Einleitung
Einleitung
Vor dem Hintergrund eines mittlerweile relativ breiten Angebots von Substitutionsbehandlungen
in Deutschland wurde im Februar 2000 mit subutex® (Buprenorphin) ein weiteres Medikament zur Substitutionstherapie Opiatabhängiger
in Deutschland zugelassen. Mit insgesamt über 46 000 Behandlungsplätzen gab es im
Jahr 2000 für mindestens ein Drittel der Opiatabhängigen in Deutschland (ca. 120 000
Personen) Angebote in der Substitutionsbehandlung [1]. Allerdings unterscheidet sich die Verbreitung der jeweils eingesetzten Substitutionsmedikamente
erheblich. 69 % aller Substituierten erhielten d,l-Methadon, dazu kommen 22 %, die
mit Levomethadon behandelt wurden. 8 % wurden mit Dihydrocodein substituiert und etwa
1000 Patienten erhielten Buprenorphin (1-2 %). Bezogen auf den Gesamtzeitraum des
Jahres 2001 wurden ca. 7000 Patienten mit Buprenorphin behandelt.
Die Substitutionsbehandlung mit Methadonpräparaten gilt nach wie vor als Standardbehandlung
für opiatabhängige Patienten. Allerdings zeigen Untersuchungen und Beobachtungen von
Praktikern Einschränkungen bei der Anwendung von Methadon. Dabei wird vor allem auf
das hohe Abhängigkeitspotenzial und die stärkere Entzugssymptomatik sowie auftretende
Nebenwirkungen wie Müdigkeit, starkes Schwitzen und depressive Verstimmungen hingewiesen.
Bezüglich dieser Begleiteffekte kann der Einsatz von Buprenorphin Vorteile bieten,
da aufgrund seiner pharmakodynamischen Eigenschaften die von anderen Opioiden bekannten
typischen (Neben-)Wirkungen teilweise ausbleiben.
Buprenorphin ist ein partieller Agonist am µ-Opioid-Rezeptor und ein Antagonist am
κ-Rezeptor und besitzt damit einen unter den Opioiden besonderen Wirkmechanismus.
Über den µ-Rezeptor werden Effekte wie Euphorie, Analgesie und Atemdepression vermittelt,
wohingegen über den κ-Rezeptor Wirkungen wie Dysphorie und Sedierung erzeugt werden.
Es gibt Hinweise darauf, dass aufgrund der antagonistischen Wirkung von Buprenorphin
am κ-Rezeptor vor allem die unerwünschten psychischen Begleiteffekte in geringerem
Maße auftreten.
Durch die sublinguale Applikationsform erfolgt initial eine schnelle Resorption. 60
bis 90 Minuten nach der Gabe werden maximale Plasmaspiegel erreicht. Aufgrund der
langsamen Rückumverteilung aus dem Körpergewebe, die für konstante Plasmaspiegel sorgt,
beträgt die Halbwertszeit etwa 20 Stunden und mehr. Bei nachträglicher Gabe von Heroin
oder Methadon lässt sich Buprenorphin nur noch schwerlich aus der Rezeptorbindung
verdrängen. Eine Wirkverstärkung im Sinne additiver Effekte ist damit unwahrscheinlich
und die Gefahr einer Opioid-Überdosierung im Vergleich zu Methadon geringer einzuschätzen.
Internationale Erfahrungen und Studien zum Einsatz von Buprenorphin
Eine besonders breite Anwendung findet Buprenorphin in Frankreich. Laut Jahresbericht
der EBDD (Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht) gab es im Dezember
1999 bei geschätzten 160 000 Opiatabhängigen 71 260 Substituierte, von denen 62 900
Buprenorphin und 8360 Methadon erhielten [2]. In Frankreich kann jeder niedergelassene Arzt Buprenorphin an Drogenabhängige verschreiben
mit Take-home-Dosen von 32 mg für bis zu 28 Tage. Einerseits wird das starke Absinken
der Anzahl drogenbedingter Todesfälle in den letzten Jahren in Frankreich mit der
Einführung und Ausweitung der Buprenorphinbehandlung in Zusammenhang gebracht [3]. Andererseits wird, obwohl Buprenorphin auch dort als Sublingualtablette vorliegt,
aufgrund der liberalen Vergabemodalitäten von häufigem Missbrauch gesprochen; zum
einen aufgrund eines hohen Anteils von illegal verkauftem Buprenorphin, zum anderen
durch intravenösen Konsum und Beikonsum von Benzodiazepinen [4].
In einer Studie von De Ducla et al. [5] zur Wirkung der Buprenorphinbehandlung mit 300 Patienten in 71 Zentren konnten positive
Ergebnisse festgestellt werden. Die Behandlungsdauer lag zwischen 8 und 22 Monaten,
die mittlere initiale Dosis betrug 6 mg pro Tag, in der Stabilisierungsphase 8 mg.
Die Einstellung des Heroinkonsums bei 70 % der Patienten konnte allerdings nicht allein
auf die Gabe von Buprenorphin zurückgeführt werden, vielmehr wurden als Bedingungen
zur Verbesserung der Behandlung Schulungsmaßnahmen für niedergelassene Ärzte und Apotheker
für erforderlich gehalten sowie eine bessere Koordination mit anderen Bereichen des
Suchthilfesystems.
