Die spezifische Hyposensibilisierungsbehandlung oder spezifische Immuntherapie (SIT) durch subkutane Injektion ansteigender Dosen des relevanten Allergens geht auf Noon im Jahre 1911 zurück [18]. Neben der Allergenkarenz ist diese Option die einzige kausale Therapie allergischer Erkrankungen.
Verschiebung des TH1-/TH2-Verhältnisses
Verschiebung des TH1-/TH2-Verhältnisses
Bis heute sind die immunologischen Wirkmechanismen dieser Behandlung nicht ausreichend bekannt. Ein wichtiger Mechanismus scheint jedoch in einer Wirkung auf T-Lymphozyten zu bestehen [13]
[23]
[24]. Entsprechend ihrer Zytokinproduktion werden die so genannten CD4+-T-Helferzellen in zwei Gruppen eingeteilt:
-
TH1-Zellen produzieren unter anderem Interferon(IFN)-γ, Tumor-Nekrose-Faktor(TNF)-α und Interleukin(IL)-2
-
TH2-Zellen produzieren unter anderem IL-4, IL-5, IL-6, IL-10 und IL-13 [12].
Immunantworten, die überwiegend durch eine Stimulation der TH2-Zellen getragen werden, führen zu einer hohen allergenspezifischen IgE-Produktion der B-Lymphozyten und zu weiteren charakteristischen Merkmalen allergischer Immunreaktionen. Neben der individuellen Disposition des Patienten und Umwelteinflüssen spielen offensichtlich die verabreichte Allergenmenge und die Art der Allergenexposition eine Rolle. Kleine Allergenmengen, die wiederholt über das Epithel des Respirationstraktes und der Haut verabreicht werden, können vorzugsweise allergische Reaktionen vom Soforttyp auslösen [2]
[17]
[26].
Das Grundprinzip der klassischen Hyposensibilisierung mit subkutanen Allergeninjektionen ist daher die Applikation möglichst großer Allergenmengen. Dies beeinflusst die Immunantwort auf unterschiedlichen Ebenen. So kommt es - laut den Ergebnissen immunologischer Studien - unter einer subkutanen Hyposensibilisierungsbehandlung relativ rasch zu einer Verschiebung des Verhältnisses von TH1 und TH2 zugunsten der TH1-Antwort [2]
[28]. Ob TH2-Zellen dabei umorientiert (Richtung TH0 oder TH1) oder funktionell inhibiert werden, ist noch nicht klar. Experimentell lassen sich unter dem Einfluss hoher Allergendosen beide Effekte erzeugen. So reduziert sich die allergenspezifische IgE-Produktion langfristig [5]
[7], außerdem werden die so genannten Effektorzellen - wie Mastzellen, basophile und eosinophile Granulozyten - beeinflusst [15]
[25]
[32].
Therapeutische Effektivität erwiesen
Therapeutische Effektivität erwiesen
Die therapeutische Effektivität der spezifischen Immuntherapie mit subkutanen Injektionen von Allergenen oder Allergoiden haben inzwischen zahlreiche klinische Studien belegt [9]
[19]
[20]. In jüngster Zeit gilt dies auch für die Wirksamkeit verkürzter Therapieprotokolle [14]
[33]. Allerdings bleibt zu untersuchen, für welchen Zeitraum diese günstigen Effekte anhalten. Die Reduktion des Medikamentenverbrauchs und die Steigerung der Leistungsfähigkeit bzw. die Verringerung von Fehlzeiten macht die Hyposensibilisierung auch unter ökonomischen Gesichtspunkten zu einer wirtschaftlichen Behandlungsform [4].
Verschiedene Therapieschemata
Die häufigste Form der Immuntherapie für saisonale Allergene ist die präsaisonale Hyposensibilisierung. Dabei beginnt die Behandlung nach Ende der Allergiesaison mit der Aufbaubehandlung. Man startet mit der geringsten vorgesehenen und für den individuellen Patienten geeigneten Allergenmenge, die dann in wöchentlichen Abständen gesteigert wird. Ist die individuelle Erhaltungsdosis erreicht, wird sie bis zum Einsetzen des Pollenflugs beibehalten. Dann wird die Behandlung unterbrochen und im nächsten Jahr nach Ende der Allergiesaison mit einer Aufbaubehandlung erneut eingeleitet.
