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DOI: 10.1055/s-2004-826659
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Die „Krebspersönlichkeit” - Mythen und Forschungsresultate
Cancer Personality - Myths and Research ResultsKorrespondenzadresse
Prof. Dr. Reinhold Schwarz
Selbständige Abteilung Sozialmedizin, Universität Leipzig
Riemannstraße 32
04107 Leipzig
eMail: schwarzr@medizin.uni-leipzig.de
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
11. Mai 2004 (online)
- Zusammenfassung
- Summary
- Stand der wissenschaftlichen Diskussion
- Theorieansätze zur Psychogenese onkologischer Erkrankungen
- Methodenkritische Betrachtungen der Ergebnisse zum „Typ C”
- Schlussfolgerungen hinsichtlich des „Typ C”
- Subjektive Krankheits-theorien
- Fazit
- Literatur
Zusammenfassung
Lange Zeit wurde vermutet, dass Krebserkrankungen in Zusammenhang mit spezifischen Persönlichkeitszügen stehen. Aus wissenschaftlicher Sicht besteht jedoch zur Zeit kein Anhalt für eine persönlichkeitsgebundenes Krebsrisiko. Psychische Überlastungen zeigen zwar eine generelle Koinzidenz mit einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit, allerdings besteht keine statistisch signifikante Korrelation mit onkologischen Erkrankungen. Andererseits lassen sich Verhaltensweisen identifizieren, die sowohl mit der psychischen Verfassung als auch mit einem erhöhten Krebsrisiko einhergehen, z.B. Tabak- und Alkoholabusus. Die Inanspruchnahme präventiver Angebote ist daher auch psychosozial determiniert.
#Summary
Cancer was long suspected to be associated with specific personality traits. Scientifically speaking, however, there is currently no evidence for a personality-related cancer risk. Although mental stress appears to coincide generally with an elevated disease susceptibility, there exists no specific statistically significant correlation with oncological morbidity. On the other hand it is possible to identify patterns of behaviour that are associated both with a person's frame of mind and an increased risk of developing cancer, e.g. the abuse of tobacco and alcohol. The acceptance of preventive measures on offer is therefore also determined by psychosocial factors.
Das Krankheitspanorama in den industrialisierten Staaten ist immer mehr geprägt von chronischen Leiden. Darunter nehmen die vielfältigen onkologischen Erkrankungen einen vorderen Rangplatz ein. Gesundheitsbezogene Aktivitäten stützen sich im Wesentlichen auf die Prävention, sei es durch nachdrückliche Warnungen vor verhaltensbedingten Risiken oder durch (i.d.R. Kassen finanzierte) Früherkennungsuntersuchungen von Krankheitsvorstufen oder Frühstadien [1], deren Nutzung jedoch weit hinter den Erwartungen zurückbleibt.
Wenn auch das Detailwissen über die onkologischen Krankheiten täglich zunimmt, ist ein umfassendes Modell der Karzinogenese vorerst, wenn überhaupt, kaum zu erwarten. Diese, vor allem in der Laienöffentlichkeit, viel beklagte Erkenntnislücke zu schließen, fühlen sich auch wissenschaftliche Fachgruppen aufgerufen, die verhaltensabhängig oder persönlichkeitsgebundenen Risiken nachgehen, wie die Psychosomatische Medizin, die Sozialmedizin, die Psychologie und neuerlich auch die Gesundheitswissenschaften („public health” Gesundheitspsychologie, etc.). Vor allem in der Psychosomatischen Medizin traf dieses Interesse in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zusammen mit den anfänglich hoffnungsvoll erscheinenden Ansätzen, hinter körperlichen Erkrankungen spezifische Persönlichkeitszüge bzw. Lebensschicksale aufzuspüren und diese Kenntnisse einer primären Prävention zugänglich zu machen.
Die inzwischen überholte Assoziation des Begriffes „Psychoonkologie” mit einer Psychoätiologiethese stammt aus den Zeiten, in der eine Krebsdiagnose einen raschen und fatalen Verlauf bedeutete und nur wenige Behandlungsoptionen offen standen. Dank und in Folge der Entwicklung wirksamer somatischer Therapiemethoden hat sich auch das Spektrum psychosozialer Erklärungs- und Interventionsmöglichkeiten beträchtlich erweitert. Der Begriff „Psychosoziale Onkologie” erscheint wegen der vielfältigen seelischen, mitmenschlichen, bis zu sozialrechtlichen Bezügen und Schnittstellen heute als angemessener.
Mit der psychosomatischen Denktradition verknüpfen sich spirituell-philosophische, animistische, esoterische bis naiv-kulturkritische Lehren. Gängige Schlagwörter sind „Sinn” oder „Botschaft der Krebserkrankung”, wodurch dem onkologischen Geschehen eine (verborgene) Absicht unterstellt wird. Die (missbräuchliche) Verwendung der psychosomatischen Terminologie belastet den wissenschaftlichen Diskurs hinsichtlich psychosozialer Krebsrisiken und verschleiert den ideologischen Charakter solcher im Laienumfeld gern aufgenommener Irrlehren.