Wenngleich Buprenorphin bereits seit knapp 40 Jahren Gegenstand der Forschung ist
[6], liegen umfangreiche Vergleichsstudien zwischen Buprenorphin und anderen Substitutionsmitteln
erst seit Anfang der 90er-Jahre vor . Die erzielten Ergebnisse lassen allerdings keine
eindeutigen Schlüsse hinsichtlich der Überlegenheit der einen oder anderen Substanz
zu. So sind sowohl die in den Studien zu vergleichenden Dosierungen als auch die Präparate
selbst sehr unterschiedlich. Auch die Aufdosierungen von Buprenorphin bei der Einstellung
werden verschieden gehandhabt. Darüber hinaus sind die Untersuchungen in unterschiedlichen
Behandlungssettings - ambulant, stationär, in speziellen Ambulanzen, Entgiftungsstationen,
bei niedergelassenen Ärzten - durchgeführt worden.
Die Metaanalysen von Barnett et al. [14] und West et al. [15] kommen zu dem Ergebnis, dass Buprenorphin als effektive Alternative zur traditionellen
Methadonerhaltungstherapie angesehen werden kann. Aufgrund der Unterschiede in den
Studiendesigns sowie der unterschiedlichen Dosierungen (vor allem von Methadon) bleiben
jedoch viele Fragen offen. Dies betrifft v. a. die Dosisabhängigkeit der Effekte,
die Vorerfahrungen der Patienten mit Substitutionsbehandlungen sowie die Rolle der
psychosozialen Begleitung, die in den meisten Studien nur unzureichend untersucht
wurde.
Petitjean et al. [16] untersuchten Sicherheit, Effektivität und Praktikabilität von Buprenorphin im Vergleich
zu Methadon in einer randomisierten Doppelblindstudie. Diese Untersuchung war die
erste klinische Studie, die Buprenorphin in seiner sublingualen Form mit oralem Methadon
verglich. Im Ergebnis schlossen 56 % der Buprenorphingruppe die Behandlung regulär
ab, bei der Methadongruppe waren es 90 %. Nahezu alle Abbrüche in der Buprenorphingruppe
fanden in den ersten Tagen statt. Von den Abbrechern klagten 67 % über Entzugserscheinungen,
was möglicherweise auf die mit 4 mg Buprenorphin sehr geringe Einstiegsdosis zurückzuführen
sein könnte. In den über die Dauer von sechs Wochen durchgeführten Urinkontrollen
unterschieden sich die beiden Gruppen kaum: Die Anteile opiatpositiver Proben waren
vergleichbar (Buprenorphin: 62 %, Methadon: 60 %). Ebenfalls keine signifikanten Unterschiede
gab es beim Kokain. Auch im Verlangen (Craving) nach Heroin unterschieden sich die
beiden Gruppen nicht. Eine Gleichwertigkeit von Buprenorphin und Methadon hinsichtlich
der Haltequote und der Reduzierung des Opiatkonsums stellten auch Pani et al. [17] in ihrer Wirksamkeitsstudie mit Sublingualtabletten fest. Es kam zwar zu einer tendenziell
höheren Abbrecherquote in der Buprenorphingruppe, dies wird aber wiederum mit einer
möglicherweise zu geringen Einstellungsdosis sowie mit der geringeren Bioverfügbarkeit
der Tablette gegenüber der flüssigen Form begründet.
Der ambulante Entzug mit Buprenorphin stand im Mittelpunkt der Studie von Diamant
et al. [18]. Im Rahmen eines 10-tägigen Abdosierungsprozesses mit täglicher Dosisreduktion konnte
bei den 50 einbezogenen Patienten eine Compliance von 70 % erreicht werden. Die Entzugssymptomatik,
gemessen mit der Wang-Skala [19], verringerte sich deutlich von durchschnittlich 13,8 am ersten Tag auf 5,4 Punkte
am 10. Tag. Unter den Patienten, die die Entzugsbehandlung bis zum 10. Tag durchhielten,
hatten am Ende 69 % opiatnegative Urinproben. Resnick et al. [20] untersuchten in einem dreijährigen Projekt mit niedergelassenen Ärzten den Einsatz
von Buprenorphin bei Abhängigen, die einer Methadonbehandlung nicht zugänglich waren.
Auch bei diesen Patienten war eine ambulante Entzugsbehandlung mit Buprenorphin möglich.
Es kam zu einem deutlichen Rückgang des Heroin-Craving und die Patienten zeigten beim
Absetzen des Buprenorphins nur noch geringe Entzugssymptome.
Die Verwendung von Buprenorphin im Rahmen eines stationären Entzugs über 10 Tage wurde
von Vignau [21] berichtet. Ein Viertel der Patienten wechselte während der Entzugsbehandlung in
ein methadongestütztes Setting, 58 % beendeten den Entzug planmäßig. Bereits am 4.
Tag hatten alle Patienten keine opiatpositiven Urinproben mehr. Auch in einer bundesdeutschen
Kontrollgruppenstudie wurde der Einsatz von Buprenorphin (in Kombination mit Carbamazepin)
in der stationären Entzugsbehandlung im Vergleich zu einer Oxazepam/Carbamazepin-Behandlung
untersucht [22]. Unter den Buprenorphinpatienten brachen 27 % die Behandlung vor dem 21. Tag ab,
die Abbruchquote bei den Kontrollpatienten lag bei 42 %. Wenngleich die Studienergebnisse
nur auf einer Stichprobe von n = 27 Patienten beruhen (Experimentalgruppe: n = 15,
Kontrollgruppe: n = 12), erwies sich die kombinierte Buprenorphin/Carbamazepin-Behandlung
hinsichtlich der Reduktion von Entzugssymptomen als signifikant wirkungsvoller.
Insgesamt deuten die Ergebnisse zum Einsatz von sublingualem Buprenorphin sowohl in
der Substitutionsbehandlung als auch in der Entgiftung auf positive Wirkungen hin.
