Suchttherapie 2004; 5(1): 37-40
DOI: 10.1055/s-2004-812943
Versorgung Aktuell
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Tiaprid in der Behandlung substanzbezogener Störungen

Tiapride in the Treatment of Substance Use DisordersIngo Schäfer1 , Falk Kiefer1 , Jens Reimer1 , Michael Krausz1
  • 1Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) der Universität Hamburg
Die Durchführung des Tiaprid-Expertenworkshops wurde von der Firma Sanofi-Synthelabo unterstützt.
Weitere Informationen

Dr. Ingo Schäfer

Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) der Universität Hamburg, c/o Zentrum für Psychosoziale Medizin

Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf

Martinistr. 52

20246 Hamburg

eMail: i.schaefer@uke.uni-hamburg.de

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
21. September 2005 (online)

Inhaltsübersicht #

Zusammenfassung

Der D2-Rezeptor-Antagonist Tiaprid, eine Substanz, die ursprünglich zur Behandlung von hyperkinetischen Störungen entwickelt wurde, hat sich bereits seit langem in der Therapie substanzbezogener Störungen bewährt. Die Wirksamkeit von Tiaprid in der Therapie des akuten Alkoholentzugssyndroms ist durch mehrere kontrollierte Studien belegt und es kann in Kombination mit Carbamazepin für den Routineeinsatz empfohlen werden. Vorteile von Tiaprid im Vergleich zu anderen eingesetzten Substanzen sind das fehlende Abhängigkeitsspotenzial, die nur geringen Interaktionen mit Alkohol, welche den frühzeitigen Einsatz bei noch positiven Blutalkoholkonzentrationen erlauben, sowie die gute Verträglichkeit. Seit kurzem liegen Untersuchungen vor, in denen die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Kombination Tiaprid/Carbamazepin mit der von Clomethiazol bzw. Benzodiazepinen im Alkoholentzug verglichen wurden. Zu weiteren Indikationen, etwa der Therapie des Opiatentzugs, liegen inzwischen in zunehmendem Umfang positive klinische Erfahrungen vor. Vor diesem Hintergrund war es das Ziel des ­Zentrums für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg im Rahmen eines Expertenworkshops während der Hamburger Suchttherapietage 2003, die verfügbare wissenschaftliche und klinische Evidenz zum Einsatz von Tiaprid in der Suchttherapie zusammenzuführen und zur Diskussion zu stellen.

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Abstract

Tiapride, a dopamine D2-receptor antagonist, originally developed for the treatment of hyperkinectic disorders, has been proved to be effective in the treatment of substance use disorders since a long time. Its efficacy in the management of the alcohol withdrawal syndrome has been demonstrated in several controlled clinical trials, and it can be recommended for routine use in combination with carbamazepine. The advantages of tiapride as compared to other substances are the absence of addictive potentials, the low degree of interactions with alcohol permitting its use in intoxicated patients and the good tolerability. Recent studies compared the efficacy and tolerability of a combination of tiapride and carbamazepine with clomethiazole or benzodiazepines in alcohol detoxification treatment. Positive clinical experiences are increasingly reported for other indications, e. g. opiate detoxification treatment. In order to compile and discuss the existing scientific and clinical evidence on the effects of tiapride in addiction treatment, the Centre of Interdisciplinary Addiction Research of the University of Hamburg conducted an expert workshop in the framework of the “Suchttherapietage 2003” in Hamburg.