Somit sind wir aus zwei Richtungen mit Thesen oder Überzeugungen von einer seelischen Krankheitsverursachung konfrontiert: Auf Patientenseite finden wir schuldhafte Selbstzuschreibung und subjektive Krankheitstheorien, z.B. zur Befriedigung eines verständlichen Kausalbedürfnisses; dabei handelt es sich um intrapsychische Formen der Krankheitsverarbeitung und nicht um Daten, die sich zur Theorieprüfung eignen. In der wissenschaftlichen Diskussion geht es um die (empirische) Prüfung der Hypothese persönlichkeitsgebundener Krankheitsrisiken.
Dem entsprechend setzt der folgende Beitrag zwei Schwerpunkte: Zum einen die Nachzeichnung der wissenschaftlichen Diskussion hinsichtlich der Frage, welches wissenschaftliche Gewicht den psychosozialen Ursachenvermutungen bezüglich der Onkogenese zukommt. Das heißt, welche Bedeutung haben definierte (spezifische) Persönlichkeitszüge, seelische Belastungen oder unbewusste psychische Faktoren bei der Entstehung und ggf. auch im Verlauf von Krebserkrankungen - im Sinne der Überprüfung einer wissenschaftlichen Theorie. Zum anderen geht es um Kausalzuschreibungen, wie sie von Patienten und in der Laienöffentlichkeit vorgenommen werden, in Form des Nachvollzuges von subjektiven Theorien, denen u.a. eher eine Funktion in der Angst- oder Krankheitsbewältigung zukommt, als dass sie auf Erkenntnisgewinn aus sind.
Wenn auch psychosoziale Ätiologievorstellungen immer wieder vorgetragen werden [2], haben sie im aktuellen Schrifttum an Bedeutung verloren. Sie tauchen aber in anderem Gewande wieder auf, und zwar bei Thesen zur psychosozialen Verlaufskontrolle [3] bis - im extremen Falle - zur psychologischen Erklärung von Spontanremissionen (4). Dabei steht letztlich nicht das prinzipielle Faktum, dass psychosoziale Prozesse (im weitesten Sinne) Einfluss auf den Verlauf chronischer Erkrankung nehmen, zur Diskussion, sondern die Spezifitätsannahmen einmal hinsichtlich der Krebserkrankungen und zum anderen hinsichtlich personen- und persönlichkeitsseitiger Einflussfaktoren.
#Stand der wissenschaftlichen Diskussion
Als Vordenker einer psychosozialen Onkogenese gelten bereits Hippokrates und Galenus, aus deren Schrifttum sich Hinweise auf die Krebsentstehung, nämlich durch eine melancholische Seelenverfassung, herauslesen lassen. Die These „Krebs durch Melancholie” präzisierte sich zu einer (noch heute aktuellen) Depressionstheorie des Krebses, hinter der sich allerdings eine Mehrzahl von Erklärungsmodellen verbirgt. Angenommen wurde einerseits, dass sich durch eine melancholische Gemütsverfassung („Krebsdyskrasie”) Krebserkrankungen bereits ankündigten. Andererseits vermutete man, dass seelische Überlastungen zu einer Erschöpfungsdepression führten und diese wiederum einem malignen Zellwachstum den (immunologischen) Boden bereiteten. Schließlich sind manche Autoren der Überzeugung, dass pathologische Trauerprozesse nach Kindheitstraumata depressive Entwicklungen einleiteten, die mit vitalen Gehemmtheiten auch auf organischer Ebene einher gingen. Weiterhin wird ein spezifisches Persönlichkeitsmuster: „Typus Carcinomatosus” oder „Typ C”, vergleichbar mit der „psychosomatischen Persönlichkeitsstruktur”, erkennbar an dem Phänomen der „Alexithymie” (Seelenblindheit) postuliert, die auch bei onkologisch Kranken anzutreffen sei (5).
Im Zusammenhang mit den Erklärungsversuchen der malignen Neoplasien stehen wir dem wohl einmaligen Phänomen in der psychosomatischen Medizin gegenüber, dass nahezu jede psychosoziale, psychologische oder psychotherapeutische Richtung einen eigenen, spezifischen Beitrag zur Ätiologie bereithält und dass nahezu alle bisher angestellten Überlegungen noch aktuell sind - ungeachtet der theoretischen Inkompatibilität und der widersprüchlichen Datenlage. Im einzelnen lassen sich die hypothetischen Konzepte wie in Tabelle 1 gezeigt ordnen. Psychosoziale Theorien zur Erklärung von Krebsleiden gehen von der allgemeinen Frage aus, ob die seelische Gesundheit oder psychisch determinierte Verhaltensweisen eine ursächliche Rolle in der Krebsentstehung spielen. Betrachtungen zur psychosozialen Onkogenese sollten somit nicht nur Persönlichkeitseigenschaften berücksichtigen, sondern auch solche Risikofaktoren und Risikokonstellationen einschließen, die potentiell steuerbar sind oder die als Ausdruck einer psychischen oder psychosomatischen Erkrankung gelten können. Abusus oder Abhängigkeit von Genussmitteln, die toxische Substanzen enthalten und das Krebsrisiko eindeutig erhöhen, z.B. Rauchen, finden weder in den subjektiven Erklärungen die gebührende Beachtung, noch werden sie im entsprechenden wissenschaftlichen Kontext als psychosozial eingeordnet, obwohl hier eine seelische Problematik das entsprechende karzinogene Risikoverhalten zumindest mitbedingt [6]. Die Multikausalität der Krebserkrankungen schließt in diesem Sinne auf jeden Fall auch psychosoziale Faktoren mit ein.