Kontrollierte Studien zur Vergleichbarkeit mit anderen Substitutionsmitteln lassen
jedoch noch keine eindeutigen Schlüsse hinsichtlich der Überlegenheit von Buprenorphin
zu. In Verbindung mit der Einführung von Buprenorphin zur Behandlung Opiatabhängiger
in Deutschland dürften somit zunächst Fragen nach Erreichbarkeit, Compliance und Möglichkeiten
des Einsatzes von Buprenorphin im Rahmen unterschiedlicher Settings (niedergelassene
Ärzte, Ambulanzen) und Behandlungsziele (Erhaltungstherapie, Entzugsbehandlung) stehen.
Fragestellung
Die Verwendung von Buprenorphin[2] zur ambulanten Entzugsbehandlung Opiatabhängiger durch niedergelassene Ärzte soll
geprüft werden. Folgende Fragestellungen stehen im Zentrum der Untersuchung:
-
Welche Opiatabhängigen werden von der Entzugsbehandlung mit Buprenorphin erreicht
bzw. vornehmlich angesprochen?
-
Wie hoch ist die Haltequote? Wie gestaltet sich der Behandlungsverlauf?
-
In welchem Umfang ändern sich Entzugssymptomatik und Konsumverhalten?
Methode
Methode
Der Einsatz von Buprenorphin in der ambulanten Entzugsbehandlung wurde im Rahmen einer
Anwendungsbeobachtung [23], die als prospektive Verlaufsstudie über zwölf Wochen durchgeführt wurde, untersucht.
In acht über die Bundesrepublik Deutschland verteilten Regionen nahmen 215 Ärzte an
der Studie teil. Insgesamt 427 Patienten wurden im Zeitraum von Februar 2000 bis April
2001 rekrutiert. Die Einschlusskriterien orientierten sich an der zusammenfassenden
Fachinformation der Merkmale des Arzneimittels (SPC) und bestanden in einem Mindestalter
von 18 Jahren und einer nachgewiesenen Opiatabhängigkeit. Ausschlusskriterien waren
die Nichtverträglichkeit von Buprenorphin, schwere respiratorische Insuffizienz, schwere
Leberinsuffizienz, Alkoholabhängigkeit, eine Behandlung mit Monoaminooxidasehemmern
sowie das Stillen von Säuglingen. Ein- und Ausschlusskriterien wurden vom behandelnden
Arzt beurteilt und überprüft. Zur Zielgruppe zählten Patienten mit mittlerem Abhängigkeitsniveau,
bisher nicht erfolgreicher Substitutionsbehandlung, Entzugsvorsatz, psychischer Vulnerabilität
und/oder Bedarf an einer Übergangsbehandlung bis zur Aufnahme einer anderen Suchttherapie.
Studiendesign
Die Veränderungen im Verlauf der Entzugsbehandlung wurden parallel aus der Perspektive
der behandelnden Ärzte und der Patienten anhand standardisierter Fragebogen untersucht.
Zentrale Verlaufskriterien waren die Entzugserscheinungen und das Konsumverhalten.
Zu Beginn der Studie wurden der Behandlungsanlass, die Rahmenbedingungen, Angaben
zum Gesundheitszustand, das Ergebnis des letzten Urinscreenings sowie, bei bereits
substituierten Patienten, Daten zur bisherigen Substitutionsbehandlung in einem Aufnahmebogen
dokumentiert. Zudem wurde den Patienten bei Behandlungsbeginn ein Fragebogen vorgelegt,
in dem Daten zur sozialen Situation, zum Drogenkonsum, zur Entzugssymptomatik, zum
psychischen Befinden (Depressivität anhand des BDI [24], Ängstlichkeit mit dem STAI [25]) sowie zu Nebenwirkungen des bisherigen Substitutionsmittels erhoben wurden. Hinsichtlich
des Drogenkonsums wurden die aktuelle Konsumintensität, d. h. die Anzahl an Konsumtagen
innerhalb der letzten 30 Tage, die Hauptproblemdroge sowie das Einstiegsalter beim
Heroin- und Kokainkonsum und die Behandlungsvorerfahrungen erfragt. Die Ausprägung
der Entzugssymptomatik wurde anhand der Short Opiate Withdrawal Scale SOWS [26] erhoben.
Die individuellen Verläufe wurden nach der Ausgangserhebung (T0) zu Behandlungsbeginn an vier weiteren Erhebungszeitpunkten dokumentiert: in der
ersten (T1), fünften (T2), neunten (T3) und zwölften (T4) Woche der Studie. Die Erhebung des Konsumverhaltens und des psychischen Befindens
bei den Patienten fand nur in der zwölften Woche (T4), d. h. in der Abschlusserhebung, statt. In den Fällen, in denen die Studie vorzeitig
beendet oder abgebrochen wurde, wurde von den behandelnden Ärzten der bei regulärem
Ende (zu T4) vorgesehene Abschlussbogen ausgefüllt. Bei T4 handelt es sich daher um den jeweils letzten Erhebungszeitpunkt (T4/lzt), der nur bei vollständigem Durchlaufen der Studie in der zwölften Woche lag. Die
Behandlungsdauer variiert somit für alle Patienten, von denen ein Abschlussbogen vorliegt.
Untersuchungsgruppe
Die Daten der Fragebogen wurden einer Analyse der missing data und Plausibilitätsprüfungen
unterzogen, die Patienten-IDs wurden auf Unstimmigkeiten und Doppelungen überprüft.
