Ultraschall Med 2004; 25(2): 108-110
DOI: 10.1055/s-2004-813084
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Perineale Sonographie analer und tief-rektaler Erkrankungen - sinnvolles Instrument im klinischen Alltag

Perineal Ultrasonography of Anal and Low Rectal Illnesses - Meaningful Instrument in the Clinical Everyday LifeJ. H. Simanowski1
  • 1Klinik für Thorax-, Herz-, Gefäß- und Allgemeinchirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover
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Publication Date:
14 April 2004 (online)

Das folgende Editorial will und soll provozieren - Widerspruch ist erwünscht und gefordert.

Die perineale Sonographie analer und tief-rektaler Erkrankungen ist eigentlich ein alter Hut und in der Pädiatrie und Urogynäkologie ein oft beschriebenes Verfahren [1] [2]. Ganz offensichtlich aber erfährt sie, wie im Besonderen die Arbeit von Bonatti et al. in diesem Heft [3] und weitere Arbeiten [4] [5] [6] [7] [8] [9] belegen, eine viel versprechende Renaissance auch und besonders im Hinblick auf die Konkurrenz anderer moderner bildgebender Techniken und unter dem Diktat leerer Kassen. Sogar die Farbdopplersonographie wird bei der transperinealen Untersuchung benutzt [10]. Vor mehr als 20 Jahren sind die ersten Arbeiten über den sinnvollen Einsatz dieser Technik in der Literatur zu finden [11] [12]. Damals feierte gerade die Endosonographie des Rektums ihren Siegeszug in der Literatur [11] [12]. Rasch war die transrektale Endosonographie mit 360°-Technik der transkutanen Linear-Array-Technik überlegen. Da viele Kliniken die Neuanschaffung eines Gerätes wegen der fraglichen Kosten-Nutzen-Analyse scheuten, lag es nahe, die vorhandenen Ultraschallgeräte mit ihren konventionellen Linear- oder Curved-Array-Scannern (3 bis 7,5 MHz) transperineal einzusetzen. Besonders oberflächennahe Prozesse konnten mit der transkutanen Sonographie besser als mit der Endosonographie beurteilt werden, insbesondere wenn die Schmerzhaftigkeit eine endosonographische Untersuchung verhinderte. Am weitesten ging die Beschreibung sonographiegezielter Drainagenanlagen periproktitischer Abszesse [13].

Nach diesen ersten viel versprechenden Berichten verfiel diese Technik zumindest wissenschaftlich in einen Dornröschenschlaf. Mehrere Gründe sind dafür verantwortlich. Einerseits konnte sich die von den Radiologen und Internisten eingeführte Technik bei den therapiedurchführenden Chirurgen nicht durchsetzen, andererseits gab diese Technik auch wissenschaftlich nicht genug her. So gibt es in der zugänglichen Literatur bisher keine Studien mit auch nur annähernd ausreichendem Umfang, um die Wertigkeit der perinealen Sonographie mit anderen bildgebenden Diagnostikmethoden zu vergleichen und zu bewerten [14]. Damit könnte man unter Studiengesichtspunkten geneigt sein, der Literatur zu folgen und die perineale Sonographie völlig zu vergessen (Literaturübersicht bei Stoker et al. [15]). So wird für das Staging von Rektaltumoren als beste Einzeltechnik das Phased-Array-Magnetic-Resonance-Imaging (MRI) oder in Kombination die Endosonographie oder das endoluminale MRI mit dem Ultraschall oder der Spiral-Computertomographie angegeben. Das MRI oder die Positron-Emissionstomographie sollen die besten Ergebnisse bei der Diagnostik von Tumorrezidiven erbringen. Nach Studienlage ist für perianale Fisteln die Technik der Wahl das endoluminale oder Phased-Array-MRI, für die Beurteilung der Schließmuskelfunktion die Defäkographie oder MRI-Defäkographie. Die Diagnostik der Sphinkterinsuffizienz ist eine Domäne der Endosonographie oder des endoluminalen MRI.

Aber stimmt das auch wirklich alles so? Die meisten zitierten Arbeiten basieren auf kleinen Fallzahlen, zum Teil weit unter 100 Patienten. Ist es da überhaupt erlaubt, aus zusammengefassten Prozentzahlen Folgerungen zu ziehen, wird doch meist die neueste bildgebende Technik mit einer alten verglichen? Zu einem Methodenvergleich mit adäquater Technik und vergleichbarer Untersucherqualität kommt es dabei nicht. Und - handelt es sich nicht häufig um Studiendesigns aus Sonographieabteilungen, die qualitativ weit über dem Durchschnitt ausgestattetet sind, oder um universitäre Abteilungen, die unter dem Druck stehen, hohe Gesamt-Impact-Faktoren produzieren zu müssen? Auch wenn die Einschätzung vielleicht etwas böswillig sein mag, werden doch nicht selten positive Studienergebnisse selbst von den Autoren nicht für die tägliche Routine übernommen.