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Einleitung

Der Therapie von Entzugssyndromen und ihrer möglichen Komplikationen kommt in der Pharmakotherapie substanzbezogener Störungen zentrale Bedeutung zu. Günstige Präparate sollten dabei möglichst kein eigenes Missbrauchs- oder Abhängigkeitspotenzial besitzen, möglichst geringe Wechselwirkungen mit Alkohol oder anderen Substanzen zeigen und aufgrund der Gefahr akzidenteller oder beabsichtigter Überdosierungen eine hohe therapeutische Breite besitzen. Schließlich sollten sie gut verträglich sein und möglichst geringe unerwünschte Wirkungen aufweisen. Die in Europa und den USA am häufigsten in der Therapie von Entzugssydromen eingesetzten Substanzen, Benzodiazepine und Clomethiazol, erfüllen diese Kriterien nur bedingt. So sprechen etwa ihr eigenes erhebliches Abhängigkeitspotenzial und ihre atemdepressive Wirkung dagegen, sie im ambulanten Entzug einzusetzen. Bei der Suche nach Alternativen erhielten aufgrund neurobiologischer Befunde zur Pathogenese von Abhängigkeits- bzw. Entzugssyndromen u. a. Dopaminantagonisten wie Tiaprid zunehmend Aufmerksamkeit. Inzwischen liegen über zwei Jahrzehnte klinische Erfahrungen mit Tiaprid in der Suchttherapie und zu bestimmten Indikationen, speziell der Behandlung des Alkoholentzugssyndroms, auch überzeugende Studien vor. In jüngerer Zeit wurden zudem viel versprechende Erfahrungen mit der Substanz in anderen Indikationsbereichen gesammelt, etwa im Entzug von Benzodiazepinen oder Opiaten.

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Pharmakologie und klinische Eigenschaften

Tiaprid ist ein selektiver D2-Rezeptor-Antagonist aus der Gruppe der Benzamidderivate, der an D2-Rezeptoren im ventralen ­Striatum und im Locus coeruleus (limbisches System) angreift [1]. Das klassische Einsatzgebiet der Substanz ist aufgrund ihrer guten antidyskinetischen Eigenschaften die Behandlung hyperkinetischer Störungen, insbesondere von Dyskinesien nach ­längerer L-Dopa-Behandlung und choreatiformen Bewegungsstörungen. Für die Therapie von Entzugssyndromen eignet es sich aufgrund seiner hohen antideliranten Potenz und seiner guten Wirkung auf die psychovegetativen und psychomotorischen Entzugssymptome, wie Unruhe, Schwitzen, Tremor, Schlafstörungen oder gastrointestinale Beschwerden. Allerdings besitzt Tiaprid keine antikonvulsiven Eigenschaften. Es sollte bei erhöhter Krampfbereitschaft vorsichtig eingesetzt und in der Behandlung von Entzugssyndromen mit anderen Präparaten kombiniert werden. Wie andere Benzamide weist es deutliche angstlösende Eigenschaften auf, die in präklinischen wie klinischen Studien belegt werden konnten. Im Fall von Tiaprid sind sie bereits bei Dosierungen zu beobachten, die weder zu Sedierung noch zu motorischen Nebenwirkungen führen [1] [2]. Der Mechanismus, der den angstlösenden Wirkungen zugrunde liegt, ist noch nicht völlig geklärt, offensichtlich aber unabhängig von den antidopaminergen Eigenschaften der Substanz [3]. Wie inzwischen gezeigt werden konnte, wird die Wirksamkeit von Tiaprid auf die Entzugssymptomatik sowie auf Depressivität und Ängstlichkeit während des Entzugs vom Genotyp bestimmter Abschnitte des Dopamin-D2-Rezeptor-Gens mitbestimmt [4].

Tab. 1 Eigenschaften von Tiaprid in der Behandlung von Entzugs­syndromen
Eigenschaftenklinische Konsequenz
⊕ fehlendes Abhängigkeitsspotenzial
⊕ große therapeutische Breite
⊕ nur geringe Wirkungsverstärkung von Alkohol
- ambulanter Entzug möglich
Beginn der Behandlung frühzeitig möglich
⊕ kaum Sedierung, keine kognitiven Beeinträchtigungen - gute Verträglichkeit, Motivationsbehandlung frühzeitig möglich
⊖ keine antikonvulsiven Eigenschaften- Kombinationstherapie nötig, z. B. mit Carbamazepin

