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DOI: 10.1055/s-2003-40488
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
MCI COMBI - Die aktuelle Therapiestudie im Kompetenznetz Demenzen
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Isabella Heuser
Direktorin der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Eschenallee 3
14050 Berlin
Email: sabine.sassmann@medizin.fu-berlin.de
Publication History
Publication Date:
07 July 2003 (online)
Zusammenfassung
Eines der beiden Großprojekte im Rahmen des E-2-Moduls („Pharmakotherapie demenzieller Syndrome”) des Kompetenznetz Demenzen ist die so genannte „MCI-COMBI”-Studie. Dabei werden Patienten mit leichter kognitiver Beeinträchtigung (Mild Cognitive Impairment, MCI) doppelblind und randomisiert entweder mit einem Azetylcholinesterase-Inhibitor (Galantamin) allein, mit einer Kombination aus Galantamin und dem NMDA-Antagonisten Memantine oder mit Plazebo behandelt. Geprüft werden soll, ob die Konversionsrate von MCI zu einer Demenz vom Alzheimer-Typ statistisch signifikant reduziert werden kann.
Außerdem ist ein weiteres wichtiges Ziel des Kompetenznetz Demenzen, eine nationale Infrastruktur zur raschen und effektiven Durchführung von frühen Phasen-II- und -III-Studien für innovative Behandlungsstrategien bei Patienten mit demenziellen Syndromen zu etablieren.
#Summary
One of the projects of the „Kompetenznetz Demenzen” is the so-called „MCI-COMBI-Study”. Here, the efficacy of a placebo-controlled, randomized treatment with either an acetylcholinesterase-inhibitor, galantamin, alone or with a combination of galantamin and the NMDA-receptor antagonist memantine will be evaluated in patients with Mild Cognitive Impairment (MCI). The main hypothesis is that conversion rates of MCI to Alzheimer's dementia will be significantly reduced.
In addition, the „Kompetenznetz Demenzen” will establish a national platform for conducting with high efficacy and speed multicenter studies with innovative treatment strategies in dementing disorders..
Der Übergang von normalem Altern zu Frühstadien einer Alzheimer-Erkrankung ist derzeit Gegenstand der Alterns- und Demenzforschung. Vermutlich gibt es einen kontinuierlichen Übergang von altersgemäß normaler Funktion zu kognitiven Defiziten, die, entsprechend internationaler Klassifikationsschemata, die Kriterien einer Alzheimer-Demenz erfüllen. Der Bereich zwischen normaler und klinisch nachweisbarer, wenn auch sehr milder geistiger Funktionseinbuße wird als „leichte kognitive Beeinträchtigung” oder „Mild Cognitive Impairment” (MCI) bezeichnet. In dieser Phase gibt es zwar neuropsychologische Defizite in Bezug auf das Gedächtnis, die Exekutivfunktionen, die Aufmerksamkeit und/oder die Sprache, die über das Altersmaß hinausgehen, jedoch wirken sich diese nicht auf die Funktionsfähigkeit des Patienten im Alltag aus.
Doch nicht jeder Patient mit einem „Mild Cognitive Impairment” wird eine Demenz entwickeln. In Längsschnittstudien beträgt die Konversionsrate von MCI zu der Demenz vom Alzheimer-Typ 10-20 % pro Jahr, verlässliche Daten dazu liegen aber noch nicht vor. Auch ist z. Z. noch nicht bekannt welche „Cluster” von neuropsychologischen, neurochemischen, elektrophysiologischen, genetischen und Bildgebungsparametern sowie Verlaufs-, Familien- und Behandlungscharakteristika bei solchen MCI-Patienten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Demenz entwickeln, vorliegen. Durch die enge Verzahnung des „Therapiemoduls” mit den beiden anderen des Kompetenznetz Demenzen (E1-„Früh-und Differenzialdiagnose”; E3 „Epidemiologie und Genetik”) können diese Fragen geklärt werden, ein wesentlicher Fortschritt beim „Disease-Management”!
Neben der Identifizierung von Risikoparametern bei Patienten mit MCI für die Entwicklung einer Demenz ist es aber auch klinisch wichtig zu prüfen, ob eine frühzeitige Pharmakotherapie bei MCI-Patienten mit einer Kombination zweier Substanzen mit unterschiedlichem Wirkort in Bezug auf vermutete, krankheitsmodifizierende bzw. ätiologisch relevante Mechanismen die Konversionsraten signifikant reduzieren kann, wie dies bei anderen sog. „komplexen” Erkrankungen vermutet wird, bzw. gezeigt werden konnte.
