Der Klinikarzt 2003; 32(8): 271-276
DOI: 10.1055/s-2003-42196
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Vorgehen in der Praxis - Therapie des diuretikarefraktären Aszites und seiner Komplikationen

Proceeding in Clinical Practice - Treatment of Refractory Ascites and ComplicationsD. Grandt1 , M. Rössle2
  • 1Medizinische Klinik I, Klinikum Saarbrücken (Chefarzt: PD Dr. D. Grandt)
  • 2Praxis-Zentrum für Gastroenterologie und Endokrinologie, Freiburg
Weitere Informationen
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Anschrift für die Verfasser

Prof. Dr. Martin Rössle

Konsiliararzt am Klinikum Saarbrücken

Bertoldstrasse 48

79098 Freiburg

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
15. September 2003 (online)

Inhaltsübersicht #

Zusammenfassung

Tritt bei Patienten mit einer Leberzirrhose ein diuretikarefraktärer Aszites auf, markiert dies das Endstadium der Erkrankung mit einer sehr begrenzten mittleren Lebenserwartung. Falls eine Lebertransplantation nicht in Frage kommt, sind die therapeutischen Möglichkeiten im Wesentlichen auf die Parazentese und die Anlage eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts (TIPS) begrenzt. Die Parazentesetherapie ist hierbei als wiederholte, weitgehende oder vollständige Entfernung des Aszites durch eine Punktion der Bauchhöhle zu verstehen. Sie wird immer dann durchgeführt, wenn klinische Symptome dies nötig machen. Gelegentlich müssen die Parazentesen sehr häufig - oft mehrmals pro Monat - durchgeführt werden, was die Lebensqualität der Patienten beeinträchtigt und häufige Krankenhausaufenthalte erfordert.

In diesen Fällen ist die Implantation eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts zu diskutieren. Dies gilt auch für die Sekundärkomplikationen des Aszites, zu denen eine große Umbilikalhernie, ein Nierenversagen oder ein hepatischer Hydrothorax gehören. Unter der Voraussetzung einer stabilen Leberfunktion (Bilirubin unter 3 mg/dl, keine hepatische Enzephalopathie) führt die TIPS-Therapie bei über 70 % der Patienten zur Aszitesfreiheit und kann eventuell auch die Überlebenszeit verlängern.

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Summary

Refractory ascites indicates end-stage liver disease and short survival. Liver transplantation is the treatment of choice whenever possible. In the majority of patients, however, liver transplantation is denied and other treatment options are warranted e.g., large volume paracenteses and the transjugular intrahepatic portosystemic shunt (TIPS). Large volume parazentesis is defined as removel of four or more liters of ascites by peritoneal puncture. Paracentesis treatment can be regarded as a failure if its frequency exceeds one per month or additional complications occur e.g., development of a large umbilical hernia, renal dysfunction, or hepatic hydrothorax. The present derivative treatment for these patients may be the implantation of a TIPS. It does not only remove the ascites in more than 70 % of patients but it also improves the associate complications. In addition, survival may be improved in selected patients with stabile liver function (bilirubin < 3 mg/dl, absence of hepatic encephalopathy).

Das Auftreten eines Aszites markiert bei einem Zirrhosepatienten ein fortgeschrittenes Krankheitsstadium mit deutlich erhöhter Mortalität (50 % in fünf Jahren) und der Notwendigkeit einer spezifischen Therapie. Lediglich bei einigen wenigen Patienten mit alkoholischer Fettleber kann die Abstinenz ausreichen, um die portale Hypertonie zurückzubilden und über eine Verbesserung der Leberfunktion eine dauerhafte Aszitesfreiheit zu erreichen. Meist ist der weitere Krankheitsverlauf progredient. Hierbei können drei Krankheitsstadien unterschieden werden.

Dazu zählt zum einen das weitgehend asymptomatische Stadium der hyperdynamen Kreislaufdysregulation. Diese ist durch eine splanchnische und periphere Vasodilatation bedingt, die einen relativen intravasalen Volumenmangel auslöst. Dies aktiviert das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) und das sympathische System.

