Einleitung
Einleitung
Im Zeitalter der modernen Molekularbiologie werden interessante neue Ergebnisse auf
zellulärer und molekularer Ebene gewonnen. Ob aus In-vitro-Systemen stammende Phänomene in gleicher Weise im Gesamtorganismus vorkommen und welche
pathogenetische Relevanz ihnen in vivo zuzuschreiben ist, kann nur im integrierten Tiermodell erforscht werden.
Nicht nur in der pneumologischen Forschung sind Labornager, und hier insbesondere
Mäuse, die zurzeit wohl am häufigsten verwendeten Spezies bei der Etablierung und
Nutzung von Tiermodellen. Die Gründe hierfür sind unter anderem eine leichte Verfügbarkeit
von genetisch definierten Versuchstieren, die relativ gute immunologische Charakterisierung,
eine günstige Kosten-Nutzen-Rechnung sowie die schnelle Verfügbarkeit publizierbarer
Ergebnisse.
Größere Tierarten bis hin zu landwirtschaftlichen Nutztieren werden hingegen weniger
häufig für Forschungszwecke eingesetzt. Gerade letztere bieten aber folgende Vorteile:
-
Spontan auftretende respiratorische Erkrankungen bei einer bestimmten Tierart sind
in Ätiologie und Pathogenese oft vergleichbaren respiratorischen Erkrankungen des
Menschen sehr ähnlich (z. B. Infektion mit Respiratorischen Synzytial Virus beim Kalb;
Asthma der Katze; COPD des Pferdes), so dass von einem weniger artifiziellen Modell
als beim Labornager ausgegangen werden kann.
-
Tiere mit Körpermassen zwischen 50 und 100 kg (z. B. Kälber, Schweine, Schafe) weisen
dem Menschen vergleichbare physiologische Bereiche für Kenngrößen der Lungenfunktion
(Volumina, Atmungsstromstärken, Resistance etc.) auf.
-
Durch moderne nicht-invasive diagnostische Methoden, die an Tier und Mensch gleichermaßen
unter Spontanatmung anwendbar sind kann sichergestellt werden, dass im Tierexperiment
identische Funktionsparameter erhoben werden wie auch am humanen Patienten (direkte
Vergleichbarkeit!).
-
Aufgrund der längeren Lebensdauer von Großtieren im Vergleich zum Labornager werden
intra-individuelle Langzeituntersuchungen möglich - eine Voraussetzung zur Etablierung
von Modellen für chronische Erkrankungen.
Bedingt durch speziesspezifische Besonderheiten in Struktur und Funktion des respiratorischen
Systems wird letztendlich kein Tiermodell in der Lage sein, alle Charakteristika einer
respiratorischen Erkrankung des Menschen widerzuspiegeln. Bei der Wahl einer bestimmten
Spezies zur Etablierung von Tiermodellen sollten jedoch die nachfolgend aufgeführten
anatomischen und funktionellen Unterschiede zwischen der Lunge des Menschen und den
Lungen verschiedener Tierarten bekannt sein und - entsprechend der zu bearbeitenden
Fragestellung - Beachtung finden.
Morphologische Besonderheiten des respiratorischen Systems verschiedener Spezies
Morphologische Besonderheiten des respiratorischen Systems verschiedener Spezies
Anatomie des Tracheobronchialbaumes
Das System der Atemwege unterliegt bei verschiedenen Säugetieren sehr unterschiedlichen
Verzweigungsmustern. Während sich die Atemwege in der humanen Lunge (wie auch in der
Lunge größerer Tierarten) irregulär dichotom verzweigen, weisen die Atemwegssysteme
von Maus, Ratte und Hamster ein monopodiales Aufzweigungsmuster auf [1]. Eine Besonderheit bei Wiederkäuern (Rind, Schaf, Ziege) und Schweinen besteht darin,
dass der zum rechten kranialen Lungenlappen führende Bronchus noch vor der Bifurkation
direkt von der lateralen Seite der Trachea abzweigt.
