Z Gastroenterol 2003; 41: 10
DOI: 10.1055/s-2003-37423
Supplement
© Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Der Upside-down-Magen: ein verkanntes Problem?

T. P. Hüttl1 , F. W. Spelsberg1 , F. W. Schildberg1
  • 1Chirurgische Klinik und Poliklinik, Klinikum Großhadern der Ludwig-Maximilians-Universität
Further Information

Publication History

Publication Date:
11 March 2003 (online)

Die laparoskopische Therapie der Refluxkrankheit einschließlich der axialen Hiatushernien ist vielerorts zu einem Routineeingriff mit geringer Komplikationsrate geworden. Große Misch- und paraösophageale Hernien, insbesondere aber deren Maximalform, der Upside-down-Magen, stellen auch heute noch eine besondere Herausforderung hinsichtlich präoperativer Diagnostik, Indikationsstellung, Wahl des Operationszeitpunkts und des Operationsverfahrens dar.

Bereits Terminologie und pathophysiologischer Ansatz sind in den wenigen Berichten, die sich in der Literatur finden, sehr uneinheitlich. Wir definieren diese Hernie als einen organo-axialen Magenvolvulus auf dem Boden einer prädisponierenden Hiatushernie vom Misch- oder paraösophagealen Typ. Im Gegensatz zur rein paraösophagealen Hernie kann die Cardia auch oberhalb des Zwerchfells liegen und die oft (eigenes Krankengut: 45 %, Literatur: 16-86 %) beobachteten Refluxbeschwerden erklären. In dieser Definition bewusst ausgeklammert werden der traumatisch bedingte extrahiatale Thoraxmagen mit Volvulus sowie die verschiedenen Formen des intraabdominellen Magenvolvulus. Nach einem häufig lange Zeit asymptomatischen oder symptomarmen Intervall treten im Frühstadium unspezifische Beschwerden wie Aufstoßen, Druck-/Völlegefühl, „gastro-kardiale” und „gastro-pulmonale” Beschwerden auf. Diese „Druckphänome” verschlechtern sich meist nach Nahrungsaufnahme. Im nachfolgenden Komplikationsstadium führen Passagestörungen, Stauungsgastritis und Ulzerationen („riding ulcer” am Schnürring) mit Fe-Mangelanämie oder bei Ischämie und/oder Perforation das Bild eines akuten Abdomens zur Diagnose. Die konservative Therapie asymptomatischer Patienten führt in der Literatur zu einer Letalität von 29 %! Als Standard gilt heute die laparoskopische Magenreposition mit Einengung der klaffenden Zwerchfellschenkel (Hiatoplastik) und intraabdomineller Fixation des Magens (Gastropexie). Wegen der häufig simultanen Insuffizienz des unteren Ösophagussphinkters sollte unserer Erfahrung nach stets eine Augmentation des gastroösophagealen Übergangs mittels (partieller) Fundoplikatio erfolgen. Im eigenen Krankengut wurden in einem 10-Jahreszeitraum 24 Patienten (Alter: 69 (19-91) J.) bei Upside-down-Magen operiert. Führende Symptome waren rezidivierende Blutungen (21 %), epigastrische Schmerzen (17 %), akutes Abdomen (13 %), Dyspnoe (13 %), pektanginöse Schmerzen (8 %) neben Dysphagie, Rhythmusstörungen und Erbrechen. Die durchschnittliche Anamnesedauer betrug 3 J. (1 Wo-30 J.), die Erstdiagnose lag im Schnitt 6 Monate (4 d-5 J.) zurück. 3 Patienten wurden notfallmäßig (2 × offen bei Nekrose/Perforation, 1 × Konversion bei Fundusnekrose), 5 Patienten dringlich (alle laparoskopisch, 1 × Konversion bei Nekrose und Peritonitis) und 16 Patienten elektiv (2 × offen, 14 × laparoskopisch, 2 × Konversion) operiert (mediane OP-Dauer: 160 min; Blutverlust: 100 ml; Revison/Letalität/Rezidiv: 0 %, Normalkost: 2. Tag; Krankenhausaufenthalt 5 Tage). Die Lebensqualität mittels validiertem GQLI-Score verbesserte sich signifikant von 86 auf 108 (p < 0,01).

Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass es sich beim Upside-down-Magen keineswegs um eine einfache Lageanomalie handelt, sondern um ein oftmals lange Zeit übersehenes oder verkanntes bzw. nach Diagnosestellung noch zu lange unbehandeltes Krankheitsbild mit hohem Komplikationspotenzial. Die frühzeitige, in Zentren mit entsprechender Expertise meist auf minimal-invasivem Weg durchführbare Operation ist sicher und effektiv, sie stellt die einzig kausale Therapie dar. Ein Verzögern der Indikationsstellung nach Diagnose eines Upside-down-Magens ist nur in Ausnahmefällen (z. B. hohe Komorbidität) vertretbar, sie gefährdet den Patienten unnötig.

T. P. Hüttl

Chirurgische Klinik und Poliklinik, Klinikum Großhadern der Ludwig-Maximilians-Universität

Marchioninistraße 15

81377 München