Ausgangslage
Die berufskrankheitenrechtliche Anerkennung einer Silikose stützt sich neben der Einwirkung von kristallinen Kieselsäuren (meist Quarz) im Wesentlichen auf die konventionelle Röntgen-Thorax-Aufnahme der Lunge, wobei mindestens eine Streuungskategorie von 1/1 nach der Staublungenklassifikation der ILO 2000 vorliegen muss [1]. Wenn hier von Silikose gesprochen wird, so sind im Folgenden Text auch Mischstaubpneumokoniosen subsumiert.
In den 60er- und 70er-Jahren wurde auf Gutachtertagungen in Moers die Konvention aufgestellt, dass von einer entschädigungspflichtigen nicht schwieligen Silikose erst dann ausgegangen werden könne, wenn mindestens eine radiologische Streuungskategorie 2/3 nach ILO 1980 [2] (Pinhead-Silikose ab 2/2) vorliege. So genannte gering gestreute Silikosen, also nicht-schwielige Silikosen der Streuungsgrade 1/1, 1/2, 2/1 und 2/2 (außer p/p-Silikosen) werden danach bis heute überwiegend nicht entschädigt. Während die Moerser Konvention im Steinkohlenbergbau streng ausgelegt wurde, wurde die Konvention in Süddeutschland und außerhalb des Steinkohlenbergbaus weniger streng umgesetzt; verwertbare Daten hierzu liegen aber nicht vor. Laut den aktuellen BK-Statistiken des Hauptverbandes der Gewerblichen Berufsgenossenschaften [3] wurde im Jahre 2002 1726-mal eine BK 4101 angezeigt und 1332 als Versicherungsfall anerkannt, jedoch nur 362-mal ein neuer Rentenfall verzeichnet. Diese Diskrepanz ist zum Teil durch fehlende Funktionsausfälle bei den Versicherten zu erklären, geht aber vermutlich zu einem wesentlichen Teil auf die Anwendung der Moerser Konvention zurück. Auch hierzu liegen detaillierte Informationen nicht vor.
Bereits in den sechziger und siebziger Jahren war es Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion, ob der radiologische Ausprägungsgrad einer Silikose mit Funktionseinschränkungen assoziiert ist [4]. Die Moerser Konvention wurde durch den Nachweis stärkerer Funktionsausfälle bei höher gestreuten oder schwieligen Silikosen [5]
[6] scheinbar gestützt. Allerdings gab es damals schon Untersuchungen, die eingeschränkte Lungenfunktionswerte (insbesondere FEV1) der Bergleute allgemein und jener mit verschiedenen Silikosekategorien belegten. Ulmer u. Mitarb. [7] untersuchten Bergleute und Arbeiter der Eisen- und Stahlindustrie (Kontrollgruppe). Sie fanden, dass Bergleute mit und ohne Silikose gegenüber den Eisen- und Stahlarbeitern vermehrte Funktionseinschränkungen (Blutgase, Atemwegswiderstand) aufwiesen, fanden aber keinen wesentlichen Unterschied zwischen Bergleuten mit und ohne (gering gestreute) Silikose. Ähnliche Daten wurden von Worth [8]; Carstens u. Mitarb. [9]; Reichel [10]; Smidt [5] publiziert. Auch Studien aus dem Ausland fanden eine eingeschränkte Lungenfunktion bei Bergleuten im Vergleich zu Kontrollgruppen unabhängig vom radiologischen Ausprägungsgrad einer Silikose [11].
Kürzlich wurde von Baur [12] darauf hingewiesen, dass die Moerser Konvention angesichts neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse und daraus resultierenden anderen Interpretationen der alten Studien nicht mehr begründbar sei. Eine Arbeitsgruppe der DGAUM beschäftigt sich schon seit längerem mit dieser Fragestellung. In einem Editorial in der Zeitschrift „Pneumologie” haben Merget und Brüning [13] eine neue inhaltliche Diskussion angeregt. Der folgende Text stellt das Ergebnis der Diskussion einer Arbeitsgruppe, beauftragt von den Vorständen der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP) und der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) dar. Die Arbeitsgruppe ist sich dabei bewusst, dass die vorliegenden Studien weitgehend keine Raucheradjustierung aufweisen. Sie berücksichtigt im Folgenden die gut belegte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnis, dass Rauchen und berufliche Staubexposition gleichartige gesundheitsadverse Effekte haben und somit synergistisch wirken können.
