Ob Asthma bronchiale oder chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) - immer mehr Patienten sind heute davon betroffen. Doch obwohl seit 1991 mit den weltweit anerkannten GINA[1]-Guidelines das Vorgehen bei der Behandlung eines Asthmatikers klar definiert ist, erhält eine große Zahl der Betroffenen keine optimale Behandlung. So klagen europaweit 61 % der Asthmatiker über schwere Asthmaanfälle, fast ein Drittel berichtet über Notfallsituationen, 63 % brauchen kurz wirkende Beta-2-Agonisten als Akutmedikamente, und fast zwei Drittel geben an, dass sie den Alltagsanforderungen nicht gewachsen und bei sportlichen Aktivitäten eingeschränkt sind - dies belegen die Ergebnisse der AIRE[2]-Studie. Doch nicht nur beim Asthma besteht demnach erheblicher Aufklärungsbedarf, auch bei der Diagnose und der Therapie der COPD ist noch viel zu verbessern.
Asthma bronchiale
Die medikamentöse Therapie des Asthma bronchiale hat sich in den letzten zehn Jahren deutlich gewandelt. Ausgehend von der Erkenntnis, dass die chronische Entzündung im Mittelpunkt des Krankheitsgeschehens steht, haben sich inhalative Kortikoide (IC) als Basistherapie etabliert. Allerdings zeigen die Daten der AIRE-Studie, dass die Verordnungshäufigkeit dieser Medikamente unbefriedigend ist: In Deutschland beispielsweise erhalten nur etwa 25 % der Asthma-Patienten inhalative Kortikoide [27]. Grundsätzlich erfolgt die Therapie des Asthmas nach dem Schweregrad des Krankheitsbildes. Die Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga für die Langzeittherapie des Asthmas bei Erwachsenen [36] fasst [Tabelle 1] zusammen.
Bedarfsmedikation
Inhalative, kurz wirksame Beta-2-Sympathomimetika sind die wichtigsten Substanzen zur symptomatischen Kontrolle des Asthma bronchiale bei allen Schweregraden der Erkrankung. Diese sollten bedarfsorientiert verwendet werden: So fordert die Deutsche Atemwegsliga bei Patienten mit nur leichtem Asthma (Schweregrad 1) keine Dauermedikation. Inhalieren solche Patienten jedoch mehrfach täglich kurz wirksame Beta-2-Sympathomimentika, um ihren Symptomen entgegenzuwirken, ist das Therapiekonzept kritisch zu überprüfen - und der Patient sollte inhalative Kortikoide in niedriger Dosis erhalten. Denn bei alleiniger, häufiger Anwendung der Beta-2-Sympathomimetika kann der Patient möglicherweise eine Toleranz entwickeln, was den Verlust der Schutzwirkung gegenüber bronchokonstriktorischen Reizen mit sich bringt. Eine Kombination der Beta-2-Sympathomimetika mit inhalativen Kortikoiden kann dies jedoch verhindern.
Die kürzlich vorgestellte START[3]-Studie zeigte, dass der Einsatz inhalativer Kortikoide (Budesonid 400 μg/Tag bei Erwachsenen und 200 μg/Tag bei Kindern) bei Patienten mit leichtem Asthma die Exazerbationsrate signifikant senkt [25]. Vergleichbare Erkenntnisse lieferten auch Arbeiten mit Fluticason [22]
[23]. Aufgrund dieser Ergebnisse ist klar: Inhalative Kortikoide können auch bei Asthmatikern mit Schweregrad 1 indiziert sein.