Wie ist es im klinischen Alltag? Der Patient mit einer anorektalen Erkrankung kommt in eine Arztpraxis und klagt über ungeklärte Schmerzen oder Blutauflagerungen. Nimmt man die Hämorrhoiden als das häufigste Leiden heraus, so wird der Patient gleich oder nach kurzer symptomatischer Behandlung zum Facharzt weiter überwiesen. Nach spezifischer Anamneseerhebung inspiziert dieser die Analregion, versucht digital das Rektum zu untersuchen, wenn es die Schmerzhaftigkeit zulässt, spiegelt und wenn er eine eindeutige Ursache gefunden hat, so behandelt er ohne weitere bildgebende Diagnostik das Leiden und/oder überweist den Patienten an den Chirurgen. Für chronisch entzündliche Erkrankungen gilt: Der Morbus Crohn wird endoskopisch und histologisch gesichert und entsprechend behandelt. Die Fissur und die Vorpostenfalte werden ausgeschnitten, die unkomplizierte Fistel saniert, der Abszess wird vom Chirurgen gespalten mit dem Hinweis, in drei Monaten eine Endoskopie durchführen zu lassen, damit die häufigste Ursache, nämlich eine Fistel, dann noch nachgewiesen und behandelt wird. Die komplizierte Fistel wird ebenfalls vom Chirurgen in Analgesie forciert inspiziert und ein- oder mehrzeitig saniert. Ist eine diagnostische Untersuchung zu schmerzhaft, so werden in ein und derselben Analgesie die Inspektion und Therapie durchgeführt.

Zu einfach chirurgisch gedacht? Nein, dies ist die zehntausendfach praktizierte Realität! Für mehr Diagnostik und Therapie stellen die Kostenträger kein Geld zur Verfügung. Natürlich gibt es Ausnahmen, selbstverständlich gibt es Fehlschläge der Behandlung, weil das Erkrankungsbild nicht erkannt wurde oder komplizierter ist. Beides ist selten. Es stellt sich abschließend die Frage, mit welcher bildgebenden Diagnostik man zuverlässig und wirtschaftlich noch vertretbar eine weitergehende Diagnostik durchführen kann. MRI, CT Endosonographie? Die transperineale Sonographie ist tatsächlich die Methode der Wahl. Wie bei allen Weichteilstrukturen kann man bis zu einer Tiefe von 7 bis allenfalls 8 cm hervorragend aufgelöste Bilder erhalten. Hier gibt es keine Luftüberlagerungen! Und wenn der Fistelverlauf nicht eindeutig zu sehen ist, nehme man Wasserstoffperoxid [16] [17] (und keine Echokontrastmittel [18], die sind bei dieser Fragestellung vollkommen entbehrlich).

Das Problem der Beckenbodeninsuffizienz stellt höchste Ansprüche an Diagnostik und Therapie. Diagnostisch kann die perineale Sonographie den Sphinkterapparat ganz hervorragend abbilden. Mit dem 360°-Scanner hat man den besseren, weil kompletten Überblick [19].

Im präoperativen Tumorstaging ist die perineale Sonographie dagegen nur von eingeschränktem Wert. Beim Rektumkarzinom ist die Bestimmung des T-Stadiums nicht ausreichend möglich, beim Analkarzinom ist die Bestimmung der Infiltration in Nachbarorgane sinnvoll, besonders zur Verlaufsbeobachtung bei Strahlen- und Chemotherapie. Beim Tumorrezidiv ist das Verfahren zur Darstellung der Anastomosenregion ungeeignet. Hier sind die radiologischen Schnittbildverfahren und die Endosonographie überlegen. Anders verhält sich es sich nach abdomino-perinealer Rektumexstirpation. Hier scheint der perinealen Sonographie und der sonographiegezielten Punktion zum Nachweis eines Rezidivs eine Schlüsselrolle zuzukommen.

Was bleibt für die Praxis festzuhalten? Die perineale Sonographie ist eine einfach zu handhabende, in jedem Krankenhaus und fast jeder Praxis verfügbare Low-budget-Technik, die in vielen Fällen die perineale Pathologie darstellt. Sie sollte deshalb als erstes bildgebendes Verfahren eingesetzt werden. Entscheidend ist, ob die perineale Sonographie über die klinische Untersuchung hinaus diagnostisch oder therapeutisch zielführend ist. Klinisches Wissen und sonographisches Können sind die Basis für das weitere Vorgehen. Weiterführende und unverhältnismäßig teure Diagnostikmethoden sind nur erforderlich, wenn sich therapeutische Konsequenzen ergeben. Für die Praxis mag der abgebildete Algorhithmus der Diagnostik analer und tief-rektaler Erkrankungen (Abb. [1]) einen Anhalt darstellen.

