intensiv 2003; 11(3): 118-126
DOI: 10.1055/s-2003-40265
Hygiene
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Menschheitsbedrohung oder Medien-Infektion?

SARS - einiges zur neu entdeckten LungenentzündungFranz Sitzmann1
  • 1Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke
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Publication Date:
27 June 2003 (online)

Einführung

Im Februar 2003 berichteten chinesische Behörden über mehrere Fälle einer atypischen Pneumonie, die seit November 2002 aus der chinesischen Provinz Guangdong (Canton) gemeldet wurden und zu deren Ursache man keine Erklärung hatte. Eine Besonderheit stellte die gehäufte Erkrankung von Pflegenden und Ärzten dar, ein Drittel der Erkrankten waren Mitarbeiter von Krankenhäusern [1]. Die Erkrankten litten vor allem unter unspezifischen Symptomen wie hohem Fieber, trockenem Husten, Muskelschmerzen und Kraftlosigkeit.

Obwohl angeblich in China keine weiteren Infektionen auftraten, löste die Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgrund weiterer Erkrankungen in Hongkong, Vietnam und Frankfurt/Main am 12.3.03 erstmalig einen weltweiten Alarm [2] aus und gab Empfehlungen zum weiteren Vorgehen [3]. „SARS ist jetzt eine weltweite Bedrohung”, erklärte die WHO zur hochansteckenden Pneumonie [4].

Ein Politikum wurde die Erkrankung, als die Regierung in China immer mehr SARS-Erkrankte und Verstorbene nicht weiter verschweigen, vertuschen, verharmlosen konnte. Szenen der Angst entstanden durch eine Reihe von Todesfällen und die Regierungsvertreter gerieten in Bedrängnis und begannen eine zögerliche Zusammenarbeit mit Experten der WHO. Fünf Monate lang hatten die Gesundheitsbehörden Erkenntnisse zur neuen Infektionskrankheit verborgen. Dann legten sie zehnmal so hohe Zahlen vor wie die bis dahin zugegebenen und entließen Bürgermeister und Gesundheitsminister aus ihren Ämtern [5].

Durch ihre Geheimhaltungspolitik anstelle früherer rückhaltloser Information trugen sie dazu bei, dass sich der SARS-Erreger lange ungebremst in Teilen Chinas und der Welt ausbreiten konnte. Erst als das Virus schon auf vier Kontinenten verbreitet war, reagierten die Verantwortlichen. Parallelen lassen sich zu den Reaktionen mangelnder Offenheit sowjetischer Behörden auf die Reaktorkatastrophe 1986 in der Ukraine ziehen.

Andererseits ist SARS ein Musterbeispiel für die Geschwindigkeit unseres globalen Lebens: Binnen weniger Tage wurde das Virus in den Atemwegen nichtsahnender Menschen in einer Infektionskette zuerst von China nach Hongkong und von dort aus nach Vietnam, Toronto, Dublin und über einen Zwischenstopp in New York bis nach Frankfurt/Main getragen [6].

So wie jedoch die globale Verkehrsvernetzung eine Atemwegsinfektion wie SARS erst ermöglichte, wurde durch internationale Kooperation mit virtuellen Labors, allgemein zugänglichen Ergebnisdateien und Kompetenznetzwerken in Rekordzeit die Erregeridentifikation ermöglicht, genetische Zusammenhänge wurden verdeutlicht und innerhalb von vier Wochen wurde der Beweis für die Koch’schen Postulate (siehe Textkasten) erfüllt.