Im Stadium der Aszitesmanifestation ist die Wasserbilanz im Splanchnikusgebiet derart gestört, dass eine Retention in die Bauchhöhle resultiert. Das Lymphdrainagesystem ist hauptsächlich wegen der um den Faktor 10-20 gesteigerten Wasserfiltration überfordert. Hauptursache hierbei ist der enorm erhöhte hydrostatische Druck in den Kapillaren des mesenterialen Strömungsgebietes und den Sinusoiden der Leber. Der reduzierte onkotische Druck (Folge einer verminderten Albuminsynthese) und die Natriumretention (Folge des aktivierten RAAS) treiben diesen Prozess zusätzlich voran. Eine kochsalzarme Diät und die Gabe von Diuretika können diesen Zustand bei der Mehrzahl der Patienten auffangen und stabilisieren.

Bei etwa 10-20 % der Patienten mit Leberzirrhose entwickelt sich das Krankheitsbild zum diuretikarefraktären Aszites weiter. Laut Statistik überleben nur 50 % dieser Patienten ein Jahr (1, 5, 22). Der diuretikarefraktäre Aszites ist durch sein Nichtansprechen auf eine kochsalzarme Diät (etwa 2 g Natriumchlorid pro Tag) und eine Diuretikatherapie in der für den individuellen Patienten tolerierbaren Maximaldosierung definiert. Sprechen die Patienten auf die Therapie unter Krankenhausbedingungen an, neigen sie jedoch zu Hause rasch zum Rezidiv, liegt ein rezidivierender Aszites vor. Die Unterscheidung dieser beiden Formen ist hinsichtlich der klinischen Problematik und der Einschränkung der Lebensqualität von untergeordneter Bedeutung. Allerdings ist die Prognose der Patienten mit rezidivierendem Aszites besser, da sie häufig über eine relativ gute Natriumausscheidung verfügen und ein deutlich geringeres Risiko einer Nierenkomplikation im Sinne des hepatorenalen Syndroms aufweisen.

Am Ende des Krankheitsverlaufes steht der so genannte Spannungsaszites, der durch die kontinuierliche Zunahme des Bauchwassers zum Handeln zwingt. Dieser Zustand beeinträchtigt zum einen die Atemfunktion, es tritt aber auch häufig eine große Umbilikalhernie mit Mazaration und eine Kachexie auf - eine Folge einer reduzierten Nahrungsaufnahme. Das hepatorenale Syndrom und der Hydrothorax sind weitere direkte Komplikationen des refraktären Aszites, die mit einer sehr kurzen Überlebenszeit verbunden sind.

Die frühen Krankheitsstadien, die auf eine diätetische und medikamentöse Therapie ansprechen, sind kein wesentliches therapeutisches Problem. Die vorliegende Arbeit widmet sich der Therapie des fortgeschrittenen Stadiums des Aszites und seiner Komplikationen.

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Therapie des diuretikarefraktären Aszites

Die therapeutischen Optionen des diuretikarefraktären oder rezidivierenden Aszites bestehen in der diätetischen und medikamentösen Standardtherapie, der wiederholten großvolumigen Parazentese, der Anlage eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts (TIPS), des peritoneo-venösen Shunts und schließlich der Lebertransplantation. Der peritoneo-venöse Shunt (Denver Shunt, Le Veen Shunt) wird heute wegen seiner hohen Verschluss- und Komplikationsraten nur noch selten angewandt. Grundsätzlich ist bei allen Aszitespatienten die Möglichkeit einer Lebertransplantation zu prüfen, sofern keine klare Kontraindikation vorliegt. Leider ist dies jedoch aus verschiedenen Gründen (z.B. Alkohol, hohes Alter, schlechter Allgemeinzustand, hepatozelluläres Karzinom) meist der Fall.

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Diätetische und medikamentöse Standardtherapie

Auch wenn die diätetische und medikamentöse Therapie offensichtlich versagt hat und weitere Therapieschritte (z.B. Parazentese) notwendig sind, werden diese Maßnahmen im Allgemeinen fortgeführt. Die diätetische Therapie beruht in einer Kochsalzrestriktion auf etwa 2 g/Tag. Unter dieser Maßgabe können bei kompletter Natriumretention etwa acht Liter Aszites pro zwei bis drei Wochen reteniert werden (22). Bei Patienten mit schlechterer diätetischer Compliance kann die Reakkumulation des Aszites rascher verlaufen und die Parazenteseintervalle können noch kürzer werden. Besteht noch eine Restausscheidung von Natrium, wird der Aszites dagegen entsprechend langsamer gebildet, und die Frequenz der Parazentese kann sich erheblich reduzieren.