Als Ergebnis dieser Datenbereinigung mussten die Datensätze von 37 der 427 Teilnehmer
von der weiteren Auswertung ausgeschlossen werden. Für die Auswertung standen somit
die Datensätze von 390 Teilnehmern zur Verfügung, von denen die ärztlichen Aufnahmebogen
vorliegen. Die ebenfalls bei Behandlungsbeginn vorgelegten Patientenfragebogen füllten
jedoch nur 314 Teilnehmer (81 % von 390) aus [23].
Bei 47 % dieser Patientengruppe (n = 148) wurde ein ambulanter Entzug durchgeführt.
Von nur 92 Patienten, entsprechend 62 %, liegen Informationen zu den wichtigsten Verlaufsvariablen
zum letzten Erhebungszeitpunkt (T4/lzt) vor (Tab. [1]).
Tab. 1 Stichprobengrößen zu Behandlungsbeginn (T0) und Studienende (T4/lzt), durchschnittlicher Zeitraum zwischen den Erhebungszeitpunkten
|
T0
|
T4/lzt
|
Zeitspanne |
| ärztliche Untersuchung |
148 |
141 |
81,7 Tage |
| Urinkontrollen |
136 |
114 |
84,7 Tage |
| Patientenfragebogen |
147 |
92 |
89,4 Tage |
Werden die Entzugspatienten (n = 148) mit den übrigen Patienten, die eine Buprenorphinerhaltungs-
oder Überbrückungstherapie erhielten (n = 166), bezüglich allgemeiner Merkmale und
Behandlungsdaten zu Therapiebeginn verglichen, zeigen sich keine signifikanten Unterschiede.
Erwähnenswert ist lediglich, dass der Anteil an Patienten, die direkt aus einer Substitutionsbehandlung
kommen, sowie der Anteil an Selbstzahlern unter den Entzugspatienten etwas höher ist
(Tab. [2]).
Für knapp ein Drittel der Entzugspatienten war der Beginn der Buprenorphinbehandlung
gleichbedeutend mit einem Einstieg (oder Wiedereinstieg) in die ambulante Substitutionsbehandlung.
69 % wurden bereits substituiert, wobei die Dauer der bisherigen Substitutionsbehandlung
zwischen 2 Wochen und 10 Jahren variierte. Dabei wurde die Mehrheit der auf Buprenorphin
umgestiegenen Patienten zuvor mit Methadon substituiert, 18 % mit Levomethadon.
Tab. 2 Vergleich zwischen Entzugspatienten und Patienten mit Erhaltungstherapie („Restgruppe”)
hinsichtlich Geschlecht, Alter und Behandlungsdaten
|
Entzugspatienten |
Restgruppe |
| Geschlecht |
|
|
| männlich |
66 % |
63 % |
| weiblich |
34 % |
37 % |
| Durchschnittsalter, Jahre |
32,0 ( ± 7,5) |
31,7 ( ± 7,4) |
| bisherige Substitution |
69 % |
59 % |
| Substitutionsdauer, Monate |
28,3 ( ± 26,0) |
25,7 ( ± 26,2) |
| Substitutionsmittel |
|
|
| d,l-Methadon |
47 % |
37 % |
| Levomethadon |
18 % |
13 % |
| Dihydrocodein |
2 % |
5 % |
| keine Angaben |
2 % |
3 % |
| Hauptgrund für Behandlung |
|
|
| mittleres/niedriges Abhängigkeitsniveau |
- |
33 % |
| bisherige Substitution nicht erfolgreich |
- |
22 % |
| geplanter Entzug mit Eigenmotivation |
100 % |
- |
| psychische Auffälligkeit |
- |
21 % |
| Überbrückungssubstitution |
- |
8 % |
| Sonstiges |
- |
15 % |
| Finanzierung |
|
|
| AUB/BUB (KK) |
58 % |
68 % |
| Selbstzahler |
31 % |
23 % |
| Sozialamt |
10 % |
8 % |
| n |
148 |
166 |
Im Alter von 20,8 Jahren begannen die Patienten, regelmäßig Heroin zu konsumieren.
Etwa zur gleichen Zeit (mit durchschnittlich 21,1 Jahren) erfolgte der Einstieg in
den regelmäßigen Kokainkonsum. Die soziale Lebenssituation der Entzugspatienten zu
Behandlungsbeginn stellte sich insgesamt - im Vergleich zur Situation der Opiatabhängigen
in Deutschland [27] - sehr stabil dar (Tab. [3]). Die Mehrheit lebte (mit Partner, Kindern oder allein) in einer eigenen Wohnung.
Lediglich 2 Personen lebten zu Studienbeginn in Gelegenheitsunterkünften oder waren
obdachlos (1 %). Insbesondere die Erwerbssituation war in der Untersuchungsgruppe
vergleichsweise gut. Mit insgesamt 62 % waren fast zwei Drittel der Patienten in einer
regelmäßigen (Teilzeit-)Beschäftigung oder in einer Ausbildung.
