Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(45): 2372-2376
DOI: 10.1055/s-2003-43433
CME
Intensivmedizin
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Septischer Schock und systemisches Entzündungsreaktions-Syndrom - Therapie

Septic shock and systemic inflammatory response syndrome - treatmentU. Müller-Werdan1
  • 1Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin III, Halle-Wittenberg
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Priv.-Doz. Dr. med. Ursula Müller-Werdan

Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin III, Universität Halle-Wittenberg

Ernst-Grube-Straße 40

06097 Halle

Phone: 0345/5572816, -2601

Fax: 0345/5572072

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Publication History

akzeptiert: 31.7.2003

akzeptiert: 24.9.2003

Publication Date:
06 November 2003 (online)

Table of Contents #

Evidenz-basierte Therapie vor Konsens-basierter Therapie

Die Sepsistherapie wird noch überwiegend als eine „auf Konsens basierende” Therapie durchgeführt, welche auf der individuellen Erfahrung und auf der Konvention des einzelnen Arztes oder Zentrums mit der Sepsisbehandlung beruht. Ein effektives Vorgehen muss jedoch auch die „auf Evidenz basierende Therapie” mit einschließen und damit Informationen berücksichtigen, welche sich aus der einheitlichen und systematischen Erfassung und Verarbeitung von Ergebnissen möglichst großer Sepsispatienten-Kollektive ergeben. Die Sichtung klinischer Studien im Sinne der Ergebnisforschung („evidence-based-medicine”, „outcome research”) mit einer Graduierung (Tab. [1]) erbrachte die im Folgenden aufgeführten Therapievorschläge. Die aktuellsten Stellungnahmen finden sich in [6] [7] [11] [12] [13] [15] [16] [21] [22] [24].

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Die „Eckpfeiler” der Sepsis-Therapie

Das Gesamtkonzept der Sepsistherapie ruht auf fünf Säulen:

  1. Herdsanierung

  2. antiinfektiöse Therapie

  3. supportive Therapie des Organdysfunktionssyndroms, (initial insbesondere Herz-Kreislauftherapie, ausreichende Gewebeoxygenierung)

  4. Adäquate Ernährung, allgemeine Intensiv-Therapie und Intensiv-Pflege

  5. Unterbrechung des Toxin-/Mediator-Netzwerkes durch Neutralisation, Antagonisierung und Elimination sowie durch antiinflammatorische und immunmodulatorische Maßnahmen (adjuvante Sepsistherapie).

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1. Herdsanierung

Die Herdsanierung ist die entscheidende kausale Therapie einer Sepsis [12]. Dabei sollte immer auch an sanierbare Ursachen, wie nosokomiale Infektionen, akalkulöse Cholezystitis und Sinusitis gedacht werden.

Tab. 1 Klassifizierung der Evidenz-Basierten Sepsis-Therapie.

Empfehlungsgrad A

Mindestens zwei Klasse-I-Studien.

Empfehlungsgrad B

Eine Klasse-I-Studie.

Empfehlungsgrad C

Nur Klasse-II-Studien.

Empfehlungsgrad D

Wenigstens eine Klasse-III-Studie.

Empfehlungsgrad E

Klasse IV- oder Klasse-V-Evidenz.

Die Empfehlungsgrade basieren auf folgenden Evidenzgraden:

Evidenzgrad I

Große, randomisierte Studien mit eindeutigen Ergebnissen; geringes Risiko falsch-positiver (alpha) oder falsch-negativer (beta) Fehler.

Evidenzgrad II

Kleine, randomisierte Studien mit unsicheren Ergebnissen; mäßiges bis hohes Risiko eines falsch-positiven (alpha) oder falsch-negativen (beta) Fehlers.

Evidenzgrad III

Nicht-randomisierte Studien mit zeitgleichem Kontrollkollektiv.

Evidenzgrad IV

Nicht-randomisierte historische Kontrollkollektive und Expertenmeinungen.

Evidenzgrad V

Kasuistikstudien; nichtkontrollierte Studien und Expertenmeinungen.

In Anlehnung an [12] [16].