Die Wasserbilanz selbst, also die aufgenommene bzw. ausgeschiedene Flüssigkeitsmenge, spielt keine maßgebliche Rolle, da sie weitgehend durch die Natriumbilanz bestimmt wird. Eine Ausnahme bilden diejenigen Patienten, bei denen eine Hyponatriämie von unter 130 mval/l vorliegt. Bei ihnen besteht eine erhebliche zusätzliche Wasserretention, die einer entsprechenden Korrektur durch Trinkmengenbeschränkung auf etwa einen Liter pro Tag bedarf.

Die Standardmedikation aller Patienten mit Aszites beinhaltet Furosemid (40-120 mg/Tag) oder Torasemid und Spironolacton (bis 400 mg/Tag). Diese Therapie findet ihre Grenzen in der Ausbildung einer hepatischen Enzephalopathie, eines hepatorenalen Syndroms oder einer Elektrolytstörung. Bei einer Serum-Natrium-Konzentration von weniger als 130 mval/l muss die diuretische Therapie um etwa die Hälfte der Dosis reduziert werden, bei einem Wert von unter 128 mval/l ist sie abzusetzen. Patienten, die primär eine starke Tendenz zur Hyponatriämie aufweisen, können keine diuretische Therapie erhalten. Die Diuretika sind den aktuellen Bedingungen ständig anzupassen - daher sind kurzfristige Kontrollen der Nierenwerte und Elektrolyte notwendig.

Die Dosierung der Diuretika sollte von der Urin-Natriumausscheidung abhängig gemacht werden. Falls ein Patient trotz Diuretika keine oder lediglich eine minimale Natriumausscheidung im 24-Stunden-Urin aufweist (weniger als 10 mval), macht es keinen Sinn, die Diuretikatherapie fortzusetzen. In diesem Fall sind Diuretika wirkungslos und deshalb abzusetzen. Ein späterer Versuch kann unternommen werden, wobei die Effektivität der Maßnahme durch die Natriumausscheidung im Urin erneut zu kontrollieren ist.

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Parazentese

Die großvolumige Parazentese besteht in der Drainage von vier oder mehr Litern von Aszites. Dieser kleine Eingriff kann selbst bei eingeschränkter Gerinnung und reduzierten Thrombozyten ambulant vorgenommen werden. Die Parazentese verbessert die aszitesbedingten klinischen Symptome (Zwerchfellhochstand, Atemnot) sofort. Da sie jedoch keine kausale Therapie ist, kommt es in der Regel zum Nachlaufen des Aszites, sodass die Parazentesen in Intervallen von Wochen bis Monaten wiederholt werden müssen.

Bei der ersten Parazentese und bei einer unerwarteten Zunahme der Aszitesbildung oder einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes ist eine Analyse der Aszitesflüssigkeit zwingend notwendig, um eine spontan bakterielle oder - in seltenen Fällen - auch sekundär bakterielle Peritonitis auszuschließen oder nachzuweisen. Die spontan bakterielle Peritonitis entsteht durch eine bakterielle Translokation vom Darmlumen in die Bauchhöhle. Daher sind vorwiegend E. coli als Krankheitserreger zu sehen. Die Diagnose beruht im Wesentlichen auf dem Nachweis von mehr als 400 Leukozyten/ml Aszites oder mehr als 250 Granulozyten/ml Aszites und/oder dem kulturellen Nachweis des entsprechenden Erregers. Eine Mischflora lässt entweder auf eine Kontamination oder auf eine sekundär bakterielle Peritonitis schließen. Die Therapie mit einem Cephalosporin der zweiten oder dritten Generation ist dann angezeigt.

Das Hauptproblem der Parazentesetherapie liegt in ihrem negativen Effekt auf den systemischen Kreislauf und die Nierenfunktion. Diese als „postparacentesis circulatory dysfunction” bezeichnete Komplikation ist Folge einer weiteren Aktivierung vasoaktiver Hormone (insbesondere Renin und Angiotensin). Sie ist die Antwort auf die durch das Nachlaufen des Aszites bedingte, zusätzliche Verschlechterung der vaskulären Füllung. Die „postparacentesis circulatory dysfunction” limitiert den Einsatz der Parazentese insbesondere bei Patienten mit instabiler Nierenfunktion.

