Ultraschall Med 2003; 24(1): 5-6
DOI: 10.1055/s-2003-37416
Editorial
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Pränatale Diagnostik - ein anhaltendes forensisches Risiko

Prenatal Diagnosis - a Persistent Forensic RiskE.  Merz1
  • 1DEGUM-Sektionsleiter Gynäkologie und Geburtshilfe
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Publication Date:
24 February 2003 (online)

Das Übersehen oder die Fehleinschätzung einer fetalen Fehlbildung im Rahmen der pränatalen Diagnostik ist für immer mehr Eltern Anlass, juristisch gegen den Frauenarzt, der die Ultraschalluntersuchung(en) durchgeführt hat, vorzugehen. In erster Linie werden dabei Unterhalts- und Pflegeaufwandskosten für das behinderte Kind eingeklagt, teilweise geht es auch um den Vorwurf einer mangelhaften Aufklärung bzw. um eine schuldhafte Verletzung des Behandlungsvertrages oder „nur” um ein Schmerzensgeld wegen des psychischen Traumas.

Ohne Zweifel ist das späte Erkennen einer schweren fetalen Fehlbildung (z. B. einer ausgeprägten Spina bifida im 3. Trimenon) oder die Geburt eines Kindes mit bislang nicht bekannter Fehlbildung (z. B. Peromelie) mit einer enormen psychischen Belastung der Eltern verbunden. Dabei sind Aussagen der Eltern, wie „Hätten wir dies früher gewusst, hätten wir eine Abtreibung vornehmen lassen”, nicht selten.

Wie schwer muss eine Fehlbildung des Kindes nun sein, dass Eltern gegen den betreuenden Arzt juristisch vorgehen? Wann liegt eine schuldhaft nicht erkannte Schädigung des Kindes vor, die nach § 218 a Abs. 2 StGB eine Abtreibung gerechtfertigt hätte?

Dr. H. Franzki, Präsident des Oberlandesgerichtes Celle a. D., geht in diesem Heft auf drei höchstrichterliche Urteile aus jüngerer Zeit ein und erläutert, warum es bei zwei der drei Fälle zu keiner Verurteilung, im dritten Fall jedoch zu einem Schuldspruch gekommen ist.

Wie bereits im Editorial von Heft 5/2002 [1] erwähnt, wurden mit der Neufassung der Mutterschafts-Richtlinien am 1. April 1985 (zuletzt geändert am 24. 4. 1998) [2] bundesweit die Ultraschall-Screening-Leistungen in Form von Mindestanforderungen in der Anlage 1 aufgelistet, es wurden jedoch keine gültigen Kriterien für eine weiterführende fetale Ultraschalldiagnostik ( = Fehlbildungsdiagnostik) im Zeitraum 18 - 22 Schwangerschaftswochen aufgeführt. Entsprechende Mindestanforderungen wurden erst im letzten Jahr vom DEGUM-Stufe-III-Gremium der Sektion Gynäkologie und Geburtshilfe definiert [3], um dem in der pränatalen Feindiagnostik tätigen Arzt eine Hilfestellung zu geben. Ähnliches gilt auch für Standards zur Ultraschalluntersuchung in der Frühgravidität [4].

Grundsätzliches Ziel der pränatalen Diagnostik sollte es sein, fetale Erkrankungen, Fehlbildungen oder Entwicklungsstörungen frühzeitig, d. h. möglichst 4 - 6 Wochen vor Erreichen der fetalen Lebensfähigkeit zu erkennen [1]. Bei unklaren Fällen hat man dann noch genügend Zeit für eine Verlaufsbeobachtung. Insbesondere in einer Grenzsituation sollte der Patientin stets das Einholen einer Second opinion und/oder eine Beratung durch den Pädiater angeboten werden. Nur bei entsprechender Aufklärung und Beratung ist die Patientin in der Lage zu entscheiden, ob die vorliegende fetale Erkrankung für sie zumutbar oder nicht zumutbar ist.

Problematisch bleiben jedoch für alle Beteiligten stets diejenigen fetalen Erkrankungen/Fehlbildungen, die sich erst nach Erreichen der fetalen Lebensfähigkeit, d. h. nach 24 abgeschlossenen Schwangerschaftswochen, ausbilden bzw. erst dann erkennbar werden. Als Beispiele hierfür können der postentzündliche fetale Hydrozephalus, das Pena Shokeir-Syndrom oder die Achondroplasie aufgeführt werden.

Einen Schutz vor juristischen Angriffen betroffener Eltern gegen den betreuenden Frauenarzt/Pränataldiagnostiker wird es in der pränatalen Diagnostik wahrscheinlich nie geben. Kommt es zum Streitfall, spielen Dokumentation und Aufklärung eine entscheidende Rolle. Nur wenn anhand einer ausführlichen Befund- und Bilddokumentation nachgewiesen werden kann, dass es sich um eine qualifizierte Ultraschalluntersuchung mit entsprechender schriftlicher Aufklärung der Patientin gehandelt hat, kann man Vorwürfen wie denen einer mangelhaften Aufklärung oder einer schuldhaften Verletzung des Behandlungsvertrages, gezielt entgegentreten.

Literatur

  • 1 Merz E. DEGUM-Standards in der gezielten pränatalen Diagnostik (18-22 Schwangerschaftswochen) (Editorial).  Ultraschall in Med. 2001;  22 199
  • 2 Richtlinien des Bundesausschusses für Ärzte und Krankenkassen über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung („Mutterschaftsrichtlinien”) in der Fassung vom 10. 12. 1985 (veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 60 a vom 27. 3. 1986), zuletzt geändert am 24. 4. 1998 (veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 136 vom 25. 7. 1998). 
  • 3 Merz E, Eichhorn K H, Hansmann M, Meinel K. Qualitätsanforderungen an die weiterführende differenzial-diagnostische Ultraschalluntersuchung in der pränatalen Diagnostik (= DEGUM-Stufe II) im Zeitraum 18 bis 22 Schwangerschaftswochen.  Ultraschall in Med. 2002;  23 11-12
  • 4 Rempen A, Chaoui R, Kozlowski P, Häusler M, Terinde T, Wisser J. Standards zur Ultraschalluntersuchung in der Frühschwangerschaft. Empfehlungen der DEGUM-Stufe III (Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin), Sektion Gynäkologie und Geburtshilfe, und der ARGUS (Arbeitsgemeinschaft für Ultraschalldiagnostik der DGGG).  Ultraschall in Med. 2001;  22 1-5

Prof. Dr. E. Merz

DEGUM-Sektionsleiter · Gynäkologie u. Geburtshilfe · Frauenklinik Krankenhaus Nordwest

Steinbacher Hohl 2 - 26 · 60488 Frankfurt/Main