RSS-Feed abonnieren
DOI: 10.1055/s-2004-813925
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Die rechtliche Bedeutung ärztlicher und pflegerischer Standards und Leitlinien
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
31. Mai 2005 (online)

Standards und Leitlinien sind als wichtige Anleitungen für ärztliches und pflegerisches Handeln einzustufen. Sie können u. a. näher beschreiben, was man als Maßstab für sorgfältiges ärztliches und pflegerisches Handeln zu verstehen hat (§§ 276, 278 BGB). Man spricht im Zusammenhang mit solchen Handlungsanleitungen auch von „vorweggenommenen Sachverständigengutachten”. Handlungsanleitungen, die zielgerichtet ärztliche und pflegerische Sorgfaltspflichten konkretisieren, können damit grundsätzlich eine wichtige Grundlage zur Qualitätssicherung der Krankenversorgung und Orientierungshilfe für die Gerichte sein, wenn es zum Streit über ärztliches und/oder pflegerisches Handeln gekommen ist. Anleitungen müssen aber ständig dahingehend überprüft werden, ob sie in all ihren Aussagen den Geboten des sorgfältigen Handelns entsprechen; ggf. sind sie anhand neuer Erkenntnisse der Medizin- bzw. Pflegewissenschaft zu aktualisieren, vor allem dann, wenn es von (pflege-)wissenschaftlicher Seite zu kritischen Anmerkungen kommt. Dem bloßen Anwenden von standardisierten Handlungsanleitungen kann daher keine haftungsbegründende oder haftungsbefreiende Wirkung zukommen. Grundlage für das korrekte Handeln müssen im Zweifel die im Einzelfall gegebenen ganz konkreten Behandlungs- und Pflegeanforderungen sein und diese können von den Anleitungen abweichen bzw. darüber hinausgehen.
Interessant sind in diesem Zusammenhang einige Gerichtsurteile, die Handlungsanleitungen (z. B. von ärztlichen Fachgesellschaften) eine umfassende Verbindlichkeit absprechen; herausgestellt wird, dass die Prüfung des Einzelfalls unbedingt im Mittelpunkt des Handelns stehen müsse. Bei einer regelgerechten Behandlung (und Pflege) habe sich die zu beachtende Sorgfalt nach dem Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaften zur Zeit der Behandlung zu beurteilen (vgl. insoweit u. a. Urteil des OLG Hamm vom 27.1.1999 - 3 U 26/98 -, Urteil des OLG Stuttgart vom 22.2.2001 - 14 U 62/00 -, Urteil des OLG Naumburg vom 19.12.2001 - 1 U 46 /01 -, Urteil des OLG Naumburg vom 25.3.2002 - 1 U 111/01). Diese auf die ärztliche Tätigkeit bezogenen Gerichtsentscheidungen können auf die Pflege entsprechend angewandt werden.
Werner Schell
Dozent/Dipl.-Verwaltungswirt
Harffer Straße 59
41469 Neuss
URL: http://www.gesetzeskunde.de
URL: http://www.pflegerechtportal.de