Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(1/2): 43-44
DOI: 10.1055/s-2004-812658
Pro & Contra
Gastroenterologie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Helicobacter pylori-Eradikation: Immer? - Contra

Helicobacter pylori eradication: always? - contraR. Arnold1
  • 1Klinik für Innere Medizin - Schwerpunkt Gastroenterologie und Endokrinologie, Philipps-Universität, Marburg
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eingereicht: 11.8.2003

akzeptiert: 4.12.2003

Publication Date:
02 January 2004 (online)

Die anfangs sehr emotional geführte Diskussion um die Indikation zur Sanierung einer H. pylori-Infektion ist mittlerweile einer moderateren Betrachtung der Sachlage gewichen. Das Diktum: „Nur ein toter H. pylori ist ein guter H. pylori” ist zu kurz gegriffen. Wäre die Aussage richtig, müssten bevölkerungsweite Maßnahmen zur Diagnostik und Therapie einer Infektion erfolgen. Das ist nicht der Fall. Zu den unumstrittenen Indikationen einer H. pylori-Sanierung zählen das durch H. pylori verursachte Ulcus duodeni und Ulcus ventriculi, eine Ulkusanamnese bei nachgewiesenem H. pylori-Befall sowie frühe Stadien des MALT-Lymphoms. Im Folgenden sollen thesenhaft jene Indikationen besprochen werden, für die der Autor dieser Arbeit aufgrund der gegenwärtigen Datenlage keinen Sanierungsbedarf erkennt.

1. Bei erfolgloser H. pylori-Sanierung steht für Patienten mit einem peptischen Ulkus eine wirksame Alternative zur Verfügung: die Dauertherapie mit einem Säurehemmer. Nach zwei erfolglosen Versuchen, eine H. pylori-Infektion zu sanieren, sollten nach Auffassung des Autors keine weiteren Sanierungsversuche erfolgen. Der Patient sollte vielmehr darüber informiert werden, dass ihn eine Dauertherapie mit einem Säurehemmer, ganz gleich ob Protonenpumpenhemmer oder H2-Blocker, in normaler oder halber Dosierung sicher vor einem Ulkusrezidiv schützt. Das hat beispielsweise die Ruderstudie gezeigt [1]. In dieser großen Studie erlitten nur 22,7 % der Patienten unter 2-jähriger Langzeittherapie mit 150 mg Ranitidin ein Ulkusrezidiv. Die Rezidivgefahr unter einer Langzeittherapie mit 300 mg Ranitidin oder 20 mg Omeprazol (bzw. einer äquivalenten Dosis eines der verfügbaren anderen Protonenpumpenhemmer) ist noch niedriger. Die Furcht vor einem Magenkarzinom kann in der Diskussion mit dem Patienten zerstreut werden, da Patienten mit einem Ulcus duodeni nahezu regelhaft vor dem Auftreten eines Magenkarzinoms geschützt sind.

2. H. pylori positive Patienten unter Langzeittherapie mit konventionellen nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) bedürfen immer einer Dauertherapie mit einem Säurehemmer, wenn sie zuvor eine NSAR bedingte Läsion erlitten oder aus einer solchen geblutet haben. Alleinige H. pylori Sanierung schützt sie nicht vor dem Ulkus- bzw. Blutungsrezidiv. Die häufigste Ulkusursache bei H. pylori-negativen Patienten ist eine NSAR-Therapie. Etwa 3-4,5 % aller Patienten, die regelmäßig konventionelle NSARs einnehmen, erleiden ein symptomatisches peptisches Ulkus. Die Inzidenz asymptomatischer Läsionen ist noch viel höher und liegt bei 15-30 % [2]. Das gilt auch für Patienten unter niedrig-dosierter Acetylsalicylsäuretherapie. Zwischenzeitlich wurde die Beziehung zwischen der Einnahme von NSAR, einer darüber hinaus bestehenden H. pylori-Infektion und dem Auftreten peptischer Läsionen intensiv untersucht. Die Angaben darüber, ob eine erfolgreiche H. pylori-Sanierung bei Weiterführung einer Therapie mit unselektiven NSAR-Präparaten ein Ulkusrezidiv verhindert, das Risiko vermindert oder keinen Effekt hat, sind widersprüchlich [3] [4]. Heute gilt, dass H. pylori und die Einnahme von NSAR unabhängige Risikofaktoren für die Ulkusentstehung darstellen. Das bedeutet, dass eine erfolgreiche H. pylori Sanierung nicht vor dem Auftreten von peptischen Läsionen bei weiterer Einnahme konventioneller NSAR-Produkte schützt. In einer vielbeachteten Untersuchung zum Effekt einer Dauertherapie mit einem Protonenpumpenhemmer (PPI) bzw. einer H. pylori-Sanierung bei Patienten, die entweder unter einer niedrig-dosierten Therapie mit Acetylsalicylsäure oder einer Therapie mit Naproxen standen, konnten die Autoren zeigen, dass nur Patienten unter Acetylsalicylsäure, nicht aber Patienten unter Naproxen von einer H. pylori Sanierung im gleichen Umfang wie von einer PPI-Dauertherapie profitierten [5].