Dauermedikation und Kombinationspartner
Inhalative Kortikoide sind die wirksamsten „Controller” in der Langzeittherapie des Asthma bronchiale. Da diese eine flache Dosis-Wirkungskurve aufweisen, sollte - auch unter dem Aspekt der Minimierung unerwünschter Wirkungen - grundsätzlich eine möglichst niedrige Erhaltungsdosis angestrebt werden. Falls eine Monotherapie mit inhalativen Kortikoiden keinen ausreichenden Erfolg erzielt, ist ihre Kombination mit einem lang wirksamen Beta-2-Sympathomimetikum indiziert. Die empfohlenen Tagesdosen für die Therapie der verschiedenen Schweregrade (Stufe 2-4) des Asthma bronchiale sind in [Tabelle 2] dargestellt. Übliche Tagesdosen bei den Beta-2-Sympathomimetika sind z.B. 100 μg Salmeterol bzw. 24 μg Formoterol [26].
Wird eine niedrig dosierte Kortikoidtherapie mit dem Beta-2-Sympathomimetikum kombiniert, ermöglicht dies eine bessere Kontrolle der Symptome als die Erhöhung der Dosis des inhalativen Kortikoids [1]. Ursache hierfür könnten - neben der bronchodilatatorischen Wirkung der Substanzen - zusätzliche Effekte der lang wirksamen Beta-2-Sympathomimetika auf die Entzündungszellen sein, die in vitro nachgewiesen wurden [8]
[21]. Inwieweit dies von klinischer Bedeutung ist bzw. die antientzündliche Wirkung inhalativer Kortikoide verstärkt, ist jedoch fraglich.
Gleichwertig oder partiell günstiger als die Verdopplung der Dosis eines inhalativen Kortikoids ist die additive Gabe eines Theophyllin-Retard-Präparats zur bestehenden Kortikoidbehandlung [18]
[33]. Im Vergleich mit der zusätzlichen Applikation von Beta-2-Sympathomimetika (Salmeterol) schneidet Theophyllin aber etwas schlechter ab - insbesondere steigt die Inzidenz unerwünschter Wirkungen [37]. Verbessern lässt sich die Kontrolle des Asthma bronchiale auch durch eine Kombinationstherapie von inhalativen Kortikoiden und Leukotrienantagonisten (Montelukast). Jedoch ist zu beachten, dass der bronchodilatatorische Effekt von Beta-2-Sympathomimetika (Salmeterol) im Vergleich höher ist [15]
[19].
In [Tabelle 3] sind einige wichtige pharmakologische Unterschiede zwischen verschiedenen inhalativen Kortikoiden und auch Beta-2-Sympathomimetika aufgelistet: So weist Salmeterol eine um den Faktor 200 höhere Selektivität für den Beta-2-Adrenorezeptor auf als Formoterol [2]. Die Wirkung von Formoterol jedoch tritt schneller ein als die von Salmeterol (34). Fluticason bindet länger an den Glukokortikoid-Rezeptor und hat eine niedrigere Bioverfügbarkeit als Budesonid und Beclomethason [9]
[13]. In äquieffektiver Dosis vermindert Fluticason (1000 μg) - im Gegensatz zu Budesonid (1600 μg) - die 24-Stunden-Kortisolausscheidung im Urin nicht [20].
Problemfälle - was tun?
Bei akuten Exazerbationen und persistierenden schweren Formen des Asthmas, die durch eine Kombinationstherapie mit inhalativen Kortikoiden und lang wirksamen Beta-2-Sympathomimetika, möglicherweise ergänzt durch die Gabe von Theophyllin, nicht kontrolliert werden können, sind orale Kortikoide indiziert. In der Regel reicht eine initiale Dosierung von 25-50 mg Prädnisonäquivalent, gefolgt von einer Erhaltungsdosis von 2,5-10 mg Prädnisonäquivalent täglich zur Kontrolle der Symptome aus. Bevor jedoch diese Therapieoption initiiert wird - insbesondere, wenn ein längerer Einsatz der Substanz abzusehen ist - sollten die in Tabelle 4 aufgelisteten Faktoren überprüft werden.
Denn leidet der Patient beispielsweise gleichzeitig an einer Refluxerkrankung - im Kollektiv der Asthmapatienten sind dies übrigens zwischen 20 und 30 % - ist die Bronchokonstriktion möglicherweise auf die Mikroaspiration von Magensaft und die Aktivierung des Vagus zurückzuführen. Dann ist ein Therapieversuch mit Protonenpumpenhemmstoffen (PPI) indiziert. Diese sollten dann in einer Dosis von 40 mg/Tag über einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten gegeben werden.