Insgesamt zeichnet sich Tiaprid durch eine gute Verträglichkeit aus. Von entscheidendem Vorteil ist, dass es - verglichen mit anderen häufig im Entzug eingesetzten Substanzen - wesentlich weniger sedierend wirkt, keine ungünstigen Auswirkungen auf kognitive Fähigkeiten zeigt und selbst kein Abhängigkeitspotenzial aufweist. Zudem kommt es kaum zu einer Wirkungsverstärkung von Alkohol, so dass Tiaprid auch bei noch erhöhten Alkoholwerten eingesetzt werden kann. Als seltene unerwünschte Wirkungen wurden orthostatische Hypotonie, Schwindel, Müdigkeit und extrapyramidalmotorische Symptome beobachtet (Übersicht bei [3]). Wie andere dopaminerge Antagonisten kann Tiaprid zudem zu einer Erhöhung des Prolaktinspiegels führen. Selten kommt es daher zu Galaktorrhö und reversiblen Zyklus- bzw. Potenzstörungen.

Aufgrund der Halbwertszeit von ca. 4 Stunden sollte Tiaprid viermal täglich in Dosierungen von 100 - 300 mg eingesetzt werden, in der Therapie des Alkoholentzugs kombiniert mit Carbamazepin (s. u.). Anticholinergika wie Biperiden schwächen die Wirkung von Tiaprid ab, Neuroleptikawirkungen werden verstärkt. Bei eingeschränkter Nierenfunktion ist eine Dosisreduktion angezeigt.

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Tiaprid in der Therapie des akuten Alkoholentzugs

Die Wirksamkeit von Tiaprid in der Therapie des Alkoholentzugssyndroms konnte in insgesamt sechs doppelblinden randomisierten Studien belegt werden (Übersicht bei [3]). Aufgrund der fehlenden antikonvulsiven Wirksamkeit von Tiaprid wird inzwischen einer Kombinationstherapie mit Carbamazepin der Vorzug gegeben. Das Antiepileptikum Carbamazepin wirkt gut antikonvulsiv und wird seit langem auch monotherapeutisch zur Anfallsprophylaxe im Rahmen des Alkoholentzugs eingesetzt [5] [6]. Allerdings zeigt es keine Wirkung auf psychovegetative Entzugssymptome und die delirante Symptomatik. Die Kombination beider Substanzen gewährleistet alle für den akuten ­Alkoholentzug wesentlichen Wirkkriterien: Antikonvulsion, antidelirante Wirkung und Dämpfung vegetativer Entzugssymptome. In einer offenen prospektiven Studie an 87 Patienten zeigte sich die Überlegenheit dieser Kombinationstherapie gegenüber einer alleinigen Therapie mit Carbamazepin: Objektive wie subjektive vegetative Entzugsparameter verbesserten sich innerhalb von 72 Stunden unter der Kombinationstherapie hochsignifikant, während unter Behandlung mit Carbamazepin alleine keine signifikante Verbesserung erzielt werden konnte [7].

In zwei neueren Untersuchungen wurde die Wirksamkeit einer Behandlung mit der Kombination von Tiaprid/Carbamazepin mit der von Clomethiazol bzw. Clomethiazol und Benzodiazepinen verglichen.