Bei der perennialen Hyposensibilisierung wird dagegen nach initialer Aufbaubehandlung die Dosis bei Beginn des Pollenflugs stark reduziert fortgesetzt (kosaisonaler Anteil). Nach Ende der Pollensaison wird die Dosis dann erneut langsam auf die Erhaltungsdosis gesteigert - immer individuell auf den einzelnen Patienten abgestimmt. Dies hat den Vorteil, dass man nicht in jedem Jahr erneut bei „Null” anfangen muss, sondern bereits von dem Niveau ausgehen kann, das während der Allergiesaison vertragen wurde. Insgesamt ergibt sich so eine höhere kumulativ verabreichte Allergendosis und eventuell ein besserer Therapieerfolg. Nachteilig ist, dass auch während der Saison Injektionen erforderlich sind (was teilweise durch eine geringere Anzahl notwendiger Injektionen beim Dosisaufbau nach Abschluss der Saison ausgeglichen wird). Zudem verlangt die Steuerung dieser Therapie auch während der Saison mit wechselnder natürlicher Allergenexposition mehr Erfahrung.
In der Regel erfolgt die subkutane präsaisonale oder perenniale Immuntherapie über drei Jahre. Zeigt sich nach dem ersten bzw. zweiten Jahr kein Therapieerfolg, ist die Indikation insbesondere bezüglich der klinischen Relevanz der ausgewählten Allergene erneut zu überprüfen. Im Einzelfall kann auch länger therapiert werden, was vor allem für Insektengiftallergien empfohlen wird (29). Die Hyposensibilisierung kann natürlich mit den gleichen oder auch anderen Allergenen wiederholt werden, wenn der Therapieerfolg nachlässt und die Indikationsstellung entsprechend erfolgt ist.
Die gleichzeitige Applikation der üblichen symptomatischen antiallergischen Pharmaka beeinträchtigt die Wirkung der spezifischen Immuntherapie nicht. Die Medikamente können jedoch die Reaktionslage des Patienten auf Allergeninjektionen beeinflussen. Wichtig ist dies insbesondere bei einer Reduktion der Pharmakotherapie.
Mukosale Immuntherapie
Mukosale Immuntherapie
Lokale Applikationsformen der Immuntherapie sind in den angelsächsischen Ländern nahezu unbekannt, da im Jahre 1940 eine US-amerikanische Multizenterstudie bei Erwachsenen keinen überzeugenden Wirksamkeitsnachweis erbrachte [6]. In Kontinental-Europa wurden jedoch mukosale Immuntherapien - vor allem bei Kindern - weiterhin eingesetzt.
Heute ist erwiesen, dass Makromoleküle (z.B. Proteine) in immunologisch wirksamer Form durch die intakte Mukosa hindurch resorbiert werden können [31]. Sie treffen dort auf dendritische Zellen, die eine Prozessierung und Antigenpräsentation durchführen. Nach der Antigenadhäsion und -prozession wandern die Zellen zum regionären afferenten Lymphknoten, in dessen parakortikaler Region die T-Zell-Präsentation stattfindet [16].
Das Prinzip der oralen Immuntherapie beruht auf dem Konzept, das Schleimhaut-Immunsystem („mucosa-associated lymphatic tissue”, MALT) in Richtung einer Toleranzinduktion zu beeinflussen [30]. Neben der oralen Immuntherapie, bei der das Allergen unmittelbar geschluckt wird, erlangen auch die sublinguale Immuntherapie oder eine sublingual/ oral kombinierte Immuntherapie klinische Bedeutung [11].
