Eine große Zahl bakterieller Infektionserreger zeigt eine zunehmende Resistenzentwicklung gegenüber Betalactam-Antibiotika. Zumeist werden diese durch die von Bakterien gebildeten Betalaktamasen enzymatisch inaktiviert, da viele Betalactam-Antibiotika und insbesondere viele Breitspektrumpenicilline gegenüber bakteriellen Betalaktamasen instabil sind.
Da Staphylokokken diese Enzyme extrazellulär abgeben, haben sie ein identisches Resistenzmaß gegen alle instabilen Penicilline. Ihre Resistenzrate gegenüber Penicillin liegt seit mehreren Jahren relativ stabil bei 70-80 %. Bei gramnegativen Stäbchen, wie zum Beispiel den Enterobacteriaceae, ist eine eventuell vorhandene Betalaktamase dagegen im periplasmatischen Raum der Bakterienzelle lokalisiert, die nicht extrazellulär abgegeben wird. Deshalb prägt zum einen die Menge des gebildeten Enzyms das Ausmaß der resultierenden Resistenz - aber auch die Fähigkeit des jeweiligen Penicillins, möglichst schnell an das Penicillin-Bindeprotein der inneren bakteriellen Zellmembran zu gelangen, trägt zur Resistenz bei. Daher unterscheidet sich die resultierende Resistenzrate extrem - je nach untersuchter Bakterienspezies und Art des Betalaktam-Antibiotikums.
Der Einsatz von Betalaktamase-Inhibitoren macht es möglich, die Wirkung insbesondere der Acylamino- und Acylureidopenicilline erheblich zu verbessern. Tazobactam (Triazoylmethylpenicillinsäuresulfon) beispielsweise ist ein hoch wirksamer Inhibitor plasmidcodierter Betalaktamasen gramnegativer Bakterienspezies, von Betalaktamasen, von Staphylokokken sowie einer Reihe von chromosomal codierten Betalaktamasen der Klassen II, IV und VI nach Richmond und Sykes. Die Substanz hemmt aber auch induzierbare chromosomal codierte Betalaktamasen der Klasse I, (wie zum Beispiel von Typ AMpC oder Ic) sowie Betalaktamasen mit erweitertem Spektrum (ESBL), die gegenüber Cephalosporinen der dritten Generation resistent sind. Exprimiert werden solche chromosomal codierten Cephalosporinasen beispielsweise in P. aeruginosa sowie in E. cloacae, C. freundii und besonders in E. coli.
Das antibakterielle Wirkungsspektrum von Piperacillin/Tazobactam ist sehr breit: Zu den empfindlichen Erregern zählen S. aureus, betahämolysierende Streptokokken, Pneumokokken, Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis sowie Enterobacteriaceae, Pseudomonaden und Anaerobier. Ziel der vorliegenden retrospektiven Studie war es, anhand der Ergebnisse der In-vitro-Testung von Routinestämmen über einen Zeitraum von sieben Jahren die Resistenzsituation von Piperacillin/Tazobactam und anderen Antibiotika auszuwerten.
Material und Methoden
Die antibakterielle In-vitro-Aktivität von Piperacillin/Tazobactam wurde im Zeitraum von 1992-1998 an unterschiedlichen Bakterienisolaten untersucht. Anhand der minimalen Hemmkonzentrationen (MHK) wurde ein Wirksamkeitsvergleich mit anderen Betalaktamantibiotika vorgenommen und eventuelle Veränderungen im Verlauf der Jahre registriert [Tab. 1]. Insgesamt 116211 Stämme wurden in die Auswertung einbezogen. Dazu zählen unter anderem:
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46935 Enterobacteriaceae
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10284 Stämme von P. aeruginosa
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16733 S.-aureus-Stämme
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6836 Stämme betahämolysierender Streptokokken
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4658 S.-pneumoniae-Stämme
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14220 Anaerobier.
Das Untersuchungsmaterial stammte aus 36 Krankenhäusern im Bundesland Nordrhein-Westfalen, 19,8 % der Proben waren aus Intensivstationen. In die Auswertung einbezogen wurden Patienten mit Sepsis, Atemwegsinfektionen, intraabdominellen Wund- und Urogenitalinfektionen. Alle Erreger wurden mit laborüblichen Methoden identifiziert. Biochemische Leistungsprüfungen erfolgten bei grampositiven und gramnegativen Mikroorganismen sowie bei den Anaerobiern. Die Identifizierung der Enterobacteriaceae erfolgte mit 27 verschiedenen biochemischen Reaktionen. Für die Differenzierung der Nonfermenter-Arten wurde das Api-20-NE-System von bioMérieux eingesetzt. S. aureus und koagulasenegative Staphylokokken wurden mithilfe des Plasma-Koagulase-Tests (Staphyslide-Test/bioMérieux) sowie durch den Nachweis des Clumpingfaktors (Staphaurex Plus, Murex Diagnostika) differenziert.
