Suchttherapie 2002; 3(4): 223-225
DOI: 10.1055/s-2002-36180
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Umstellung von hochdosiertem Methadon (Methadon Racemat®) auf Buprenorphin (Subutex®) im Rahmen ambulanter Opiatsubstitution

Switch from High Dose Methadone (Racemic Methadone) to Buprenorphine (Subutex®) within Out-patient Opiate Substitution TreatmentSalvatore Giacomuzzi1 , Yvonne Riemer1
  • 1Univ.-Klinik für Psychiatrie Innsbruck - Ambulanz für Abhängigkeitserkrankungen
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Ltd. OÄ Dr. Yvonne Riemer
MMag. DDr. Salvatore Giacomuzzi

Univ.-Klinik für Psychiatrie, Ambulanz für Abhängigkeitserkrankungen

Anichstr. 35

6020 Innsbruck, Österreich

Email: drogenambulanz@uibk.ac.at

Publication History

Publication Date:
19 December 2002 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Die Literatur empfiehlt die Umstellung auf Buprenorphin bei einer stabilen Methadondosis von 30-40 mg/d. Diskutiert wird auch die Umstellung bei höherer Methadondosis auf Buprenorphin. Zurzeit existieren wenige Mitteilungen aus der Praxis zur Hochdosisumstellung. Im Folgenden wird ein Fallbeispiel geschildert, welches das Vorgehen bei Umstellung von hochdosierten Methadonpatienten (80 mg/d) auf Buprenorphin beschreibt.

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Abstract

Current literature recommends the conversion to buprenorphine in patients treated with a stable methadone dose of 30-40 mg/d. However, few reports on buprenorphine conversion in patients under high-dose methadone exist. The following case example describes the procedure for conversion of high-dose methadone (80 mg/d) to buprenorphine.

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Kasuistik

Buprenorphin wurde zu Beginn des Jahres 2001 in Deutschland zur Substitution zugelassen und stellt eine Alternative zu dem konventionellen Standard der Substitutionstherapie mit Methadon dar [6]. In Österreich erfolgte eine frühere Zulassung für Buprenorphin zur Substitution von opiatabhängigen Patienten im Herbst 1999. Seit dieser Zeit wurden an der Innsbrucker Universitätsklinik rund 25 % aller Patienten (insgesamt ca. 670 Patienten; davon 447 regelmäßige Substitutionsklienten) auf Subutex® zur Behandlung umgestellt.

Buprenorphin verfügt über einen anderen pharmakologischen Wirkmechanismus als reine Opiate und hat damit auch ein unterschiedliches Wirkprofil [3 5] [7] [8]. Verschiedene Studien belegen, dass Buprenorphin einen geringeren Grad an physischer Abhängigkeit erzeugt als etwa volle µ-Agonisten (Morphin) und auch aufklärende und antidepressive Eigenschaften besitzt [9]. Darüber hinaus zeigt Buprenorphin günstige Eigenschaften in der Schwangerschaft opiatabhängiger Frauen [2] [10].

Die Umstellung von Methadon auf Buprenorphin ist bei Patienten, die eine zukünftige Abdosierung wünschen, auch in Bezug auf die oben angeführten Eigenschaften und die geringere Entzugssymptomatik, sinnvoll [15]. Empirische Studien, die differenziertere Indikationen nach Dauer und Schweregrad der Suchterkrankungen ermöglichen, liegen bis dato jedoch nicht vor.

Konsensustexte empfehlen die Umstellung auf Buprenorphin bei einer stabilen Methadondosis von 30-40 mg/d, diskutieren aber auch die Möglichkeit, in ausgewählten Einzelfällen, bei höherer Dosis umzustellen [15]. In dem genannten Dosisbereich von 30-40 mg/d ist eine Umstellung ohne größere Probleme möglich [13]. Derzeit existieren jedoch wenige Mitteilungen aus der Praxis zur Umstellung von hochdosierten Methadonpatienten auf Buprenorphin [1] [11].

Im Folgenden wird ein Fallbeispiel geschildert, welches das Vorgehen an unserer ambulanten Einrichtung bei Umstellung von hochdosierten Methadonpatienten (80 mg/d) auf Buprenorphin beschreibt.