#Theorieansätze zur Psychogenese onkologischer Erkrankungen
In diesem Abschnitt stehen die Theorien im Vordergrund, die Krebs auf spezifische Merkmale der Persönlichkeit zurückführen. Ausgangspunkt für diese Erklärungsversuche stellt der Phänotypus „Krebspersönlichkeit” oder auch „Typ C” dar, der von vielen Autoren (scheinbar) übereinstimmend beschrieben wird als depressiv, antriebsgehemmt, unfähig, eigene Interessen zu verfolgen, Ärger zu empfinden oder gar zu zeigen. In seinem Urvertrauen erschüttert, neige ein solcher Mensch dazu, auf Verlusterlebnisse mit Hilf- und Hoffnungslosigkeit zu reagieren. Im Folgenden wird versucht, Hypothesenbildung und -überprüfung nach dem jeweiligen theoretischen Standpunkt geordnet darzulegen, ohne dass an dieser Stelle eine Vollständigkeit möglich ist [5].
In der Beurteilung der onkogenetischen Risikokonstellation lassen sich zwei Prinzipien unterscheiden: das oben genannte Persönlichkeitskonstrukt („Typ C”) und aus behaviouristischer Sicht das „Typ C-Verhalten”. Dementsprechend sind im Bereich der deskriptiven Persönlichkeitspsychologie zwei Arten von Forschungsstrategien gebräuchlich. Auf der einen Seite steht ein phänomenologisches Vorgehen, das zu idealtypischen Persönlichkeitsentwürfen führen soll. Auf der anderen die Testpsychologie, die mit standardisierten Test-Reizen verallgemeinerbare, typische Reaktionen provozieren will - wobei Patienten auf verschiedenen Dimensionen (Personenvariablen) des „Typ C-Verhaltens” eingeschätzt werden. Vertreter beider Richtungen versuchen mit ihren Mitteln, ein typisches Portrait des Krebskranken zu zeichnen. In der fast 60-jährigen Geschichte der testpsychologischen Erforschung des Krebsproblems ist eine Fülle von diagnostischen Verfahren bei den verschiedensten Patientengruppen angewandt worden. Die überwiegende Zahl der Studien zum „Typ C” bedienen sich mehrerer methodischer Ansätze; meist werden Skalen oder Tests kombiniert mit halbstrukturierten oder freien Interviews zur Biographie, der speziellen Krankheitsvorgeschichte, etc. Ungeachtet der jeweiligen Methode der Datenerhebung und auch der Tumorlokalisationen entsteht bei einer Durchsicht der verschiedenen Studien zur Krebspersönlichkeit der Eindruck einer hohen Konvergenz der Resultate. Die Analyse der entsprechenden Primärliteratur zeigte allerdings, dass nahezu jedem signifikanten Ergebnis ein ebenfalls signifikantes Gegenergebnis zugeordnet werden kann und dass, vor allem von den Befürwortern einer „Krebspersönlichkeit”, welcher psychotherapeutischen Provenienz auch immer, negative Resultate vielfach nicht rezipiert wurden [5] [7]. Eine Übersicht der betreffenden Eigenschaften gibt Tabelle 2 bezogen auf das Mamma- und Bronchialkarzinom, wobei sich Arbeiten aus jüngerer Zeit im Wesentlichen auf das Merkmal „Depressivität” konzentrieren.
Ähnlich lautende Befunde liefern Untersuchungen über gynäkologische Tumore, hämatologische Erkrankungen, das Kolonkarzinom, das Melanom u.a.m; auch hier fällt die widersprüchliche Datenlage ins Auge.
Die wissenschaftlich orientierte Psychoätiologie-Diskussion maligner Erkrankungen führen hauptsächlich Vertreter der psychodynamischen und psychosomatischen Schulen und der Verhaltenstherapie. Auf die Überlegungen beider soll im Folgenden knapp eingegangen werden. Die meist schillernden ideologisch-weltanschaulichen Positionen bleiben an dieser Stelle außer Acht.