Ziel ist zuerst die Elimination oder zumindest die Eingrenzung des infektiösen oder traumatisch-toxischen Herdes als Quelle der Sepsis. Hierzu dienen chirurgische Verfahren, wie Exzisionen und Drainagen, frühzeitige Laparotomie und Relaparotomien, offene Bauchbehandlung bei abdomineller Sepsis, die Spülbehandlungsverfahren bei Peritonitis sowie das Entfernen infizierter Katheter und die Nekrosektomien [12]. Die Wirksamkeit einer frühzeitigen Osteosynthese bei Polytraumata in Bezug auf das Auftreten von Multiorganversagen und ARDS ist durch retrospektive und prospektive Behandlungsstudien belegt.

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2. Antiinfektiöse Therapie

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Blutkulturen

Zur Diagnostik sollten rasch mindestens zwei getrennt gezogene Blutkulturen und entsprechende andere Keimproben abgenommen werden. Allerdings schließen bei septischem Schock negative Blutkulturen eine disseminierte Gewebesiedlung keinesfalls aus. Bei weniger als der Hälfte - meist nur bei einem Drittel - aller Sepsispatienten finden sich positive Blutkulturen [20]!

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Erregerspektrum und Ausgangsfocus

Das Erregerspektrum ist abhängig von verschiedenen Faktoren (z.B. Art der Intensivstation). Als aktuelles Erregerspektrum der Sepsis sind anzusehen [5] [10] [12] [20]: Staphylococcus aureus 15-20 %, Koagulase-negative Staphylokokken 9-24 %, Enterokokken 5-8 %, Streptokokken 3-14 %, Escherichia coli 11 - 24 %, Enterobacter 3-5 %, Klebsiella 4-6 %, Pseudomonas aeruginosa 4-5 %, Stenotrophomonas maltophilia 0,3-2 %, Candida 1-7 %, intraabdominelle Anaerobier 2,4 %, nicht klassifizierte Keime 4,5 %, polymikrobielle Infektionen 11,1 %.

Als Infektionsfoci dominieren bei Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock die Lunge mit 36 %, das Blut mit 20 %, die Abdominalorgane mit 19 %, der Urogenitaltrakt mit 13 % und die Haut und das Weichteilgewebe mit 7 % [9] [12].

Pilze sind seltene Sepsiserreger - meist Candida sp., seltener Aspergillus sp. - vor allem bei immunsupprimierten Patienten (Tumorpatienten unter zytostatischer Therapie; HIV-Patienten).

Bei den ambulant erworbenen Bakteriämien dominieren als Keime Staphylococcus aureus, E. coli und koagulasenegative Staphylokokken. Sie gehen am häufigsten vom Urogenitaltakt und von intravasalen Kathetern aus, die Sterblichkeit liegt bei 14 %. Dabei stellen Schock (relatives Risiko 3,7), Nierenversagen [4,0], Pneumonie [6,3], intraabdominelle Infektion [10,7] und multiple Herde [13,4], die wesentlichen prognosebestimmenden Risikofaktoren dar [17].

Es lohnt sich, zwischen einer nosokomialen und einer ambulant erworbenen Sepsis zu differenzieren, da erfahrungsgemäß trotz gleicher Keimgruppe - z. B. Klebsiella - bei der nosokomialen Sepsis die Prognose ungünstiger ist.

Viren sind äußerst seltene Sepsiserreger. Hantaviren können ein sepsisähnliches Bild hervorrufen, mit den Leitsymptomen Schüttelfrost, therapierefraktäre Zephalgien, beidseitige Flankenschmerzen, akutes Nierenversagen und schwere Thrombozytopenie.

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Therapieempfehlungen

Zur antiinfektiösen Therapie liegen die Empfehlungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie zur antimikrobiellen Therapie der Sepsis [5] und die des Internationalen Sepsis Forum [12] vor. Natürlich dürfen die allgemeinen Prinzipien der Antibiotikatherapie auf der Intensivstation nicht außer Acht gelassen werden [14]. Bei der Mehrzahl der Sepsis-Patienten muss initial infolge des Fehlens eines Erregers eine kalkulierte antiinfektiöse Therapie beginnen.