Franz et al. [8] untersuchten in einer offenen Studie die Schwere und den Verlauf der Entzugssymptomatik über 10 Tage bei zwei gematchten Gruppen von Alkoholpatienten, von denen 44 Patienten mit Tiaprid/Carbamazepin und 42 mit Clomethiazol ­behandelt wurden. In Abhängigkeit von der Schwere der Symptomatik erhielten die Patienten eine mittlere initiale Tagesdosis der Tiaprid/Carbamazepin-Kombination von 915 ± 358 mg/ 540 ± 215 mg bzw. 715 ± 520 mg Clomethiazol. Die maximalen mittleren Dosierungen (jeweils am zweiten Tag der Behandlung) betrugen 1283 ± 267 mg/770 ± 72 mg Tiaprid/Carbamazepin bzw. 1453 ± 511 mg Clomethiazol und wurden im Verlauf der folgenden Tage schrittweise reduziert. Die Entzugssymptomatik wurde anhand der CIWA-Ar-Skala (Clinical Institute Withdrawal Assessment for Alcohol Scale, [9]) erhoben, der klinische ­Gesamteindruck anhand der CGI-Skala (Clinical Global Impression Scale, [10]). Im Vergleich zu Clomethiazol erwies sich die Kombination Tiaprid/Carbamazepin in dieser Untersuchung als mindestens ebenbürtig im Hinblick auf die Reduktion der Entzugssymptomatik und sogar teilweise überlegen bei der Besserung psychopathologischer und vegetativer Symptome.

In einer weiteren offenen Studie verglichen Lucht et al. [11] die Wirksamkeit einer Kombinationsbehandlung mit Tiaprid und Carbamazepin mit der von Clomethiazol bzw. Diazepam bei gering alkoholisierten Patienten (Atemalkoholgehalt < 1 g/l), sowie mit der von Tiaprid/Carbamazepin bei stärker intoxizierten Patienten (Atemalkoholgehalt > 1 g/l). Insgesamt 127 alkoholabhängige Patienten mit akuter Entzugssymptomatik wurden einer dieser vier Gruppen zugewiesen und über eine Dauer von neun Tagen in Abhängigkeit von der Entzugsschwere (Alcohol Withdrawal Scale, [12]) mit Tiaprid (bis zu 1800 mg täglich) und Carbamazepin (bis zu 1200 mg täglich) sowie Clomethiazol (bis zu 5184 mg täglich) oder Diazepam (bis zu 90 mg täglich) behandelt. Die initiale mittlere Dosierung von Tiaprid/Carbamazepin betrug 1071 ± 288 mg/711 ± 206 mg, von Clomethiazol 1598 ± 756 mg und von Diazepam 40 ± 19 mg. In der Gruppe der stärker intoxizierten Patienten betrug die mittlere initiale Dosierung von Tiaprid/Carbamazepin 838 ± 337 mg/ 559 ± 224 mg. Subjektive Entzugssymptome wie Energielosigkeit, Anspannung, Schwitzen, Ruhelosigkeit, Tremor und Schlafstörungen wurden anhand visueller Analogskalen beurteilt, Psychopathologie anhand der SCL-90-R (Symptom Check List, [13]). Im Hinblick auf die Wirksamkeit der Entzugsbehandlung waren die verschiedenen Gruppen miteinander vergleichbar, mit Ausnahme der Gruppe der stärker intoxizierten Patienten, von denen 18 % nicht ausreichend auf die Tiaprid/Carbamazepin-Therapie ansprachen und bei sinkendem Alkoholspiegel einen Medikamentenwechsel benötigten. Die Sicherheit der Entzugsbehandlung (Delir, Krampfanfälle) war in allen vier Behandlungsgruppen vergleichbar. Ein wichtiger Befund dieser Untersuchung ist damit, dass auch bei akut intoxizierten Patienten die Kombination Tiaprid/Carbamazepin gefahrlos eingesetzt werden konnte. Dies ­erscheint besonders aufgrund der Tatsache von Bedeutung, dass klinische Entzugssymptome bei einem erheblichen Anteil von ­Patienten bereits bei Alkoholspiegeln über 1 g/l in Erscheinung treten.