Entsprechend der Weiterentwicklung der Tiefenpsychologie lassen sich psychoonkologische Ansätze heute danach unterscheiden, inwieweit sie sich auf ein primäres Motivationskonzept stützen, ob sie Ich-Funktionen - z.B. Abwehr, Anpassung etc. - in den Mittelpunkt stellen oder ob das Schwergewicht auf dem „Selbst” oder den „Objektbeziehungen” liegt. In jeder dieser Sichtweisen findet man engagierte Befürworter einer Krebs-Psychogenese. Von Wilhelm Reich stammt eine der ersten ausformulierten psychosomatischen Theorien - Krebs durch unausgelebte Bedürfnisse. Trotz ihres hochspekulativen Gehaltes hat diese Sicht nicht nur in der Laienwelt, sondern auch im aktuellen wissenschaftlichen Schrifttum zahlreiche Anhänger gefunden (8, 9). Auf Reich stützen sich heute noch alle die, die „fehlgeleitete Lebenskraft” oder analoge Konstrukte für die Krebserkrankung verantwortlich machen, welche dann durch entsprechende, meist körperorientierte Psychotherapieverfahren [10] rekanalisierbar wäre. Eine andere Richtung betrachtet Krebs als symbolhaften Ausdruck von meist aggressiven bzw. autoaggressiven Konflikten [11] [12] [13]. Vielfach werden Verluste, die zu einem psychischen Defekt mit depressiver Symptomatik geführt haben, als krebsverursachend angesehen [14]. Methodensichere empirische Untersuchungen hinsichtlich des Zusammenhanges zwischen Depressivität und Krebs bestätigen diese Hypothesen jedoch nicht [15], was in dieser Schärfe jedoch nicht für den Krankheitsverlauf gilt. Allerdings spricht auch hier die Evidenz eher für unspezifische Verlaufsmoderatoren [3].
Beiträge zur Lösung des Krebsproblems stammen auch von Vertretern der zweiten wichtigen psychologischen Richtung der Aufklärung menschlicher Erkrankungen, der Lern- oder Verhaltenstheorie. „Verhalten” wird dabei weit gefasst, als das sichtbare und messbare Tun oder Unterlassen eines Menschen, wobei das „Tun” auch die damit verbundenen kognitiven, immunologischen und biochemischen Prozesse einschließt. Dementsprechend setzen viele Theorien am Immunsystem an, das stressbedingt geschwächt, der Tumorentstehung zu wenig Widerstand entgegen setzen solle. Im Tierexperiment ist der Nachweis gelungen, dass konditionierte Stimuli einen immunsuppressiven Effekt haben können. Komplementäre Experimente ließen auch eine Immunstimulation bewirken. Unter Verweis auf diese Phänomene postulierte u.a. Eysenck [16] sodann eine konditionierte Drüsenreaktion auf Stress, die sich immunsuppressiv und somit krebsbegünstigend auswirke. Ausgehend von der Annahme einer persönlichkeitsbedingt erhöhten Ängstlichkeit und Konditionierbarkeit von Krebspatienten, schließt Eysenck auf eine genetisch-konstitutionelle Begünstigung konditionierter Immunsuppression unter Stress, die der Kanzerogenese Vorschub leiste.
Denselben Stellenwert, den die Verlusthypothese bei psychodynamisch orientierten Autoren einnimmt, erhalten die belastenden Lebensereignisse („life events”), meist ebenfalls Verluste, bei lerntheoretisch und behaviouristisch orientierten Sozialpsychologen. Mehrere Forschergruppen berichten von kumulierenden Belastungserfahrungen im Vorfeld von Krebserkrankungen - Befunde die allerdings nicht unwidersprochen blieben [6] [17]. In komplementärer Weise gilt soziale Unterstützung als Schutzfaktor gegen Krebs - eine Hypothese, die ähnlich viele Befürworter wie Kritiker gefunden hat [5].
Der auch bei der Erklärung anderer Phänomene unbefriedigende, behaviouristische Reiz-Reaktions-Automatismus erfuhr eine Erweiterung durch kognitive Aspekte. Die eindimensionale Gleichsetzung von Stress und Krebs wird ergänzt durch Überlegungen zur Stressverarbeitung. Dabei wird kognitiven Prozessen vor allem in ihrer Verfestigung zu entsprechenden seelischen Strukturen (Orientierungssystemen) - im Sinne von Persönlichkeitsvariablen - eine große Bedeutung beigemessen. Sie stellen eine Grundlage des Bewältigungsverhaltens oder „Copings” dar. Am Beispiel des Mammakarzinoms heben verschiedene Autoren [18] die Bedeutung (stressakzentuierender) kognitiver Bewertungsstile in der persönlichen Lebensgeschichte und der Onkogenese hervor. Durch die Erkenntnis, dass die Belastungswirkungen von den Bewältigungsmöglichkeiten des einzelnen abhängen, ergab sich ein Perspektivenwechsel von der Belastungs-, zur Reaktionsseite, also zu den Ressourcen des Individuums. Im optimalen Fall stehen Belastungen im Gleichgewicht mit der Bewältigungskapazität. Der Begriff des Gleichgewichts (Homöostase) zwischen belastenden und neutralisierenden Kräften, spielt auch in der naturwissenschaftlichen Onkogeneseforschung eine große Rolle. Gemäß der Immunüberwachungstheorie des Krebs stören Beeinträchtigungen der körpereigenen Abwehr die Balance zwischen den permanent im Organismus entstehenden defekten oder malignen Zellen und deren Reparation oder Elimination. Somit müsste auch der individuell wirksame „Stress”, soweit er Einfluss auf die Immunfunktionen hat, das Risiko erhöhen, an Krebs zu erkranken, allerdings auch das aller anderer Krankheiten, die mit Immunfunktionen verknüpft sind, was wiederum eine Unspezifitätsannahme stützt.
