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DOI: 10.1055/s-2004-830089
Was bedeutet Lebensqualität für COPD-Patienten unter Heimbeatmung bei der Bewältigung ihres Alltags?
What Does Quality of Life Mean to Artificially Ventilated COPD Outpatients in Respect of their Everyday Life? Helios Klinikum Erfurt GmbH/Zentralklinik Bad Berka GmbH/Klinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena/Klinikum der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg/Städtisches Krankenhaus Halle-Döhlau/Waldburg-Zeil Kliniken GmbH & Co, Fachkliniken Wangen.Anmerkung: Diese Studie wurde im Oktober 2003 als Diplomarbeit am Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg eingereicht und angenommen.
Iris Luzie Schaefer
FH Jena · FB SW · Diplom-Fernstudiengang Pflege/Pflegemanagement
Carl-Zeiss-Promenade 2
07745 Jena
Email: iris.schaefer@fh-jena.de
Publication History
Publication Date:
14 December 2004 (online)
Einleitung
Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) zählt zu den so genannten Volkskrankheiten und verursacht in Deutschland hohe direkte und indirekte Krankheitskosten [1]. Bei einer sehr schweren COPD ist unter bestimmten Voraussetzungen die Heimbeatmung eine Therapieoption, die von Patienten selbständig durchgeführt wird als nicht-invasive, außerklinische, intermittierende Überdruckbeatmung über eine Nasenmaske. Indikation und Durchführung dieser Maßnahme sind u. a. dem „Consensus Conference Report” [2] sowie der „COPD-Leitlinie” [3] zu entnehmen. Bei der Bewertung dieser therapeutischen Maßnahme stellt die Lebensqualität der betroffenen Patienten ein wichtiges Kriterium dar. Die Heimbeatmung verbessert die Lebensqualität durch Linderung des klinischen Beschwerdebildes, allerdings ist die Datenlage zur Lebensqualität von heimbeatmeten COPD-Patienten in der stabilen Krankheitsphase für eine sichere Beurteilung noch unzureichend [4]. Lebensqualität stellt ein subjektives Konstrukt dar, deshalb sollte neben der Expertenperspektive auch die Betroffenenperspektive Beachtung finden [5]. Daher wird im Rahmen dieser qualitativen Studie untersucht, wie heimbeatmete COPD-Patienten ihre Lebensqualität beschreiben. Durch Einblicknahme in die Lebenswelt der Betroffenen werden Erkenntnisse gewonnen, wie sich die Therapie auf das Leben auswirkt und welche Rolle professionelle Pflege in der ambulanten Versorgung dieser Patientengruppe einnehmen sollte, da deren Aufgabenprofil in der deutschen pflegewissenschaftlichen Literatur bisher nicht untersucht wurde. Die Ergebnisse bieten Ansatzpunkte für eine Qualitätsverbesserung in der interdisziplinären Versorgung der heimbeatmeten COPD-Patienten.
#Methode
Die Studie basiert auf einem explorativen interpretativen Design, es wird der phänomenologisch interpretativ-hermeneutische Ansatz gewählt. Die philosophischen Ursprünge dieser Forschungsmethode liegen in der hermeneutischen Phänomenologie von Heidegger, der insbesondere in seinem Hauptwerk „Sein und Zeit” eine ontologische Analyse des Menschen dargelegt hat [6]. Zwischen November 2002 und April 2003 wird mit 15 erwachsenen (Durchschnittsalter 66 Jahre), über Lungenfachkliniken rekrutierte heimbeatmete COPD-Patienten nach Einholung einer informierten Zustimmung zuhause ein narratives Interview geführt. Die Heimbeatmung besteht seit durchschnittlich 17 Monaten (6 bis 43 Monate). Die auf Band aufgezeichneten Interviews werden transkribiert und dem siebenstufigen Analyseprozess nach Diekelmann [7] unterzogen. Die Vertrauenswürdigkeit der Arbeit wird durch kommunikative Validierung und Beachtung der von Guba & Lincoln [8] aufgestellten Gütekriterien hergestellt.
