Fortschr Neurol Psychiatr 2003; 71(1): 37-44
DOI: 10.1055/s-2003-36682
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Psychiatrische Komorbidität in Risikogruppen für Opiatabhängigkeit: eine Untersuchung an opiatabhängigen und nichtopiatabhängigen BtmG-Inhaftierten

Psychiatric Comorbidity in Risk Groups of Opioid Addiction: A Comparison between Opioid Dependent and Non-Opioid Dependent Prisoners (In Jail due to the German Narcotics Law)P.  Franke1 , D.  Neef1 , O.  Weiffenbach1 , M.  Gänsicke1 , M.  Hautzinger2 , W.  Maier1
  • 1Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Bonn (Prof. Dr. W. Maier)
  • 2Psychologisches Institut der Universität Tübingen (Prof. Dr. M. Hautzinger)
Diese Untersuchung ist im Rahmen des vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie geförderten Projektes (No. 01EB9418/5) zu biologischen und psychosozialen Risikofaktoren bei Abhängigkeitserkrankungen entstanden.
Further Information

Publication History

Publication Date:
16 January 2003 (online)

Zoom Image

Zusammenfassung

Die Entstehung einer Abhängigkeitserkrankung setzt eine entsprechende Exposition zwischen einem vulnerablen Individuum und einer betreffenden Substanz voraus. In der folgenden Untersuchung wurde die Hypothese überprüft, ob Probanden, die trotz Verfügbarkeit von Opiaten keine Opiatabhängigkeit entwickeln, sich hinsichtlich psychiatrischer Störungen von Personen unterscheiden, bei denen die Verfügbarkeit von Opiaten zu der Ausbildung eines Opiatabhängigkeitssyndroms geführt hat. Zur Überprüfung dieser Annahme wurden Häftlinge, die wegen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtmG) inhaftiert waren (d. h. hinsichtlich der Umgebungsvariable Opiatverfügbarkeit eine besondere Risikogruppe darstellen) in Bezug auf die psychiatrische Komorbidität (Lebenszeitdiagnosen nach DSM-III-R) untersucht. Anhand dieses Untersuchungsdesigns ergaben sich Hinweise dafür, dass die potenzielle Verfügbarkeit von Opiaten (als postulierter begünstigender Umgebungsfaktor) nicht allein für die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer psychiatrischen Komorbidität ausschlaggebend ist. Opiatabhängige Inhaftierte stellten zwar im Vergleich zur nichtopiatabhängigen Kontrollgruppe von Inhaftierten eine Risikogruppe für psychiatrische Erkrankungen dar, was die höhere Erkrankungsrate mit anderen Formen substanzgebundener Abhängigkeitserkankungen, Ängsten, Suizidversuchen und bestimmten Persönlichkeitsstörungen reflektiert. Allerdings waren die Unterschiede zwischen Opiatabhängigen und Nichtopiatabhängigen weniger deutlich ausgeprägt als initial postuliert. Das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit ging auch bei Nichtopiatabhängigen mit depressiven Episoden, Angststörungen sowie einer Kokainabhängigkeit einher. Trotz hoher psychiatrischer Lebenszeitkomorbidität wurden die Abhängigkeitskranken vor Beginn der Inhaftierung vom ärztlich-psychiatrischen Hilfesystem nur unzureichend erfasst. Bei der von uns untersuchten Stichprobe von Inhaftierten handelte es sich um Individuen mit einem ausgeprägten Schweregrad psychiatrischer Störungen einschließlich substanzgebundener Abhängigkeitserkrankungen.

Abstract

Individuals who do not develop opioid dependence although they have access to opioids might differ with regard to psychiatric risk factors from opioid-exposed subjects who developed opioid dependence. To test this assumption, the present investigation compared individuals who were in jail due to the German “Dangerous Drugs Act” (i. e. particular risk group due to facilitated opioid availability) according to presence or absence of opioid dependence and psychiatric comorbidity in each group. This study design is in line with the assumption that in addition to the (postulated) environmental risk factor of facilitated availability of opioids, psychiatric risk factors enhance the likelihood for the development of opioid dependence. Opioid addicts represent a risk group, not only for other forms of substance dependence, but also psychiatric disorders like anxiety disorders, suicide attempts and specific forms of personality disorders. However the difference between opioid dependent subjects and non-opioid dependent controls was less marked than initially postulated. Alcoholism of non-opioid dependent prisoners also was associated with depressive episodes, anxiety disorders as well as cocaine dependence. Despite the high frequency of life-time psychiatric comorbidity in the opioid dependent sample, this increased comorbidity was not paralleled by psychiatric treatment. In general, the sample of prisoners investigated here, was characterized by a high frequency of psychiatric disorders including substance dependence.