Die Verabreichung von Humanalbumin (etwa 40 g) während oder kurz nach der Parazentese reduziert das Entstehen der „postparacentesis circulatory dysfunction” von 30 auf 15 %, hat jedoch keinen Einfluss auf die Mortalität (7, 8), was die Notwendigkeit der Gabe von Albumin infrage stellt (23). Da die Entnahme kleinerer Aszitesvolumina (weniger als vier Liter) besser toleriert werden kann, kann hier auf die Verabreichung von Humanalbumin verzichtet werden (7, 8). Läuft der Aszites rasch in die Bauchhöhle nach, ist die „kleine” Parazentese jedoch kaum praktizierbar, da sie noch häufigere Arztkontakte erfordert.

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Transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt

Da der Aszites im Wesentlichen die Folge der portalen Hypertension ist, ist die Dekompression durch portosystemische Shunts eine nahe liegende Therapieoption. Wie früher bereits für chirurgische Shunts nachgewiesen, ist auch der transjuguläre intrahepatische portosystemische Shunt (TIPS) eine effektive Therapieform des Aszites. Hierbei handelt es sich um die interventionelle Anlage einer Kurzschlussverbindung zwischen einem großen intrahepatischen Pfortaderast und einer zentralen Lebervene [Abb. 1]. Ein aufdehnbares Metallgitterröhrchen stellt diese Verbindung her. So wird eine deutliche Reduktion des Pfortaderdruckes von im Durchschnitt 24 auf 10 mmHg erreicht.

Zahlreiche Studien haben in den letzten zehn Jahren gezeigt, dass der TIPS bei etwa 70-80 % der Patienten zu einem Verschwinden bzw. zur Kontrolle des Aszites führt (2, 4, 6, 10, 12, 14, 17, 19, 26). Inzwischen liegen auch die Ergebnisse von fünf randomisierten Studien vor, die den TIPS mit der Parazentese vergleichen (9, 13, 20, 24, 28). Sie zeigen ebenfalls ein signifikant besseres Ansprechen der Patienten auf die TIPS-Behandlung. Auch eine hepatische Enzephalopathie trat nicht signifikant häufiger auf. Es kann angenommen werden, dass das gute Ansprechen auf die Therapie auch eine Verbesserung der Lebensqualität bedingt. Entsprechende Hinweise diesbezüglich liegen auch aus früheren Untersuchungen vor (10).

Hinsichtlich des Überlebens konnte jedoch nur eine Studie einen signifikanten Vorteil für die TIPS-Patienten im Vergleich zu der Kontrollgruppe mit Parazentese nachweisen (20). Die Zwei-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit betrug hier 58 % in der TIPS-Gruppe und 32 % in der Parazentese-Gruppe. Patienten mit fortgeschrittener Leberinsuffizienz (Bilirubin unter 5 mg/dl) wurden aus der Studie ausgeschlossen.

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Therapie von Komplikationen

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Umbilikalhernien

Das Auftreten einer Umbilikalhernie ist bei Patienten mit Spannungsaszites ein häufiges Ereignis, welches die Überlebenszeit beeinflusst (22). Bei raschem Nachlaufen des Aszites und längeren Phasen des Spannungsaszites können sich riesige Hernien entwickeln, die nicht nur ein großes kosmetisches Problem darstellen: Am Scheitel der Hernie kann die Haut durch die Überdehnung sehr ausdünnen, was zur Infektion, zum Empyem, zum Gangrän und zur Ruptur führen kann. Dann ist die operative Sanierung unumgänglich.

Dies kann zur Folge haben, dass die postoperativ eingelegte peritoneale Drainage nicht mehr entfernt werden kann, da sonst ein erneut auftretender Spannungsbauch das Operationsergebnis gefährden würde. Die einzigen therapeutischen Optionen sind dann der peritoneo-venöse Shunt oder der TIPS. Letzterer ist derzeit die Methode der Wahl, wenn die Leberfunktion stabil (Bilirubin unter 3 mg/dl) und eine hepatische Enzephalopathie ausgeschlossen ist.

