ZFA (Stuttgart) 2003; 79(4): 179-180
DOI: 10.1055/s-2003-39956
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Weiterbildung Allgemeinmedizin in Europa - Ein Überblick zum aktuellen Stand

H.-H. Abholz1
  • 1Universitätsklinikum Düsseldorf
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Publication Date:
12 June 2003 (online)

Die aktuelle Diskussion um die Weiterbildung im Fach »Allgemeinmedizin« oder im Fach »Innere- und Allgemeinmedizin« lässt immer wieder auch auf Europa Bezug nehmen. Hier gibt es die unterschiedlichsten Argumente: Einmal wird der vereinheitlichte »Europraktiker« mit seinen drei Jahren verbindlicher Weiterbildung zitiert. Zum anderen wird immer wieder gesagt, dass es in Europa Weiterbildungen gäbe, die weitaus generalistischer seien als die unsrige.

Bevor in diesem Zusammenhang auf eine Umfrage zu den aktuellen Weiterbildungsbedingungen in Europa eingegangen wird, seien einige grundsätzliche Bemerkungen gemacht:

Weiterbildungszeiten müssen immer im Zusammenhang mit der universitären Ausbildung zum Arzt gesehen werden und können nicht als »reine Zeiten« betrachtet werden. So haben z.B. England und damit auch andere von der angelsächsischen Medizinkultur geprägte Universitäten in Schweden, Holland und in Belgien ein Ausbildungssystem mit weitaus stärkerer praktischer Orientierung als bei uns. Dann bedeuten eben drei Jahre Weiterbildung etwas anderes als die gleichen drei Jahre in einem stark theoretisch orientierten, gar ineffektiv arbeitenden Ausbildungssystem. Weiterbildungsinhalte und deren Vermittlungsdauer, wie z.B. zu durchlaufende spezialistische Fächer, haben in unterschiedlichen ambulanten Systemen eine unterschiedliche Bedeutung. In einem Primärarztsystem sehen Mediziner - in der Natur der Sache liegend - weitaus mehr an speziellen Erkrankungen schon im Rahmen ihrer Hausarzt-Zeit, weil es ja nur wenige Spezialisten gibt, die direkt angesteuert werden könnten. Damit aber ist weniger Zeit in Spezialeinheiten notwendig, z.B. in Kliniken, um gleiche Inhalte zu vermitteln. Über die Zeiten hinaus ist die Intensität der Vermittlung von entscheidender Bedeutung: mittels Tutoren, nur Lehrpraxen sind zur Weiterbildung befugt etc.

Vor einem solchen Hintergrund müssen die Ergebnisse der folgenden Umfrage gewertet werden. Im Februar 2003 wurden zehn Kollegen, die mir über eine jahrelange Zusammenarbeit in einem Ausbildungsprojekt der EU bekannt waren und die in ihren Heimatländern in der Postgraduierten Ausbildung (Weiterbildung) tätig sind, darum gebeten, zu den in der [Tabelle] abgebildeten Fragen Auskunft zu geben.

Deutlich wird, dass mit wenigen Ausnahmen - Italien - alle Länder eine dreijährige oder längere Weiterbildung haben. Alle weisen mit den zu durchlaufenden Fächern eine große Breite auf. Belgien bildet eine Ausnahme mit wenig Festlegung. Holland bildet eine weitere Ausnahme mit seiner radikalen »Abwendung« von der Klinik.

Zudem ist in allen Ländern mindestens ein Jahr, meist aber eine längere Zeit in ambulanter Tätigkeit vorgegeben. Vergleicht man dies zur Weiterbildung in Deutschland heute und gar zur möglicherweise auf dem Deutschen Ärztetag 2003 beschlossenen neuen Weiterbildung zum Facharzt für »Innere und Allgemeinmedizin«, dann sieht man, dass Deutschland zukünftig einen Allgemeinmediziner weiterbilden wird, der im Vergleich zu der Mehrzahl der europäischen Länder nur für ein relativ enges Feld weitergebildet ist.

Damit wird sich das verstärken, was die »Barfußärzte aus dem Ausland« Deutschland heute schon vorführen: Sie versorgen einen großen Teil der Patienten und Problemstellungen aus allen Bereichen der Medizin in einem weitaus größerem Maße, als dies in Deutschland noch vorstellbar ist. Besonders deutlich wird dies an den unterschiedlichen Zuständigkeiten in den Bereichen Psychiatrie, Gynäkologie, Pädiatrie und Dermatologie, die im abgebildeten Ausland in ihrer Grundversorgung von Hausärzten abgedeckt sind.

Prof. Dr. Heinz-Harald Abholz

Abteilung für Allgemeinmedizin

Universitätsklinikum Düsseldorf, Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf