psychoneuro 2003; 29(3): 85
DOI: 10.1055/s-2003-38708
Brennpunkt

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Nullrunde und die Psychiatrie

Jürgen Fritze1 , Max Schmauß1
  • 1Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)
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Prof. Dr. med. Jürgen Fritze

Asternweg 65

50259 Pulheim

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Publication Date:
16 April 2003 (online)

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    Das Gesetz zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung hat u.a. die Nullrunde für die ambulante und stationäre Versorgung beschert, soweit die Krankenhäuser nicht für das neue DRG-Entgeltsystem optiert haben. Von dieser Option haben bis 31.10.2002 530 Krankenhäuser Gebrauch gemacht. Unter dem Druck der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) hat das BMGS das 12. SGB V Änderungsgesetz dahingehend ergänzt, dass die Frist zum Optieren über den ursprünglich geltenden Termin 31.10.2002 hinaus bis zum 31.12.2002 verlängert würde. Das Gesetz ist bisher am Widerstand des Bundesrates gescheitert. Es ist aber zu erwarten, dass man sich zumindest bezüglich der verlängerten Optionsfrist doch einigen wird.

    Psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen sind vom DRG-System gemäß § 17b KHG ausgenommen, können also nicht optieren, werden also von der Nullrunde getroffen. Mindestens 20 % der somatisch Kranken weisen behandlungsbedürftige psychiatrische Komorbiditäten auf. Um eigene Ressourcen zu schonen, werden die optierenden somatischen Häuser diese Komorbiditäten dazu nutzen, diese Kranken frühzeitig in psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen zu verlegen.

    Nachdem bereits rund ein Viertel der Krankenhäuser bekundet hat, von der Option Gebrauch zu machen, und die verlängerte Erklärungsfrist diesen Anteil auf 60 % vergrößern wird, ist zu erwarten, dass im Jahr 2003 psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen mit einer erheblichen Fallzahlsteigerung konfrontiert sein werden. Dem können sie bei gesetzlich verordneter Nullrunde, d.h. ohne zusätzliche Ressourcen, nicht gewachsen sein. Hierauf wurde das BMGS im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens hingewiesen, sah aber keinen Handlungsbedarf.

    Dabei ist es fragwürdig, ob die Chancenlosigkeit psychiatrischer Einrichtungen, der Nullrunde zu entgehen, überhaupt verfassungskonform ist, denn sie verstößt gegen das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes. Sie hebelt darüber hinaus geltendes Recht aus: Die Bundespflegesatzverordnung (BPflV) sieht ausdrücklich vor, dass der Gesamtbetrag (das Budget) des Vorjahres überschritten werden darf, wenn die Vorgaben der Psychiatrie-Personalverordnung zur Zahl der Personalstellen auf der Basis der Stichtagserhebungen dies erforderlich machen. Dabei stellt der Verordnungsgeber ausdrücklich fest, dass sicherzustellen ist, dass das Personal nicht anderweitig eingesetzt wird.

    Dies hat der Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung des Bundestages am 13.11.2002 ausdrücklich herausgestellt: „Von den Vertretern der Koalitionsfraktionen wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für die Psychiatrischen Krankenhäuser die Psychiatrie-Personalverordnung uneingeschränkt gelte. Psychiatrische Krankenhäuser hätten somit unabhängig von der Grundlohnrate Anspruch auf die Refinanzierung einer der Psychiatrie-Personalverordnung entsprechenden Personalausstattung. Zusätzlich hätten die Psychiatrischen Krankenhäuser Anspruch auf die übrigen Ausnahmetatbestände des § 6 Abs. 1 BPflV und somit auch Anspruch auf BAT-Ausgleich”.

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