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Hepatorenales Syndrom

Eine der gefürchtetsten Komplikationen des refraktären Aszites ist das hepatorenale Syndrom (HRS). Bereits innerhalb eines Jahres entwickeln etwa 20 % der Patienten mit Aszites eine solche Komplikation - innerhalb von fünf Jahren sind dies sogar 40 % der Patienten. Ihre durchschnittliche Lebenserwartung ist auf Wochen bis wenige Monate limitiert (1, 5, 22).

Hierbei ist zwischen einem rasch progredienten (Typ 1) und einem langsam progredienten hepatorenalen Syndrom (Typ 2) zu unterscheiden. Der Typ 1 ist durch eine Verdoppelung der Serumkreatininkonzentration oder eine Abnahme der Kreatinin-Clearance um über 50 % auf unter 20 ml/min innerhalb von zwei Wochen definiert. Im individuellen Fall kommt daher die Frage der Dialysetherapie auf. Beim Typ 2 liegt im Allgemeinen ein diuretikarefraktärer Aszites vor, dessen therapeutische Möglichkeiten (einschließlich Parazentese) nun durch die begleitende Niereninsuffizienz limitiert werden.

Die Therapie des hepatorenalen Syndroms stützt sich hauptsächlich auf die Bekämpfung begleitender oder auslösender Infektionen mit Antibiotika, die Verbesserung der vaskulären Füllung durch eine Albuminsubstitution und die Verabreichung vasoaktiver Substanzen wie Terlipressin (27), Midodrine (ein alpha-adrenerger Agonist) plus Octreotid (18) und Dopamin zur Verbesserung der Nierendurchblutung. Ein neuer Therapieansatz besteht in der Gabe von N-Monomethyl-L-Arginin, einem Hemmstoff der Stickoxyd-Synthase (11). Er führt zur Korrektur der Vasodilatation und zu einer verbesserten Nierendurchblutung.

Insbesondere beim hepatorenalen Syndrom vom Typ 2, also dem langsam progredienten oder stationären Typ des Nierenversagens, der hauptsächlich in Zusammenhang mit dem therapierefraktären Aszites gesehen wird, scheint der TIPS einen positiven Effekt zu haben. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass sich im Anschluss an die TIPS-Implantation die Plasmareninaktivität (-70 %), die Aldosteronkonzentration (-60 %), die Kreatinin-Clearance und die Natriumausscheidung im Urin deutlich verbessern (2, 4, 6, 10, 12-14, 17, 19, 26).

Aber auch beim Typ 1 des hepatorenalen Syndroms wurde der TIPS erfolgreich eingesetzt. So wies eine Studie aus Bonn, an der 41 Patienten teilnahmen, ein relativ günstiges Ergebnis mit einer Ein-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit nach TIPS von 20 % nach (3).

Bei Patienten, bei denen eine Lebertransplantation unmittelbar bevorsteht, kann auch im Falle des nicht beherrschbaren hepatorenalen Syndroms die neue MARS-Methode („molecular adsorbent recirculating system”) zum Einsatz kommen. Hierbei handelt es sich um eine noch in der Erprobung befindliche, modifizierte Dialyse, die eine selektive Elimination von an Albumin gebundenen Molekülen bewirkt (15).

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Hepatischer Hydrothorax

Etwa 10 % der Patienten mit therapierefraktärem Aszites entwickeln einen hepatischen Hydrothorax. Die aszitesbedingte Überdehnung des Zwerchfells verursacht kleine Lecks, wodurch Aszites in die Pleurahöhle gelangen kann. Hierbei ist in überwiegendem Maße die rechte Seite betroffen. Ein szintigrafischer Nachweis der Migration von markiertem Albumin von der Bauch- in die Pleurahöhle kann die Diagnose verifizieren. Aufgrund der hohen Aszitesproduktion von bis zu einem Liter pro Tag und dem relativ kleinen Fassungsvermögen des Pleuraraumes sind die Patienten meist auf eine Dauerdrainage angewiesen. Hieraus kann eine Dauerhospitalisation resultieren, die Prognose ist infaust (21).