Spezifität der Diagnose
Nach dem deutschen Berufskrankheiten-Recht ist die Diagnose einer Silikose zweifelsfrei zu stellen. Neben dem zweifelsfreien Nachweis einer Einwirkung von kristallinen Kieselsäuren (meist Quarz) ist dies in der Regel bei der konventionellen Röntgenaufnahme ab der Kategorie 1/1 mit ausreichender Spezifität gegeben [14]. Es liegen Ergebnisse dafür vor, wonach die CT für den Silikose-Nachweis sensitiver ist als die konventionelle Radiologie [15]. Auch pathologisch-anatomisch sind silikotische Veränderungen früher zu erkennen als im Röntgenbild [16] [1]). Im Sinne einer Konvention sollte als primäre diagnostische Methode nach Meinung der Arbeitsgruppe jedoch das konventionelle Röntgenbild in üblicher Hartstrahltechnik verwendet werden. Auf die zunehmend eingesetzte digitale Radiographie kann zurückgegriffen werden, wenn sie ohne kantenbetonte Nachbearbeitung mit einer Abbildungsgröße 1 : 1 auf Film als Hardcopy ausgegeben wird. Falls eine 1 : 1-Abbildung nicht möglich ist, sollte die Abbildungsgröße nicht kleiner als 2/3 des Originals sein. Bei der Kodierung ist der Abbildungsmaßstab bei der Größeneinschätzung zu berücksichtigen. Eine alleinige Monitorbefundung ist nicht akzeptabel [22].
Stellungnahme
Es besteht Konsens, dass eine enge Beziehung zwischen der kumulativen Dosis quarzhaltiger Stäube und Lungenfunktionseinschränkungen besteht. Dies wurde in einer Reihe von Studien konsistent belegt [23]
[24]. Der Verordnungsgeber hat diese Erkenntnis mit der neuen BK 4111 für den Steinkohlenbergbau umgesetzt.
Es besteht auch eine Assoziation zwischen der Einwirkung von quarzhaltigen Stäuben und dem radiologischen Ausprägungsgrad einer Silikose [25]
[26] (Tab. [1]), diese Assoziation ist jedoch geringer ausgeprägt; u. a. spielt die individuelle Suszeptibilität eine Rolle. Die Daten, die auf einen über die Exposition hinausgehenden „Risikofaktor Silikose” hinweisen, sind inkonsistent. Sie weisen in der Mehrzahl darauf hin, dass in der Silikose kein [27]
[28]
[29] oder ein nur geringer [30]
[31] zusätzlicher individueller Risikofaktor nach Adjustierung für die Exposition zu sehen ist.
Tab. 1 Prävalenz verschiedener, radiologisch definierter Silikose-Kategorien (Pneumokoniose der Steinkohlenbergleute) in Abhängigkeit von der durchschnittlichen Feinstaubkonzentration von 1 - 3 mg/m3 [25].
Feinstaub-Konz. | Röntgenklassifikation |
| nicht-schwielige Silikose; Kategorie: | schwielige Silikose; |
(mg/m3) | 1 | 2 | 3 | A, B, C |
| Prävalenz (%) | Prävalenz (%) |
1
| 2,60 | 0,68 | 0,05 | 0,25 |
2
| 5,94 | 1,63 | 0,15 | 0,64 |
3
| 0,40 | 2,68 | 0,27 | 1,10 |
Annahmen: Alter = 53 Jahre, 35 Jahre Expositionsdauer, 1631 Arbeitsstunden pro Jahr, mittlerer Inkohlungsgrad von 86,2 % Kohlenstoff.