Tab. 3 Die soziale Situation der Entzugspatienten bei Studienbeginn (n = 148)
|
Anteil in % |
| Partnerschaft |
|
| allein stehend |
30 |
| zeitweilige Beziehungen |
9 |
| feste Beziehung, getrennt lebend |
16 |
| feste Beziehung, zusammen lebend |
43 |
| keine Angaben |
3 |
| Kinder |
|
| ja |
40 |
| nein |
56 |
| keine Angaben |
4 |
| Wohnsituation |
|
| mit Partner und/oder Kindern |
45 |
| bei Eltern/Familienangehörigen |
16 |
| mit Freunden/in WG |
5 |
| allein, in eigener Wohnung |
32 |
| keine feste Wohnsituation/obdachlos |
1 |
| keine Angaben |
1 |
| Erwerbssituation |
|
| ganztags tätig |
39 |
| regelmäßige Teilzeitarbeit |
9 |
| unregelmäßige Teilzeitarbeit |
5 |
| Schüler, Student, Azubi |
9 |
| (Früh-)Rentner |
2 |
| arbeitslos |
26 |
| in Institution |
- |
| Hausfrau, Hausmann |
6 |
| keine Angaben |
3 |
Ergebnisse
Ergebnisse
Aus den Angaben der Ärzte ergibt sich, dass drei Viertel der Patienten die Entzugsbehandlung
regulär abschlossen (73 %). Zu einem vorzeitigen Abbruch kam es bei 22 %, bei weiteren
5 %, bei denen die diesbezüglichen Angaben fehlen, ist von einem Behandlungsabbruch
auszugehen. Insgesamt nahmen die Teilnehmer im Durchschnitt 75,8 ( ± 32,3) Tage, also
fast elf Wochen an der Studie teil (n = 104). Die regulären Beender blieben durchschnittlich
86,2 (± 26,7) Tage in der Studie, die Abbrecher nur 46,1 ( ± 28,5) Tage. Der Großteil
der abbrechenden Patienten schied bereits in der ersten Woche aus der Studie aus,
bzw. es lagen keine Informationen über den Status oder die Behandlungsaufnahme vor
(Abb. [1]).
Abb. 1 Teilnahmedauer an der Entzugsbehandlung in Wochen - Haltequote (n = 148).
Von 24 Teilnehmern, die die Entzugsbehandlung abbrachen (entsprechend 60 % aller Abbrecher),
liegen Angaben zu den Gründen vor. Am häufigsten wurde ein Abbruch auf Wunsch des
Teilnehmers (42 %) bzw. aufgrund des Nichterscheinens (33 %) angegeben. Eine unerwünschte
Wirkung des Buprenorphins lag bei keinem Patienten als Abbruchgrund vor. Bei 38 %
der Teilnehmer spielte unerlaubter Beigebrauch eine Rolle, die Behandlung abzubrechen.
Dosierungsverlauf
Bei der Beschreibung des Dosierungsverhaltens muss zwischen Patienten, die die Entzugsbehandlung
regulär beendeten bzw. deren Behandlung einen regulären Verlauf nahm, und den Abbrechern
unterschieden werden. Diese unterschiedlichen Behandlungsverläufe spiegeln sich im
Dosierungsprozess wider (Abb. [2]). Es fällt auf, dass bereits die Eingangsdosis der regulären Beender mit durchschnittlich
6,6 mg deutlich höher ist als die der (späteren) Abbrecher (4,8 mg, t-Test: t = 2,7,
p < 0,01). Im Verlauf der ersten Woche (T1) stieg die Buprenorphindosis in beiden Gruppen leicht an, um im weiteren Behandlungsverlauf
bis Woche 12 (T4/lzt) auf etwa 60 % des Ausgangswerts abzusinken. Auch hier liegt die Durchschnittsdosis
der Beender (4,1 mg) wiederum signifikant über der der Abbrecher (2,8 mg, t-Test:
t = 2,1, p < 0,05).
Abb. 2 Dosierung von Buprenorphin in Abhängigkeit vom Behandlungsstatus.
Behandlungseffekte
Für die Auswertung des Drogenkonsums standen zum einen die Urinkontrollen (UK) und
zum anderen die Selbstauskünfte der Patienten zur Verfügung. Wie aus Tab. [1] ersichtlich ist, liegen allerdings nicht von allen Patienten Informationen zum Zeitpunkt
des Behandlungsendes (T4) vor: 92 Patienten haben den Erhebungsbogen ausgefüllt, von 114 Personen liegen die
Ergebnisse der Urinproben vor.
Im Mittelpunkt der Buprenorphinbehandlung steht der Entzug von Opioiden. Anhand der
Urinkontrollen zu T4 nahmen 72 % der Patienten zum Ende der Entzugsbehandlung (innerhalb des 12-wöchigen
Untersuchungszeitraums) kein Heroin, Methadon oder andere Opiate mehr. Bezogen auf
alle 148 Patienten sind dies immer noch 55 %. Bei den Opiaten zeigt sich ein Verlauf,
der zum einen das Ergebnis der Selbstauskünfte hinsichtlich des deutlichen Rückgangs
der Konsumprävalenz bestätigt (siehe unten). Zum anderen ergibt sich, dass dieser
Rückgang sehr schnell einsetzte, bereits zu T1 sank der Anteil opiatpositiver UK-Ergebnisse von 43 auf 20 %. Dieser Anteil verringerte
sich weiter auf 14 % und stabilisierte sich auf diesem Niveau (Abb. [3]). Ferner ist eine leichte Abnahme beim Nachweis von Benzodiazepinen und Kokain zu
beobachten, die allerdings keine statistische Signifikanz aufweist. Deutlich erkennbar
ist der Rückgang an Methadon-positiven Urinproben, der den Umstieg auf Buprenorphin
im Rahmen der Entzugsbehandlung aufzeigt.
Abb. 3 Anteil positiver UK-Ergebnisse von Methadon, Opiaten, Benzodiazepinen und Kokain zu
allen Erhebungszeitpunkten. McNemar-Test zwischen T0 und T4/lzt: Methadon: χ2 = 50,4, p < 0.001, n = 90; Opiate: χ2 = 17,4, p < 0.001, n = 104; Benzodiazepine: Binomial, n. s., n = 94; Kokain: Binomial,
n. s., n = 96.