3. Eine H. pylori-Sanierung bei Patienten mit Refluxkrankheit, bei denen zur Rezidivprophylaxe eine Langzeittherapie mit einem Protonenpumpenhemmer eingeleitet wurde oder wird, ist unbegründet und sollte daher nicht durchgeführt werden. Das wichtigste Argument der Befürworter einer H. pylori-Sanierung vor Einleitung einer PPI-Langzeittherapie bei Patienten mit Refluxkrankheit ist die Befürchtung, dass durch eine PPI-Therapie eine fortbestehende H. pylori-induzierte chronische Corpusgastritis verschlimmert werden könne, indem sie sich zu einer atrophischen Gastritis mit intestinaler Metaplasie und damit in Richtung auf eine Präkanzerose fortentwickelt [6]. Diese zum Teil leidenschaftlich hin und her diskutierte Frage wurde durch zwei Studien aufgelöst [7] [8]. So konnte gezeigt werden, dass sich die Corpusgastritis nur in den ersten beiden Jahren einer PPI-Therapie verschlimmert, dann aber konstant bleibt [7]. In einem Vergleich zwischen Patienten, die entweder einer Reflux-Operation ohne jegliche PPI-Therapie oder einer PPI-Dauertherapie unterzogen worden waren, fand sich auch über einen längeren Beobachtungszeitraum kein Unterschied in der Entwicklung einer atrophischen Gastritis [8]. Der Autor kommt damit zu dem Schluss, dass es keine wissenschaftlich fundierte Veranlassung gibt, Refluxpatienten auf das Vorhandensein von H. pylori zu testen und die Infektion zu behandeln. Die stärkeren Argumente sprechen für ein Belassen der Infektion, sollte sie überhaupt bestehen.

4. Eine H. pylori-Sanierung bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie führt höchstens in Ausnahmefällen (Beschwerden vom Ulkustyp) zu einem Sistieren der Beschwerden. Eine generelle Empfehlung zur H. pylori-Eradikation ist daher nicht gerechtfertigt, da sie dem Patienten nicht nützt. Eine Begründung zur H. pylori-Sanierung bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie fällt selbst vehementen Befürwortern einer generellen H. pylori-Sanierung schwer, da nahezu alle weltweit durchgeführten prospektiven Untersuchungen gezeigt haben, dass eine H. pylori- Sanierung die Symptomatik dieser Patienten nicht günstig beeinflusst [9-13].

5. Ein generelles bevölkerungsweites Screening auf H. pylori mit nachfolgender Sanierung der Infektion zur Magenkarzinomprophylaxe hat sich nirgends durchgesetzt. Selbst die Sanierung der Infektion bei Risikopatienten, d. h. solchen mit bereits bestehender atrophischer Gastritis, ist hinsichtlich ihrer Wirksamkeit unbewiesen. Eine H. pylori-Sanierungstherapie kann daher außerhalb kontrollierter Studien nicht empfohlen werden. Die Eradikation einer H. pylori-Infektion mit dem Ziel der Karzinomverhütung ist ein häufig vorgebrachtes Argument. Die Kernfrage ist und bleibt, ob eine Infektionssanierung tatsächlich die Karzinominzidenz günstig beeinflusst. Voraussetzung wäre die Verhinderung des Fortschreitens einer atrophischen Gastritis in Richtung prämaligner Veränderungen oder eine Regression der atrophischen Gastritis. Studien zur Beantwortung dieser Fragen laufen derzeit weltweit (in Deutschland beispielsweise die PRISMA-Studie). Deren Ergebnisse müssen abgewartet werden, bevor infizierten Patienten die Sanierung ihrer Infektion geraten werden kann oder muss, wenn nur so ein mögliches Magenkarzinom sicher verhindert werden kann. Gegenwärtig ist es nicht berechtigt, solche Empfehlungen auszusprechen. Vorläufige histologische Daten einiger Studien sprechen dafür, dass zumindest bei einem Teil der infizierten Patienten eine partielle Regression beobachtet werden kann, während bei anderen Patienten die Gastritis und intestinale Metaplasie sogar fortschreiten [14-16]. Andere Autoren beobachteten dagegen keine Änderung im Verlauf der Gastritis [15].

Autorenerklärung: Der Autor erklärt, dass er keine finanziellen Verbindungen mit einer Firma hat, deren Produkt in diesem Artikel eine wichtige Rolle spielt (oder mit einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt).

Literatur

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  • 14 Correa P, Fontham E TH, Bravo J C. et al . Chemoprevention of gastric dysplasia: randomised study.  Gastroenterology. 2000;  119 7-14
  • 15 Sung J J, Lin S R, Ching J YL. et al . Atrophy and intestinal metaplasia one year after cure of H. pylori infection: a prospective randomised study.  Gastroenterology. 2000;  119 7-14
  • 16 Sung J J, Lin S R, Leung W K. et al . Does eradication of H. pylori prevent deterioration of gastric atrophy and intestinal metaplasia? A 5-year follow-up.  Gastroenterology. 2002;  122 S1142

Prof. Dr. med. R. Arnold

Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie, Endokrinologie und Stoffwechsel

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