Die antiinfektiöse Therapie muss keimgezielt, optimal dosiert und unter Berücksichtigung des geographischen Resistenzmusters erfolgen. Eine adäquate Antibiotikatherapie bessert die Prognose von Patienten mit schwerer Sepsis bzw. septischem Schock (Empfehlungsgrad D bei Gram-negativer Bakteriämie, Empfehlungsgrad E bei Gram-positiver Bakteriämie, Empfehlungsgrad D bei Candidämie). Die Relevanz der Antibiotika-induzierten Zytokin- und Endotoxinfreisetzung ist nicht ausreichend untersucht.


kurzgefasst: Höchste Priorität haben bei der Sepsistherapie Herdsanierung und antiinfektiöse Therapie.

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3. Adjuvante Therapie des Multiorgan-Dysfunktionssyndroms

Die sofortige und adäquate Volumensubstitution ist der entscheidende erste Schritt der adjuvanten Sepsis-Multiorgan-Dysfunktionssyndrom(MODS)-Therapie, gegebenenfalls - bei respiratorischer Insuffizienz - in Verbindung mit der Beatmungstherapie. Die adjuvante Therapie der weiteren Organdysfunktionen des septischen Patienten orientiert sich dann am Ausmaß der jeweiligen Organ-Funktionsstörung.

Die Wertigkeit der adjuvanten Sepsistherapie darf dabei nicht überschätzt werden:

  • Die adjuvante Therapie kann manche septisch eingeschränkte Organfunktion

    • zeitlich „unbegrenzt” ersetzen: Niere

    • zeitlich begrenzt unterstützen: Lunge, Kreislauf, Herz, Gerinnung, Magen-Darm, Stoffwechsel

    • bisher nicht wirksam unterstützen: Leber, Hirn, Nervensystem, Muskulatur (insbesondere Atemmuskulatur).

  • Wesentliche Fortschritte wurden nur bei der supportiven Therapie der Lungendysfunktion und der Herz-Kreislauftherapie erzielt.

  • Die supportive Therapie führt zu keiner Erholung der Organschädigung!

  • Der Sepsispatient stirbt nicht am MODS, sondern im MODS.

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Therapie der Organdysfunktionen von Kreislauf und Herz

Voraussetzung für eine wirksame hämodynamische Sepsistherapie ist eine möglichst frühzeitige Diagnose und Schweregradeinschätzung von Sepsis, septischem Schock und septischem MODS. Primäre Ansatzpunkte der Behandlung des septischen Kreislaufschocks und der akuten septischen Kardiomyopathie sind [18]:

  • Kreislaufdysfunktion mit Vasodilatation.

  • Systolische und diastolische Funktionsstörung des linken und rechten Ventrikels. Die Schädigung des Herzens in der Sepsis - akute septische Kardiomyopathie - wird häufig unterschätzt, sind doch Herzzeitvolumen (HZV) und Herzindex (HI) aufgrund der dramatischen Nachlastsenkung infolge toxischer Vasodilatation (systemischer Gefäßwiderstand {SVR} 200-600 dyn × sek × cm-5) scheinbar nicht wesentlich erniedrigt oder sogar erhöht, aber nur im Vergleich zum Herzgesunden mit normalem systemischem Gefäßwiderstand von 1100±200 dyn × sek × cm-5. Eine realistische Einschätzung der septischen Herzfunktionseinschränkung ist nur dann möglich, wenn man Herzzeitvolumen und Herzindex in Relation zur erniedrigten Nachlast - gemessen als Erniedrigung des SVR - setzt. Niedrigere SVR-bezogene HZV/HI-Werte als erwartet sprechen für eine sepsisbedingte Herzfunktionseinschränkung (septische Kardiomyopathie), vorbestehende Herzerkrankungen ausgeschlossen.

  • Rechtsventrikuläre Dysfunktion bei pulmonaler Hypertonie infolge ARDS.

  • Kardiale Begleiterkrankungen.