Die Größenordnung der jeweiligen Empfindlichkeit bzw. Resistenz wurde durch Bestimmung der minimalen Hemmkonzentration (MHK) mit der Mikrodilutationsmethode in Mueller-Hinton-Bouillon ermittelt (DIN 58940, Teil 8). Die Bewertungsstufen der minimalen Hemmkonzentration für verschiedene Antibiotika wurden nach DIN 58940, Teil 4, festgelegt. Die Testung von Piperacillin/Tazobactam erfolgte mit variabler Piperacillin- und fixer Tazobactamkonzentration (4 mg/l). Die Qualitätskontrolle wurde mit den Stämmen S. aureus (ATCC 29213), E. coli (ATCC 25922), P. aeruginosa (ATCC 27853), B. fragilis (ATCC 29741) vorgenommen.
Ergebnisse und Diskussion
Wie aus der [Tabelle 1] hervorgeht, dominierten bei nosokomialen Infektionen Stämme von E. coli, Klebsiella, Enterobacter, Pseudomonas aeruginosa und S. aureus. Aber auch andere gramnegative und grampositive Mikroorganismen verursachten solche so genannten Krankenhausinfektionen - allerdings in geringerer Anzahl. Anders als in der Tabelle 1 beziehen sich die folgenden Prozentangaben jeweils an der Gesamtfallzahl der verschiedenen Indikationsgruppen. Bei den insgesamt 10954 Sepsisfällen waren die am häufigsten isolierten Erreger E. coli mit 27,2 %, S. aureus mit 19,0 %, Streptokokken mit 16,2 %, Klebsiella spp. mit 10,9 % und P. aeruginosa mit 7,7, %. Bei den 20099 respiratorischen Infektionen stand erwartungsgemäß P. aeruginosa mit 26,4 % im Vordergrund, gefolgt von S. pneumoniae (18,3 %) und Klebsiella spp. mit 16,2 %. Aber auch S. aureus spielte hier mit 6,9 % eine wichtige Rolle.
Mehr als ein Viertel aller isolierten Mikroorganismen bei intraabdominellen Infektionen (n = 23544) waren Anaerobier, wobei allein die B.-fragilis-Gruppe einen Anteil von 19,8 % aller isolierten Bakterien besaß. Unter den anaeroben oder fakultativ anaeroben gramnegativen Stäbchen war erwartungsgemäß E. coli mit 6802 Isolaten am häufigsten zu verzeichnen. Dies entspricht 28,9 % aller isolierten Mikroorganismen. Bei grampositiven Kokken dominierten die Enterokokken mit insgesamt 2622 Isolaten (11,1 %). Allein diese drei Spezies verursachten also fast zwei Drittel der intraabdominellen Infektionen.
Bei Haut- und Weichteilinfektionen (n = 35105) ist S. aureus mit 35,3 % an erster Stelle vertreten, gefolgt von strikt aeroben Bakterien (18 %) und betahämolysierenden Streptokokken mit 15 %. Bei Urogenitalinfektionen wurden in 49,4 % aller Fälle E. coli isoliert. P. mirabilis folgt mit 9,8 %. Dementsprechend sollte bei der Auswahl des Antibiotikums für die Therapie schwerer Wundinfektionen nach dem in der Tabelle 1 dargestellten Erregerspektrum verfahren werden.
Gramnegative Bakterien
Gegenüber gramnegativen Bakterien zeigt Piperacillin/Tazobactam eine sehr gute In-vitro-Wirksamkeit. So lagen auch die meisten Resistenzraten in diesen Fällen für den gesamten Beobachtungszeitraum zwischen 0 und 6 %. Die Kombination von Piperacillin und Tazobactam verfügt somit über eine hohe antibakterielle Aktivität - insbesondere gegenüber Enterobacteriaceae und anderen gramnegativen aeroben Mikroorganismen (Ausnahme: B. cepacia). Piperacillin/Tazobactam ist mit nur wenigen Ausnahmen wirksam gegen mehr als 98 % der hier untersuchten gramnegativen Erreger.
Im Allgemeinen ist die Kombination von Piperacillin und Tazobactam auch gegenüber E. cloacae und C. freundii aktiver als die Cephalosporine der dritten Generation. Bei anderen Enterobacteriaceae entsprechen sich die Wirksamkeitsraten dieser Substanzen in etwa. Im Vergleich mit den Chinolonen und Carbapenemen zeigt Piperacillin/Tazobactam jedoch eine bessere In-vitro-Aktivität, wenn eine Infektion mit P. aeruginosa und indolpositiven Proteus-Stämmen vorliegt.