Die sublinguale Form der allergenspezifischen Immuntherapie (SLIT) ist meist gut wirksam und verträglich, wenn auch nur einige wenige Therapieschemata die strengen Richtlinien der „European Academy of Allergology and Clinical Immunology” (EAACI) und der „World Health Organisation” (WHO) erfüllten [1]
[3]
[10]
[21]
[27]. In Bezug auf die Verträglichkeit weisen sämtliche Studienergebnisse auf einen möglichen Vorteil der SLIT gegenüber der klassischen subkutanen Immuntherapie hin: Bis heute wurde weltweit noch keine schwere systemische Nebenreaktion bekannt. Bevor jedoch eine breite Anwendung dieser Therapieform propagiert werden kann, sind weitere qualitativ einwandfreie klinische Studien insbesondere mit Kindern durchzuführen.
Die orale Immuntherapie kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht empfohlen werden.
Modifikationen der klassischen Hyposensibilisierungstherapie
Modifikationen der klassischen Hyposensibilisierungstherapie
Peptidtherapie
Eines der Hauptprobleme bei der klassischen Hyposensibilisierungstherapie besteht in dem Auftreten von Nebenwirkungen. Diese sind üblicherweise als klassische Soforttypreaktionen charakterisiert, die sich entweder lokal oder in manchen Fällen auch generalisiert manifestieren. Ihre Ursache liegt im Wesentlichen in der biochemischen Struktur der Allergene, die für die Therapie eingesetzt werden.
Verwendet werden meist native Allergenextrakte, entweder als wässrige Lösungen oder nach chemischer Modifikation administriert. Entscheidend ist hierbei, dass die Allergene als großmolekulare Komplexe vorliegen und die IgE-Bindungsstellen nach wie vor an ihrer Oberfläche tragen. Für die Erkennung der Allergene durch IgE-Antikörper sind definierte dreidimensionale Strukturen der Allergene verantwortlich, die mastzellständig an IgE-Antikörper binden. Über eine Kreuzvernetzung mehrerer IgE-Antikörper induzieren sie so die Degranulation der Effektorzellen und lösen die Soforttypreaktion aus.
Um diesen ungewünschten Mechanismus zu umgehen und die Effektivität der Hyposensibilisierung zu erhöhen, ist man der Frage nachgegangen, ob eine modifizierte Immuntherapie nicht derart gestaltet sein könnte, dass sie einerseits die therapeutische Effektivität behält (also die T-Zellfunktionen nachhaltig beeinflusst), andererseits aber nicht mehr über die Nebenwirkungen verfügt. Die T-Zellfunktionen werden insbesondere über die Allergenpräsentation durch antigenpräsentierende Zellen reguliert. Diese wiederum phagozytieren die Allergene, degradieren sie und transportieren kleine Fragmente der Allergene (Peptide) auf ihre Oberfläche, wobei sie dort an Histokompatibilitätsantigene der Klasse 2 (MHC-Klasse II) gebunden sind. Dieser MHC-Peptidkomplex wird nun vom T-Zellrezeptor erkannt. Damit verwandelt sich eine ruhende T-Zelle in eine Effektorzelle. Die auf MHC-Molekülen präsentierten Peptide werden daher auch als T-Zell-Epitope bezeichnet.
Ziel der modifizierten Hyposensibilisierungstherapie ist nun, nicht mit dem Gesamtallergen zu therapieren, sondern nur noch die Fraktionen des Allergens zu administrieren, welche T-Zell-Epitopcharakter haben. Eine solche Peptidtherapie wurde zuerst für das Katzenallergen Fel d 1 in Tiermodellen evaluiert. Mäuse, die zunächst mit dem Gesamtallergen sensibilisiert wurden, konnten durch die Gabe des Major-Epitops - bestehend aus etwa 50 Aminosäuren des Fel d 1 Moleküls - wieder desensibilisiert werden. Gekennzeichnet war dieser Effekt durch eine erniedrigte T-Zell-Aktivierung mit verminderter IL-2- Produktion und Immunglobulin-Synthese.