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Entscheidend ist die möglichst rasche Volumensubstitution

Am Beginn dieser symptomatischen Behandlung steht die ausreichende Volumensubstitution zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Mindestens 60-70 % der Patienten müssen darüber hinaus auch noch mit vasoaktiven-inotropen Substanzen - überwiegend Katecholamine und Katecholaminderivate - behandelt werden. Ziel ist dabei die Wiederherstellung einer suffizienten Durchblutung der Vitalorgane und Gewebe, ehe sich ein Zellschaden ausbilden kann. Die Sicherstellung einer suffizienten Durchblutung erfordert einen ausreichenden Herzindex und Blutdruck. Kurze Perioden einer ausgeprägten Minderperfusion werden besser toleriert als gravierende Blutdruckabfälle. Demzufolge hat initial die Aufrechterhaltung eines mittleren Blutdrucks von mehr als 60-65 mmHg Priorität vor dem Anheben des Herzindex auf Werte von > 4,0-4,5  l/min/m2. Die Durchblutung sollte zumindest so gesteigert werden, dass der arterielle Laktatspiegel unter 2,2 mEq/l verbleibt.

Nicht die Wahl eines spezifischen Volumenersatzmittels oder eines spezifischen Katecholamins ist das für das Überleben des Sepsispatienten Entscheidende, sondern der möglichst frühzeitige Beginn einer adäquat gesteuerten Volumen-Katecholamin-Therapie: Die beeindruckenden Ergebnisse der hämodynamisch gesteuerten Herz-Kreislauf-Therapie bei Sepsispatienten bereits auf der Notaufnahmestation sprechen eine klare Sprache [19].

Die Volumentherapie wird durchgeführt, um Blutdruck, Herzfrequenz und Diurese zu stabilisieren (Tab. [2]). Das Monitoring der Volumentherapie kann sowohl mittels zentralem Venendruck (ZVD) als auch mit dem Pulmonalarterienkatheter (PAK) durchgeführt werden [8]. Es ist nicht gesichert, ob eine PAK-gesteuerte Therapie die Prognose des septischen Schocks verbessern kann (Emfehlungsgrad D). Falls ein PAK-Monitoring vorhanden ist, so sollten diejenigen - meist relativ hohen - kardialen Füllungsdrucke eingestellt werden, welche zum maximal erzielbaren Herzzeitvolumen führen.

Tab. 2 Zielkriterien der Volumentherapie.

Die Volumengabe sollte erfolgen, bis

  • diskrete Zeichen einer intravasalen Volumenüberladung (basale Lungen-Rasselgeräusche oder eine Zunahme der pulsoxymetrischen O2-Sättigung) auftreten,

  • ein ZVD von 8-14 mmHg erreicht ist [8],

  • ein Pulmonalkapillardruck („Pulmonary capillary wedge pressure“, PCWP) von 14-18 mmHg erreicht ist,

  • ein systolischer Blutdruck (SBP) ≥ 90 mmHg erreicht ist,

  • oder ein mittlerer arterieller Blutdruck (MAP) von ≥ 60-65 mmHg erzielt ist.

Bei Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock in der Notaufnahme sind Hämodynamik-Korridore („Early Goal Directed Therapy” als Zielkriterien validiert (°) : Σ (ZVD 8-12 mmHg + MAP (≥ 60 mmHg und ≤ 90 mmHg) + ScvO2 ≥ 70 %) [19].

° Spezifische Sepsiseinschlusskriterien beachten - siehe Literaturverweise [8] [19].

Nach Erreichen der Zielkriterien SBP ≥ 90 mmHg oder MAP ≥ 60-65 mmHg (Tab. [2]) sollte in regelmäßigen Abständen bis zur Überwindung der Sepsis eine hämodynamische Reevaluierung vorgenommen werden. Werden die Zielkriterien nicht erreicht, sollten die Gabe von aktiviertem Protein C und von Hydrocortison in Betracht gezogen werden (Empfehlungsgrad E, [8]) und eine Differentialtherapie mit Vasopressoren und dem inotrop wirksamen Dobutamin (siehe unten) in Erwägung gezogen werden [8].

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Volumenersatzmittel/Transfusion

Es ist nicht geklärt, ob kolloidale oder kristalloide Lösungen prognostisch günstiger sind (Empfehlungsgrad C). Abfälle des kolloidosmotischen Drucks sollten vermieden werden (Empfehlungsgrad C). Es ist nicht geklärt, ob auf den Einsatz von Albumin bei septischem Schock verzichtet werden sollte: Empfehlungsgrad C. Zu bevorzugen sind wegen der niedrigeren Kosten die im Vergleich zu Albumin äquieffektiven Plasmaersatzlösungen; individuelles Vorgehen ist angeraten.