#Ergebnisse
Als Ergebnis der Interviewanalyse kristallisieren sich vier, aus insgesamt 12 Kategorien gebildete Zentralthemen heraus, die beeinflussende Dimensionen der Lebensqualität von den heimbeatmeten Studienteilnehmern darstellen. Das erste Zentralthema „Das Atmen erleben” drückt aus, wie die Partizipienten einerseits eine zunehmende Einschränkung der Leistungsfähigkeit und existenzielle Ängste bei Luftnot erleben und andererseits eine direkte positive Wirkung der Heimbeatmung feststellen, die ihnen Sicherheit und Vertrauen in ihren Körper zurückgibt. Das zweite Zentralthema „Seine Möglichkeiten nutzen” beschreibt die Kompetenzentwicklung der Partizipienten, um die positiven Wirkungen der Heimbeatmung bei der Alltagsgestaltung optimal zu nutzen. Das dritte Zentralthema „Am Leben teilnehmen” zeigt auf, dass die familiäre Unterstützung bei der Bewältigung der Krankheit, der eingeschränkten sozialen Teilhabe und den Anforderungen durch die Heimbeatmung enorm wichtig ist. Die Akzeptanz der Heimbeatmung wird durch eine verständnisvolle ärztliche Begleitung gestärkt. Das vierte Zentralthema „Damit leben müssen” beschäftigt sich mit dem Lebensgewinn durch die Heimbeatmung. Die Therapie bedeutet zwar erhebliche Belastungen für die Betroffenen, gibt ihnen aber eine Möglichkeit zum eingeschränkten Weiterleben. Der Gedanke an Pflegebedürftigkeit und Sterben wird dabei von den meisten Studienteilnehmern verdrängt. Als zusammengefasstes verdichtetes Ergebnis kann das Leitthema „Neue Eigenständigkeit erlangen” formuliert werden. Durch die Heimbeatmung gewinnen die COPD-Patienten eine neue Eigenständigkeit, sie können ihre Situation in beschränktem Maße wieder eigenverantwortlich beeinflussen, dies bedeutet für sie ein Stück Lebensqualität.
#Diskussion
Die Partizipienten dieser Studie beurteilen die Heimbeatmung sehr positiv. In quantitativ durchgeführten Studien zur Akzeptanz der Heimbeatmung und Lebensqualitätsverbesserung, in denen der Schwerpunkt auf objektiven Messparametern liegt, schneiden COPD-Patienten im Vergleich zu Patienten mit Thoraxwanderkrankungen und neuromuskulären Erkrankungen schlechter ab [4] [9] [10]. Diese Studie berücksichtigt jedoch die subjektive Wahrnehmung der Betroffenen, was eine wichtige Ergänzung darstellt. Die, im Zusammenhang mit der Heimbeatmung gewonnene Kompetenz wird in der Literatur mit den Konzepten Empowerment und Selbstmanagement beschrieben [11]. Während die Betreuung durch Ärzte von den Studienteilnehmern thematisiert wird, spielen professionelle Pflegekräfte für die Betroffenen im häuslichen Bereich keine Rolle. Internationale Studien weisen jedoch auf die Wichtigkeit professioneller Pflege bei diesen chronisch kranken Patienten auch im Hinblick auf palliative Ansätze hin [12] [13]. Diese Studie fördert ein differenziertes Verständnis für unterschiedliche Patientenreaktionen. Die Ergebnisse reichen jedoch für fundierte Aussagen zur Lebensqualität nicht aus, da sie nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Leben von heimbeatmeten COPD-Patienten darstellen und subjektives kontextabhängiges Erleben repräsentieren. Daher sind ergänzende quantitative Studien notwendig. So ist diese Studie ein Teilprojekt des Forschungsprojektes „Pflege und COPD”, das an der Fachhochschule Jena durchgeführt wird und mit unterschiedlichen Forschungsdesigns arbeitet, um ein umfassendes Bild der Lebensqualität von COPD-Patienten zu gewinnen, welches dann eine Ausgangsbasis für Interventionsstudien bietet.