Während zur ambulanten Entgiftung mit Tiaprid und Carbamazepin bereits seit längerer Zeit klinische Erfahrungen vorlagen, wurden kürzlich von Soyka et al. [14] die Wirksamkeit und Verträglichkeit dieser Kombination in einer offenen prospektiven Studie bei 50 ambulant entgiftenden Patienten überprüft. Die Patienten, die mittelschwere Entzugssymptome und eine Alkoholanamnese von im Mittel 10 Jahren aufwiesen, erhielten über 5 - 7 Tage Tiaprid und Carbamazepin in einem flexiblen Dosisregime. Die mittlere initiale Dosierung der Medikamente betrug für Tiaprid 332 mg (max. 400 mg) bzw. für Carbamazepin 628 mg (max. 800 mg) und wurde im Laufe der Behandlung schrittweise reduziert. Die Hälfte der Patienten begann die Behandlung noch alkoholintoxiziert. Der mittlere CIWA-A-Score reduzierte sich von 18,3 bei Beginn des Entzugs auf 14,6 am fünften Tag der Therapie. Mögliche Nebenwirkungen wurden täglich erfasst. Wie die Autoren berichten, wurde die Behandlung insgesamt gut von den Patienten toleriert, in keinem Fall musste die Medikation aufgrund von Nebenwirkungen abgesetzt werden. Als häufigste somatische Beschwerden während der Behandlungsphase nannten die Patienten Sedierung (46 %), orthostatische Dysregulation (22 %), Mundtrockenheit (26 %), Juckreiz (16 %) und Diarrhö (16 %). In keinem Fall kam es zu einem Delir oder Krampfanfall und es wurden stabile Blutdruckwerte beobachtet.

Wie im Rahmen des Hamburger Expertenworkshops erneut deutlich wurde, liegen über diese Studien hinaus zur Wirksamkeit und Verträglichkeit der Behandlung mit Tiaprid/Carbamazepin im stationären Setting jahrelange positive klinische Erfahrungen vor, in vielen Einrichtungen an jeweils mehreren tausend Patienten. Neben den bereits genannten Vorteilen der guten Verträglichkeit und des fehlenden Abhängigkeitspotenzials wurde dabei insbesondere die Möglichkeit eines früheren Beginns der Motivationsbehandlung aufgrund der geringen Sedierung hervorgehoben.

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Tiaprid als Medikament zur Rückfallprophylaxe

Neben der Therapie des akuten Alkoholentzugssyndroms wurde der Einsatz von dopaminergen Substanzen zur medikamentösen Rückfallprophylaxe bei Alkoholabhängigen untersucht. Dabei wird angenommen, dass auf den D2-Rezeptor antagonistisch wirkende Substanzen wie Tiaprid dazu eingesetzt werden könnten, das „Reinforcement”-Potenzial des Alkohols zu mindern [15]. Die durch Alkohol induzierte Dopaminausschüttung im Belohnungssystem könnte antagonisiert werden und die verstärkende (euphorisierende) Wirkung ausbleiben.

Zum Einsatz von Tiaprid bei dieser Indikation liegen mehrere Untersuchungen vor. Während erste explorative Studien tatsächlich Hinweise auf einen abstinenzerhaltenden Effekt von Tiaprid erbrachten [16 18], konnte dies in großen klinischen Multizenterstudien nicht repliziert werden (Ergebnisse unpubliziert).

Auf Basis der bisherigen Befunde wurde aber die Hypothese aufgestellt, dass eine mögliche Wirkung von Tiaprid auf das Trinkverhalten in Einzelfällen durch eine Besserung von Dysphorie- und Angstsymptomen vermittelt werden könnte [3].

Da insbesondere durch die negative Studie zur rückfallprophylaktischen Wirksamkeit von Flupenthixol [19] der D2-Antagonismus als möglicher Wirkansatz einer Anti-Craving-Medikation generell in Frage gestellt werden muss, stimmten die Teilnehmer des Hamburger Expertenworkshops insgesamt darin überein, dass aufgrund der bisherigen Datenlage zu Tiaprid nicht von einer Wirksamkeit in der Rückfallprophylaxe bei Alkoholabhängigkeit ausgegangen werden kann.

