Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(20): 1119
DOI: 10.1055/s-2004-828257
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Prävention und Therapie von Metabolischem Syndrom und Diabetes

Medizinische und politische Verantwortung für die Gesundheit der kommenden GenerationPrevention and treatment of metabolic syndrome and diabetesMedical and political responsability for the well-being of the next generationT. Danne, M. Reincke
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Publication Date:
21 July 2004 (online)

Anlässlich der Jahrestagung im 40. Jubiläumsjahr der Deutschen Diabetes-Gesellschaft vom 21. bis 23. Mai in Hannover beschäftigt sich das vorliegende Schwerpunktheft „Diabetes 2004” mit aktuellen Themen der Diabetologie. Mit der Anerkennung der Weiterbildung zum Diabetologen in der neuen Musterweiterbildungsordnung ist kürzlich eine wichtige berufspolitische Entscheidung gefallen. Andererseits ergeben sich mit der Einführung der Disease Management Programme für Typ-1- und Typ-2-Diabetes Chancen und Risiken in der Krankenversorgung. Im Jahr 2010 wird mit 10 Millionen Menschen mit Diabetes in Deutschland gerechnet. Bereits heute sind etwa 8 % der deutschen Bevölkerung an Diabetes erkrankt. Etwa 1,8 Millionen Diabetiker aber wissen nichts von ihrer Krankheit und den damit verbundenen Risiken. Die Kosten, die im Gesundheitswesen für den Diabetes und seine Behandlung aufgebracht werden müssen, belaufen sich nach AOK-Daten bereits heute auf 23,5 Mrd. Euro im Jahr, Tendenz steigend. In Deutschland ist jedes fünfte Kind und jeder dritte Jugendliche übergewichtig. 4-8 % aller Schulkinder sind sogar adipös. Untersuchungen unter deutschen Adoleszenten mit einem BMI über der 97. Perzentile zeigen bei mehr als einem Drittel ein Metabolisches Syndrom, bei knapp 7 % eine Störung des Glukosestoffwechsels. Wenn nicht deutliche Fortschritte in der Prävention und Therapie des Metabolischen Syndroms gemacht werden, steht zu befürchten, dass die Leistungsfähigkeit, die Gesundheit, die Lebenserwartung und die Lebensqualität der jüngeren Generation hinter der ihrer Eltern zurückstehen wird.

Auch die Inzidenz des Typ-1-Diabetes nimmt in Deutschland im Kindesalter jährlich um etwa 4 % zu. In der Altersgruppe bis 19 Jahre sind gegenwärtig über 20 000 Kinder und Jugendliche betroffen. Die Arbeitsgemeinschaft pädiatrische Diabetologie (AGPD) entwickelte im Rahmen des Leitlinienprojekts der DDG eine evidenzbasierte Leitlinie und insgesamt 11 Statements zur pädiatrischen Diabetologie (www.diabetes-kinder.de). Dabei müssen die gängigen Therapie- und Diagnostikempfehlungen immer wieder überprüft werden, wie am Beispiel des Zöliakie- und Thyreoiditis-Screenings in diesem Heft in dem Beitrag von Kordonouri et al. referiert wird. Auch unter einer Interferontherapie ist eine engmaschige Überwachung von Autoimmunitätsmarkern für Typ-1-Diabetes zu diskutieren, wie die Arbeit von Schories et al. zeigt. Intensivierte Insulintherapieverfahren haben sich auch in der Kinderheilkunde als Behandlung der Wahl durchgesetzt. Dabei gewinnt besonders in der Pädiatrie die Insulinpumpentherapie zunehmend an Bedeutung. In der Übersicht von Klinkert et al. wird der gegenwärtige Kenntnisstand über diese Therapieform ausgeführt.

Kinder und auch jüngere Jugendliche sind mit der verantwortlichen Therapie ihrer Stoffwechselstörung Diabetes häufig intellektuell überfordert. Das Arbeitsbündnis in der Pädiatrie betrifft deshalb die Trias aus Kind, Eltern und Diabetesteam. In einer Umfrage bei knapp 600 Familien in Deutschland mit einem Kind mit Diabetes zeigen Lange et al. in diesem Heft, dass für diese Familien akuter gesundheitspolitischer Handlungsbedarf besteht. Es müssen Bedingungen geschaffen werden, welche die Belastungen der Familien reduzieren und die berufliche und soziale Integration insbesondere der Mütter von jüngeren Kindern mit Diabetes fördern.

Ein weitere wichtige Lebensphase ist der Übergang von der Adoleszenz zum Erwachsenenalter. Das ideale Betreuungsmodell für Jugendliche mit Typ-1-Diabetes oder Endokrinopathien ist die Transitionssprechstunde, die gemeinsam vom Pädiater und Erwachsenenmediziner abgehalten wird. Wie die Untersuchung von Lausch et al. zeigt, ist sie aber nur in wenigen universitären Zentren realisierbar, da die finanziellen Ressourcen fehlen.

Obgleich Patentrezepte für die Prävention und Therapie von Typ-1- und Typ-2-Diabetes bei Kindern oder Erwachsenen heute nicht vorliegen, müssen wir zusammen mit allen Partnern des Gesundheitssystems weiter intensiv an innovativen Behandlungs- und optimalen Betreuungsstrukturen arbeiten. Gerade das Gebiet der Kinderheilkunde trug zu bedeutenden Entwicklungen in den letzten 50 Jahren bei: Genannt seien hier nur die Behandlung von Infektionskrankheiten und kindlichen Krebserkrankungen. Wir können es uns nicht länger leisten, auf vergleichbare Anstrengungen für die Prävention und die Therapie des Diabetes im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter zu verzichten. Die Arbeiten im vorliegenden Schwerpunktheft verweisen aus verschiedenen Blickwinkeln auf Ansätze, wie dem drängenden Gesundheitsrisiko Diabetes in Deutschland durch medizinische als auch durch gesundheitspolitische Maßnahmen begegnet werden kann.

Prof. Dr. Thomas Danne

Kinderkrankenhaus auf der Bult

Janusz-Korczak-Allee 12

30173 Hannover

Phone: 0511/8115340

Fax: 0511/8115344

Email: danne@hka.de

Prof. Dr. Martin Reincke

Direktor der Medizinischen Klinik - Innenstadt

Ziemssenstr. 1

80336 München

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