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Fallbeispiel

Der beschriebene Patient ist derzeit 23 Jahre alt und im Oktober 2001 an unserer Ambulanz erschienen. Er ist HIV negativ und Hepatitis-C positiv. Die Drogenkarriere begann mit 18 Jahren unter anderem mit Benzodiazepinkonsum und gelegentlich Heroin i. v.

Zum Aufnahmezeitpunkt konsumierte der Patient seit drei Monaten täglich Compensan und ret. Morphin i. v. Hinzu kam, dass der Patient eine Haftstrafe von anderthalb Monaten wegen Drogenbesitz offen hatte. Von sich berichtete der Patient damals, dass er noch an keinem Substitutionsprogramm teilgenommen hatte.

Der Patient begann ein Substitutionsprogramm an unserer Klinik mit 6 mg Subutex®. Nach vier Tagen berichtete er, dass die im Weiteren erhöhte Dosis von 8 mg Subutex® ausreiche. Daraufhin wurde ihm ein Suchtgiftrezept von 8 mg Subutex® ausgestellt.

Sechs Monate später wollte der Patient auf Methadon umgestellt werden, da er Subutex® nicht mehr „vertrage” und er einen regelmäßigen Beikonsum von Compensan, Codein und Morphin angab. Die Methadondosis nach der Umstellung betrug 70 mg Methadon. Nach einer weiteren Woche wurde die Dosis auf 80 mg Methadon erhöht.

Am darauf folgenden Wochenende präsentierte sich der Patient nicht mehr zur Substitutionsabgabe an der Klinikeinrichtung und verlangte zu Wochenbeginn wieder auf Subutex® umgestellt zu werden.

Da der Patient schon den dritten Tag ohne Substitutionsabgabe war, wurden an ihn 16 mg Subutex® verabreicht. Am darauf folgenden Tag berichtete der Patient, dass die Dosis zu wenig sei und so wurde er auf 20 mg Subutex® erhöht und weitere 4 mg wurden ihm als Reserve mitgegeben.

In den ersten drei Tagen zeigten sich bei ihm starke Unruhe und Hitze-Kälte-Gefühle. Auf der Wang-Entzugsskala [14] zeigte der Patient nach dem ersten Tag der Umstellung einen Score von 16 (Scorewert für leichte Entzugssymptomatik 11 - 20; marginale Entzugssymptomatik 5 - 10; 0 - 4 nicht vorhanden). Nach einem weiteren Tag klangen die Symptomatiken auf einen Scorewert von 9 ab. Am vierten Tag nach der Umstellung konnte ein Scorewert von 4 auf der Wang-Entzugsskala festgestellt werden (Abb.1). Im weiteren Verlauf besserte sich der gesamte psychische und körperliche Allgemeinzustand. Der Patient blieb in der Folge auf einer Dosis von 20 mg Subutex® und ist seit nunmehr zwei Monaten stabil. Im Folgenden wurde dem Patienten ein Suchtgiftdauerrezept ausgestellt.

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Abb. 1 Scorewerte auf der Wang-Entzugsskala ein bis vier Tage nach Substitutionsbeginn

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Schlussfolgerungen

Die Behandlung mit Subutex® weist eine gleichwertige Wirkungsweise wie die Methadonbehandlung auf [7] [12] [3]. Unsere prinzipiellen Erfahrungen mit Subutex® sind positiv.

Die Umstellung von hochdosiertem Methadon auf Subutex® kann, wie in der vorliegenden Kasuistik dargestellt, auch unter schwierigen Umständen durchgeführt werden. Bei der Einstellung von hochdosiertem Methadon auf Subutex® ist eine relativ hohe Einstiegsdosis empfehlenswert. Eine rasche Aufdosierung, um das Auftreten von Entzugserscheinungen weitgehend zu verhindern, ist im Weiteren anzustreben. Nach Erreichen einer zu akzeptierenden Stabilisationsphase können Dosisreduktionen, individuell vom Einzelfall abhängig, nachfolgend angedacht werden.

Substitutionsänderungen von 70-80 mg Methadon auf Subutex® können auch in der ambulanten Arbeit umgesetzt werden, vorausgesetzt, Erreichbarkeit des Arztes und Mitarbeit des Klienten sind in ausreichendem Maße gegeben.

