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DOI: 10.1055/s-2004-828319
Den Anderen betrachten, wie er mich betrachtet
Warum wir unser traditionelles Konzept vom Narzissmus überprüfen solltenPublication History
Publication Date:
08 September 2004 (online)
Abstract
In der psychoanalytischen Theorie, aber auch umgangssprachlich, wird unter Narzissmus Eigenliebe und Ich-Bezogenheit verstanden. Ich plädiere für eine intersubjektive Definition des Begriffs: Narzissmus entsteht im Spiegel der Umwelt.
Schon der primärnarzisstische Säugling ist bekanntlich auf die Mutter angewiesen, die ihn hält - und ihr Lächeln gibt ihm eine erste Ahnung davon, wer er ist. Im narzisstischen Erleben ist virtuell stets ein Anderer präsent, von dem das Selbst gesehen, geliebt oder anerkannt werden möchte. So lässt sich der gesunde Narzissmus als inneres Erbe jener Objektbeziehungen verstehen, die uns ein Grundgefühl von Identität und Sicherheit vermitteln. Das Fehlen eines solchen Grundgefühls führt hingegen zu stillen oder lärmenden Kompensationsversuchen, wie wir sie bei der narzisstischen Störung erleben.
Im medialen Narzissmus ist seine intersubjektive Dimension gewissermaßen auf den zeitgenössischen Begriff gekommen. Die Spiegelkabinette der postmodernen Lebenswelt bieten nämlich ungeahnte Reflexionsräume für narzisstische Identitätsbildung: Wir betrachten dabei insgeheim den Anderen, wie er uns betrachtet.
Key words
Narzissmus - narzisstische Störung - medialer Narzissmus - Identität - Intersubjektivität - Spiegelung - Postmoderne
1 Theoretisch entwickelt in: Altmeyer M. Narzissmus und Objekt. Ein intersubjektives Verständnis der Selbstbezogenheit. Göttingen 2000; Anwendungen in: Altmeyer M. Im Spiegel des Anderen. Anwendungen einer relationalen Psychoanalyse. Gießen 2003.
Korrespondenzadresse:
Dr. Martin Altmeyer
Röderichstraße 8
60489 Frankfurt/Main
Email: martin.altmeyer@t-online.de