Aktuelles Therapieprojekt des Kompetenznetz Demenzen ist daher die Behandlung von Personen mit Mild Cognitive Impairment (MCI) im Rahmen einer multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, Plazebo-kontrollierten Studie mit dem Acetylcholinesterase-Inhibitor (Ach-I) Galantamin oder Galantamin und Memantine (MCI COMBI).
Gegenwärtig gelten die Acetylcholinesterase-Inhibitoren als Medikamente der 1. Wahl bei der Alzheimer Demenz, Prüfungen zu ihrem Einsatz bei MCI sind international im Gange. Von den z. Z. vier, klinisch verfügbaren, Ach-I wurde Galantamin vornehmlich wegen seines sog. „dualen Mechanismus” (d.h. Hemmung der Acetylcholinesterase sowie direkte Stimulation cholinerger Rezeptoren; theoretisch sollte dies zu einer verstärkten Wirkung dieser Substanz führen, vergleichende Studien dazu fehlen allerdings noch) bei guter Verträglichkeit ausgewählt.
Der NMDA-Rezeptor Antagonist Memantine kommt zum Einsatz, da er zum einen bereits für die Alzheimersche Erkrankung zugelassen ist (allerdings beschränkt sich die Zulassung auf „mittelschwere bis schwere” Fälle) und außerdem diese Substanz einen anderen Angriffs- bzw. Wirkort als die Ach-I hat.
Andere Antidementiva oder sog. „Nootropika” werden hier nicht eingesetzt, da sie entweder nicht die heute geltenden, rigorosen Zulassungsvoraussetzungen der Behörden, vornehmlich der FDA, genügen (z.B. Piracetam) oder aber (noch) nicht in großen, prospektiven, Plazebo-kontrollierten Multicenterstudien positive Effekte bei Demenzerkrankungen gezeigt haben (z.B. Statine) oder aber solche Wirkstudien zwar bereits durchgeführt wurden, eine positive Wirkung der Substanz aber nicht nachweisbar war (z.B. Östradiol, Cox-II-Inhibitoren).
Wie bereits eingangs erläutert, soll in unserem Projekt geprüft werden, ob mit einer frühzeitigen Kombinationstherapie die Konversionsrate von Mild Cognitive Impairment zu einer Demenz vom Alzheimer Typ verringert oder hinausgezögert werden kann. Dabei werden die Patienten mit MCI über zwei Jahre behandelt und während dieser Zeit in regelmäßigen Abständen untersucht.
Die drei Parallelgruppen (je 200 Patienten pro Therapiearm) erhalten somit (1) Plazebo, (2) Galantamin oder (3) Galantamin und Memantine.
Die kognitiven Funktionen werden mit einer ausführlichen neuropsychologischen Testbatterie untersucht, die unter anderem den so genannten Trail making Test, die ADAS-cog, ADCS ADL/MCI und ein Angehörigen-Interview enthält. Ferner werden der affektive Status des Patienten sowie sonstige psychopathologische Symptome mittels verschiedener Rating-Skalen erfasst. Desweiteren werden MRT, genetische, Blut- und Liquoruntersuchungen je nach Zustimmung des Patienten durchgeführt. Die Sicherheit der Therapie wird über die Meldung Unerwünschter Ereignisse, Labor, Vitalzeichenkontrolle, körperliche Untersuchung und EKG kontrolliert. Tabelle 1 und 2 enthalten die Ein- und Ausschlusskriterien für die MCI COMBI Studie.
In einem zweiten Großprojekt, welches 18 Monate nach Beginn der MCI-COMBI Studie startet, wird dann in einer multizentrischen, doppelblinden, randomisierten Studie zur Behandlung einer leichten Demenz vom Alzheimer Typ eine Monotherapie von Galantamin (125 Patienten) mit einer Kombinationstherapie von Galantamin und Memantine (125 Patienten) in Bezug auf symptomatische Verbesserung und Krankheitsprogression verglichen werden. In dieser Studie werden die Patienten ein Jahr lang behandelt werden.
Zum Schluss sei nochmals auf ein wichtiges Ziel des Therapiemoduls im Kompetenznetz Demenzen hingewiesen: die Etablierung einer einzigartigen, horizontal und vertikal „vernetzten” Infrastruktur zur raschen Durchführung von sowohl wissenschaftlich als auch klinisch und ethisch höchstqualifizierten Projekten zur Behandlung von Demenzerkrankungen.
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Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Isabella Heuser
Direktorin der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Eschenallee 3
14050 Berlin
Email: sabine.sassmann@medizin.fu-berlin.de
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Prof. Dr. Isabella Heuser
Direktorin der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Eschenallee 3
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Email: sabine.sassmann@medizin.fu-berlin.de