Doch um eine solche Peptidtherapie aus dem experimentellen Stadium in die klinische Realität zu überführen, müssen eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein: Zunächst gilt es, diejenigen Portionen des Allergens zu charakterisieren, die auch beim Allergiker als T-Zell-Epitope fungieren. Hierbei beginnt bereits die erste Schwierigkeit: Zwar konnten verschiedene Laboratorien solche Epitope für unterschiedliche Allergene kartieren. Es existieren in der Tat so genannte Major-Epitope, also Peptide, welche die T-Zellen der meisten Allergiker erkennen. Es gibt aber auch eine Reihe von Minor-Epitopen, die zwar ebenfalls immunogen sind (also die T-Zellantwort induzieren können), aber nur bei einer geringeren Population der Allergiker von klinischer Bedeutung sind. Bis heute ist nicht klar, ob die Therapie mit einem Major-Epitop ausreicht, die Sensibilisierung gegen das gesamte Allergen auch im Menschen zu unterdrücken, oder ob es nicht vielmehr notwendig ist, die Patienten mit einem Peptid-Cocktail zu behandeln.
Obwohl die ersten klinischen Studien mit solchen Katzenallergenpeptiden einen klinischen Erfolg zeigten, stellten sich bei den Patienten Nebenwirkungen ein, die in ihrer klinischen Ausprägung und den zugrunde liegenden Pathomechanismen grundsätzlich von den oben beschriebenen Nebenwirkungen der konventionellen Hyposensibilisierungstherapie zu unterscheiden sind. Patienten, die mit Peptiden behandelt worden sind, entwickelten Nebenwirkungen nicht vom Sofort- sondern vom verzögerten Typ. Es kam zu lokalen Rötungen und Schwellungen am Ort der Allergenapplikation bis hin zu Asthmaanfällen mit lang dauernder Bronchoobstruktion.
Hierbei handelt es sich um eine (ungewollte) Stimulation allergenspezifischer T-Zellen, in dem Sinne, dass die verabreichten Major-Epitope eben von den vorhandenen allergenreaktiven T-Zellen erkannt wurden und dieser Erkennungsprozess die Aktivierung der vorhandenen proallergischen T-Zellen induzierte. Im Grunde genommen belegen diese Nebenwirkungen das Konzept der verzögerten Soforttypreaktion, die hiermit eindeutig als T-Zell-abhängige Aktivierung von immunologischen Effektorzellen identifiziert werden konnte.
Die molekularbiologischen Fortschritte, die zur Aufklärung der Aminosäurensequenzen und Epitop-Charakterisierung der Allergene beitrugen, haben auch noch eine andere wichtige Information liefern können: Das Vorkommen von so genannten Allergen-Isoformen. Diese leicht modifizierten Allergene unterscheiden sich in manchen Fällen nur in einer Aminosäure (Punktmutation) von der Allergen„ur”form, wie beispielsweise bei der Birkenpollenallergie (Isoformen des Birkenpollen-Allergens Bet v).
Solche Isoformen können natürlich auch künstlich im Labor erzeugt werden. Das Ziel ist hierbei, Isoformen zu synthetisieren, die zwar noch von T-Zellen erkannt werden, diese aber nicht mehr aktivieren, sondern deaktivieren. In der Zellkultur war dies bereits möglich. Die therapeutische Verabreichung solcher Isoformen könnte also dazu beitragen, die Nebenwirkungsrate deutlich zu reduzieren. Denn dann müssten keine B-Zell-Epitope mehr injiziert werden, andererseits könnte die Effektivität deutlich gesteigert werden. Allerdings bleibt offen, ob eine solche Therapie auch unter In-vivo-Bedingungen die entsprechenden Resultate zeigt.
Gentherapeutische Hyposensibilisierung
Die Aufklärung der Aminosäurensequenz und der sie kodierenden DNA-Sequenzen lässt auch eine andere Form der Hyposensibilisierung möglich erscheinen. So ist es möglich, DNA-Sequenzen in entsprechende Zielzellen einzuschleusen - und zwar so effektiv, dass diese Zielzellen die DNA inkorporieren, ablesen und die darin enthaltenen Informationen in funktionstüchtige Proteine translatieren. Ein solches Vorgehen wäre auch grundsätzlich für DNA-Sequenzen von Allergenen vorstellbar. Der Weg der Einschleusung könnte mittels DNA-Injektionen erfolgen, die dann von allergenpräsentierenden Zellen aufgenommen werden. Anschließend beginnen diese, die Allergene selbst zu synthetisieren. Diese müssten dann den T-Zellen dargeboten werden. Hierbei - so hofft man - wird eine antiallergische T-Zellantwort (TH1-Antwort) mit einem allergenprotektiven Charakter induziert.