Im körpereigenen Abwehrsystem sehen viele Forscher eine letzte gemeinsame Endstrecke psychischer, endokriner und zentralnervöser Einflüsse. In der Tat steht inzwischen außer Frage, dass Immunfunktionen durch seelische Mechanismen beeinflussbar sind [19]. Insbesondere nach starken Belastungen, z.B. durch Verlusterlebnisse, wurde eine Immunsuppression beobachtet [20]. Die Beobachtung z.B., dass abwehrgeschwächte AIDS-Kranke oder Patienten, die im Zusammenhang mit einer Organtransplantation immunsuppressiv behandelt wurden, eine höhere Tumorinzidenz aufweisen, spricht für die Relevanz des Immunsystems bei der Kontrolle maligner Prozesse. Es stehen nun im Bereich der Karzinogenese wie auch des Tumorwachstums zwar plausibel erscheinende, allerdings hinsichtlich der Persönlichkeit unspezifische, Denkmodelle zur Verfügung. Einige der daraus abgeleiteten Hypothesen konnten bisher auch nur im Laborversuch und nicht durch empirisch überzeugende Befunde am Menschen bestätigt werden [6] [20].
#Methodenkritische Betrachtungen der Ergebnisse zum „Typ C”
Es steht nun die Frage an, ob die angewandten Methoden geeignet sind, die Merkmale einer „Krebspersönlichkeit” zu bestätigen, ob sie beispielsweise eine kausale Zuordnung gestatten. Mitteilungen beispielsweise, die auf einzelne Krankheitsfälle bezogen bleiben, und sich ausschließlich auf eine klinisch-intuitive Urteilsbildung stützen, sind bestenfalls zur Hypothesenbildung geeignet. Verallgemeinernde Aussagen dagegen fassen Beobachtungen zusammen, die unter kontrollierten Bedingungen zustande gekommen sind, um gegen Zufallseffekte und die Wirkungen von Drittvariablen abgesicherte Gesetzmäßigkeiten abzuleiten. Vorweg sei angemerkt, dass zur Beschreibung und Messung spezifischer psychosozialer Merkmale, die im Prozess der Kanzerogenese eine Rolle spielen sollen, nahezu sämtliche quasi-experimentellen, in den Sozialwissenschaften gebräuchlichen Studiendesigns zur Anwendung gelangt sind, auch solche, die sich von vornherein kaum für die Überprüfung von Ursache-Wirkungs-Beziehungen eignen.
Grundlage der ersten Beobachtungen, die Hypothesen zum „Typ C” stimuliert haben, waren retrospektive Betrachtungen und später auch Untersuchungen an bereits Erkrankten hinsichtlich der relevanten Variablen vor Erkrankungsbeginn. Zuverlässige psychologische Daten sind jedoch im lebensgeschichtlichen Rückblick auch angesichts der aktuellen Krankheitsbedrohung nicht zu erwarten. Gerade bei symptomzentrierten Befragungen in Richtung auf Depressivität, Hoffnungslosigkeit und soziale Anpassung lassen sich prämorbide kaum von reaktiven Prozessen unterscheiden. Dasselbe gilt für die Einschätzung „typischer” Abwehrformen, wie Verleugnung, Verdrängung, Projektion etc. Seelische Alterationen als Folge des Krankheitsgeschehens ließen sich außerdem erklären als Zeichen eines paraneoplastischen Geschehens oder als Reaktionen auf Veränderungen des Körperbildes. Das gilt auch für Einzelfallbeschreibungen, denen zur Darstellung von therapeutischen Techniken und schließlich zur Generierung von Forschungshypothesen ein unbestrittener Stellenwert zukommt, die aber zur Prüfung von Kausalhypothesen ungeeignet sind. Viele der in diesem Zusammenhang vorgelegten Fälle stammen aus Praxen niedergelassener Psychotherapeuten und dem entsprechenden Inanspruchnahmeklientel. Im Zusammenhang mit dem individuellen Leidensgeschehen der Patienten mag mancher an eine psychosoziale Onkogenese denken. Es liegt dann aber die Gefahr eines kausalen Fehlschluss nahe, wenn alles, was im psychotherapeutischen Dialog zur Sprache kommt, dem Ursachenzusammenhang des jeweils dominanten Phänomens, hier der Krebserkrankung anstatt dem psychischen Problem, zugeordnet wird [21]. Die Wirkung von Störvariablen auf das zu messende Kriterium zu kontrollieren, sowohl bezüglich der Ergebnisphantasien der Wissenschaftler als auch der retrospektiven (Um-) Deutung beim Patienten, ist das Anliegen eines jeden Studienprotokolls. Auch der oft angestellte Vergleich zwischen Krebskranken und Gesunden oder Kranken mit einer anderen Diagnose kann u.a. wegen der Unkalkulierbarkeit sekundär psychischer Rückwirkungen des Krankheitsgeschehens keine ätiologisch verwertbaren Ergebnisse liefern. Studien, die sich auf exakte Parallelisierungen mit Vergleichsfällen gestützt haben, konnten die Charakteristika der Krebspersönlichkeit dann auch nicht sicher reproduzieren [5].