Sind die medikamentösen Möglichkeiten der Aszitestherapie ausgeschöpft und ist die Dauerdrainage des Pleuraraumes notwendig geworden, kommen verschiedene Therapiemodalitäten in Betracht (21). Hierzu gehören der chirurgische Verschluss des Zwerchfelllecks, der peritoneo-venöse Shunt, der TIPS und die Lebertransplantation. Letztere ist sicherlich die Ausnahme, da sich die Patienten meist in einem Zustand befinden, der eine Transplantation ausschließt. Die Erfahrungen mit dem TIPS sind überwiegend positiv. Die Ansprechraten waren ähnlich wie jene der Aszitespatienten und betrugen im Durchschnitt 70 %. Hinsichtlich des Überlebens war ebenfalls eine sehr zufrieden stellende Ein-Jahres-Überlebensrate von 50 % erreicht worden (25).

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Stufentherapie

[Tabelle 1] fasst das diagnostische und therapeutische Vorgehen in den verschiedenen Stadien der Aszitesentwicklung und seiner Komplikationen zusammen. Beim erstmaligen Nichtansprechen eines Aszites auf die maximal mögliche diätetische und medikamentöse Therapie ist zunächst die großlumige Parazentese indiziert. Zugleich muss eine spontan bakterielle Peritonitis ausgeschlossen werden, da sie der Grund sein kann, warum ein Patient nicht auf die Therapie anspricht. Gegebenenfalls erfolgt eine Antibiotikabehandlung. Die diätetische und diuretische Therapie wird fortgesetzt, sofern noch eine nennenswerte Natriumausscheidung im Urin nachzuweisen ist. Falls die Natriumausscheidung im Urin unter 10 mval/24 Stunden beträgt, macht es keinen Sinn, die Diuretikabehandlung fortzusetzen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist auch zu diskutieren, ob eine Lebertransplantation indiziert ist.

Bei erneuter Entwicklung eines Spannungsaszites muss zuerst die Therapietreue der Patienten überprüft werden. Hierzu dient auch die nochmalige Kontrolle der Natriumausscheidung im Urin. Ist diese hoch (z.B. über 60 mval/24 Stunden), spricht dies für eine schlechte Compliance und hohe Natriumzufuhr. Ist die Natriumausscheidung dagegen sehr niedrig (weniger als 10 mval/24 Stunden) kann man annehmen, dass ein ernsthaftes Langzeitproblem vorliegt. Solange der Patient die Behandlung toleriert, werden weitere großlumige Parazentesen durchgeführt. Hierbei ist insbesondere die Nierenfunktion zu kontrollieren. Alternativ zur Parazentesetherapie kann jetzt die Implantation eines TIPS diskutiert werden - insbesondere bei guter Leberfunktion (mit Bilirubin unter 3 mg/dl).

Besteht eine große Umbilikalhernie, ein hepatorenales Syndrom oder ein Hydrothorax, ist die frühzeitige TIPS-Implantation indiziert - falls keine gravierenden Kontraindikationen vorliegen (Bilirubin über 5 mg/dl, manifeste hepatische Enzephalopathie).

In [Abbildung 2] sind nochmals die Entscheidungswege zwischen Transplantation, Parazentese und TIPS hervorgehoben. Bei unproblematischem Verlauf des diuretikarefraktären Aszites wird die Parazentese fortgesetzt. Beeinträchtigt eine hohe Frequenz der Parazentesen (z.B. alle vier Wochen oder häufiger) die Lebensqualität stark oder kommen andere Komplikationen hinzu (Hernien, Niereninsuffizienz, Hydrothorax), ist der Zeitpunkt für eine TIPS-Implantation gekommen. Bei optimaler Selektion der Patienten, die insbesondere auch die Leberfunktion zu berücksichtigen hat (Bilirubin weniger als 3 mg/dl, keine Enzephalopathie), können eine Verbesserung der Lebensqualität und eventuell eine Lebensverlängerung erzielt werden. Die Transplantation jedoch hat stets Vorrang, falls der Patient hierfür noch in Frage kommt.