In tierexperimentellen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass derartig gengeimpfte Mäuse vor einer Sensibilisierung geschützt sind. Aber auch hier ist man natürlich noch weit davon entfernt, eine solche Therapie für die Patienten zugänglich zu machen. Es gibt eine Reihe von Problemen, die einer intensiven Bearbeitung bedürfen:
-
Welche Zellen nehmen die injizierte DNA auf? Sind es nur die allergenpräsentierenden Zellen oder auch andere?
-
Wie stabil wird die DNA in die Zielzellen inkorporiert, und wie lange produzieren derartig transfizierte Zielzellen die Allergene?
-
Führt die DNA-Injektion mit daraus resultierender Allergenproduktion und Peptidpräsentation immer zur Induktion einer antiallergischen Immunantwort oder könnte es auch sein, dass eine proallergische Immunantwort mit einer IL-4- und IL-5-Produktion das Resultat eines solchen therapeutischen Manövers wäre?
-
Reicht eine einmalige DNA-Injektion oder müssen mehrere Injektionen in nachfolgenden Abständen durchgeführt werden?
Trotz dieser Fragen ist die Attraktivität eines solchen Konzeptes nicht zu unterschätzen, da hiermit kostensparend große Kollektive und insbesondere Risikopersonen vor einer Allergie geschützt werden könnten.
Wissenschaftlicher Fortschritt praktisch umgesetzt
Wissenschaftlicher Fortschritt praktisch umgesetzt
Für die praktische Durchführung der spezifischen Immuntherapie existieren verschiedene Empfehlungen. Grundsätzlich wurden alle der aufgezeigten Schemata auf der Basis empirischer Erfahrungen entwickelt. Welches das „optimale” Durchführungsschema für die SIT ist, ist bis dato nicht bekannt. Dennoch haben sich bestimmte Empfehlungen aufgrund besonders günstiger Ergebnisse in kontrollierten Studien weitgehend durchgesetzt und werden daher heute als „Standardschemata” bezeichnet. Nach Angaben eines Expertenforums der WHO besteht das Standardschema der Hyposensibilisierung aus einer Dosissteigerungsphase und einer Erhaltungsphase mit einer individuellen Erhaltungsdosis. Diese Einschätzung stimmt mit den in Europa und USA geltenden Empfehlungen überein.
In der Praxis besteht ein Hauptproblem der spezifischen Immuntherapie in der Therapietreue der Patienten während der zeitintensiven Dosissteigerungsphase. Aus beruflichen und/oder privaten Gründen können oder wollen zahlreiche Patienten eine derart aufwändige Behandlung nicht durchführen lassen. Daher wurde seit langem nach verkürzten Schemata gesucht. Doch auch wenn schon vor geraumer Zeit über Cluster- und Rush-Therapieschemata mit Inhalationsallergenen berichtet wurde, haben sich diese in der Praxis bislang nicht durchsetzen können. Zurückzuführen ist dies wohl in erster Linie darauf, dass in einigen früheren Studien vermehrt Nebenwirkungen beobachtet wurden. Das war jedoch immer dann der Fall, wenn entweder wässrige Lösungen verwendet wurden oder die Abstände zwischen den Behandlungstagen zum Teil mehr als drei Wochen betrugen.
Die Cluster-SIT entstand aus dem Wunsch, die Anzahl der Patientenbesuche möglichst gering zu halten - bei einer gleichzeitig möglichst hohen Anzahl verabreichter Injektionen und somit einer möglichst hohen Gesamtallergendosis mit entsprechender Wirksamkeit. Folgerichtig bestand die Cluster-SIT im Wesentlichen aus einer Injektionsserie von etwa zwei bis drei Injektionen je Besuchstag. Der Abstand zwischen den einzelnen Injektionen sollte mindestens 30 Minuten betragen. Die Dosierung folgt hierbei einem festgelegten Dosissteigerungsschema.