Einzig angemessen zur Untersuchung kausaler Zusammenhänge sind prospektive Untersuchungen. Mangels spezifischer psycho-onkologischer Längsschnittstudien wurden jetzt hauptsächlich zur Überprüfung der Depressivitäts-These Daten herangezogen, die ursprünglich zur Bearbeitung anderer Fragestellungen erhoben worden waren: so die als psychiatrische Prävalenzerhebung ausgelegte „Lundby-Studie”, die „Johns-Hopkins-Precursors-Study”, bei der es um Suizidalität unter Studenten ging, die „Western-Electric-Health-Study” und das „Honolulu-Heart-Program”, beide erfassen kardiovaskuläre Risikofaktoren. Die „Alameda-County-Study” überprüfte dagegen explizit den Zusammenhang zwischen Krebsmorbidität bzw. -letalität und Depression, allerdings mit negativem Ergebnis [5]. Der prospektiven Erfassung von Krebsrisikofaktoren auch aus dem psychosozialen Bereich widmeten sich die Publikationen von Eysenck und Grossarth-Maticek, die allerdings hinsichtlich der Datenzuverlässigkeit und des theoretischen Konzeptes kontrovers und noch nicht abschließend diskutiert sind [7] [22]. Eine inzwischen vorliegende Replikationsstudie lieferte negative Resultate [23]. Zum selben (negativen) Ergebnis gelangt eine Längsschnittstudie aus dem Jahre 1994 [24] die dem Zusammenhang zwischen Depressivität und einigen chronischen Organerkrankungen, darunter auch Krebs, an einer Stichprobe von 2573 Beschäftigten im Gesundheitswesen nachging. Schließlich kam eine Metaanalyse der bis dato vorliegenden Längsschnittstudien zu dem Schluss, dass ein minimaler Zusammenhang zwischen Krebsrisiko und Depressivität zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden könne, eine praktische Bedeutung, sprich klinische Relevanz, aber nicht gegeben sei [25]. Abschließend lässt sich somit festhalten, dass die Ergebnisse prospektiver Studien die These einer depressiven Persönlichkeitsstruktur als Vorläufer einer Krebserkrankung nicht unterstützen und damit hinsichtlich eines wichtigen Teilbereichs die Existenz eines „Typ C” als sehr zweifelhaft erscheinen lassen.
Diese Schlussfolgerung wird letztlich gestützt durch die kritische Diskussion der Daten eines dritten Studientyps, des sogenannten präskriptiven oder bedingt prospektiven Studiendesigns. Bei Patienten mit karzinomverdächtigen Symptomen (z.B. Knoten in der Brust) wird anhand psychologischer Daten der zu erwartende und zu diesem Zeitpunkt allen Beteiligten unbekannte histologische Befund prognostiziert, bevor eine Konfundierung mit Verlaufsaspekten eingetreten sein sollte. Hier hat sich weder diese Prämisse als haltbar erwiesen, noch ließen sich die Variablen der „Krebspersönlichkeit” in hinreichender Übereinstimmung reproduzieren [5].
#Schlussfolgerungen hinsichtlich des „Typ C”
Die These eines homogenen Stereotyps „Krebspersönlichkeit” lässt sich bereits nach Sichtung der einschlägigen Literatur nicht mehr aufrecht erhalten. Bei kritischer Betrachtung der angewandten Forschungsmethoden fällt auf, dass differenziert ausgelegte Studien, die auch wichtige intervenierende Variablen (z.B. das Alter der Befragten) berücksichtigen, kaum Hinweise auf den „Typ C” finden. Schon aus Gründen der Logik einer kausalen Argumentation sind Studiendesigns, die ihre Daten von bereits erkrankten Menschen beziehen, nicht geeignet, Ursachenzusammenhänge nachzuweisen, muss doch davon ausgegangen werden, dass prämorbide psychische Eigenschaften in unkontrollierter Weise von reaktiven Phänomenen überlagert sind. Faktoren, die dem Krankheitsausbruch vorausgehen, lassen sich nur mittels eines prospektiven Forschungsansatzes identifizieren. Die bisher vorliegenden prospektiven Untersuchungen sind jedoch von einer Reihe methodischer Probleme belastet. So liegt keine valide Untersuchung vor, die spezifisch zur Überprüfung psychoonkologischer Thesen entworfen worden ist. Eine Ex-post-Anpassung der Fragebogen bzw. der Resultate an die Hypothesen eines „Typ C” erfordert eine zurückhaltende Interpretation der Daten, sofern man ein solches Vorgehen überhaupt als zulässig erachten will. Weiterhin orientieren sich die meisten Studien an der Krebs-Letalität. Die entsprechenden Aussagen beziehen sich somit auf Zusammenhänge zwischen psychosozialen Merkmalen (meist Depression) und dem Tod an Krebs, nicht jedoch auf das Erkrankungsrisiko, das eigentlich Erklärungsgegenstand sein soll. Da die Zusammenhänge ohnehin meist schwach sind, mag der häufig diskutierte Zusammenhang von Depressivität mit vorzeitigem Tod eine Beziehung zwischen Depressivität und Krebs vortäuschen.
