Klin Monbl Augenheilkd 2004; 221(3): 180-181
DOI: 10.1055/s-2004-812971
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zur Berechnung von torischen Kunstlinsen

Notes on Calculating Toric Plastic LensesT. Bende1 , T. Oltrup1
  • 1Universitätsaugenklinik Tübingen, Sektion Experimentelle Ophthalmo-Chirurgie
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Publication Date:
30 March 2004 (online)

Patienten, bei denen neben einer Katarakt auch ein hoher Astigmatismus besteht, sind bei Versorgung mit sphärischen Intraokularlinsen auch weiterhin meist auf das Tragen einer Brille angewiesen. Für solche Patienten stehen zur Korrektur des Astigmatismus alternativ auch refraktive Eingriffe (PRK, LASIK, LASEK, etc.) zur Verfügung. Die vielleicht bessere Lösung ist aber die Verwendung torischer Kunstlinsen. Die Berechnung torischer Linsen ist meist komplexer als die für rein sphärische Linsen. Die nachfolgende Arbeit „Torische Kunstlinsen zur Korrektur des kornealen Astigmatismus” nimmt sich der Berechnung dieser Linsen an. Das vorgestellte Verfahren beruht auf der Transformation von Vergenzen, welche formal gesehen einer Strahldurchrechnung im Rahmen der klassischen Optik entspricht. Der Term „Vergenz” steht hier für die streuende oder fokussierende Lichtwelle im gegebenen Medium und nicht, wie in der Ophthalmologie gebräuchlich, für die Beziehung der beiden Fixierlinien des Augenpaares beim binokularen Sehen.

Das gegebene Berechnungsschema ist ein probates Mittel, wenn im optischen System mehr als zwei torische Linsen mit unterschiedlichen Achsen berechnet oder kompensiert werden sollen. Dies wäre aber nur der Fall, wenn neben kornealem und lentikulärem Astigmatismus noch ein weiterer (z. B. fovealer) Astigmatismus vorhanden ist. Der Brillenwert ist hierbei ein möglicher Hinweis. Solange keine weiterführende Diagnostik herangezogen werden kann, muss aber in der Regel davon ausgegangen werden, dass eine Abweichung des Astigmatismus des Brillenwerts von dem kornealen Wert in der Linse zu suchen ist. Diese wird aber in der OP entfernt. Somit dürfte dieser Fall relativ selten in Betracht kommen.

Ein weiteres Argument für diesen Ansatz besteht auch in dem Wunsch, eine intendierte Zielrefraktion mit beliebiger Achslage, die von der ursprünglichen kornealen Zylinderachse abweicht, einzustellen. Hierbei stellt sich aber meist die Frage nach der klinischen Relevanz.

In der Regel besteht das zu berechnende System nur noch aus der Kornea mit ihrem astigmatischen Anteil, da bei der Katerakt-OP die eventuell torische Linse entfernt wird. Bei angestrebter Emmetropie folgt hieraus, dass die klassischen Formeln durchaus den Anforderungen genügen.

Ein weiterer Aspekt der Arbeit beschreibt mit dem vorgestellten Berechnungsschema das zu erwartende Refraktionsdefizit, welches aus der Fehlpositionierung oder durch Wahl einer intraokularen Linse mit abweichenden Werten hervorgeht. Dies ist von theoretischem Charakter, da eine postoperative Refraktionsbestimmung am Patienten obligat ist. Sie zeigt neben dem Refraktionsdefizit auch die weitere Auswirkung für den Patienten (z. B. Visusverlust). Relevant wird der Weg bei der Evaluierung der Positioniergenauigkeit der implantierten torischen Linse. Aus der postoperativen Refraktion und den kornealen Werten lässt sich so z. B. die Abweichung der Zylinderachse vom vorgegebenen Wert bestimmen. Dies kann zur Verbesserung der individuellen Operationsqualität führen.

Die Grenzen des vorgeschlagenen Ansatzes, aber auch die der klassischen IOL-Formeln, liegen in der Berechnung z. B. von irregulären Linsen. Hierfür sind Lösungsansätze unter Verwendung von allgemeinen Methoden denkbar (Ray-Tracing, Fouriertransformation etc). Solche Ansätze sind aber ohne den Einsatz eines PCs kaum durchführbar.

Möglich werden diese neuen Wege nur durch eine erweiterte und verbesserte Diagnostik. Speziell die Einführung der Wellenfrontsensorik führte hin zum Begriff der so genannten individuellen oder „customized” IOL. Hierunter sind nicht Intraokularlinsen zu verstehen, die patientenindividuell sind, sondern vielmehr Familien von Linsen, die produktionsbedingt auf torische (nicht zwingend rotationssymmetrisch) und asphärische Typen beschränkt sind. Daher müssen wir heute eher von aberrationsoptimierten Linsen reden. Für deren Implantation bzw. Berechnung sind mehr Daten als nur die kornealen K-Werte und die Biometrie notwendig. Zusätzlich müssen topografische und/oder Wellenfrontinformationen sowie abschnittsselektive Biometriedaten zur Berechnung herangezogen werden.

Dies heißt nicht, dass die bisherigen klassischen Ansätze zur Berechnung von IOLs überflüssig werden. In den meisten Fällen, also für den Standardpatienten, sind die klassischen Verfahren auch weiterhin ausreichend.

Problemfälle mit irregulären Oberflächen, wie z. B. nach vorherigen refraktiven Eingriffen oder aber auch mit dem Wunsch nach aberrationsoptimierten IOLs, werden diese Entwicklungen weiter vorantreiben.

Prof. Dr. rer. nat. Th. Bende

Universitäts-Augenklinik, Sektion Experimentelle Ophthalmo-Chirurgie

Derendingerstr. 41

72072 Tübingen

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