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Abb. 1 Der Shunt - einmal in der Angiografie (a) und einmal in der Duplexsonografie (b) dargestellt - ist eine Kurzschlussverbindung zwischen einem Pfortaderast und einer Lebervene. Formal handelt es sich um einen portocavalen Seit-zu-Seit-Shunt

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Abb. 2 Nach einer initialen Beobachtungsphase über etwa sechs Monate - während der die diätetische und medikamentöse Einstellung optimiert werden -, wird der weitere Verlauf bestimmt. Im Falle eines „unkomplizierten” Verlaufes und selten notwendigen Parazentesen können diese fortgeführt werden. Bei hoch frequentem Parazentesebedarf und/oder Vorliegen eines komplizierten Verlaufs des therapierefraktären Aszites (Umbilikalhernie, hepatorenales Syndrom, Hydrothorax) ist die TIPS-Implantation einer weiteren Parazentesebehandlung wahrscheinlich vorzuziehen, falls keine gravierenden Ausschlusskriterien vorliegen

Tab. 1 Diagnose und Therapie der verschiedenen Aszitesstadien

klinische Situation

diagnostische Maßnahmen

therapeutische Maßnahmen

Aszites-Erstmanifestation

  • diagnostische Parazentese zum Ausschluss einer spontan bakteriellen Peritonitis

  • Frage einer eventuellen Lebertransplanta-tion klären

  • Natriumrestriktion, Spironolakton und Furosemid (alternativ Torasemid) nach Bedarf

  • regelmäßige Gewichtskontrolle

Spannungsaszites (Erstmanifestation)

  • diagnostische Parazentese zum Ausschluss einer spontan bakteriellen Peritonitis

  • Überprüfung der Compliance (Natriumaufnahme, Diuretikaeinnahme?)

  • Natrium- und Kaliumausscheidung im 24-Stunden-Urin

  • Optimierung der diuretischen Therapie

  • Beginn der Parazentesetherapie

rezidivierender Spannungsaszites ± Umbilikalhernie

  • Überprüfung der Compliance

  • Natrium- und Kaliumausscheidung im 24-Stunden-Urin

  • Kontrolle der Nierenwerte

  • Evaluation einer eventuellen hepatischen Enzephalopathie

  • Parazentesen fortsetzen, eventuell unter Substitution von Albumin (40 g)

  • TIPS-Indikation prüfen

  • Diuretikatherapie mittels Natrium-Urinausscheidung validieren

hepatorenales Syndrom Typ 2

  • diagnostische Parazentese zum Ausschluss einer spontan bakteriellen Peritonitis

  • Ende der Parazentesetherapie

  • TIPS-Implantation dringlich, falls keine Kontraindikationen

hepatorenales Syndrom Typ 1

  • diagnostische Parazentese zum Ausschluss einer spontan bakteriellen Peritonitis

  • medikamentöse Therapie

  • eventuell MARS/Dialyse, falls Reversibilität des Leberversagens möglich ist

  • in Ausnahmefällen (stabile Leberfunktion): TIPS-Implantation

hepatischer Hydrothorax

  • szintigrafischer Nachweis der peritoneo-pleuralen Flüssigkeitsmigration

  • TIPS-Implantation, falls keine Kontraindikationen

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Anschrift für die Verfasser

Prof. Dr. Martin Rössle

Konsiliararzt am Klinikum Saarbrücken

Bertoldstrasse 48

79098 Freiburg

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Anschrift für die Verfasser

Prof. Dr. Martin Rössle

Konsiliararzt am Klinikum Saarbrücken

Bertoldstrasse 48

79098 Freiburg

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Abb. 1 Der Shunt - einmal in der Angiografie (a) und einmal in der Duplexsonografie (b) dargestellt - ist eine Kurzschlussverbindung zwischen einem Pfortaderast und einer Lebervene. Formal handelt es sich um einen portocavalen Seit-zu-Seit-Shunt

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Abb. 2 Nach einer initialen Beobachtungsphase über etwa sechs Monate - während der die diätetische und medikamentöse Einstellung optimiert werden -, wird der weitere Verlauf bestimmt. Im Falle eines „unkomplizierten” Verlaufes und selten notwendigen Parazentesen können diese fortgeführt werden. Bei hoch frequentem Parazentesebedarf und/oder Vorliegen eines komplizierten Verlaufs des therapierefraktären Aszites (Umbilikalhernie, hepatorenales Syndrom, Hydrothorax) ist die TIPS-Implantation einer weiteren Parazentesebehandlung wahrscheinlich vorzuziehen, falls keine gravierenden Ausschlusskriterien vorliegen