Aktuelle Urol 2004; 35(1): 18-21
DOI: 10.1055/s-2004-822932
Klassische Arbeiten

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Prognostic parameters in renal cell carcinoma - a new approach

S. Störkel, W.  Thoenes, GH . Jacobi, R. Lippold
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Dr. Christian Doehn



Lübeck

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Publication Date:
15 July 2004 (online)

 
Table of Contents

Die Autoren untersuchten an 431 Patienten mit einem operierten Nierenzellkarzinom die prognostische Wertigkeit der Parameter TNM- und Robson-Klassifikation, Grading, Zelltyp, Wachstumsmuster und Patientenalter. Staging und Grading erzielten die besten Ergebnisse. Die Robson-Klassifikation zeigte sich der TNM- Klassifikation überlegen. Morphologische Parameter ergaben einen nur moderaten, aber nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Prognose. Mittels vergleichender biometrischer Evaluation wurde eine Punkteskala unter Berücksichtigung der verschiedenen Parameter entwickelt. Hiervon ließen sich 3 verschiedene Prognosegruppen ableiten, die eine korrekte Aussage zur Prognose bei mehr als 80% der Patienten zuließ. Im Vergleich mit anderen Vorschlägen zur Prognoseabschätzung des Nierenzellkarzinoms zeigt die vorgeschlagene Punkteskala das beste Ergebnis.

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Thematisch ähnliche Publikationen

1. Kattan M.W., Reuter V., Motzer R.J., Katz J., Russo P. A postoperative prognostic nomogram for renal cell carcinoma. J Urol 2001; 166: 63-67.

2. Frank I., Blute M.L., Cheville J.C., Lohse C.M., Weaver A.L., Zincke H. An outcome prediction model for patients with clear cell renal cell carcinoma treated with radical nephrectomy based on tumor stage, size, grade and necrosis: the SSIGN score. J Urol 2002; 168: 2395-2400.

3. Leibovich B.C., Blute M.L., Cheville J.C., Lohse C.M., Frank I., Kwon E.D., Weaver A.L., Parker A.S., Zincke H. Prediction of progression after radical nephrectomy for patients with clear cell renal cell carcinoma: a stratification tool for prospective clinical trials. Cancer 2003; 97: 1663-1671.

4. Zisman A., Pantuck A.J., Wieder J., Chao D.H., Dorey F., Said J.W., deKernion J.B., Figlin R.A., Belldegrun A.S. Risk group assessment and clinical outcome algo-rithm to predict the natural history of patients with surgically resected renal cell carcinoma.

J Clin Oncol 2002; 20: 4559-4566.

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Hauptaussage des Artikels

Das operierte Nierenzellkarzinom lässt sich in seinem Verhalten anhand einer Kombination klinischer Parameter wie Robson-Klassifikation, Grading, Zelltyp, Wachstumsmuster und Patientenalter "vorhersagen". Jedem Parameter wird ein Punktwert nach dem folgenden Schema zugeordnet:

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Abb. 1 Flexible Endoskopfixierung (sog. Affenschaukel).

Die Addition ergibt einen Gesamtpunktwert (Störkel-Score“), aus dem sich 3 Prognosegruppen ableiten:

  • 5-9 Punkte = gute Prognose: 42% aller Patienten, 4% Mortalität, mittleres Überleben 137 Monate, 93% 5-Jahres- Überleben.

  • 0-14 Punkte = intermediäre Prognose: 45% aller Patienten, 28% Mortalität, mittleres Überleben 73 Monate, 63% 5-Jahres-Überleben.

  • 15-17 Punkte = schlechte Prognose: 13% aller Patienten, 76% Mortalität, mittleres Überleben 27 Monate, 13% 5-Jahres-Überleben.

Diese prognostischen Aussagen lassen sich mit einer Sicherheit von mehr als 80% treffen. In der hier analysierten Gruppe von 431 Patienten verstarben bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 28 Monaten 104 Patienten (24%) und bei 64 der 327 überlebenden Patienten (19,6%) kam es zu einer Metastasierung. Das mittlere Gesamtüberleben wurde mit 95 Monaten berechnet und die 5- und 10-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeiten mit 63% bzw. 50%.

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Warum dieser Artikel wichtig ist

Die Arbeit kombiniert relevante Parameter für die Prognose des Nierenzellkarzinoms und operiert jenseits der heute immer noch verbreiteten Ansicht, die Prognose eines am Nierenzellkarzinom operierten Patienten könne mit dem T-Stadium und dem G-Stadium ausreichend beschrieben werden. Auch wenn die medikamentösen Therapiemöglichkeiten im adjuvanten Bereich und nach Metastasierung begrenzt sind, hat die Kenntnis der Prognose eine eigenständige Bedeutung. An dieser Stelle sei nur die individuelle - und damit effektive - Nachsorge der Patienten erwähnt. Ein weiteres Argument betrifft die Durchführung von klinischen Studien mit Berücksichtigung entsprechender Einschlußkriterien, die sich u.a. an der Prognose des Patienten orientieren.

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Stärken der Arbeit

Die verwendeten Parameter sind einfach zu erheben. Alle zum Einsatz kommenden Parameter besitzen auch heute noch ihre Berechtigung. Die Prognose des Patienten mittels des Störkel-Scores“ lässt sich bei Kenntnis der notwendigen Parameter schnell berechnen.