An dieser Stelle lässt sich folgendes Resümee ziehen: Die einschlägige psychoonkologische Literatur wartet mit einer ebenso breiten Varianz an Persönlichkeitszügen auf wie die methodischen Zugänge verschieden sind. Weder hat sich ein klarer und spezifischer typus carcinomatosus („Typ C”) oder ein entsprechender Verhaltensstil herausdestillieren lassen, noch können die bislang berichteten (Teil-) Resultate unter methodischen Gesichtspunkten als Hinweis oder gar als Beweis einer Krebspersönlichkeit gelten. Der „Typ C” ist somit als Methodenartefakt oder als Mythos zu betrachten.
#Subjektive Krankheits-theorien
Angesichts einer überwältigenden Evidenz gegen die Annahme einer spezifischen krebsverursachenden, psychosozialen Variablenkonstellation nimmt es Wunder, dass immer wieder aufs Neue, auch in Rekurs auf längst widerlegte Argumente, die These von einer Krebspersönlichkeit vertreten wird [26]. Das Erklärungsproblem verschiebt sich somit von der (negativ zu beantwortenden) Frage der Existenz eines „Typus C” auf Überlegungen, warum immer noch an dieser These festgehalten wird. Die folgenden Überlegungen mögen hier weiterführen; dabei ist zu unterscheiden zwischen einer wissenschaftsnahen Argumentationen und Äußerungen aus dem Laienumfeld.
Im „quasi-wissenschaftlichen” Schrifttum zum Thema „Krebspersönlichkeit” fällt - neben der Verweigerung, aktuelle und empirische Forschungsergebnisse zur Kenntnis zu nehmen - auf, dass wir es vielfach mit einem nahezu geschlossenen Kreis von Autoren zu tun haben, deren Publikationen sich durch eine extrem hohe Rate an Selbst- oder In-Group-Zitaten auszeichnet [7], so dass mit Recht von einem Meinungs- oder Zitierkartell gesprochen werden kann. Diese Art des Umgangs mit kontroversen Meinungen und die hohe Selbstbezüglichkeit (Selbstreferenz) sprechen für das Vorliegen einer subjektiven oder Laientheorie im wissenschaftlichen Gewande, die mehr auf die Bestätigung eines Vorurteils als auf die kritische Prüfung einer Hypothese aus ist.
Welche Gründe auch immer zu dem Beharren auf eine widerlegte Theorie führen mögen, nicht nur Wissenschaftler tun sich schwer, den Zufall als Ursache für ein konkretes Ereignis anzuerkennen. Auch die Alltagspsychologie erträgt keine erklärungsfreien Räume. Die in Reaktion auf eine Krebserkrankung unausweichlich erscheinende Frage: „Warum gerade ich?” - findet bei nahezu 60 % der Kranken Antworten, die Vorstellungen einer psychischen Überlastung repräsentieren, oft mit selbstanklagender Tendenz und schuldhafter Verarbeitung [27]. Persönliche Ursachenzuschreibungen im Sinne einer subjektiven Kausalität können nicht als ein wissenschaftlich gültiges Datum hinsichtlich der Karzinogenese gewertet werden, sondern sind als Ordnungs- oder Sinnstiftungsversuche zu verstehen, im Kontext der Auseinandersetzung mit der Krankheitsrealität oder den Krankheitserwartungen, die mitgestaltet sind von Erfahrungen aus dem persönlichen Lebensumfeld des Kranken. Selbst wenn die oft hartnäckig verteidigten persönlichen Erklärungsansätze scheinbar für den Kranken zusätzliche Belastungselemente enthalten, sind sie primär als konstruktive Versuche zu akzeptieren, Lebenskontinuität, sozialen Zusammenhalt und das subjektive Gefühl von Kontrolle zu erhalten.