Werden die Selbstauskünfte der Patienten zum Drogen- und Alkoholkonsum dargestellt,
d. h. die Anzahl an Tagen mit Konsum in den letzten 30 Tagen, die bei Beginn und am
Ende der Studie erhoben wurden, ergibt sich folgendes Bild: Es zeigt sich ein deutlicher
Rückgang der Prävalenzrate für Heroin (Tab. [4], linke Hälfte). Während bei Behandlungsbeginn mehr als die Hälfte der Patienten
Heroin konsumierte, waren es am Ende der Untersuchung noch 16 %. Dementsprechend gab
es einen signifikanten Rückgang des intravenösen Drogengebrauchs von 31 auf 9 %. Auch
der Konsum von nicht verschriebenem Methadon ging deutlich zurück (von 13 auf 1 %).
Bei der Betrachtung der Konsumintensität bzw. -frequenz, also der Anzahl an Tagen
mit Konsum, ergibt sich ein ähnliches Bild (Tab. [4], rechte Hälfte). Auch hier sind es v. a. die Intensitäten von Heroin, nicht verschriebenem
Methadon und intravenösem Konsum, die sich im Durchschnitt signifikant verringerten.
Die ohnehin sehr geringen Konsumfrequenzen von Benzodiazepinen und Barbituraten, Amphetaminen
und Halluzinogenen blieben im Wesentlichen unverändert.
Tab. 4 Konsumverhalten bei Behandlungsbeginn und zum Zeitpunkt der Abschlussuntersuchung
(Konsum innerhalb der letzten 30 Tage, Patientenangaben, T0: n = 147, T4/lzt: n = 92)
|
Prävalenz |
Intensität (Konsumtage) |
|
T0
|
T4/lzt
|
Sign.[1)]
|
T0
|
T4/lzt
|
Sign.[2)]
|
| Alkohol jegl. Konsum |
55 % |
36 % |
n. s. |
5,1 ( ± 8,0) |
5,2 ( ± 7,9) |
n. s. |
| Alkohol b. z. Trunkenheit |
12 % |
9 % |
n. s. |
0,8 ( ± 3,7) |
0,6 ( ± 2,2) |
n. s. |
| Heroin |
51 % |
16 % |
χ2 = 13,8 ** |
9,0 ( ± 12,0) |
1,7 ( ± 4,4) |
t = 5,2 ** |
| Schwarzmarkt-Methadon |
13 % |
1 % |
[3)] * |
0,7 ( ± 3,0) |
0,1 ( ± 0,4) |
t = 1,8 † |
| Benzodiazepine |
16 % |
11 % |
n. s. |
1,1 ( ± 4,5) |
1,7 ( ± 6,1) |
n. s. |
| Barbiturate |
2 % |
1 % |
n. s. |
0,1 ( ± 0,5) |
0,3 ( ± 1,9) |
n. s. |
| Kokain |
18 % |
7 % |
n. s. |
1,1 ( ± 4,0) |
0,5 ( ± 1,7) |
t = 2,0 † |
| Amphetamine |
5 % |
4 % |
n. s. |
0,1 ( ± 0,5) |
0,6 ( ± 3,3) |
n. s. |
| Cannabis |
53 % |
30 % |
n. s. |
8,2 ( ± 11,2) |
7,2 ( ± 10,6) |
t = 2,0 † |
| Halluzinogene |
5 % |
1 % |
n. s. |
0,2 ( ± 1,4) |
0,0 ( ± 0,1) |
n. s. |
| mehr als 1 Substanz/Tag |
34 % |
16 % |
3) † |
4,2 ( ± 8,6) |
3,0 ( ± 7,6) |
t = 1,9 † |
| i. v.-Konsum |
31 % |
9 % |
χ2 = 8,0 ** |
5,0 ( ± 9,8) |
0,8 ( ± 2,4) |
t = 4,1 ** |
|
1) McNemar-Test (n = 92): ** p < 0.01
2) t-Test für abhängige Stichproben (n = 92): † p < 0.10; * p < 0.05; ** p < 0.01
3) exakte Signifikanz basierend auf Binomialverteilung (n = 92): † p < 0.10; * p <
0.05
|
Entscheidend für den Verlauf der Entzugsbehandlung ist die Bekämpfung von Entzugssymptomen.
Abb. [4] zeigt den Verlauf der Entzugssymptomatik anhand der SOWS sowie aus ärztlicher Sicht. Dabei ist zu beachten, dass statt des SOWS-Gesamtscores der Mittelwert für die Darstellung berücksichtigt wird. Dieser kann
Werte zwischen 0 und 3 annehmen und lässt sich daher gemeinsam auf einer Skala mit
den ärztlichen Einschätzungen abbilden. Die Entzugssymptomatik war in der Untersuchungsgruppe
bereits bei Behandlungsbeginn relativ gering ausgeprägt. Dennoch ergab sich bei der
Betrachtung der SOWS-Mittelwerte ein kontinuierlicher Rückgang der Entzugssymptomatik (Repeated measures
ANOVA: Pillai‘s trace = 0,37, df = 67, p < 0,001), der sich nach 5 Wochen Behandlungsdauer
(zu T2) etwas abschwächte. Auch aus ärztlicher Sicht ging die Entzugssymptomatik im Verlauf
der Studie zurück (Repeated measures ANOVA: Pillai‘s trace = 0,25, df = 97, p < 0,001),
der Effekt war aber insgesamt nicht so deutlich wie bei den Patienteneinschätzungen.
Dies könnte jedoch darauf zurückzuführen sein, dass die Einschätzungen der Ärzte erst
an T1 einsetzten.
Abb. 4 Verlauf der Entzugssymptomatik aus Patientensicht (SOWS) und aus ärztlicher Sicht.
Ratingskala Entzugssymptomatik: 0 = „gar keine”, 1 = „etwas”, 2 = „mäßig”, 3 = „stark”.
