Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(42 Schwerpunkt Haematol/Onkol): 2223
DOI: 10.1055/s-2002-34938
Leserbriefe
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Nachweis von DPD-Exon-14-Skipping vor 5-Fluoruracil-Behandlung

Zum Beitrag aus DMW 9/2002, Seite 463
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Publication Date:
29 April 2004 (online)

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Kliche und Mitautoren beantworteten in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift Fragen zur Pharmakogenetik der Toxizität von 5-Fluoruracil (5-FU)-Chemotherapie unter spezieller Berücksichtigung der Dihydropyrimidindehydrogenase-Mutation DPYD*2A [1]. Auf ausgewählte Punkte muss ergänzend eingegangen werden:

Die Häufigkeit der heterozygoten DPYD*2A-Anlage wird in verschiedenen Studien übereinstimmend mit 1-1,8 % der europäischen Gesamtpopulation angegeben. Ein populationsgenetisches Missverständnis verbirgt sich dagegen in der Aussage der Autoren, dass die homozygote Anlage der Mutation DPYD*2A „im Übrigen bei 1:1000 Normalpersonen gefunden“ wird und „somit nochmals 10 x seltener als die heterozygote Situation“ sei. Unter Berücksichtigung des Hardy-Weinberg-Gleichgewichts 2 ergibt sich beispielhaft bei einer DPYD*2A-Heterozygotenfrequenz von 7/718 (0,975 %) in der Gesamtpopulation eine homozygote Mutation pro 42 084 Probanden bzw. 2,3/100 000 [Steiner et al, submitted] und ist somit um ein Vielfaches seltener als in der oben genannten Stellungnahme dargestellt. Zusätzlich zu den drei von den Autoren angeführten molekulargenetischen Konstellationen wurde inzwischen erstmals eine Gemischtheterozygotie (compound heterozygosity) des DPYD-Gens für zwei unterschiedliche Mutationen (DPYD*2A/*13) beschrieben, die phänotypisch mit einem vollständigen Verlust der Enzymaktivität einhergeht 3 und eine absolute Kontraindikation für die Anwendung von 5-FU darstellt. Die Pharmakogenetik/Pharmakogenomik hat das Potenzial, künftig einen wesentlichen Beitrag zur individualisierten Therapie zu leisten 4. Das erkannte bereits der Heidelberger Genetiker Friedrich Vogel, der den Begriff der Pharmakogenetik prägte und 1959 schrieb: „Das gesamte Gebiet der Pharmakogenetik hat unseres Erachtens eine große Zukunft. Die hier auftauchenden Probleme verdienten, eingehend bearbeitet zu werden. So besteht Aussicht, dass wir dem Problem der großen biologischen Variationsbreite in der Reaktion auf Pharmaka, das die praktische Arzneimitteltherapie oft so stark hemmt, näher rücken werden.“ 5. In diesem Sinne muss vor der generellen klinischen Anwendung des prätherapeutischen DPD*2A-Mutationsscreenings vor 5-FU-Applikation eine zweifelsfreie Befundlage gegeben sein, die den Anforderungen der Evidenz-basierten Medizin genügt. Obgleich eine wiederholt geäußerte Empfehlung für das generelle Mutations-screening von zwei der Autoren der DMW-Stellungnahme gegeben wurde 6 7, sollte bis zum Vorliegen eindeutiger Daten aus prospektiven Untersuchungen der DPYD*2A-Mutationsnachweis außerhalb von Studien nicht generell erfolgen 8.