Segmentanatomie der Lunge
Entsprechend des Segmentierungsgrades der Lungen werden 3 Typen der Säugerlungen unterschieden
[2], deren typische Charakteristika in Tab. [1] vergleichend dargestellt sind. Eine Ausnahme stellt die Lunge der Ziege dar, die
einen geringen Lobulierungsgrad (nur in den kranialen Lungenlappen) und eine dünne
Pleura aufweist [3]. Bezüglich der peripheren Atemwege sei angemerkt, dass das Fehlen respiratorischer
Bronchiolen nicht für die Lungen von Schafen, Rindern und Schweinen, sondern auch
für die meisten Nagerlungen (inkl. Kaninchen) charakteristisch ist [2].
Tab. 1 Lungentypen auf Basis der Segmentanatomie und deren spezifische Charakteristika (modifiziert
nach [2] und [6])
|
Typ I |
Typ II |
Typ III |
|
Rind, Schaf, Schwein |
Hund, Katze, Affe |
Pferd |
| Grad der Lobulierung |
hoch |
keine |
unvollständig |
| Pleura |
dick (nutritive Versorgung durch Arteria bronchialis) |
dünn (nutritive Versorgung durch Arteria bronchialis) |
dick (nutritive Versorgung durch Arteria bronchialis) |
| distale Atemwege |
| terminale Bronchien |
als dominierende distale Atemwege vorhanden |
fehlen |
vorhanden |
| respiratorische Bronchiolen |
kaum entwickelt |
vorhanden (sehr gut entwickelt) |
vorhanden (aber weniger gut entwickelt) |
| kollaterale Ventilation |
nicht vorhanden bei Rind und Schwein eingeschränkt vorhanden beim Schaf |
sehr gut entwickelte kollaterale Atemwege |
eingeschränkt vorhanden |
| Zirkulation |
| Termination der Bronchialarterie |
distale Atemwege |
distale Atemwege |
distale Atemwege & Alveolen |
| Shunts zwischen Arteria bronchialis und Arteria pulmonalis
|
vorhanden (beim Schwein allerdings nicht nachgewiesen) |
nicht nachgewiesen |
vorhanden |
Pulmonales Gefäßbett
Bezüglich speziesspezifischer Unterschiede und Besonderheiten im Verlauf und in der
Struktur der pulmonalen Gefäße sei auf einen Übersichtsartikel von Kay [4] verwiesen. Insbesondere die Schichtdicke der glatten Muskulatur ist in den kleinen
pulmonalen Arterien, Arteriolen und Venen der meisten Tierarten stärker ausgeprägt
als beim Menschen, variiert aber zwischen verschiedenen Tierarten erheblich. Für Studien,
in welchen die pulmonale Perfusion beurteilt werden soll, kann im Prinzip davon ausgegangen
werden, dass die Struktur der Gefäße mit den funktionellen Eigenschaften des pulmonalen
Gefäßbettes korreliert ist. Entsprechend der Empfindlichkeit, mit der die kleinen
pulmonalen Arterien auf vasokonstriktorische Stimuli (inklusive der alveolären Hypoxie)
reagieren, können verschiedene Tierarten wie folgt klassifiziert werden [5]
[6]:
-
stark reagibel: Rind, Schwein, Frettchen
-
moderat reagibel: Ratte, Kaninchen, Katze, Pferd, Ziege
-
kaum reagibel: Meerschweinchen, Hund.
Für Schafe schwanken die Literaturangaben zwischen mild und moderat.
Besonderheiten der Lungenbelüftung im speziesspezifischen Vergleich
Besonderheiten der Lungenbelüftung im speziesspezifischen Vergleich
Atmungsmechanik
Je höher der Segmentierungsgrad einer Lunge ist, desto höher ist der Anteil bindegewebiger
Strukturen innerhalb des Lungengewebes infolge bindegewebiger Septen zwischen den
Segmenten. In der Konsequenz weisen höher segmentierte Lungen auch höhere resistive
Gewebewiderstände und verminderte Dehnbarkeitseigenschaften (spezifische dynamische
Compliance) auf. Folglich ist die spezifisch zu leistende Atemarbeit zur Überwindung
der Widerstände beispielsweise bei Rindern und Schweinen schon unter Ruheatmung größer
als bei Mensch, Pferd, Hund, Katze oder Ratte.