Ursprünglich wurde empfohlen, hierauf eine etwa dreiwöchige Pause folgen zu lassen. Mehrere Studien erprobten beispielsweise ein Konzept, bei dem elf Injektionen in fünf Besuchen mit dreiwöchigen Behandlungsintervallen verabreicht wurden. Hierbei trat jedoch eine relativ hohe Zahl von Nebenwirkungen auf. Eine mögliche Ursache - die allerdings weder durch klinische noch durch experimentelle Daten gestützt wird - ist, dass eventuell eine Akkumulation der Depot-Allergene auftreten könne, die zu einer verstärkten Allergenexposition und somit zu verstärkten unerwünschten Wirkungen führen würde.
Daher wurden vor kurzem Studien durchgeführt, bei denen eine spezifische Immuntherapie nach dem Cluster-Schema mit Depot-Präparaten und kürzeren Behandlungsintervallen erfolgte [8]
[22]
[34]. Bei einer großen Untersuchung an 657 Patienten war die Nebenwirkungsrate für das Cluster-Schema mit Inhalationsallergenen extrem gering und signifikant niedriger als bei einer vergleichend durchgeführten Therapie mit wässrigen Extrakten [34].
Die Dosissteigerung erfolgte hierbei innerhalb von nur zwei bis vier Tagen. Offensichtlich ist daher im Gegensatz zu früheren Annahmen gerade die Cluster-SIT mit Depot-Präparaten sicherer als mit wässrigen Extrakten. Die Ergebnisse weiterer Studien unterstützen diese Hypothese: So wurden kürzlich die Daten von 247 Patienten hinsichtlich auftretender Nebenwirkungen des Cluster-Therapieschemas in der Dosissteigerungsphase analysiert. In diesem Fall erhielten die Patienten zwei bis drei Injektionen je Behandlungstag in wöchentlichen Abständen [Abb. 3]. Insgesamt waren 89 systemische Reaktionen (entsprechend 1,96 % aller Injektionen) zu verzeichnen. Art und Anzahl der unerwünschten Reaktionen bei dem verwendeten Cluster-SIT-Schema entsprachen dem üblichen Rahmen.
Für die Patienten existiert somit eine mögliche Alternative zu herkömmlichen Therapieoptionen. Der große Vorteil der Cluster-SIT ist der geringe Zeitaufwand, da bereits innerhalb von zwei bis vier Behandlungstagen die ansonsten sehr zeitaufwändige Dosissteigerungsphase durchgeführt werden kann. Das Verfahren eignet sich daher insbesondere für Patienten, die aufgrund beruflicher oder privater Einschränkungen eine Hyposensibilisierung ablehnen müssten. Die Cluster-SIT wird bislang nur in wenigen spezialisierten Zentren angeboten. Auskünfte erteilen die Autoren gern auf Rückfrage.
Abb. 1
Abb. 2
Abb. 3
Tab. 1 Behandlung von anaphylaktoiden Reaktionen nach Hyposensibilisierungsbehandlung
allgemeine Maßnahmen
Beim Auftreten allergischer Reaktionen sind folgende allgemeine Maßnahmen durchzuführen:
-
sofortige Unterbrechung der Allergenzufuhr
-
Staubinde proximal zur Injektionsstelle zur Unterbrechung des venösen Abflusses und des arteriellen Einstroms
-
gegebenenfalls subkutane Um- und Unterspritzung der Injektionsstelle mit 0,1-0,2 mg Adrenalin in ausreichendem Volumen
zusätzlich bei Allgemeinreaktionen
-
Sauerstoffzufuhr
-
großlumigen i.v.-Zugang legen
-
Flach- oder Trendelenburg-Lagerung des Patienten (Ausnahme: Lungenödem)
-
weitere Beobachtung des Patienten
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Reaktion
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Behandlung
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Lokalreaktion (Stadium 0)
übermäßige Schwellung / Rötung der Injektionsstelle
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allgemeine Maßnahmen (s.o.) zusätzlich (je nach Schweregrad)
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leichte Allgemeinreaktion (Stadium 1)
allgemeine Hautrötung, Urtikaria, Pruritus (insbesondere an den Handtellern und Fußsohlen), Schleimhautreaktionen (z.B. Nase, Konjunktiven); Allgemeinreaktionen (z.B. Unruhe,Kopfschmerz)
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allgemeine Maßnahmen (s.o.)zusätzlich
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Blutdruck und Pulskontrolle
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Gabe eines H1-Antihistaminikums und eines H2-Antihistaminikums (z.B. Dimetindenmaleat 8 mg und Cimetidin 400 mg, jeweils i.v.) und eines Kortikosteroids (50-125 mg Prednisolon oder Äquivalente i.v.)