Bezüglich des Einsatzes von Erythrozytenkonzentraten ist eine Differenzierung zwischen Patienten mit schwerer Sepsis, septischem Schock und Patienten mit schwerer Sepsis bzw. septischem Schock in der Notaufnahme erforderlich. Bei Patienten mit schwerer Sepsis sollte der Hämoglobinspiegel nicht unter 7-8 g/dl sinken (Empfehlungsgrad B). Bei Patienten mit septischem Schock kann kein minimal akzeptabler Hämoglobinspiegel angegeben werden (Empfehlungsgrad E), die meisten Experten empfehlen allerdings einen Wert von 9-10 g/dl. Bei Patienten mit schwerer Sepsis bzw. septischem Schock sollten in der Notaufnahme dann Erythrozytentransfusionen gegeben werden, wenn nach ZVD- und MAP-Einstellung mit Volumen und Vasopressoren ein ScvO2 ≤ 70 % persistiert [19].

Die Gabe von rekombinantem Erythropoietin reduziert bei kritisch Kranken die Transfusionspflichtigkeit, nicht jedoch klinisch relevante Endpunkte wie Überleben [3]. Den Einsatz bei Sepsis unterstützende Studiendaten liegen nicht vor.

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Katecholamintherapie: Fokussierung auf Noradrenalin und Dobutamin

Vasopressorische und inotrope Pharmaka sollten erst eingesetzt werden, wenn die alleinige Volumensubstitution keinen ausreichenden Perfusionsdruck erbringt (Zielkriterien der Volumentherapie Tab. [3]). Der Einsatz adrenerg wirksamer Substanzen scheint die Prognose der Patienten mit septischem Schock zu verbessern (Empfehlungsgrad E). Als Katecholamine der Wahl haben sich in letzter Zeit Noradenalin und Dobutamin herauskristallisiert (Tab. [3]), wohingegen Dopamin und Adrenalin aufgrund eines ungünstigeren Nebenwirkungsprofils eher Katecholamine der zweiten Wahl „geworden sind”. Noradrenalin wird aufgrund seiner vasopressorischen Hauptwirkung immer dann bevorzugt, wenn der „Kreislauf-Schock” dominiert (Vasodilatation, Schock bei Herzindex >  4,0  l/min/m2). Dobutamin ist bei schwerer septischer Kardiomyopathie (Schock bei Herzindex <  4,0  l/min/m2) als dominanter Schockursache zusätzlich oder primär angezeigt. Die Differenzierung des Schockzustandes - primär „Kreislauf-Schock” oder „Herz-Schock” - kann anhand der Interpretation des Herzzeitvolumens und des systemischen Gefäßwiderstandes erfolgen. Phosphodiesterasehemmer sind keine Pharmaka der ersten Wahl (Empfehlungsgrad C).

Die Therapie mit vasopressorischen und inotropen Pharmaka kann sich an mehreren Algorithmen orientieren [6] [8] [19].

Tab. 3 Therapie mit vasoaktiven und inotropen Pharmaka.

  • Beim Einsatz adrenerger Substanzen sollten zusätzlich inotrop wirksame den reinen Vasopressoren vorgezogen werden.

  • Zur Behandlung der Hypotension werden in den internationalen Empfehlungen Noradrenalin und Dopamin als gleichwertige Substanzen der ersten Wahl angesehen (Empfehlungsgrad E); das deutsche Expertenforum [6] spricht sich dagegen eindeutig für Noradrenalin aus.

  • Als Inotropikum der ersten Wahl gilt Dobutamin (Empfehlungsgrad D).

  • Ob bei der Behandlung des septischen Schocks die Kombinationstherapie mit Noradrenalin und Dobutamin der Monotherapie mit Dopamin überlegen ist, wird von den internationalen Empfehlungen als unsicher eingestuft (Empfehlungsgrad C).

  • Nach den internationalen Empfehlungen sollte Adrenalin nicht bevorzugt werden (Empfehlungsgrad C); das deutsche Expertenforum [6] sieht Adrenalin bei septischem Schock als Mittel der letzten Wahl.

  • Routinemäßige niedrigdosierte Dopamingabe („Nierendosis”) ist nicht zu empfehlen (Empfehlungsgrad D).


kurzgefasst: Für das Überleben des Sepsispatienten ist der möglichst frühzeitige Beginn einer adäquat gesteuerten Volumen-Katecholamin-Therapie entscheidend.

