbild gibt, d. h. kaum Kinder in allen Teilleistungen versagen. Abhängig vom Ort der Störung innerhalb des Verarbeitungs- und Wahrnehmungsprozesses unterscheiden sich die Empfehlungen zur weiteren Förderung. Die Therapieansätze sollten sich an den konkreten Störungen orientieren. Hier sind bei den Wahrnehmungsprozessen wie der Lautdiskrimination oder der auditiven Speicherung übende Verfahren, bei den gestörten Verarbeitungsleistungen wie Selektion und dichotisches Hören kompensierende Verfahren zu empfehlen. Besonders wichtig sind die Veränderungen der Rahmenbedingungen des Lernens für diese Kinder. Für einige dieser Kinder kommt daher auch eine hörgeschädigtenspezifische Beschulung infrage.

Abstract

The goal of the pedagogy for the hearing impaired is the evaluation and support of children with central auditory perception and processing disorders. These children usually have normal peripheral hearing, but the central auditory processing is disturbed. The pedagogical-audiological counceling centres evaluate partial performances such as auditory attention, sound discrimination, directional hearing, auditory attention span, selectivity and dichotic hearing. It must be assumed that in many such children an early persisting disturbance of sound conduction has led to an insufficient neuronal network. In school these children usually show deficits especially while learning to read and write, often combined with insufficient auditory attention and concentration. Since the number of children with these symptoms is increasing, the demand for evaluation and specific treatment has also increased in the past years. There is the possibility that other reasons than auditory perception and processing deficits lie at the base of these failures. For this reason an interdisciplinary approach for the evaluation of the disorder and the subsequent support in special centres or special measures within the context of a regular school are necessary. Experience up to now has shown that there is no uniform disturbance that can be assumed for all children who have been evaluated in the pedagogical-audiological centres, i.e. hardly any children fail in all partial performances. In dependence on the locus of the failure within the perception and processing system recommendations for further support differ. The treatment must be adapted to the specific disturbance. As far as perceptive deficits such as sound dicrimination and audiotory storage are concerned exercise techniques are recommended. Processing deficits such as selection and dichotic hearing should be treated by compensating measures. For these children a special framework of learning is of great importance. Some of these should be enrolled in special schools for the hearing impaired.

Literatur

  • 1 Ebert H. Auditive Wahrnehmungsstörungen - Ursachen, Auswirkungen, Diagnose und Therapie.  Spektrum Hören. 1997;  5 6-12
  • 2 Frerichs H. Auditive Verarbeitungsstörung - Anmerkung zur Klienteldiskussion.  Hörgeschädigtenpädagogik. 2000;  Heft 3 126-130
  • 3 Hildmann A. Fehlhörigkeit und weitere Teilleistungsstörungen.  Spektrum Hören. 1997;  5 15-20
  • 4 Küspert P, Schneider W. Hören, lauschen, lernen, Arbeitsheft und Arbeitsmaterial. Göttingen; Vandenh. u. R 1999
  • 5 Lauer N. Zentral-auditive Verarbeitungsstörungen im Kindesalter. Grundlagen, Klinik, Diagnostik, Therapie. Stuttgart; Thieme 2.Aufl 2001
  • 6 Neuhaus C. Das hyperaktive Kind und seine Probleme. Berlin; Urania Ravensburger 5. Aufl. 1999
  • 7 Neuschäfer-Rube Ch, Matern G, Meixner R. et al . Zur Problematik auditiver Verarbeitungsstörungen.  Sprache-Stimme-Gehör. 2000;  3 113-118
  • 8 Nickisch A, Heber D, Burger-Gartner J. Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen bei Schulkindern. Diagnostik und Therapie. Dortmund: Modernes Lernen 2001 . 
  • 9 Olbrich I. Auditive Wahrnehmung und Sprache. Dortmund; Modernes Lernen 1994
  • 10 Plath P (Hg). Zentrale Hörstörungen, Materialsammlung vom 7. Multidisziplinären Kolloquium der Geers-Stiftung. Bonn; 1994
  • 11 Ptok M, Berger R, von Deuster Ch. et al . Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen. Konsensus-Statement.  Sprache-Stimme-Gehör. 2000;  Heft 2 90-94
  • 12 Ptok M. Prüfmittel für Untersuchungen zur auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung. Wertingen; Westra 1997
  • 13 Uttenweiler V. Dichotischer Diskriminationstest für Kinder.  Sprache-Stimme-Gehör. 1980;  Heft 4 107-111
  • 14 Weiß R H, Osterland J. Grundintelligenztest Skala 1 (CFT 1). Göttingen; 1997
  • 15 Welte V. Der Mottiertest, ein Prüfmittel für die Lautdifferenzierungsfähigkeit und die auditive Merkfähigkeit.  Sprache-Stimme-Gehör. 1981;  Heft 5 121-125

Peter Zierath

Studiendirektor

Leiter der Abteilung Früherziehung (mit Pädagogischer Audiologie)

Landesbildungszentrum für Hörgeschädigte Osnabrück

August-Hölscher-Straße 89

49080 Osnabrück

Email: pzierath@web.de