Kollaterale Ventilation
Das Vorhandensein von kollateralen Atemwegen (Kohnsche Poren, Lambertsche Kanäle,
Martinsche Kanäle) wurde für die Lunge des Menschen, sowie für die Lunge von Hund,
Katze, Kaninchen, Frettchen, Schaf und Pferd beschrieben und von Mitzner [7] in einer Übersichtsarbeit zusammengefasst. Speziesspezifische Unterschiede bestehen
dahingehend, dass die funktionelle kollaterale Ventilation bei Hund, Katze und Kaninchen
sehr stark, jedoch bei Pferd und Schaf in deutlich geringerem Maße an der alveolären
Belüftung beteiligt ist. Weil Rinder und Schweine nicht über die Möglichkeit verfügen,
Alveolarbezirke, deren zuführender Bronchus verlegt ist, über kollaterale Atemwege
zu belüften, sind in Rinder- und Schweinelunge häufig Atelektasen zu finden. In der
Konsequenz neigen letztgenannte Tierarten zum Auftreten ventilatorischer Asynchronismen
und regionaler Inhomogenitäten bei der alveolären Ventilation.
Gasaustauschkapazität
Wie Tab. [2] widerspiegelt, variiert die Alveolarfläche in Relation zur Körpermasse (KM) erheblich
zwischen unterschiedlichen Spezies. Im Vergleich zum Menschen (1,1 m2/kg) beträgt die Alveolarfläche pro kg KM beispielsweise beim Rind nur 0,6 m2/kg; beim Hund jedoch 2,9 m2/kg und bei der Ziege 3,0 m2/kg.
Tab. 2 Daten zur Gasaustauschkapazität und Belüftung der Lunge bei verschiedenen Tierarten
(modifiziert entsprechend der Angaben von [28])
|
Alveolaroberfläche pro kg Körpermasse |
Alveolaroberfläche in Relation zum O2-Verbrauch des Organismus |
Atemzugvolumen (Vt) in Relation zum totalen Lungenvolumen |
Atemzugvolumen (Vt) pro kg Körpermasse |
Belüftungsrate (Atemminutenvolumen in Relation zum totalen Lungenvolumen) |
|
[m2/kg] |
[m2/ml O2] |
[%] |
[ml/kg] |
|
|
Mensch
|
1,15 |
0,0051 |
11,0 |
9,9 |
1,32 |
|
Katze
|
2,81 |
0,0054 |
7,5 |
9,8 |
1,54 |
|
Hund
|
2,91 |
0,0078 |
14,0 |
15,7 |
2,80 |
|
Ziege
|
3,00 |
0,0082 |
7,8 |
9,7 |
1,47 |
|
Pferd
|
keine Angaben |
keine Angaben |
14,3 |
15,4 |
1,57 |
|
Rind
|
0,64 |
0,0025 |
29,0 |
7,4 |
8,71 |
Die funktionelle Konsequenz hieraus ist, dass bei Lungen mit geringerer Gasaustauschkapazität
schon unter den Bedingungen der Ruheatmung ein relativ größerer Anteil der totalen
Lungenkapazität ventiliert werden muss. So beträgt beispielsweise die Belüftungsrate
der Lunge (ausgedrückt als das Verhältnis zwischen Atemminutenvolumen und totalem
Lungenvolumen) beim Rind > 8, während sie bei anderen Säugern - wie Katze, Hund, Ziege,
Mensch oder Pferd - zwischen 1,3 und 2,8 angegeben wird.
Atmungsmuster
Aufgrund einer im Verhältnis zur Körpermasse kleinen Lunge mit einer geringen spezifischen
dynamischen Compliance können Rinder und Schweine nur eine geringe Atemtiefe realisieren.
Demzufolge ist das mittlere Atemzugvolumen bezogen pro kg Körpermasse (Vt/kg) bei
Rindern und Schweinen geringer als bei anderen Spezies (vgl. Tab. [2]). Bezogen auf die Körpermasse haben Jungtiere ein größeres Atemzugvolumen pro kg
KM als adulte Tiere. Innerhalb der eigenen Arbeitsgruppe wurde für lungengesunde Kälber
eine zum adulten Menschen vergleichbare Atemtiefe von etwa 9 - 11 ml/kg ermittelt
[8]
[9]
[10].
