Mit 247 Patientinnen und Patienten startete 1987 an acht Standorten in NRW ein wissenschaftliches
Erprobungsvorhaben zur medikamentengestützten Rehabilitation bei i.-v.-Opiatabhängigen.
Heute werden ca. 50 000 Opiatabhängige bundesweit im Rahmen einer Substitutionstherapie
behandelt. Dazwischen liegen 15 Jahre kontinuierlicher Entwicklung der Therapie, vor
allem aber der Rahmenbedingungen, unter denen Ärztinnen und Ärzte die Behandlung durchführen
können. Bis zum heutigen Tag hat sich die Substitutionsbehandlung - die übrigens so
umfassend evaluiert ist wie keine andere Behandlungsmethode der Heroinabhängigkeit
- auch in Deutschland als weitgehend anerkannte Therapieform etabliert. Unstrittig
ist mittlerweile, dass es sich bei Suchterkrankungen um chronische Erkrankungen handelt,
deren Behandlung häufig jahre- oder sogar jahrzehntelange therapeutische Bemühungen
erfordert. Die Substitutionstherapie ist erwiesenermaßen eine adäquate Möglichkeit,
die chronische Opiatabhängigkeit in differenzierter Weise hinsichtlich der individuellen
Zielsetzung zu behandeln. Dieser Entwicklung haben auch zu Anfang eher skeptische
Beobachter - z. B. die Rentenversicherungsträger - Rechnung getragen, die allein auf
Abstinenzbehandlung setzten: Sie bieten inzwischen die medizinische Rehabilitation
Drogenabhängiger in einigen ihrer Rehabilitationseinrichtungen für Abhängigkeitskranke
bei übergangsweisem Einsatz eines Substitutionsmittels an.
Durch die Einführung weiterer Substitutionsmedikamente neben dem bis Mitte der 90er-Jahre
in Deutschland fast ausschließlich verwendeten Levomethadon besteht heute die Möglichkeit,
die opiatabhängigen Patienten differenzierter zu behandeln.
Die medizinische Therapie hat also Fortschritte gemacht und vor allem an Anerkennung
gewonnen. Allerdings ist die Substitutionstherapie Opiatabhängiger im Vergleich zu
anderen medizinischen Behandlungsmethoden in Deutschland von Anfang an an umfassende
gesetzliche und leistungsrechtliche Vorschriften gebunden. Im Laufe der vergangenen
15 Jahre haben für die Substitutionstherapie mehrere Novellierungen der betäubungsmittel-
sowie leistungsrechtlichen Vorschriften stattgefunden:
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Am Anfang stand die Klärung der rechtlichen Zulässigkeit der ärztlichen Behandlung
eines opiatabhängigen Menschen mittels eines Betäubungsmittels. Sie wurde durch die
Änderung des Betäubungsmittelgesetzes Anfang der 90er-Jahre herbeigeführt.
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Wie und unter welchen Bedingungen das Verschreiben eines Substitutionsmittels zur
Behandlung einer Opiatabhängigkeit stattzufinden hat, wurde in einem eigens dafür
vorgesehenen Paragrafen in der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (§ 5 BtMVV)
geregelt.
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Darüber hinaus wurde in der letzten Novellierung der BtMVV eine - berechtigte - Forderung
an die Qualifikation der substituierenden Ärzte festgeschrieben. Die Ärzteschaft hat
diese Anforderung bereits 1998 mit der Einführung der Fachkunde „Suchtmedizinische
Grundversorgung” vorweggenommen.
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Insbesondere zur Vermeidung von Doppelbehandlungen wurde die Einführung eines zentralen
Substitutionsregisters (§ 5 a BtMVV) gesetzlich festgeschrieben. Jede Substitutionsbehandlung
ist seit 2001 durch den jeweiligen Behandler nach einem festgelegten Schema umgehend
an das inzwischen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eingerichtete
zentrale Substitutionsregister zu melden. Dieses Register wird uns erstmalig die tatsächliche
Anzahl der in Deutschland substituierten Patienten benennen können, ohne wie bisher
auf Schätzverfahren zurückgreifen zu müssen.