Literatur

  • 1 Anonym. Ausbruch atypischer Pneumonie in der Provinz Guangdong (China) im Jahr 2003 - Stand 26.2.2003. Epi-Notiz Bulletin 10 vom 3.3.2003. http://www.bag.admin.ch (Zugriff 5.3.2003) Bundesamt für Gesundheit.
  • 2 Raeber P A. Atypische Pneumonie (SARS) - ein Virus, das immer wieder eine Nasenlänge voraus ist.  Schweiz Med Forum. 2003;  19 439-440
  • 3 Haas W, Buchholz U, Schnitzler J. et al .Schweres akutes respiratorisches Syndrom (SARS) unklarer Ursache. Stand 18.3.2003 Robert-Koch-Institut Berlin
  • 4 Anonym. Asiatische Pneumonie. SPIEGEL Online vom 15.3.2003. http://www.spiegel.de/wissenschaft/erde/0,1518,druck-240 460,00.html (Zugriff 16.3.2003)
  • 5 Anonym. SPIEGEL Online vom 20.4.2003. (Zugriff 20.4.2003)
  • 6 Bergbauer M. Der schnelle Erkenntnisgewinn der SARS-Forscher ist ohne Beispiel. Ärztezeitung - Online. http://www.aerztezeitung.de (Zugriff 14.5.2003)
  • 7 Sitzmann F. Grundlagen der Hygiene.  bitte ergänzen
  • 8 Doblhoff O. Biologische Agenzien und biologische Sicherheit. Wien; Verlag bitte ergänzen 2001
  • 9 Kappstein I. Übertragungswege. Daschner F Praktische Krankenhaushygiene und Umweltschutz Berlin; Springer 1997 35
  • 10 Sitzmann F. Hygiene. Berlin; Springer 1999
  • 11 Anonym. Deutsches Ärzteblatt online vom 4.4.03.  bitte Internetadresse und Zugriffsdatum ergänzen
  • 12 Anonym. Beijing Genomics Institute. http://www.gpbjournal.org/sars.jsp (Zugriff 24.4.2003) sowie Deutsches Ärzteblatt online vom 24.4.03
  • 13 Feldmeier H. SARS - eine neue Epidemie in einer global vernetzten Welt. Neue Zürcher Zeitung NZZ online vom 30.4.2003. http://www.nzz.ch (Zugriff 1.5.2003)
  • 14 Anonym. Infektiosität von SARS unterschätzt - Indexpatient steckte 112 Menschen an. Dt. Ärzteblatt online vom 8.4.2003. http://www.aerzteblatt.de/v4/ <! bitte blank entfernen>news/newsdruck.asp?id = 12 244 (Zugriff 9.4.2003)
  • 15 Sitzmann F. Inhalationstherapie.  bitte ergänzen
  • 16 Rickerts V, Wolf T. et al . Klinik und Behandlung des schweren akuten respiratorischen Syndroms.  Dtsch med Wochenschr. 2003;  bitte Ausgabe ergänzen 1109-1114
  • 17 Anonym. Entdecker der SARS-Epidemie gestorben. NZZ Online (Neue Zürcher Zeitung) vom 29.3.2003 (Zugriff 29.3.2003, 20.19 Uhr)
  • 18 Sitzmann F. Pflege von Patienten mit Atemwegstuberkulose. Kellnhauser E, Schewior-Popp S, Sitzmann F et al THIEMEs Pflege, begründet von L. Juchli Stuttgart; Thieme (erscheint 2004)
  • 19 Maas H. Erste SARS-Fälle schon im Januar. Frankfurter Rundschau online vom 6.5.03. http://www.frankfurter-rundschau.de (Zugriff 14.5.2003)
  • 20 Blech J, Evers M, Hackenbroich V. et al . Wettlauf mit dem Lungenfieber. Weltbund der Virenjäger.  DER SPIEGEL. 2003;  19 186-204
  • 21 Stille W. SARS - Episode oder Katastrophe?.  Dtsch med Wochenschr. 2003;  bitte Ausgabe ergänzen 1101-1102
  • 22 Kleine-Brockhoff M. Vietnam macht Hoffnung im Kampf gegen SARS. Frankfurter Rundschau vom 29.4.03: 28
  • 23 Anonym. Kurzbeschreibung Hongkong des Deutschen Generalkonsulates in Hongkong. http://www.germanconsulate-hongkong.org/de/informationen/leben_arbeiten/kurzbeschreibung.html (Zugriff 2.4.03)
  • 24 Lac S. Die unheimliche Seuche. SPIEGEL-online vom 5.5.2003 bitte Internetadresse und Zugriffsdatum ergänzen
  • 25 Zylka-Menhorn V. SARS-Hysterie.  Deutsches Ärzteblatt. 2003;  bitte Ausgabe ergänzen A-1025
  • 26 Anonym. 15 000 Grippetote - Erschreckende Bilanz der Influenza-Saison. Dt Ärzteblatt vom 25.4.2003. http://www. aerzteblatt.de/v4/news/newsdruck.asp ?id = 12 422 (Zugriff 26.4.2003)
  • 27 Anonym. Ernährung und Immunsystem. http://www.healthandage.de (Zugriff 14.5.2003)
  • 28 Daschner F. Leserbrief.  Der SPIEGEL. 2003;  20 10
  • 29 Anonym. RKI Ratgeber Infektionskrankheiten Malaria. http://www.rki.de/INFEKT/INF_A-Z/RATGEBER/RAT15.htm (Zugriff 14.5.2003)
  • 30 Grill B. Die vergessene Epidemie. DIE ZEIT 20/2003. http://zeus.zeit.de/text/2003/ 20/Afrika_Kasten (Zugriff 14.5.2003)
  • 31 von Rheinbaben F. Rota- und Norwalk-/Norwalk-like-Viren.  Aseptica. 2003;  9 12-14
  • 32 Anonym. Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes, Stand 17.3.2003, 20:00 Uhr. http://www.rki.de
  • 33 Anonym Empfehlungen zum Vorgehen bei Personen mit Schwerem Akutem Respiratorischem Syndrom: Bundesamt für Gesundheit, Bulletin Nr. 13 vom 24.3.2003: 210-221. http://bag.admin.ch (Zugriff 24.3.03)
  • 34 Anonym. Empfehlung für medizinisches Personal, das von einem Aufenthalt in Ländern mit gehäuftem SARS-Vorkommen zurückkehrt (Stand 30.4.2003), veröffentlicht vom RKI. 
  • 35 Anonym. SARS, Umgang mit möglichen Patienten im Kanton St. Gallen und Region Ostschweiz. http://www.infekt.ch/show.php?artid = 427 (Zugriff 30.4.2003)
  • 36 Sitzmann F. Pflegemaßnahme Händehygiene.  bitte ergänzen
  • 37 Sitzmann F. Hygiene in der Intensivpflege - Händehygiene.  Intensiv. 2001;  9 57-64
  • 38 Deutschland Radio-newsletter vom 17.5.2003, 10:05 Uhr. 

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