ZFA (Stuttgart) 2003; 79(11): 523
DOI: 10.1055/s-2003-44770
Editorial

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Der Verlust der goldenen Rüstung...

Wilhelm Niebling
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Publication Date:
26 November 2003 (online)

»Wir werden in diesen Tagen Zeugen einer unheilvollen Metamorphose: Unsere Ärzte, die für den Bürger ehedem der Inbegriff des kompetenten, empathischen, abgeklärten, zielgerichteten und mitunter auch allwissenden Lebensbegleiters waren, verlieren-was für niemanden ein gutes Zeichen sein kann- ihre goldene Rüstung und zeigen sich als verunsicherte und orientierungslose Spezies«.

So zu lesen in der FAZ vom 1. Oktober diesen Jahres(Nr.228/Seite N1).

Sind wir wirklich verunsichert und orientierungslos? Ich meine ja, - und es gibt genügend Gründe dafür: Das Gesundheitsmodernisierungsgesetz mit seinen noch nicht zu überschauenden Auswirkungen auf unsere Tätigkeit als Hausärzte, die darin festgelegte Verpflichtung zur Einrichtung eines Qualitätsmanagementes auch im vertragsärztlichen Bereich, die ständige Diskussion um Über-, Unter- und Fehlversorgung basierend auf den Gutachten des Sachverständigenrates und schliesslich Entwicklungen im stationären Bereich, so die Einführung von DRG's und die Umsetzung des jüngsten Urteils des Europäischen Gerichtshofes zum ärztlichen Bereitschaftsdienst. All das vor dem Hintergrund einer stagnierenden Wirtschaft und anhaltend hohen Arbeitslosenzahlen mit einer zwangsläufigen finanziellen Erosion unseres Sozialsystems. Dem entgegen stehen die Bedürfnisse und Ansprüche unserer Patientinnen und Patienten. In dieser ambivalenten Situation ist eine inner(haus)ärztliche Diskussion zu verfolgen, die uns spalten und polarisieren könnte: Auf der einen Seite Kolleginnen und Kollegen, die mit großer Sorge eine zunehmende normative Einengung und Beeinflussung ihres ärztlichen Tun und Handelns beklagen. Auf der anderen Seite Befürworter von nach ihrer Einschätzung notwendigen medizinischen Entscheidungshilfen, Steuerungsinstrumenten und innovativen Betreungskonzepten. Beide Seiten nehmen für sich in Anspruch verantwortungsbewusst und nach ethischen Kriterien zu handeln. Wer sind die »guten«, wer die »schlechten« Ärzte? Lassen Sie sich nicht in diese Entscheidungsfalle locken! Gute Ärzte werden ihre Patienten nicht zu einer »Kosten- und Normgröße« degradieren, nur weil sie Leitlinien und strukurierte Behandlungsprogramme in ihren ärztlichen Entscheidungs- und Handlungsprozess integrieren. Eine blanke Verweigerungshaltung gegenüber allen Reformansätzen, wie sie gelegentlich auch von den Organen der ärztlichen Selbstverwaltung propagiert wird, ist nach meinem Dafürhalten jedenfalls kein Qualitätsindikator eines »guten Hausarztes«.

Dr. med. Wilhelm Niebling

Facharzt für Allgemeinmedizin

Schwarzwaldstraße 69

79822 Titisee-Neustadt