Abb. 1 Algorithmus der Diagnostik analer und tief-rektaler Erkrankungen.
Fig. 1 Algorithm of the diagnosis of anal and low rectal illnesses.

Literatur

  • 1 Kim I O, Han T I, Kim W S. et al . Transperineal ultrasonography in imperforate anus: identification of the internal fistula.  J Ultrasound Med. 2000;  19 (3) 211-216
  • 2 Hertzberg B S, Livingston E, DeLong D M. et al . Ultrasonographic evaluation of the cervix: transperineal versus endovaginal imaging.  J Ultrasound Med. 2001;  20 (10) 1071-1078
  • 3 Bonatti H, Lugger P, Hechenleitner M. et al . Transperineale Sonographie bei rektoanalen Erkrankungen.  Ultraschall in Med. 2004;  25 111-115
  • 4 Kleinubing H  Jr, Jannini J F, Malafaia O. et al . Transperineal ultrasonography: new method to image the anorectal region.  Dis Colon Rectum. 2000;  43 (11) 1572-1574
  • 5 Beer-Gabel M, Teshler M, Barzilai N. et al . Dynamic transperineal ultrasound in the diagnosis of pelvic floor disorders: pilot study.  Dis Colon Rectum. 2002;  45 (2) 239-245
  • 6 Stewart L K, McGee J, Wilson S R. Transperineal and transvaginal sonography of perianal inflammatory disease.  AJR Am J Roentgenol. 2001;  177 (3) 627-632
  • 7 Jurgens J. Perineal Sonography: Using time modulated 2D-ultrasound in a freehand 3D technique.  Ultraschall Med. 2004;  25 (1) 54-57
  • 8 Cornelia L, Stephan B, Michel B. et al . Trans-perineal versus endo-anal ultrasound in the detection of anal sphincter tears.  Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol. 2002;  103 (1) 79-82
  • 9 Roche B, Deleaval J, Fransioli A. et al . Comparison of transanal and external perineal ultrasonography.  Eur Radiol. 2001;  11 (7) 1165-1170
  • 10 Mallouhi A, Bonatti H, Peer S. et al . Detection and characterization of perianal inflammatory disease: accuracy of transperineal combined gray scale and color Doppler sonography.  J Ultrasound Med. 2004;  23 (1) 19-27
  • 11 el M ouaaouy A, Tolksdorf A, Starlinger M. et al . Endoscopic sonography of the anorectum in inflammatory rectal diseases.  Z Gastroenterol. 1992;  30 (7) 486-494
  • 12 Simanowski J H, Mendel V. Sonographiegeleitete Drainage periproktischer Abszesse. Simanowski JH, Mendel V Ultraschall in der Chirurgie Berlin/Heidelberg/New York; Springer 1990: 197-201
  • 13 Rubens D J, Strang J G, Bogineni-Misra S. et al . Transperineal sonography of the rectum: anatomy and pathology revealed by sonography compared with CT and MR imaging.  AJR Am J Roentgenol. 1998;  170 (3) 637-642
  • 14 Stoker J, Rociu E, Wiersma T G. et al . Imaging of anorectal disease.  Br J Surg. 2000;  87 (1) 10-27
  • 15 Sloots C E, Felt-Bersma R J, Poen A C. et al . Assessment and classification of fistula-in-ano in patients with Crohn’s disease by hydrogen peroxide enhanced transanal ultrasound.  Int J Colorectal Dis. 2001;  16 (5) 292-297
  • 16 West R L, Zimmerman D D, Dwarkasing S. et al . Prospective comparison of hydrogen peroxide-enhanced three-dimensional endoanal ultrasonography and endoanal magnetic resonance imaging of perianal fistulas.  Dis Colon Rectum. 2003;  46 (10) 1407-1415
  • 17 Chew S S, Yang J L, Newstead G L. et al . Anal fistula: Levovist-enhanced endoanal ultrasound: a pilot study.  Dis Colon Rectum. 2003;  46 (3) 377-384
  • 18 Buhr H J, Kroesen A J. The importance of diagnostics in faecal incontinence. Endosonography.  Chirurg. 2003;  74 (1) 4-14

Dr. J. H. Simanowski

THGA-Chirurgie der MH Hannover

Podbielskistraße 380

30659 Hannover

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