Nach einem umfassenden Diskussionsprozess wurden 1996 entsprechende Leitlinien der
Bundesärztekammer (BÄK) veröffentlicht. Autorisiert durch den Gesetzgeber, den allgemeinen
Stand der medizinischen Wissenschaft für die Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen
für die Behandlung, die Auswahl des Substitutionsmittels und die Bewertung des bisherigen
Erfolgs der Behandlung festzulegen, veröffentlichte die Bundesärztekammer im Mai 2002
Richtlinien zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger.
Die Einhaltung dieser Richtlinien hat für jeden substituierenden Arzt einen hohen
Verbindlichkeitscharakter. Die Richtlinien stellen zweifelsfrei klar, dass die manifeste
Opiatabhängigkeit mittels einer Substitutionstherapie behandelt werden kann und das
es keiner weitergehenden Erkrankung bzw. weitergehender Indikationen bedarf. Durch
die BÄK-Richtlinien ist der medizinisch-fachliche Rahmen für die Substitutionsbehandlung
gesetzt. Behandelt der Arzt jedoch einen Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung,
hat er zusätzlich die so genannten BUB-Richtlinien als Leistungsrichtlinien zu beachten.
In der Vergangenheit haben die Leistungsrichtlinien eher als Verhinderungsrichtlinien
fungiert. Die - medizinisch falsche - Prämisse, dass Opiatsucht allein nicht als Begründung
für eine Substitutionsbehandlung ausreichte, sondern stets eine Begleiterkrankung
wie Hepatitis oder HIV vorliegen musste, war eine für viele Behandlungen kaum zu überwindende
Hürde. Gleichzeitig schreckte ein hoher bürokratischer Aufwand durch das Antrags-
und Genehmigungsverfahren in jedem Einzelfall viele Ärztinnen und Ärzte von einem
Engagement in der Substitutionsbehandlung ab. Um es deutlich zu sagen: Die bisherigen
BUB-Richtlinien mit ihren unbegründet hohen Anforderungen haben bislang den ausreichenden
und flächendeckenden Ausbau niedrigschwelliger Hilfsangebote für Drogenabhängige stark
eingeschränkt - um nicht zu sagen behindert. Aus medizinischer Sicht unsinnig behindert,
denn wir wissen aus wissenschaftlichen Studien: Vermehrte differenzierte und qualitativ
durchgeführte Substitutionsangebote wirken sich auf die Zahl der Drogentoten mindernd
aus! Der drogenabhängige Patient - so die langjährige Forderung der Ärzteschaft -
muss wie jeder andere Patient auch behandelt werden können. Ärztliche Hilfe kann nicht
davon abhängig gemacht werden, wann und ob der Patient am Ende die Drogenfreiheit
erreicht. Niemand käme auf die Idee, anderen chronisch kranken Patienten - z. B. Diabetikern
oder Asthmatikern - ärztliche Hilfe zu verweigern, nur weil das Maximalziel, nämlich
die Heilung, nicht erreicht werden kann. Seit Oktober 2002 ist nun der Text der neu
gefassten BUB-Richtlinien - nach einigem Gezerre zwischen dem Bundesgesundheitsministerium
und der Bundesärztekammer auf der einen und dem Bundesausschuss Ärzte/Krankenkassen
auf der anderen Seite - bekannt. Der langjährigen und immer wieder vorgetragenen Forderung,
dass eine bestehende Opiatabhängigkeit auch ohne Zweiterkrankung durch die gesetzlichen
Krankenkassen als behandlungsbedürftige Erkrankung angesehen wird, wird in den neuen
Richtlinien nach nun über zehn Jahren entsprochen. Damit wird das Leistungsrecht endlich
den medizinischen Vorgaben und auch den BÄK-Richtlinien angepasst. Grundsätzlich sind
die neuen BUB-Richtlinien eigentlich nichts Neues, denn weiterhin gilt: Die Substitutionsbehandlung
bleibt leistungsrechtlichen und bürokratischen Anforderungen unterworfen, die es so
für andere Krankheiten nicht gibt. Warum das aber sein muss und bleiben soll, ist
nicht erklärlich: Die Erfahrung lehrt uns vielmehr, dass sich die Qualität ärztlicher
Arbeit nicht durch schärfere Regelwerke und Überbürokratisierung der Behandlung verbessern
lässt. Wesentliches Element der neuen BUB-Richtlinie ist der Ausbau der Qualitätssicherung
bei der Substitutionsbehandlung. Dazu wird eigens bei der jeweiligen KV eine Qualitätssicherungskommission
eingerichtet, deren Aufgabe es u. a. ist, durch eine Zufallsauswahl mindestens 2 %
der abgerechneten Behandlungsfälle pro Quartal anhand der vom Behandler einzureichenden
patientenbezogenen Dokumentation hinsichtlich der Qualität zu überprüfen. Ob sich
die neuen Richtlinien bewähren und sich die Qualitätssicherung nicht als bürokratisches
Instrument zur Mengenbegrenzung der Behandlungsfälle entpuppt, wird die Praxis zeigen.