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ausgeprägte Allgemeinreaktion (Stadium 2)
Kreislaufdysregulation (Blutdruck-, Pulsveränderung); Atemnot (leichte Dyspnoe, beginnender Bronchospasmus); Stuhl- bzw. Urindrang; Angstgefühl
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Inhalation eines Betasympathomimetikums oder Adrenalin
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bei Progredienz: Adrenalin 1 mg/10 ml (0,1 mg/min. i.v.)
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starke Allgemeinreaktion (Stadium 3)
sehr selten, aber unter Umständen innerhalb von Sekunden nach der Injektion: Schock (schwere Hypotension, Blässe); Bronchospasmus mit bedrohlicher Dyspnoe; Bewusstseins-trübung oder -verlust, gegebenenfalls mit Stuhl- bzw. Urinabgang
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Ringer-Laktat-Lösung ≥ 2000 ml i.v.
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Kolloide (z.B. HES 200000, bis zu 2000 ml i.v.)
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Adrenalin 1 mg/10 ml (0,1 mg/min. i.v.) oder Dopamin 2,5-5 mg/70 kg/min i.v.
-
bei Progredienz nach etwa 1 mg Adrenalin:
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Noradrenalin 0,05-1 mg/min
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H1-Antagonist+ H2-Antagonist i.v. (Dosis s. Stadium 1) anschließend
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1000 mg Prednisolon oder Äquivalente i.v.
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vitales Organversagen (Stadium 4)
manifestes Versagen der Vitalfunktionen (Atem- / Kreislaufstillstand)
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eanimation (Intubation, Beatmung, externe Herzdruckmassage)
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drenalin (+ Dopamin + Noradrenalin)
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eitere Volumensubstitution
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Die Dosierungsempfehlungen gelten für Erwachsene. Bei Kindern müssen die Dosierungen dem Körpergewicht entsprechend angepasst werden!
Nach anaphylaktoiden Reaktionen sind unter Umständen Dosisreduktionen des Allergenextrakts für die weitere Hyposensibilisierung erforderlich. Bitte vergleichen Sie hierzu die Angaben in Tabelle 2: Weiteres Vorgehen nach Nebenreaktionen!
nach
[14]
; ergänzt nach Tryba et al.: Akuttherapie anaphylaktoider Reaktionen, Allergo J 1994; 3: 211-224
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Tab. 2 Weiteres Vorgehen nach Nebenreaktionen
Nebenreaktion
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weiteres Vorgehen
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Stadium 0
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Durchmesser der Schwellung
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Kinder
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Erwachsene
|
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< 5 cm
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< 8 cm
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Wiederholung der letzten Dosis
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5-7 cm
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8-12 cm
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Dosisreduktion 1 Schritt im Dosierungsschema
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7-12 cm
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12-20 cm
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Dosisreduktion 2 Schritte im Dosierungsschema
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12-17 cm
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> 20 cm
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Dosisreduktion 3 Schritte im Dosierungsschema
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> 17 cm
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Stadium 1
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Dosisreduktion 2-3 Schritte im Dosierungsschema, langsamere Dosissteigerung
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Stadium 2
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Dosisreduktion 3-5 Schritte im Dosierungsschema, langsamere Dosissteigerung
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Stadium 3 und 4
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Eignung des Patienten für eine spezifische Immuntherapie generell überprüfen. Im Falle einer Weiterbehandlung sicherheitshalber wieder mit Fl. 1 beginnen!
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nach [14]
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