Da das Atemminutenvolumen (Vmin) ein Produkt aus Atemzugvolumen (Vt) und der Atmungsfrequenz (fR) darstellt (Vmin = Vt × fR), ist das Ventilationsmuster bei Spezies, deren Atemzugvolumen im Vergleich zu anderen
Tierarten limitiert ist, durch eine höhere physiologische Atmungsfrequenz gekennzeichnet
(beispielsweise 20 - 30 Atemzüge pro Minute beim Rind versus 12 - 16 Atemzüge pro Minute beim Pferd mit vergleichbarer KM).
Totraumventilation
Das Verhältnis zwischen Totraumvolumen (Vd) und Atemzugvolumen determiniert, welcher prozentuale Anteil des pro Atemzug inhalierten
Volumens nicht am Gasaustausch teilnimmt. Dieses Vd/Vt-Verhältnis variiert erheblich zwischen verschiedenen Spezies. Beispielsweise sind
beim Menschen - vergleichbar zu Hund und Meerschweinchen - etwa 30 - 40 % des inhalierten
Volumens reines Totraumvolumen, so dass etwa 60 - 70 % von Vt am Gasaustausch teilnehmen. Im Gegensatz dazu kann der Anteil des Totraumvolumens
am Atemzugvolumen bei Großtieren (wie Rind oder Pferd) zwischen 50 % und 75 % betragen
[11]
[12].
Konsequenzen von Struktur und Funktion der Lunge für Tiermodelle
Konsequenzen von Struktur und Funktion der Lunge für Tiermodelle
Anteil bindegewebiger Strukturen in der Lunge
Tierarten, deren Lunge durch einen ausgeprägten Segmentierungsgrad gekennzeichnet
ist (z. B. Rind, Schwein und Schaf), weisen einen höheren Anteil bindegewebiger Strukturen
innerhalb des Lungengewebes auf als Tierarten ohne ausgeprägte Segmentanatomie der
Lunge (z. B. Hund und Katze). Bei der Auswertung bildgebender diagnostischer Verfahren
sollten bei den zuerst genannten Tierarten auffällige interstitielle Strukturen folglich
nicht irrtümlicherweise als Zeichen einer interstitiellen Pneumonie interpretiert
werden.
Lokalisation von Entzündungsprozessen
Jedes broncho-pulmonale Segment stellt eine in sich geschlossene funktionelle Einheit
dar, welche durch Bindegewebe vom Nachbarsegment abgegrenzt ist, über einen Segmentbronchus
belüftet und über ein funktionell zugehöriges Blutsystem perfundiert wird. Stark segmentierte
Lungen bieten den Vorteil, dass einzelne Segmente chirurgisch gut trennbar sind. Des
Weiteren wird eine Ausbreitung von Entzündungen und Infektionen durch die bindegewebigen
Septen zwischen einzelnen Segmenten und durch das Fehlen kollateraler Atemwege begrenzt.
Folglich sind in den zum Typ I gehörigen Lungen (vgl. Tab. [1]) Erkrankungsherde meist stark lokal begrenzt und scharf vom gesunden Nachbargewebe
abgegrenzt („Läppchenpneumonie”). Eine ausgeprägte Segmentanatomie der Lunge bietet
demzufolge die Möglichkeit, lokale Expositionen zu induzieren und innerhalb desselben
Tieres unbelastete Kontrollregionen der Lunge zu untersuchen (was jedoch systemisch
vermittelte Reaktionen des gesamten Organsystems nicht ausschließt). Werden andererseits
broncho-pulmonale Segmente einer Rinder- oder Schweinelunge lavagiert oder bioptiert,
so ist der Befund lediglich für die gespülte Region repräsentativ, keinesfalls jedoch
auf das gesamte Organsystem übertragbar.
