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DOI: 10.1055/s-2004-823038
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Nierenersatztherapie im Alter - Pro
Renal replacement therapy in elderly - proPublication History
eingereicht: 8.12.2003
akzeptiert: 29.1.2004
Publication Date:
08 April 2004 (online)
In der Bundesrepublik nimmt die Zahl der Patienten, die einer Nierenersatztherapie, d. h. eines Dialyse-Verfahrens oder der Nierentransplantation bedürfen, ständig zu. Besonders ausgeprägt ist der Anstieg behandlungsbedürftiger Patienten in der Altersgruppe der über 70-Jährigen. Im Jahre 2001 waren 45 % aller Patienten, die sich neu einer chronischen Nierenersatztherapie zu unterziehen hatten, älter als 70 Jahre und 11 % waren älter als 80 Jahre. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Sie liegen einerseits in der sich ändernden Altersstruktur der Bevölkerung. Andererseits verbessert der Einsatz moderner Medizintechnik z. B. im Bereich der Gefäßrekonstruktion die Morbidität und Mortalität so, dass die Patienten den Zeitpunkt der chronischen Niereninsuffizienz erleben und von der Nierenersatztherapie profitieren, wie zum Beispiel im Falle des Diabetes mellitus, der in 36 % der über 60-Jährigen die Ursache des chronischen Nierenversagens darstellt [4]. Da sich diese Entwicklung fortsetzt, ist es wichtig, den alten Patienten, die ein chronisches Nierenversagen erleiden werden, eine klare Perspektive aufzuzeigen.
In der Bundesrepublik ist selbst in ländlichen Gebieten eine ortsnahe, flächendeckende und ausreichende Versorgung mit Hämo- oder Peritonealdialyse-Therapiemöglichkeiten etabliert. Die hauptsächliche Belastung der Patienten bei der durchschnittlich 4-5-stündigen Hämodialyse-Behandlung, die in der Regel drei Mal pro Woche durchgeführt wird, besteht im Entzug von 1-2 l Flüssigkeit, was insbesondere bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch verminderte Kreislaufregulation zu Blutdruckabfällen führen kann. Halten Kreislauf-instabile Patienten streng ihre vorgeschriebene Trinkmenge von 500 ml pro Tag plus Ausscheidung ein, sind Blutdruckabfälle wegen des dann nicht notwendigen Flüssigkeitsentzuges die Ausnahme. Die alleinige Entgiftung wird in der Regel ohne Probleme toleriert. Die renale Anämie sowie die renale Osteopathie, noch vor 10 Jahren wesentliche Probleme, lassen sich gut mit rekombinatem Erythropoetin und Vitamin-D-Analoga therapieren. Über 70-jährige Dialysepatienten empfinden ihre Lebensqualität trotz der objektiven physischen Beschränkungen nur gering schlechter als die altersentsprechende Durchschnittsbevölkerung [2]. Wenige Gründe sind allgemein akzeptiert, eine Dialysebehandlung nicht durchzuführen: (a) der Patient verweigert die Therapie, (b) nicht renale terminale Erkrankungen, (c) permanent bewusstloser Zustand, (d) technische nicht Durchführbarkeit [3] - Alter allein ist kein Grund.
Auch niereninsuffiziente Patienten, die älter als 65 Jahre sind, profitieren von einer Nierentransplantation. Nicht nur die Lebensqualität wird verbessert. Bereits 217 Tage nach der Transplantation ist in dieser Patientengruppe die operationsbedingte Mortalität im Vergleich mit der altersentsprechenden Dialysepatientengruppe, die auf ein Transplantat wartet, ausgeglichen [1]. Die Mortalität der über 60-jährigen Dialysepatienten auf der Warteliste beträgt 10 % pro Jahr und sinkt auf jährlich 7,4 % nach Transplantation [5], wobei besonders das kardiovaskuläre Risiko um 50 % gemindert wird. Um ältere Dialysepatienten von einer möglichst frühzeitigen Transplantation profitieren zu lassen, werden im Eurotransplantbereich nach ausführlicher Aufklärung Nieren von über 65 Jahre alten Spendern bevorzugt regional in über 65 Jahre alte Empfänger transplantiert (Eurotransplant Senior Program). Der Nachteil des höheren Alters der gespendeten Niere für die Langzeitfunktion wird durch die kürzere Wartezeit wieder aufgewogen.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die chronische Niereninsuffizienz in keinem Alter allein zum Tode führen darf. Sowohl die Dialysebehandlung und mehr noch in vielen Fällen die Nierentransplantation ermöglichen dem alten Patienten ein erfülltes und lebenswertes Leben. Bei kostenintensiven Verfahren wie der Transplantation und der Dialyse wird unter zunehmendem Kostendruck die Frage der Verteilung und Restriktion gestellt. „Die Beurteilung sollte ausschließlich auf der Basis klinischer Kriterien erfolgen. Jedes andere Kriterium (Alter,..., Arbeitskraft, soziale Nützlichkeit etc.) wäre willkürlich und subjektiv und würde dem einer jeden Person eigenen Wert als Mensch nicht gerecht.” ( Johannes Paul II, Rom 29. August 2000, Internationaler Transplantationskongress)
Literatur
- 1 Edwars E B, Bennet L E, Cecka J M. Effect of HLA matching on the relative risk of mortality for kidney recipients: a comparison of the mortality risk after transplant to the mortality risk of remaining on the waiting list. Transplantation. 1997; 64 1274-1277
- 2 Mingardi G, Cornalba L, Cortinovis E. et al . Health-related quality of life in dialysis patients: A report from an Italian study using the SF36-Health Survey. Nephrol Dial Transplant. 1999; 14 1503-1510
- 3 Moss A H. Patient Selection of Dialysis, The Decision to Withdraw Dialysis, and Palliativ Care;. Saunders In Therapy in Nephrology and Hypertension, Edited by Brady HR and Wilcox CS 2003
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4 Qualitätssicherung-Niere:. http://www.quasi-niere.de/
- 5 Wolfe R A, Ashby V B, Milford E L. et al . Comparison of mortality in all patients on dialysis, patients on dialysisi awating transplantation, and recipients of a first adaveric transplant. N Engl J Med. 1999; 341 1725-1730
Prof. Dr. U. Kunzendorf
Klinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Schittenhelmstraße 12
24105 Kiel