Einflussfaktoren des Behandlungserfolgs
Was unterscheidet Patienten, die die Entzugsbehandlung erfolgreich beendet haben,
von jenen, denen es nicht gelungen ist, im Verlauf der 12-wöchigen Behandlung den
Opiatkonsum einzustellen? Zu diesem Zweck werden diese Patientengruppen miteinander
verglichen. Der Vergleich erfolgt nicht anhand der Ärzteangaben zum Abbruch oder regulären
Ende der Behandlung (siehe oben), da auch unter den regulären Beendern noch Patienten
Opiate konsumieren bzw. unter den Behandlungsabbrechern Patienten mit dem Opiatkonsum
aufgehört haben. Als Vergleichsvariable wird das Ergebnis der letzten Urinkontrolle
(zu T4/lzt) bei 114 Patienten herangezogen. Wie bereits dargestellt, lassen sich bei 72 % der
Patienten zum Ende der Entzugsbehandlung kein Methadon oder andere Opiate mehr im
Urin nachweisen. Sieht man vom Alter ab - die Patienten, die die Entzugsbehandlung
erfolgreich beendeten, sind mit 33,2 Jahren im Durchschnitt fünf Jahre älter als die
anderen (28,3 Jahre) -, bestehen hinsichtlich der Patientenmerkmale und der Lebenssituation
zu Behandlungsbeginn keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. Auch in
der Behandlungsdauer gibt es keine bedeutsamen Unterschiede. Legt man die Patientenaussagen
zugrunde, gebrauchten die erfolgreichen Beender zu Behandlungsbeginn an durchschnittlich
8,9 Tagen, die nicht erfolgreichen Patienten an 9,9 Tagen innerhalb des letzten Monats
Heroin. Bis zum letzten Untersuchungszeitpunkt reduzierte sich dieser Konsum erheblich:
auf durchschnittlich einen Tag pro Monat bei den Erfolgreichen sowie auf - definitionsbedingt
höhere - 3,3 Tage bei den anderen Patienten. Ähnlich verhält es sich beim Vergleich
des Konsums von anderen Drogen wie Kokain, Benzodiazepinen und Alkohol. Die erfolgreichen
Beender gebrauchen zum Ende etwas mehr Alkohol und Benzodiazepine, nehmen aber weniger
Kokain als die Patienten, die nicht von Opiaten entzogen haben. Hinsichtlich der Veränderung während der Behandlung ist jedoch bei beiden Gruppen ein Rückgang des Konsums dieser
Substanzen festzustellen. Ähnlich verhält es sich mit der Anzahl von opiatbedingten
Nebenwirkungen und psychischen Symptomen wie Depressivität und Ängstlichkeit. Sowohl
unter den erfolgreichen Entzugspatienten als auch unter den (außer Buprenorphin) weiterhin
Opiate konsumierenden Patienten gehen die Nebenwirkungen zurück und es kommt zu einer
deutlichen Abnahme von depressiven und Angstsymptomen. Signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen bestehen aber weder zu Behandlungsbeginn noch zum Zeitpunkt der
letzten Untersuchung. Damit können, abgesehen vom Alter, bedeutsame Einflussfaktoren
bzw. Variablen, die einen möglichen Erfolg der Entzugsbehandlung begünstigen würden,
nicht nachgewiesen werden.
Diskussion
Diskussion
In einer naturalistischen Anwendungsbeobachtung über zwölf Wochen wurde der Einsatz
von Buprenorphin im Rahmen der ambulanten Entzugsbehandlung bei niedergelassenen Ärzten
untersucht [23]. Von 314 insgesamt in die Untersuchungen einbezogenen Patienten wollten 148 mit
Hilfe von Buprenorphin einen Drogenentzug durchführen (47 %). Damit scheint sich der
Einsatz von Buprenorphin für die ambulante Entzugsbehandlung aus Sicht der an der
AWB teilnehmenden Ärzte besonders anzubieten. Der mit 31 % vergleichsweise hohe Anteil
an Patienten, die die Behandlung selbst bezahlen, deutet auf eine hohe Motivation
unter den Betroffenen hin, den Gebrauch von Opiaten aufzugeben. Ein weiterer Erklärungsgrund
für den hohen Anteil an Selbstzahlern dürfte in der insgesamt relativ guten Gesamtsituation
der Entzugspatienten liegen. Sieht man davon ab, dass unter den Entzugspatienten der
Anteil an bereits (überwiegend mit Methadon) Substituierten etwas höher ist, unterscheidet
sich diese Patientengruppe nicht von denen, die eine Maintenance- oder Überbrückungsbehandlung
mit Buprenorphin anstrebten.
Die Situation der Untersuchungsgruppe bei Behandlungsbeginn war gekennzeichnet durch
ein insgesamt eher niedriges Konsumniveau, einen relativ guten Gesundheitszustand
und meist stabile soziale Verhältnisse. Die Konsumprävalenzen wie auch die Konsumintensitäten
waren in der Untersuchungsgruppe, verglichen mit anderen Drogenabhängigen am Beginn
einer Entzugsbehandlung, eher niedrig. Damit ist insgesamt eine relativ gute Gesamtsituation
der Untersuchungsgruppe zu konstatieren. Dies resultiert z. T. sicherlich daraus,
dass Patienten mit niedrigem bis mittlerem Abhängigkeitsniveau explizit als Zielgruppe
der Buprenorphinbehandlung ausgewählt wurden. Allerdings könnten auch Selektionseffekte
im Vorfeld der Behandlung eine Rolle gespielt haben, die sich aus der Pharmakodynamik
von Buprenorphin ergeben. Die Entzugsbehandlung mit einem im Vergleich zu Methadon
weniger sedierenden Medikament könnte einerseits gerade für Drogenabhängige in einer
eher guten Gesamtsituation besonders attraktiv sein, andererseits auch von den behandelnden
Ärzten als besonders geeignet für diese Klientel angesehen werden.