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Tiaprid im medikamentös gestützten Opiatentzug

Auch in der Therapie des Opiatentzugs wurde Tiaprid als Begleitmedikation, bei leichteren Entzugssyndromen auch als Monotherapie, wiederholt erfolgreich eingesetzt [20] [21]. Kontrollierte Studien stehen zu dieser Indikation allerdings noch aus. Im Rahmen des Hamburger Expertenworkshops berichtete G. Jungbluth vom Fachkrankenhaus Bernburg, in dem jährlich etwa 350 stationäre Drogenentzüge durchgeführt werden, von ihren Erfahrungen. Die dortige Entzugsbehandlung erfolgt in der Regel mit Buprenorphin kombiniert mit 4 - 8 × 200 mg Tiaprid. Dabei wird unabhängig vom Grad der Intoxikation die Therapie mit Tiaprid spätestens dann begonnen, wenn vegetative Entzugssymptome einsetzen. Im Opiatentzug sind dabei offensichtlich häufiger als beim Alkoholentzug extrapyramidalmotorische Nebenwirkungen zu erwarten, die jedoch durch die Gabe von (retardiertem) Biperiden gut zu beherrschen sind. Die Begleitmedikation mit Tiaprid weist im medikamentös gestützten Opiatentzug eine Reihe von Vorteilen auf, die sich teilweise mit denen in der Therapie des Alkoholentzugssyndroms decken. So werden vegetative Entzugserscheinungen zuverlässig unterdrückt und auf weitere symptomatische Therapien, etwa gegen Diarrhö oder Übelkeit, kann häufig verzichtet werden. Schlafstörungen können sich dadurch bessern, dass die Patienten durch die psychomotorisch beruhigende Komponente nachts weniger Wälzbewegungen aufweisen. Auch bei Opiatabhängigen hat sich das Medikament zudem als gut verträglich erwiesen. Hervorgehoben wurden die geringeren hypotonen Nebenwirkungen und die größere kognitive Wachheit, im Gegensatz etwa zur Clonidinbehandlung. Die Patienten können so schneller zu einer Teilnahme an Gruppentherapien motiviert werden und die Therapiedauer mit suchtpotenten Substanzen wird insgesamt abgekürzt. Weitere Vorteile betreffen die gute Anwendbarkeit auch bei Polytoxikomanie (insbesondere bei gleichzeitigem Alkoholkonsum) und das fehlende Abhängigkeitspotenzial, das auch bei Opiatabhängigen eine längerfristige ambulante Therapie ermöglicht. Handelt es sich bei der Hauptdroge um Kokain, sollte Tiaprid ­allerdings nicht eingesetzt werden, weil klinischen Erfahrungen zufolge bei diesen Patienten ein massives Craving ausgelöst ­werden kann.

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Fazit

Als Ergebnis des Hamburger Expertenworkshops kann festgehalten werden, dass in der Therapie des akuten Alkoholentzugssyndroms Tiaprid in Kombination mit Carbamazepin eindeutig für den Routineeinsatz empfohlen werden kann. Weiter präzisiert werden müssten Empfehlungen zur Dosierung, gerade auch beim Einsatz im ambulanten Entzug. Weitere kontrollierte Studien zur Wirksamkeit von Tiaprid bzw. der Kombinationstherapie Tiaprid/Carbamazepin auf das protrahierte Entzugssymptom, bei dem über mehrere Monate persistierende Entzugssymptome die Rückfallwahrscheinlichkeit erhöhen, erscheinen wünschenswert. Die klinischen Befunde zum Einsatz im Opiatentzug sind als viel versprechend einzuschätzen. Zu dieser Indikation sollten dringend kontrollierte Studien erfolgen, um die bislang existierenden Erfahrungen weiter zu untermauern.

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Literatur

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Dr. Ingo Schäfer

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Martinistr. 52

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