Im Gegensatz dazu sind Lungen vom Typ II (z. B. Hund und Katze) dadurch charakterisiert,
dass sich entzündliche Prozesse sehr leicht in das benachbarte Gewebe ausbreiten (aufgrund
des Fehlens bindegewebiger Septen und der sehr gut entwickelten kollateralen Atemwege),
so dass im Falle einer Pneumonie oft ganze Lungenlappen betroffen sind. Eine Übertragbarkeit
der diagnostischen Befunde aus broncho-alveolärer Lavageflüssigkeit oder Bioptaten
auf größere Lungenbezirke ist hingegen eher zulässig.
Folgen obstruktiver Atemwegserkrankungen
Speziesspezifische Variationen bezüglich der Lobulierung der Lunge und der kollateralen
Ventilation ziehen im Falle von obstruktiven Atemwegserkrankungen sehr unterschiedliche
pathophysiologische Konsequenzen nach sich. Die funktionelle Residualkapazität (FRC),
das Vorhandensein atelektatischer Lungenbezirke und die Intensität von Gasaustauschstörungen
aufgrund von Ventilations-Perfusions-Inhomogenitäten korrelieren eindeutig mit der
kollateralen Ventilation.
Spezies mit stark lobulierten Lungen vom Typ I, denen die Möglichkeit zur kollateralen
Ventilation gänzlich fehlt (z. B. Rind, Schwein), verfügen im Falle von Atemwegsobstruktionen
über keine effektiven Kompensationsmechanismen zur Sicherstellung der alveolären Ventilation.
Bei diesen Tierarten führen obstruktive Ventilationsstörungen in der Regel zu alveolärer
Hypoventilation mit regionalen Atelektasen. In obstruktiv veränderten Lungenregionen
bewirken hohe Atemwegswiderstände zu lange Zeitkonstanten während der Exspiration,
so dass während der Exspirationszeit nur ein Teil des zu exhalierenden Gasgemisches
abgeatmet werden kann. Durch die eingeschlossene Luft („trapped air”) erhöht sich
die FRC, Lungenregionen werden zunehmend überbläht und ein obstruktiv bedingtes Emphysem
kann sich entwickeln. Ventilatorische Asynchronismen, zu denen die o. g. Tierarten
neigen, sind dadurch gekennzeichnet, dass innerhalb einer Lunge überblähte und atelektatische
Bezirke vergesellschaftet sind. Die Konsequenzen der sich ergebenden Ventilations-Perfusions-Inhomogenitäten
sind Gasaustauschstörungen, die sich wie folgt manifestieren: Hypoxämie (PaO2↓), Hyperkapnie (PaCO2↑), erhöhte alveolo-arterielle PO2-Differenz (AaDO2↑) und ein zunehmender Anteil an arterio-venösem Shuntblut.
Bei Spezies mit nicht lobulierten Lungen vom Typ II und sehr gut entwickelten kollateralen
Atemwegen (z. B. Hund, Katze, Affe) wirkt die kollaterale Ventilation wie ein Bypass
und sichert die alveoläre Belüftung distal der obstruktiv veränderten Atemwege. Demzufolge
steigt FRC weder bei obstruktiven Atemwegserkrankungen noch bei induzierten Atemwegsobstruktionen
- unspezifisch durch Histamin, Carbachol, Metacholin o. ä. oder spezifisch durch Antigene,
Allergene - nennenswert an. Dank der geringen kollateralen Resistance ist die alveoläre
Be- und Entlüftung mit so geringen Zeitkonstanten möglich, dass sich in der Regel
weder Atelektasen noch ein obstruktiv bedingtes Emphysem entwickeln. Durch die kollaterale
Ventilation werden Störungen des pulmonalen Gasaustausches infolge von Ventilations-Inhomogenitäten
bzw. pulmonaler Shunts weitgehend vermieden. Dies erklärt das häufige Fehlen einer
Hypoxämie in Modellen für milde bis moderate Atemwegserkrankungen bei Hund und Katze
im Vergleich zu Menschen mit ähnlichem Obstruktionsgrad [6].