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Systemisches Sauerstoffangebot

Ein hyperzirkulatorisches Hämodynamik-Muster korreliert bei Intensivpatienten mit septischem Schock mit einer günstigen Prognose (Empfehlungsgrad C). Demzufolge wird den Sauerstoffindizes (Sauerstoff-Angebot, Sauerstoff-Verbrauch), dem Serum-Laktat und der Magenmucosa-Tonometrie prognostische Bedeutung zugeschrieben. Fehlt eine Gewebesauerstoffschuld, scheint bei kritisch kranken Intensivpatienten ein supranormales systemisches Sauerstoffangebot (Herzindex > 4,5  l/min × m2; Sauerstoffangebot >  600  ml/min × m2; Sauerstoffverbrauch >  170 m/min × m2) die Überlebenswahrscheinlichkeit nicht zu verbessern, vor allem wenn diese Zielkriterien mit zum Teil sehr hohen Katecholamindosen erzwungen werden. Demzufolge sollte das „Konzept der supranormalen Sauerstoffversorgung” bei Patienten mit septischem Schock nicht routinemäßig angewendet werden. Die frühe zielgerichtete Herz-Kreislauftherapie („Early Goal Directed Therapy”, EGDT) in der Notaufnahme bei Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock führt zu einer geringeren Letalität als die Standardtherapie auf der Intensivstation [19] [24]. Dieses EGDT-Konzept - mit einer Limitierung der Dobutaminkonzentration auf 20 µg/kg/min - fußt auf der Bereitstellung eines ausreichenden Sauerstoffangebotes, welches zu einer zentralvenösen Sättigung von mindestens 70 % führt (Spezifische Sepsiseinschlusskriterien beachten - siehe Literaturverweise [19].

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Einsatz von aktiviertem Protein C und Kortikosteroiden in moderater Dosierung

Der Einsatz von aktiviertem Protein C (Drotrecogin alfa, aktiviert) sollte bei allen erwachsenen Patienten in der Frühphase einer schweren Sepsis oder eines septischen Schocks und einer ungünstigen Prognose erwogen werden (Spezifische Sepsiseinschlusskriterien beachten - siehe Literaturverweise [24] [4]).

Der Einsatz von Kortikosteroiden in moderater Dosierung (Hydrocortison (200-300 mg täglich) in Kombination mit Fludrocortison (50 µg täglich) sollte bei Patienten mit refraktärem septischem Schock, insbesondere bei denjenigen Patienten mit relativer Nebennierenrindeninsuffizienz erwogen werden (Spezifische Sepsiseinschlusskriterien beachten - siehe Literaturverweise [2] [24]). Vor Therapiebeginn sollte ein ACTH-Test durchgeführt werden [24].

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4. Ernährung bei Sepsispatienten und zur Sepsisprophylaxe

Die Einleitung einer Ernährungsbehandlung verbessert die Prognose des Sepsispatienten (Empfehlungsgrad E). Die enterale Ernährung wird generell bei katabolen kritisch Kranken und damit auch bei septischen Patienten bevorzugt (Empfehlungsgrad C). Die Patienten, die für einen prolongierten Zeitraum keine enterale Ernährung tolerieren oder bei denen Kontraindikationen (Mesenterialischämie, mechanischer Ileus) gegen diese Form der Nahrungszufuhr vorliegen, sollten parenteral ernährt werden (Empfehlungsgrad E). Immunstimulierende Diäten könnten bei kritisch Kranken in Abhängigkeit von ihrer Zusammensetzung günstiger sein als enterale Standarddiäten; allerdings ist der Wirksamkeitsnachweis hinsichtlich einer Letalitätssenkung noch nicht erbracht (Empfehlungsgrad B). Besonders bei chirurgischen Intensivpatienten sollte der Blutzucker auf normoglykämische Werte von 80-110 mg/dl (4,4-6,1 mmol/l) mit Insulininfusionen (maximal 50 IU/h) eingestellt werden, um das Auftreten septischer Komplikationen und die Sepsis-bedingte Letalität zu senken (Spezifische Sepsiseinschlusskriterien beachten - siehe Literaturverweise [24] [23]).


kurzgefasst: Bei Patienten mit Sepsis wird die enterale Ernährung bevorzugt.