Bleibt trotz der systemischen Kortikoidgabe in einer Dosierung von 40 mg Prädnisonäquivalent/Tag der Therapieerfolg aus - verbessert sich also das exspiratorische Ein-Sekunden-Volumen (FEV1) um weniger als 15 % des Ausgangswerts -, liegt eine Kortikoidresistenz vor. Mögliche Ursachen dieser ungenügenden Wirkung der Kortikoide können unter anderem eine verminderte Bindung des Kortikoid-Glukokortikoid-Rezeptors an die DNA, verursacht durch eine gesteigerte Expression bestimmter Transkriptionsfaktoren, sein [31]. Auch in solchen Fällen sollten die Faktoren, die in der [Tabelle 4] aufgeführt sind, nochmals kontrolliert werden. Zudem ist an die Möglichkeit einer Resorptionsstörung (z.B. Herzinsuffizienz) oder einer Interaktion mit anderen Medikamenten zu denken und schließlich auch die Diagnose erneut zu überprüfen.
Die Möglichkeiten zur Überwindung einer Kortikoidresistenz sind begrenzt. Möglich ist beispielsweise die zusätzliche Gabe anderer immunsuppressiver Medikamente (Methotrexat, Ciclosporin A, Gold). Der therapeutische Erfolg ist allerdings fraglich und das Nebenwirkungsrisiko erheblich. Verstoffwechselt werden die Kortikoide über das Cytochrom-P-450 3A4 (CYP3A4). Induktoren von CYP3A4 sind Carbamazepin, Rifabutin, Rifampicin, Barbiturate und Johanniskraut [11].
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung
Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ist pathomorphologisch ein breites Erkrankungsbild. Dieses reicht von einer inflammatorisch verursachten chronisch obstruktiven Bronchitis bis hin zum Lungenemphysem. Bei Letzterem ist eine erfolgreiche Pharmakotherapie schlecht möglich. Anders als beim Asthma bronchiale stehen bei der COPD nicht die Eosinophilen, sondern aktivierte Granulozyten im Vordergrund des Entzündungsprozesses. Letztere sprechen jedoch auf die Behandlung mit Kortikoiden nicht oder nur schlechter an.
Monotherapien
Daher umfasst die Standardtherapie der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung primär eine bronchodilatierende Therapie mit Beta-2-Sympathomimetika bzw. Anticholinergika. Sie richtet sich nach dem Schweregrad der Erkrankung und umfasst nach den Vorgaben der Deutschen Atemwegsliga [38] gleichwertig medikamentöse und nichtmedikamentöse Maßnahmen [Tab. 5].
Beta-2-Sympathomimetika sollten grundsätzlich inhalativ angewendet werden. Dabei sind lang wirksame Substanzen (Salmeterol, Formoterol) wegen der günstigeren Therapietreue den kurz wirksamen Beta-2-Sympathomimetika vorzuziehen. Beta-2-Sympathomimetika verbessern die Lungenfunktion und können die Anzahl an Exazerbationen vermindern [16]
[17].
Die kurz wirksamen Anticholinergika (Ipratropiumbromid, Oxitropiumbromid) zeigen im Vergleich mit kurz wirkenden Beta-2-Sympathomimetika eine ähnlich gute Wirkung, einige Studien haben sogar eine bessere Langzeitwirkung dokumentiert [7]. Lang wirksame Beta-2-Sympathomimetika sind ihnen jedoch bezüglich der Bronchodilatation und der Reduktion von Exazerbationen überlegen [17].