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Schwächen der Arbeit

Die mittlere Beobachtungszeit lag bei lediglich 28 Monaten. In dieser Zeit verstarben 104 Patienten (24%). Von den 327 Patienten wurde bei 64 eine Metastase nachgewiesen. Die Autoren machen keine Angaben über Zahl und Lokalisation der Metastasen und Therapie derselben. In der Gruppe mit schlechter Prognose waren 13% der Patienten. Heutzutage dürfte der Anteil noch geringer ausfallen, so dass lediglich zwei Prognosegruppen verbleiben würden. Es fehlt eine Verteilung über die verschiedenen Altersgruppen, die auch die unterschiedliche Bewertung (siehe Tabelle) erklären könnte.

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Relevanz

Der ”Störkel-Score“ hat sich in der internationalen Literatur leider nicht durchsetzen können. Gleichwohl findet er in einigen nationalen Studien seine Anwendung. Seiner Verwendung steht jedoch auch in heutiger Zeit prinzipiell nichts entgegen. Demgegenüber ist die Übertragbarkeit der Ergebnisse nordamerikanischer Studien zur Thematik auf europäische oder deutsche Verhältnisse nicht überprüft (1-4).

Die Arbeit spiegelt den frühen Versuch wider, den Verlauf des Nierenzellkarzinoms nach erfolgter operativer Therapie berechenbarer zu machen.

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Kommentar

Die Arbeit von Störkel et al. ist nunmehr 15 Jahre alt. Gleichwohl spiegelt sie den frühen Versuch wider, den Verlauf des Nierenzellkarzinoms nach erfolgter operativer Therapie berechenbarer zu machen. Dieses ist insbesondere deswegen sinnvoll, weil heutzutage immer noch 40% aller Patienten mit einem Nierenzellkarzinom innerhalb von 5 Jahren versterben. Mitte der 70er-Jahre lag diese Rate bei 50%. Ferner ist die Nachsorge beim operativ behandelten Nierenzellkarzinom nicht standardisiert und schon gar nicht auf das individuelle Risikoprofil des Patienten zugeschnitten. Ändert sich dann auch noch die TNM-Klassifikation wie beim Nierenzellkarzinom wird die Vergleichbarkeit von Untersuchungen zur Thematik zusätzlich erschwert, zumindest bei alleiniger Betrachtung des T-Stadiums zur Prognoseabschätzung.

Die letzten Jahre belegen die Notwendigkeit der Risikoabschätzung für das nichtmetastasierte und metastasierte Nierenzellkarzinom. Kattan et al. entwickelten anhand der Ergebnisse von 601 Patienten nach operativer Therapie eines Nierenzellkarzinoms eine Risikoanalyse zum progressionsfreien Überleben (1). In diese Analyse wurden die Parameter Tumor-Symptomatik, Histologie (klarzellig, papillär, chromophob), T-Stadium (TNM-Klassifikation 1997) und Tumorgröße (cm) eingeschlossen. Eine Aussage zur Prognose ist jedoch nur bis zum fünften Jahr nach Operation möglich. Der Differenzierungsgrad wurde mit dem Verweis auf die Schwierigkeiten der pathologischen Gradings beim nichtklarzelligen Nierenzellkarzinom nicht in das Nomogramm aufgenommen (1).

Frank et al. entwickelten anhand der Ergebnisse von 1801 Patienten nach radikaler Nephrektomie eines klarzelligen Nierenzellkarzinoms eine Risikoanalyse zum tumorspezifischen bzw. progressions- freien Überleben (2). In diese Analyse wurden die Parameter T-Stadium (TNM 1997), N-Stadium, M-Stadium (nur beim tumorspezifischen Überleben), Tumorgröße (< 5 cm vs. > 5 cm bzw. < 10 cm vs. > 10 cm), Grading (Fuhrmann) und Tumornekrose (ja vs. nein) einbezogen. Nach diesen Parametern lassen sich die Wahrscheinlichkeiten für das tumorspezifische und progressionsfreie Überleben nach 1, 3, 5, 7 und 10 Jahren jeweils aus einer Tabelle ablesen. Dafür werden 10 bzw. 8 verschiedene Untergruppen anhand eines Punktwertes gebildet (2, 3).

Zisman et al. entwickelten anhand der Ergebnisse von 814 Patienten nach Tumornephrektomie eine Risikoanalyse für nichtmetastasierte (n = 468) und metastasierte (n = 346) Nierenzellkarzinome nach operativer Therapie (4). In diese Analyse wurden die Parameter T-Stadium (TNM-Klassifikation 1997), Grading (Fuhrmann) und Allgemeinzustand (ECOG-Status) eingeschlossen. Bei nichtmetastasierten Tumoren lag das 5-Jahres-Gesamtüberleben je nach Risikogruppe bei 84, 72 bzw. 44% und das progressionsfreie 5-Jahres-Überleben bei 91, 64 bzw. 37%. Bei metastasierten Tumoren lag das 5-Jahres-Gesamtüberleben bei 30, 19 bzw. 0% (4).

Inwieweit sich die Therapieerfolge des Nierenzellkarzinoms verbessern lassen, wird auch von der Qualität der Patientenselektion anhand eines individuellen Risikoprofils abhängen. Hierbei muss dem ”Störkel-Score“ zumindestens eine gewisse Vorreiterrolle zugeschrieben werden.

Dr. Christian Doehn



Lübeck

Dr. Christian Doehn



Lübeck

 
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Abb. 1 Flexible Endoskopfixierung (sog. Affenschaukel).