Für Hunde sei gesondert erwähnt, dass es im Falle von ausgeprägten Atemwegsobstruktionen
(z. B. bei bronchialen Provokationstests) dennoch zu Ventilations-Perfusions-Inhomogenitäten
kommen kann. Verantwortlich hierfür ist die geringe Reagibilität des pulmonalen Gefäßbettes,
so dass die Umverteilung des pulmonalen Blutflusses von schlecht belüfteten zu besser
ventilierten Lungenregionen durch den Mechanismus der hypoxischen pulmonalen Vasokonstriktion
nur unzureichend erfolgt.
Pferde wie auch Schafe nehmen eine gewisse Zwischenstellung ein. Beide Tierarten verfügen
zwar über Möglichkeiten zur kollateralen Ventilation, diese sind jedoch gegenüber
den Lungen von Hund oder Katze deutlich eingeschränkt [6]. Folglich reagieren auch Pferde und Schafe im Falle von Atemwegsobstruktionen mit
FRC-Anstiegen und Gasaustauschstörungen, jedoch sind diese pathophysiologischen Konsequenzen
graduell nicht so stark ausgeprägt wie beispielsweise bei Schwein oder Rind.
Praktische Beispiele für Modelle pulmonaler Infektionen bei Großtieren
Praktische Beispiele für Modelle pulmonaler Infektionen bei Großtieren
Art der Infizierung
Die am häufigsten im Schrifttum beschriebenen Applikationsorte bei einer experimentellen
Infizierung sind: intranasal, intratracheal, intrabronchial (letzterer meist unter
bronchoskopischer Sichtkontrolle) oder entsprechende Kombinationen. Eigene Erfahrungen
zu experimentell induzierten respiratorischen Infektionen liegen für Kälber und Schweine
vor, wobei sich bei diesen Tierarten die aerogene Infizierung durch Inhalation eines
erregerhaltigen Aerosols als sehr praktikabel erwiesen hat. Während eine intratracheale
oder intrabronchiale Bolus-Applikation gerade in den stark segmentierten Lungen von
Rind und Schwein eher lokale Reaktionen in einem Lungenlappen oder in wenigen Segmenten
erwarten lässt, sichert die Inhalation eines Aerosols, dass große Anteile des respiratorischen
Epithels mit dem Infektionsstamm in Kontakt kommen.
In eigenen Studien zur RSV-Infektion bei Kälbern [13] oder zur Chlamydien-Infektion bei Schweinen [14] hat sich ein Düsenvernebler (Pari Provocation Test II, Pari GmbH, Starnberg) bewährt,
durch welchen ein Aerosol mit einem Anteil von mindestens 80 % Teilchen ≤ 5 µm Durchmesser
produziert wird. Die inhalierte Aerosolmenge wird dosiert, indem das zu infizierende
Tier wiederholt je 10 Liter des Aerosols aus einem Reservoirbeutel abatmet. Hierbei
ist das Tier mittels Atmungsmaske, Inspirationsventil und Faltenschlauch mit dem Aerosolgerät
verbunden (Abb. [1]). Die Tiere sind nicht narkotisiert und atmen spontan. Während Kälber frei stehen
können, sollten die weniger kooperativen Schweine in einer Art Hänge-Vorrichtung fixiert
werden und sind ggf. leicht zu sedieren.
Abb. 1 Schematische Darstellung der experimentellen Infizierung eines Kalbes durch Inhalation
eines erregerhaltigen Aerosols (aus [13]).
Diagnostik von pulmonalen Dysfunktionen in kontrollierten Studien an Großtieren
Die Erfassung der Konsequenzen einer experimentellen Infizierung für das Einzeltier
stützte sich traditionell weitgehend auf klinische und pathologisch-anatomische Untersuchungsmethoden.
Bildgebende Verfahren wie Bronchoskopie, Thoraxsonographie [10] oder Röntgendiagnostik sind am Großtier anwendbar, sofern die entsprechende Gerätetechnik
zur Verfügung steht. Zum Erregernachweis in vivo werden meist Nasentupfer oder Nasenzellabstriche gewonnen. Zur Probengewinnung aus
den Atemwegen distal des Nachen-Rachen-Raumes sind an verschiedensten Tierarten unter
anderem die Aspiration von Tracheobronchialsekret, die Gewinnung von tracheo-bronchialen
Spülproben und auch die broncho-alveoläre Lavage beschrieben.
