Zentralbl Chir 2004; 129(4): 321-327
DOI: 10.1055/s-2004-820310
Experimentelle Medizin

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Beeinflussung primärer humaner Osteoblasten durch nicht-selektive und Cyclooxygenase-II-selektive Cyclooxygenaseinhibitoren

Influence of Non-Selective and Cyclooxygenase-II-Selective Cyclooxygenase-Inhibitors on Primary Human OsteoblastsA. H. Tiemann1 , C. M. Schmidt1 , C. Josten1
  • 1Klinik und Poliklinik für Unfall-, Wiederherstellungs- und Plastische Chirurgie der Universität Leipzig
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Publication Date:
07 September 2004 (online)

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Die zielfokussierte Therapie von Frakturen stellt eine Herausforderung für den behandelnden Chirurgen dar. Wesentliche Voraussetzungen für den Erfolg sind folgende Grundbedingungen:

Die korrekte Klassifikation der Fraktur. Ein individuelles Therapieregime, das an die Erfordernisse der Fraktur ebenso wie an den Patienten angepasst ist. Eine regelrecht durchgeführte Schmerztherapie. Die frühfunktionelle postoperative Therapie.

Neben den rein technischen Gesichtspunkten stellt die Biologie der Frakturheilung bzw. Osteoneogenese einen maßgeblichen Aspekt der Frakturbehandlung dar. Die Vorgänge während der Frakturheilung (Kallusbildung) sind u. a. das Resultat der Aktivitäten von pluripotenten Mesenchymzellen, die sich im Rahmen der physiologischen Knochenbruchheilung zu unterschiedlichen Zellen differenzieren:

Osteoblasten Osteoklasten Chondrozyten

Sowohl endogene Faktoren (z. B. Hormone, Knochenerkrankungen, neurogene Erkrankungen, Diabetes mellitus, Hypertonie, lokale Durchblutungsstörungen) als auch exogene (z. B. Medikamente, Radiatio, Nikotinabusus, Alkoholkonsum) können den physiologischen Ablauf der Knochenbruchheilung durch Beeinflussung von Proliferation, Differenzierung und Metabolismus dieser Zellen stören. Die vorliegende Studie befasst sich mit dem Einfluss zweier exogener Einflussfaktoren:

Nicht-selektiver Cyclooxygenase-Inhibitor (COX-In): Diclofenac Selektiver Cyclooxygenase-II-Inhibitor (COX-In): Celecoxib

Über das Proliferationsverhalten und die Stoffwechselleistung primärer humaner Osteoblasten unter dem Einfluss von COX-In ist wenig bekannt. Untersuchungen zu diesem Thema befassen sich nach Durchsicht der maßgeblichen Literatur im Wesentlichen mit der Analyse von Proliferationsverhalten, Differenzierung und Stoffwechselleistung osteoblastenähnlicher immortaler Zell-Linien (z. B. MG 63). Um eine möglichst optimale Übertragbarkeit der eigenen in vitro Ergebnisse auf die in vivo Situation zu gewährleisten, erfolgte die Untersuchung nicht an Osteoblasten-ähnlichen Zell-Linien, sondern an primären humanen Osteoblasten (PHOst). Die klinische Relevanz der Untersuchung findet sich zunächst bei der Versorgung frischer Frakturen. Minimale Beeinflussung der Frakturheilung bzw. der Proliferationsrate und Stoffwechselleistung der PHOst durch die COX-In bei maximal möglicher Schmerzfreiheit sind hier eine Conditio sine qua non.

Aber insbesondere auch die Problemfälle (z. B. Revisionsoperationen bei Pseudarthrosen, der alte Patient, Patienten mit Knochenstoffwechselstörungen, bestehende Niereninsuffizienz usw.) machen einen differenzierten Umgang mit den zur Verfügung stehenden Analgetika notwendig. Das der Studie zugrunde liegende Zellmodell (Kultivierung PHOst aus Explantkulturen) ist für die einzelnen Fragestellungen etabliert und wurde beispielsweise von Trentz et al., Matziolis et al. und Sell et al. bei ihren Untersuchungen zur Biokompatibilität von IWS bzw. der Beeinflussung PHOst durch verschiedene Analgetika verwendet [14] [21] [25] [26]. Insbesondere Trentz et al. wiesen in diesem Zusammenhang auf die Wertigkeit der Untersuchung am Osteoblastenmodell hin, handelt es sich doch bei diesen Zellen um die eigentlichen Zielzellen der Frakturheilung [25] [26]. Nur im Zellmodell sind die Reaktionen eines einzelnen Zell-Typs, in unserem Fall PHOst, auf bestimmte äußere Einflüsse exakt und reproduzierbar zu überprüfen. Dieses gilt für Untersuchungen in vivo nicht. Eine isolierte Betrachtung eines einzelnen Zell-Typs ist nicht möglich, vielmehr handelt es sich immer um die Untersuchung ganzer Zellsysteme.