Die subjektive Sicht der Krebskranken ist nicht unbeeinflusst von der Laienerklärung der Gesunden, zu denen jeder vor seiner Erkrankung gehört hat. Gesunde haben die Neigung, Erkrankte als „anders”, „eigenartig” und zudem als für ihr Unglück selbstverantwortlich anzusehen, zur Stärkung der Überzeugung, selber gefeit zu sein. Diese Viktimisierung der Betroffenen führt, wie die immer noch verbreitete Infektionstheorie der Krebserkrankungen, zur sozialen und manchmal auch räumlichen Isolation der Kranken. Die Vorstellung von Krebs als einer psychosomatischen Erkrankung, z.B. auf Grund einer „Krebspersönlichkeit” bietet dafür den geeigneten Hintergrund. Sie scheint den Gesunden Sicherheit zu versprechen und erlaubt es, auf Distanz zu der gefürchteten Krankheit und zugleich zu den Kranken selbst zu gehen. Psychosoziale Krankheitstheorien sind auf Grund ihrer Funktion einer (vermeintlichen) Sicherung gegen Krebs, bzw. gegen Krebsangst hochgradig änderungsresistent; vor allem ist ihnen durch eine wissenschaftliche Argumentation zum Thema Krebs nicht beizukommen. Psychosoziale Ursachenzuschreibungen beim Kranken fänden somit unter anderem ihren Sinn als defensive Bewältigungsversuche von bedrohlichen Vorstellungen über die onkologischen Leiden und zur Verhinderung einer sozialen Aussonderung - und müssten als Phänomene aufgefasst werden, die in den Folge- und nicht den Ursachenkontext der Erkrankung einzuordnen sind. Auf keinen Fall taugen sie als Beleg für die Existenz einer Kausalbeziehung zwischen Persönlichkeit und dem Risiko, an einem malignen Tumor zu erkranken. Diese Interpretation steht in Einklang mit den Befragungsergebnissen der Arbeitsgruppen um Wolf (27) und Faller (28), denen zu Folge seelische Selbstverursachungsüberzeugungen zu einem vorwiegend depressiven Krankheitserleben gehören und als Zeichen einer maladaptiven Krankheitsauseinandersetzung zu werten sind, während den Patienten die Krankheitsanpassung besser gelingt, die eher Umgebungseinflüsse für ihre Krankheit verantwortlich machen.
#Fazit
Aus wissenschaftlicher Perspektive besteht derzeit kein Anhalt für ein persönlichkeitsgebundenes erhöhtes Krebsrisiko. Psychische Überlastungen zeigen zwar eine generelle Koinzidenz mit einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit, ohne allerdings einen festen Bezug zu onkologischen Erkrankungen im Sinne der Spezifitätstheorie. Auch die Depressionsthese - erhöhte Depressivität als Risikofaktor für onkologische Erkrankungen - hat sich empirisch nicht erhärten lassen. Allerdings könnte für vage Tendenzen in diese Richtung eine erhöhte Letalität Depressiver, unabhängig von der jeweiligen Begleiterkrankung verantwortlich sein.
Dagegen lassen sich durchaus Verhaltensweisen identifizieren, die sowohl mit der psychischen Verfassung als auch mit einem erhöhten Krebsrisiko einhergehen. Paradigmatisch ist hier an den (süchtigen) Tabak- und Alkoholabusus zu denken. In diesem Zusammenhang leuchtet unmittelbar ein, wie sehr die Inanspruchnahme präventiver Angebote auch psychosozial determiniert ist.
Im Umgang mit psychosozialen Kausalannahmen im Sinn eines „Typ C” oder psychischer Überlastungen wird sich unterscheiden, ob eine wissenschaftliche Diskussion ansteht oder ob Patienten selber eine solche Theorie vertreten. In letztem Falle gilt es, die Einzelheiten und Hintergründe zu explorieren und den individuellen unter Umständen auch psychodynamischen Hintergrund dieser Vorstellungen zu erfassen. Falls die Funktion der psychosomatischen Ursachenzuschreibung in einer Befriedigung eines subjektiven Kausalbedürfnisses zur Bewältigung von Unsicherheit und Angst oder Vermeidung einer sozialen Isolation steht, sollten zuerst diese Befürchtungen bearbeitet werden, bevor die Überzeugung des Patienten mit wissenschaftlichen Argumenten in Frage gestellt wird.
Krebspersönlichkeit (Typ C) |
depressiv, harmoniebedürftig, gefühlsisoliert, trennungssensibel, etc. |
Typ C-Verhalten |
nachgiebig, überangepasst, unterwürfig, abhängig |
Risikoverhalten, -einstellungen |
Verleugnung von Bedrohung, Vermeidung präventiver Maßnahmen |
Di-Stress |
chronische Überlastung |
Lebensentwurf, Lebenssinn |
Verlust, Aufgabe wesentlicher Lebensinhalte und Lebensziele |
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Literatur
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Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Reinhold Schwarz
Selbständige Abteilung Sozialmedizin, Universität Leipzig
Riemannstraße 32
04107 Leipzig
eMail: schwarzr@medizin.uni-leipzig.de
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Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Reinhold Schwarz
Selbständige Abteilung Sozialmedizin, Universität Leipzig
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04107 Leipzig
eMail: schwarzr@medizin.uni-leipzig.de