In den letzten 10 - 15 Jahren wurden moderne Methoden der Lungenfunktionsdiagnostik
an Großtieren etabliert, die eine sensitive Erfassung respiratorischer Dysfunktionen
in vivo erlauben. Somit kann der Einfluss biotischer und abiotischer Faktoren auf das respiratorische
System wiederholt untersucht und im Verlauf einer Studie zu unterschiedlichen Zeitpunkten
beurteilt werden. Das am Tier anwendbare lungenfunktionsdiagnostische Methodenspektrum
ist jedoch im Vergleich zu Verfahren der humanmedizinischen Pneumologie per se dahingehend eingeschränkt, dass alle von der aktiven Mitarbeit und Kooperationsbereitschaft
des zu untersuchenden Individuums abhängigen Verfahren von vornherein ausscheiden.
Unter dem Aspekt des Tierschutzes geraten auch invasive Methoden immer mehr in die
Kritik.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, seien als Beispiele nachfolgend einige
lungenfunktionsdiagnostische Methoden und Untersuchungsverfahren genannt, die nicht-invasiv und unter Spontanatmung am wachen Großtier im Rahmen kontrollierter Studien anwendbar
sind:
-
Spirometrie: z. B. Pneumotachographie oder Ultraschallspirometrie zur Erfassung von Kenngrößen
der Ventilation unter Spontanatmung bei nahezu allen Tierarten
-
Forcierte Oszillometrie: Validierung des Impuls-Oszillometrie-Systems (IOS) zur Analyse der Atmungsmechanik
für Kälber [15]
[16]
[17]
[18]
[19]
[20]
[21]
-
Kapnographie bzw. Kapnovolumetrie: Validierung für Pferde [22] und erste Anwendung an Kälbern [23]
-
Atemgasanalyse (NO, CO): bislang vorwiegend an Pferden und Katzen angewandt [24]
-
Atemkondensat-Untersuchungen: an Kälbern, Schweinen, Pferden, Katzen und Hunden beschrieben [25].
Dass sich die genannten nicht-invasiven Untersuchungstechniken in etablierte Infektionsmodelle
an Großtieren integrieren lassen, soll anhand nachfolgender Beispiele exemplarisch
belegt werden:
-
Mithilfe der Kopplung von Spirometrie und IOS konnten bei den Modelltieren Kalb und
Schwein Veränderungen in der Ventilation (Atmungsfrequenz und Atemvolumina) sowie
in der Atmungsmechanik (Obstruktionen der Atemwege und/oder verminderte Dehnbarkeiten
des Lunge-Thorax-Systems) infolge von experimentellen Infektionen sensitiv erfasst
und quantifiziert werden [10]
[26].
-
Die Leukotrien B4 (LTB4)-Konzentration im Atemkondensat korreliert mit der Anzahl neutrophiler Granulozyten
in der broncho-alveolären Lavageflüssigkeit und hat sich in Infektionsmodellen am
Kalb als ein unspezifischer Marker für den Schweregrad einer Entzündung innerhalb
der Atemwege erwiesen. Im Falle einer bakteriell bedingten Bronchopneumonie war eine
signifikante Korrelation zwischen der Abnahme der Lungendehnbarkeit und dem Anstieg
der LTB4-Konzentration im Atemkondensat zu beobachten. Bei einer viral bedingten Infektion
(RSV) stand die Erhöhung der LTB4-Konzentration im Atemkondensat mit einer erhöhten unspezifischen Reaktivität der
Atemwege in Beziehung [27].
Schlussfolgerung
Schlussfolgerung
Während gut definierte Labortiermodelle insbesondere zur Bearbeitung immunologischer
und genetischer Fragestellungen unverzichtbar sind, bieten Großtiermodelle erhebliche
Vorteile für die Erfassung von funktionellen Charakteristika des respiratorischen
Systems mit einem zur Humanmedizin kompatiblen Methodenspektrum.