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5. Therapien zur Modifikation exzessiver Mediatorbildung

Der Einsatz der in Tab. [4] aufgeführten Substanzen ist nicht zu empfehlen. Bezüglich der Gabe von Immunglobulinen (Immunglobulin-G-Präparate (ivIgG), Immunglobulin-GMA-Präparat (ivIgGMA)) ist die Datenlage heterogen. Das Internationale Sepsis-Forum [12] empfiehlt, intravenöse Immunglobuline bei schwerer Sepsis nicht einzusetzen, weder bei Erwachsenen (Empfehlungsgrad C), noch bei Neugeborenen (Empfehlungsgrad C). In einer Cochrane-Meta-Analyse [1] wird das relative Risiko durch intravenöse Immunglobuline (ivIg), ivIgG- und ivIgGMA-Präparate, bei Sepsis und septischem Schock gesenkt. Dabei war die relative Risikoreduktion durch ivIgGMA-Präparate größer als durch ivIgG-Präparate. Die Plazebo-kontrollierte SBITS-Studie (Score-Based Immunoglobulin Treatment in Sepsis study) [25] zeigte keine Letalitätssenkung durch ivIgG bei Sepsis-Patienten mit Sepsis-bedingtem Multiorgan-Dysfunktionssyndrom (Sepsis-Score nach Elebute und Stoner von 12 - 27 und einem APACHE-II-Score von 20 - 35).

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Prophylaxemaßnahmen

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Verhinderung einer Sepsis

Zur Verhinderung des Auftretens einer Sepsis dienen Infektions-Prophylaxemaßnahmen:

Tab. 4 Modifikation exzessiver Mediatorbildung.

Nicht zu empfehlen zur Modifikation exzessiver Mediatorbildung sind:

  • Anti-Endotoxintherapien (Empfehlungsgrad A),

  • hochdosierte Steroide (Empfehlungsgrad A; siehe aber „Einsatz von Kortikosteroiden in moderater Dosierung”),

  • Anti-TNFα-Antikörper und lösliche Anti-TNF-Rezeptoren im Sepsis-Gesamtkollektiv

    Interleukin-1-Rezeptor-Antagonisten,

  • PAF-Antagonisten,

  • Granulozyten-Kolonie-stimulierende Faktoren (Empfehlungsgrad C),

  • Ibuprofen (Empfehlungsgrad B),

  • Pentoxifyllin (Erwachsene: Empfehlungsgrad B; Kinder: Empfehlungsgrad C),

  • N-Acetylcystein (Empfehlungsgrad C),

  • Selen (Empfehlungsgrad C),

  • Vitamine C, E,

  • Antithrombin (Empfehlungsgrad B),

  • Interferon (Empfehlungsgrad C),

  • Wachstumshormon (Empfehlungsgrad A).

  • allgemeine Prophylaxe nosokomialer Infektionen,

  • Prophylaxe Katheter-assoziierter Infektionen,

  • Stressulkus-Prophylaxe,

  • Infektionsprophylaxe mit Immunglobulinen,

  • selektive Dekontamination des Verdauungstraktes (SDD),

  • „Single-Shot”-Antibiotikaprophylaxe bei perkutaner endoskopischer Gastrotomie (PEG).

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Prophylaxemaßnahmen bei Patienten mit Sepsis

Die Thromboseprophylaxe verbessert die Prognose des Sepsispatienten (Empfehlungsgrad A). Eine Stressulkusprophylaxe verbessert die Prognose des Sepsispatienten

  • bei Patienten mit prolongierter mechanischer Beatmung, Hypotension und Koagulopathie (Empfehlungsgrad A)

  • bei allen anderen Sepsispatienten (Empfehlungsgrad C)

Autorenerklärung: Die Autorin leitet derzeit ein wissenschaftliches Projekt, das von der Firma Biotest unterstützt wird, und war in der Vergangenheit mehrfach an Industrie-geförderten Forschungsvorhaben beteiligt bzw. leitete solche Projekte.

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Literatur

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Priv.-Doz. Dr. med. Ursula Müller-Werdan

Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin III, Universität Halle-Wittenberg

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