Qualitätssicherung ist prinzipiell begrüßenswert, aber nicht als Selbstzweck oder
zum Aufbau neuer bürokratischer Hürden. Die vorgesehenen Qualitätssicherungsmaßnahmen
sollten vielmehr als Unterstützung für die kontinuierliche Qualitätsentwicklung in
den einzelnen Praxen genutzt werden. Durch die Implementierung von Qualitätssicherungselementen
sollen dem substituierenden Arzt und seinen Mitarbeiterinnen praktische Arbeitshilfen
für die Behandlung seines Patienten wie für die rechtlich einwandfreie Durchführung
der Therapie gegeben werden. Deutlich machen müssen wir an dieser Stelle aber auch:
Wer Qualität einfordert - wie die Krankenkassen in ihren BUB-Richtlinien -, muss auch
für die entsprechenden finanziellen Rahmenbedingungen sorgen. Die Definition des Leistungsrechts
muss meiner Ansicht nach auch nachvollziehbare und gesicherte Kostenregelungen beinhalten.
Wer z. B. zwölf Gespräche pro Quartal mit den Patienten fordert, muss auch zwölf Gespräche
bezahlen. Die leistungsrechtlichen und betäubungsmittelrechtlichen Forderungen in
der Substitutionsbehandlung müssen kompatibel mit dem Vergütungssystem sein. Dies
betrifft nicht zuletzt auch - wie seit Jahren immer wieder deutlich gemacht - die
finanzielle Absicherung der psychosozialen Betreuung. Die vorgelegten neuen BUB-Richtlinien
formulieren hier Arbeitsaufträge an die Psychosozialen Betreuungsstellen - z. B. Ausstellen
von schriftlichen Bestätigungen in jedem Einzelfall -, machen aber in der Präambel
weiter deutlich, dass die vorgesehene psychosoziale Betreuung nicht unter die Leistungspflicht
der GKV fällt.
Insgesamt haben wir mit den neuen BUB-Richtlinien einen Schritt nach vorn getan. Viele
von uns immer beklagte bürokratische Hindernisse gehören nun der Vergangenheit an.
Wir werden aber darauf achten müssen, dass die neuen Anforderungen an die Qualitätssicherung
in der Substitutionstherapie nicht als Ersatz für den gerade abgeschafften Bürokratismus
aufgebaut werden. Ziel der Qualitätssicherung muss es vielmehr sein, Bürokratie auf
ein Minimum zu senken und den Behandlungsablauf zugunsten der Patienten zu optimieren.
Dazu sollten die ärztlichen Körperschaften - wie es die BÄK-Richtlinien vorschlagen
- gemeinsam ein pragmatisches Vorgehen entwickeln und dadurch eine sinnvolle Verzahnung
der geforderten Maßnahmen herstellen. Dies könnte z. B. auch die gemeinsame Besetzung
der einzurichtenden Kommissionen sein. Vorschläge zur Entwicklung eines internen Qualitätssicherungssystems
in der ärztlichen Praxis wie z. B. das Handbuch zur Qualitätssicherung in der ambulanten
Substitutionstherapie (ASTO-Handbuch) liegen bereits vor und werden kontinuierlich
weiterentwickelt.
Wir dürfen nicht aus den Augen verlieren: Es geht immer um eine möglichst optimale,
flächendeckende und angemessene Versorgung opiatabhängiger Patienten.