Das lang wirksame Anticholinergikum Tiotropiumbromid erwies sich - bezüglich verschiedener Wirksamkeitskriterien - dem Ipratropiumbromid als überlegen [12]. Ob Tiotropiumbromid - bezüglich der Reduktion von Exazerbationen - besser abschneidet als lang wirksame Beta-2-Sympathomimetika, kann zurzeit jedoch noch nicht sicher beurteilt werden. Theophyllin wiederum ist ein schwächerer Bronchodilatator als lang wirksame Beta-2-Sympathomimetika bzw. Anticholinergika; nur etwa 50 % der Patienten mit COPD profitieren von einer solchen Therapie [14]. Limitierend für die Theophyllin-Therapie ist zudem die größere Häufigkeit unerwünschter Wirkungen.
Kombinationstherapien
Die kombinierte Gabe eines Beta-2-Sympathomimetikums (kurz und lang wirksam) und eines Anticholinergikums bzw. Theophyllin kann gegenüber den Einzelsubstanzen eine additive bronchodilatierende Wirkung erzielen. Allerdings sind die Ergebnisse der vorliegenden Studien uneinheitlich [5]
[6]
[10]
[28]
[39]. Bislang nicht untersucht ist die kombinierte Gabe von lang wirksamen Beta-2-Sympathomimetika mit Tiotropiumbromid.
Kortikoidtherapie
Orale Kortikoide haben bei der Behandlung chronisch obstruktiver Lungenerkrankungen einen hohen Stellenwert, sie werden relativ häufig eingesetzt. Ihre Wirksamkeit ist für die Therapie der Exazerbation belegt, eine Langzeitbehandlung kann jedoch nicht empfohlen werden.
Kontrovers diskutiert wird dagegen der Einsatz inhalativer Kortikoide bei COPD-Patienten. Haben doch die in den 90er Jahren durchgeführten großen Langzeituntersuchungen (CCLS[4], Euroscope[5], ISOLDE[6] und LHS[7] II) keine erkennbaren positiven Effekte der inhalativen Kortikoide auf die jährliche Abnahme der FEV1-Werte erkennen lassen [3]
[24]
[32]
[35]. Andererseits konnte in der ISOLDE-Studie eine Reduktion von Exazerbationen durch den Einsatz von Fluticason nachgewiesen werden. Eine kanadische, epidemiologische Untersuchung mit über 20000 COPD-Patienten zeigte jedoch ein geringeres Mortalitätsrisiko unter dem Einsatz inhalativer Kortikoide [29].
Erst seit kurzer Zeit stehen jetzt auch Daten zur Kombinationstherapie mit inhalativen Kortikoiden und lang wirksamen Beta-2-Sympathomimetika zur Verfügung [4]
[30]. Laut den Ergebnissen der TRISTAN[8]-Studie konnte im Vergleich zur bestehenden Therapie (plus Plazebo) in drei unterschiedlichen Behandlungsgruppen (Fluticason, Salmeterol, Fluticason + Salmeterol) das exspiratorische Atemvolumen signifikant gesteigert werden. Am deutlichsten ausgeprägt war dieser Effekt unter der Behandlung mit der Kombination von Fluticason und Salmeterol. Die Exazerbationsrate war in allen drei Behandlungsgruppen am Endpunkt der Studie (52 Wochen) im Vergleich zu Plazebo vermindert [4].
Diese Erkenntnisse sprechen dafür, dass inhalative Kortikoide insbesondere in Kombination mit lang wirksamen Beta-2-Sympathomimetika, wie beispielsweise Salmeterol, den Krankheitsverlauf der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung positiv beeinflussen können. Sie sind daher bei COPD-Patienten der Schweregrade II und III indiziert. Insgesamt ist aber festzuhalten, dass sich mit keinem der vorhandenen pharmakologischen Therapieansätze das Fortschreiten des progredienten Lungenfunktionsverlustes bei der COPD vermindern lässt. Die Therapie ermöglicht eine Besserung der Beschwerden und eine Reduktion von Exazerbationen. Ob hier neue Therapieansätze (z.B. Phosphodiesterase-4-Hemmstoffe, p38 MAP-Kinase-Hemmstoffe) einen Fortschritt bringen, bleibt abzuwarten.