Etwa 30 % der untersuchten E.-coli-Stämme wiesen eine Piperacillinresistenz auf. Bei Zugabe des Betalaktamase-Inhibitors Tazobactam konnte diese in fast allen Fällen umgangen werden, nur knapp 2 % der Stämme blieben resistent. Auch bei Stämmen des Genus Klebsiella führte Tazobactam zu einer deutlichen Steigerung der In-vitro-Wirksamkeit von Piperacillin. Mehr als 95 % der untersuchten Isolate waren voll empfindlich.
Betrachtet man die gesamte Wirkungsbreite der untersuchten Substanzen gegenüber gramnegativen Erregern (n = 60184), dann war die Piperacillin-Tazobactam-Kombination den Vergleichspräparaten überlegen. Nur diese Kombination zeigte bei allen untersuchten gramnegativen Isolaten eine Empfindlichkeit von 97,1 % (Ceftazidim 96,5 %, Imipenem 94,6 %, Ciprofloxacin 92,9 % und Cefotaxim 84,1 %).
Grampositive Bakterien
Auch im grampositiven Bereich zeigte Piperacillin/Tazobactam sehr gute Wirksamkeitsraten. Gegenüber Staphylokokken liegen die Resistenzraten zwischen 3 und 15 % (bei S. aureus) und zwischen 14 und 18 % (bei koagulasenegativen Staphylokokken) und ist so mit der Aktivität von Oxacillin zu vergleichen.
Stämme der B.-fragilis-Gruppe bilden fast immer Betalaktamasen und zeigen daher gegenüber Piperacillin, Mezlocillin und Cefoxitin hohe Resistenzraten. Bei diesen Stämmen sind Piperacillin/Tazobactam sehr gut, Amoxicillin/Clavulansäure, Imipenem und Metronidazol gut wirksam (die Resistenzrate liegt in diesen Fällen unter 1 %). Die strikt aeroben Kokken werden von Cefoxitin, Clindamycin und Metronidazol lediglich zwischen 9 und 14 % erfasst.
Antimikrobielle Aktivität im Vergleich
In der [Tabelle 2] sind für neun antimikrobiell wirksame Substanzen die Anzahl der getesteten Isolate, der Prozentsatz der als empfindlich eingestuften Stämme und die Platzierung in der Rangordnung der Aktivitätsspektren zusammengestellt. Lediglich Piperacillin/Tazobactam zeigte bei allen untersuchten Isolaten eine Empfindlichkeit von 96 %, gefolgt von Imipenem (94 %), Ceftazidim (89 %) und Ciprofloxacin (88 %). Cefotaxim, Amoxicillin/Clavulansäure und Gentamicin erzielten nur noch Empfindlichkeiten in der Größenordnung von 73 und 82 %, was auf einige, je nach Wirkstoffklasse unterschiedlich große Wirksamkeitslücken hindeutet. Das Aktivitätsspektrum von Mezlocillin und Cefotiam gegenüber den getesteten Species war nochmals deutlich enger und lag zwischen 60 und 70 % Empfindlichkeit.
Betrachtet man die gesamte Wirkungsbreite der verschiedenen Antibiotika gegenüber aeroben, fakultativ anaeroben und anaeroben Bakterien, dann war Piperacillin/Tazobactam den Vergleichspräparaten überlegen. Bei der Analyse der Ergebnisse der Empfindlichkeitstestungen von Piperacillin/Tazobactam an klinischen Isolaten in den Jahren 1992 bis 1998 ergeben sich somit zwei Schlussfolgerungen: Zum einen zeigt sich, dass seit der Einführung von Piperacillin/Tazobactam keine Resistenzentwicklung aufgetreten ist. Die Sensibilitätsverteilung und die Resistenzsituation über den Sieben-Jahres-Zeitraum blieb konstant. Zum anderen bestätigt sich die hohe Aktivität von Piperacillin/Tazobactam gegenüber allen untersuchten pathogenen Mikroorganismen.
Somit lässt sich nach fast zehnjährigem therapeutischen Einsatz keine signifikante Resistenzentwicklung gegenüber Piperacillin/Tazobactam belegen. Dies bestätigen die Ergebnisse ähnlicher Studien aus anderen Teilen Deutschlands. Aufgrund der hier vorgelegten Untersuchungen sowie der Daten aus der Literatur und der hohen Wirtschaftlichkeit kann Piperacillin/Tazobactam als ein geeignetes Mittel der ersten Wahl für die Initialtherapie schwerer bakterieller Infektionen, insbesondere auf den Intensivstationen, angesehen werden.
Dementsprechend haben sowohl die Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. (PEG) und die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie/Onkologie (DGHO) aufgrund der guten Datenlage die fixe Kombination von Piperacillin/Tazobactam (Handelsname Tazobac®) unter dem Aspekt der Sicherheit in ihre Empfehlungen aufgenommen.