Patienten, die die Entzugsbehandlung regulär beenden, haben gegenüber den (späteren)
Abbrechern eine etwas höhere Anfangsdosierung. Dies kann darauf hindeuten, dass die
Einstellungsdosis beim buprenorphingestützten Entzug nicht zu niedrig angesetzt werden
sollte. Ob bei einigen Patienten bewusst eine niedrigere Anfangsdosis gewählt wurde,
um möglichst schnell eine Dosisreduktion herbeizuführen - die dann aber nicht zum
gewünschten Effekt führte -, kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht geklärt werden.
Es fällt zudem auf, dass sich bei regulären Beendern und Abbrechern ein ähnlicher
Abdosierungsverlauf bis auf ca. 60 % der Anfangsdosis ergibt. Bevorstehende Behandlungsabbrüche
schienen sich entweder nicht anzudeuten oder aber es wurde bei Problemen nicht von
der Möglichkeit Gebrauch gemacht, mit einer Erhöhung der Buprenorphindosis zu reagieren,
um bevorstehende Behandlungsabbrüche möglicherweise zu vermeiden.
Im Zentrum der Analyse der Behandlungseffekte stehen die Veränderungen im Konsumverhalten
und in der Entzugssymptomatik. Beim Konsumverhalten kam es in der Untersuchungsgruppe
zu einem besonders deutlichen Rückgang der Konsumprävalenz und -intensität von Heroin
sowie zu einer etwas schwächeren Verringerung des Kokainkonsums. Auch der Konsum nicht
verschriebenen Methadons verringerte sich, wie zu erwarten, sehr deutlich. Nach 5
Wochen Behandlung sind bei den Entzugspatienten kaum noch methadon- oder opiatpositive
Urinproben vorhanden.
Darüber hinaus kam es im Verlauf der Behandlung mit Buprenorphin zu einer Verringerung
der Entzugssymptomatik, sowohl aus Sicht der Patienten als auch nach Einschätzung
der Ärzte. Dabei traten analog zu den Veränderungen im Konsumverhalten die größten
Veränderungen am Anfang der Behandlung auf und diese stabilisierten sich dann im weiteren
Verlauf. Parallel zur Abnahme des Opiatgebrauchs ist die Entzugssymptomatik nach 5
Wochen auf einem sehr niedrigen Niveau angelangt. Allerdings zeigt sich, dass hier
die Effekte trotz überwiegend signifikanter Ergebnisse insgesamt eher gering sind.
Dies ist in erster Linie auf die bereits bei Behandlungsbeginn relativ geringe Belastung
durch Entzugssymptome zurückzuführen, was wiederum darauf hindeutet, dass für die
Untersuchungsteilnahme - die Studie begann bereits wenige Tage nach der Zulassung
von subutex® zur Substitutionsbehandlung - zunächst Patienten ausgewählt wurden, die aus Sicht
des Arztes besonders geeignet erschienen.
Bezogen auf alle 148 Patienten, die die Entzugsbehandlung mit Buprenorphin begonnen
haben, lassen sich zum Zeitpunkt der letzten Erhebung bei über der Hälfte keine Opiate
oder Methadon mehr nachweisen. Die Intensität des Heroinkonsums sank in dieser Patientengruppe
von durchschnittlich 9 auf einen Tag innerhalb des letzten Monats. Auch in der anderen
Gruppe, bei der zum Untersuchungsende noch Opiat- oder Methadongebrauch festgestellt
werden konnte, ging der Heroinkonsum deutlich zurück. Damit kann der ambulanten Entzugsbehandlung
mit Buprenorphin insgesamt eine hohe Wirksamkeit bescheinigt werden. Beim Vergleich
der beiden Patientengruppen fällt auf, dass sich, abgesehen vom höheren Alter der
erfolgreichen Beender, aus dieser Untersuchung keine den Verlauf der Entzugsbehandlung
beeinflussenden Variablen feststellen lassen konnten. Weder ein zu Behandlungsbeginn
höherer Opiatkonsum noch stärkere im Behandlungsverlauf auftretende Nebenwirkungen
oder Entzugserscheinungen, die ein Scheitern der Entzugsbehandlung wahrscheinlich
gemacht hätten, stehen mit dem Behandlungserfolg im Zusammenhang.
Einschränkend muss erwähnt werden, dass nicht von allen Patienten umfassende und valide
Informationen zum Verlauf der Behandlung vorliegen (je nach Untersuchungsgegenstand
zwischen 92 und 114 Personen von 148). Deshalb können die insgesamt positiven Effekte
nur auf Patienten bezogen werden, die über einen bestimmten Zeitraum in der Entzugsbehandlung
verbleiben. Ferner unterliegt diese Studie den üblichen Einschränkungen naturalistischer
Verlaufsstudien wie z. B. dem Fehlen einer Kontrollgruppe oder der nicht vorhandenen
Nachuntersuchung von Drop-outs. Dies schränkt die Generalisierbarkeit der beobachteten
Befunde ein. Der deutliche Konsumrückgang auch bei Patienten, denen kein Behandlungserfolg
innerhalb der 12-wöchigen Untersuchungsperiode bescheinigt werden konnte, deutet jedoch
darauf hin, dass es für viele Opiatabhängige nützlich sein kann, eine ambulante Entzugsbehandlung
mit Buprenorphin anzubieten.