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Literatur

  • 1 Alhorn E. Substitution mit Buprenorphin: Umstellung von hochdosiertem Methadon möglich?.  Suchtmedizin in Forschung und Praxis. 2002;  3 (3) 179-180
  • 2 Eder H, Rupp I, Peternell A. et al . Buprenorphin in der Schwangerschaft.  Psychiatrische Praxis. 2001;  6 267-269
  • 3 Farrè M, Mas A, Torrens M. et al . Retention Rate and Illicit Opioid Use during Methadone Maintenance Interventions: A Meta-analysis.  Drug and Alcohol Dependence. 2002;  65 (3) 283-290
  • 4 Fischer G, Gombas W, Eder H. et al . Vergleichsuntersuchung von Buprenorphin und Methadon im Rahmen der Erhaltungstherapie Opiatkranker.  Nervenarzt. 1999;  70 795-802
  • 5 Gross A, Soyka M. Buprenorphin - ein neuer Ansatz in der Pharmakotherapie opiatabhängiger Patienten.  Suchtmedizin in Forschung und Praxis. 1999;  1 56-114
  • 6 Hönekopp I. Erste Erfahrungen mit Buprenorphin in der Methadonschwerpunktpraxis Mannheim.  Suchttherapie. 2000;  3 163-165
  • 7 Johnson R E, Chutuape M A, Strain E C. et al . Comparison of Levomethadyl Acetate, Buprenorphine, and Methadone for Opioid Dependence.  New England Journal of Medicine. 2000;  343 1290-1297
  • 8 Kishioka S, Paronis C A, Woods J H. Buprenorphine and Methoclocinnamox: Agonist and Antagonist Effects on Respiratory Function in Rhesus Monkeys.  European Journal of Phamacology. 2000;  391 (3) 289-297
  • 9 Kosten T R, Morgan C, and K osten TA. Depressive Symptoms during Buprenorphine Treatment of Opioid Abusers.  Journal of Substance Abuse Treatment. 1990;  (7) 51-54
  • 10 Ortner R, Schuster A, Rohrmeister C. et al . Prädiktoren zur Stabilisierung opioidabhängiger gravider Frauen mit Ausblick auf die elterliche Sorge.  Suchttherapie. 2001;  3 152-157
  • 11 Pollak A F. Die Durchführung einer Substitutionsbehandlung nach dem „Saarbrücker Modell” - Die generelle Gabe von Buprenorphin als Mittel erster Wahl.  Suchtmedizin in Forschung und Praxis. 2002;  4 (1) 55-57
  • 12 West S L, O`Neal K K, Graham C W. A Meta-analysis Comparing the Effectiveness of Buprenorphine and Methadone.  Journal of substance abuse. 2000;  12 405-414
  • 13 Walsh S L, Preston J L, Stizter M L. et al . Clinical Pharmacology of Buprenorphine: Ceiling effects at high doses.  Clinical Pharmacology and Therapeutics. 1994;  55 569-580
  • 14 Wang R IH, Wiesen R L, Lamid S. et al . Rating the presence and severity of opiate dependence.  Clinical Pharmacology and Therapeutics. 1974;  16 653-658
  • 15 Konsensustexte: Empfehlungen zur Anwendung von Buprenorphin (Subutex®) in der Substitutionsbehandlung opoidabhängiger Patienten in der Schweiz, Österreich und Deutschland.  Suchtmedizin in Forschung und Praxis. 2000;  2 (1) 43-53

Ltd. OÄ Dr. Yvonne Riemer
MMag. DDr. Salvatore Giacomuzzi

Univ.-Klinik für Psychiatrie, Ambulanz für Abhängigkeitserkrankungen

Anichstr. 35

6020 Innsbruck, Österreich

Email: drogenambulanz@uibk.ac.at

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Literatur

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Univ.-Klinik für Psychiatrie, Ambulanz für Abhängigkeitserkrankungen

Anichstr. 35

6020 Innsbruck, Österreich

Email: drogenambulanz@uibk.ac.at

Zoom Image

Abb. 1 Scorewerte auf der Wang-Entzugsskala ein bis vier Tage nach Substitutionsbeginn