#Literatur
- 1 Morr H. Respiratorische Insuffizienz. Internist. 2001; 42 373-378
- 2 Goldberg A. et al . Clinical indications for noninvasive positive pressure ventilation in chronic respiratory failure due to restrictive lung disease, COPD, and nocturnal hypoventilation - a consensus conference report. Chest. 1999; 116 521-534
- 3 Worth H. et al . Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD). Pneumologie. 2002; 56 704-738
- 4 Windisch W. et al . Gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Patienten mit Heimbeatmung. Pneumologie. 2002; 56 610-620
- 5 Farquhar M. Definitions of quality of life: a taxonomy. Journal of Advanced Nursing. 1995; 22 502-508
- 6 Heidegger M. Sein und Zeit. Tübingen: Niemeyer 2001
- 7 Diekelmann N L. Learning-as-testing: A Heideggerian hermeneutical analysis of the lived experiences of students and teachers in nursing. Advances in Nursing Science. 1992; 14 (3) 72-83
- 8 Sandelowski M. The problem of rigor in qualitative research. Advances in Nursing Science. 1986; 8 (3) 27-37
- 9 Mehta S, Hill N S. State of the art. Noninvasive ventilation. Am J Respir Crit Care Med. 2001; 163 540-577
- 10 Schucher B. et al . Akzeptanzraten und Langzeitergebnisse der Heimbeatmung bei verschiedenen Erkrankungen. Medizinische Klinik. 1999; 94 (Sondernr. 1) 22-26
- 11 Petermann F. Compliance und Selbstmanagement. Göttingen: Hogrefe 1998
- 12 Gore J M. et al . How well do we care for patients with end stage chronic obstructive pulmonary disease (COPD)? A comparison of palliative care and quality of life in COPD and lung cancer. Thorax. 2000; 55 1000-1006
- 13 Guthrie S J. et al . Living with severe COPD. A qualitative exploration of the experience of patients in Leeds. Respiratory Medicine. 2001; 95 196-204
Iris Luzie Schaefer
FH Jena · FB SW · Diplom-Fernstudiengang Pflege/Pflegemanagement
Carl-Zeiss-Promenade 2
07745 Jena
Email: iris.schaefer@fh-jena.de
Literatur
- 1 Morr H. Respiratorische Insuffizienz. Internist. 2001; 42 373-378
- 2 Goldberg A. et al . Clinical indications for noninvasive positive pressure ventilation in chronic respiratory failure due to restrictive lung disease, COPD, and nocturnal hypoventilation - a consensus conference report. Chest. 1999; 116 521-534
- 3 Worth H. et al . Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD). Pneumologie. 2002; 56 704-738
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- 6 Heidegger M. Sein und Zeit. Tübingen: Niemeyer 2001
- 7 Diekelmann N L. Learning-as-testing: A Heideggerian hermeneutical analysis of the lived experiences of students and teachers in nursing. Advances in Nursing Science. 1992; 14 (3) 72-83
- 8 Sandelowski M. The problem of rigor in qualitative research. Advances in Nursing Science. 1986; 8 (3) 27-37
- 9 Mehta S, Hill N S. State of the art. Noninvasive ventilation. Am J Respir Crit Care Med. 2001; 163 540-577
- 10 Schucher B. et al . Akzeptanzraten und Langzeitergebnisse der Heimbeatmung bei verschiedenen Erkrankungen. Medizinische Klinik. 1999; 94 (Sondernr. 1) 22-26
- 11 Petermann F. Compliance und Selbstmanagement. Göttingen: Hogrefe 1998
- 12 Gore J M. et al . How well do we care for patients with end stage chronic obstructive pulmonary disease (COPD)? A comparison of palliative care and quality of life in COPD and lung cancer. Thorax. 2000; 55 1000-1006
- 13 Guthrie S J. et al . Living with severe COPD. A qualitative exploration of the experience of patients in Leeds. Respiratory Medicine. 2001; 95 196-204
Iris Luzie Schaefer
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07745 Jena
Email: iris.schaefer@fh-jena.de