|
Hieraus ist aber nicht der Schluss zu ziehen, dass Personen mit radiologisch darstellbarer (gering gestreuter) Silikose mit nicht-exponierten Kollektiven vergleichbar sind (Tab. [1]). Folgende Punkte sprechen dafür, dass auch gering gestreuten Silikosen einen Krankheitswert beizumessen ist:
-
Da Personen mit Silikose in der Regel auch hinreichend hoch exponiert waren, ist es allein aufgrund der Exposition plausibel, dass Personen mit Silikose mehr Krankheitsmerkmale aufweisen als Gesunde (Silikose = Expositionsmarker).
-
Auch bei gering gestreuten Silikosen wird ein Emphysemanteil gefunden, der mit der Lungenfunktion negativ assoziiert ist [15].
-
Longitudinalstudien zeigen, dass gering gestreute Silikose auch nach Ausscheiden aus dem Bergbau zunehmen und mit einer gesteigerten Lungenfunktionseinschränkung assoziiert sind [32]
[33] bzw. dass der Lungenfunktionsverlust mit der radiologischen Streuung bei der Erstuntersuchung assoziiert ist [34].
-
Studien ohne Einschluss nicht-exponierter Kontrollgruppen zeigen konsistent eine eingeschränkte Lungenfunktion bei Personen mit Silikose bezogen auf Referenzwerte [35]
[36]
[9] (Tab. [3]). Wenn diese Einschränkungen gering sind (etwa 10 %), so ist dies neben der Selektion auch auf die Verwendung der wenig validen Sollwerte der EGKS zurückzuführen, die die tatsächlichen Effekte um 5 - 10 % unterschätzen [37].
-
Epidemiologische Studien mit Einschluss nicht-exponierter Kontrollgruppen, die eine Aussage zu gering gestreuten Silikosen zulassen, sind selten. Smidt [5] (Tab. [2]) fand bei den gering gestreuten Silikosen um etwa 400 - 1000 ml niedrigere FEV1-Werte als bei nicht-exponierten Kontrollen. Allerdings adjustiert diese Studie nicht für Rauchen. Reichel [10] (Tab. [3]) nimmt die A-Schwielen mit in die gering gestreute Silikosegruppe auf und Koskinen [36] (Tab. [4], [5]) stellt ein möglicherweise selektioniertes Kollektiv dar. Diese Studien finden aber übereinstimmend, dass Bergleute allgemein und jene mit z. T. differenziert dargestellten Silikose-Kategorien Lungenfunktionseinschränkungen aufweisen. Es ist von Bedeutung, dass in keiner einzigen Studie gezeigt wurde, dass Personen mit Silikose eine identische Lungenfunktion aufweisen wie nicht-exponierte Kontrollen [5]
[10].
-
Methodenkritisch ist anzumerken, dass die zahlenmäßig im Vordergrund stehenden Querschnittuntersuchungen infolge von „Healthy worker”-Effekten (überdurchschnittlich gute Lungenfunktionswerte der Anleger, überhäufiges Ausscheiden von suszeptiblen Personen; [38]) die tatsächlichen Effekte unterschätzen. Untersuchungen von Gutachtenpatienten oder von bei Gesundheitsbehörden gemeldeten Fällen dürften einer gewissen gegenteiligen Selektion unterliegen (z. B. [36]
[39]).
-
Es gibt Hinweise dafür, dass atemmechanische Parameter weniger sensitiv sind, um die Funktionseinschränkungen bei Silikosen festzustellen. So fanden Wiles u. Mitarb. [31] Unterschiede zwischen gering gestreuten Silikosen und Kontrollen nur in der Steigung des Alveolarplateaus und des Closing Volumens (aus einem Einatemzugsauerstoffmaneuver). Sensitiver sind auch in einigen Studien Parameter wie die Diffusionskapazität und spiroergometrische Kenngrößen. [40]
[36]
[39]
[41] (Tab. [6]).
Tab. 2 Lungenfunktionsbefunde von 50- bis 60-jährigen Bergleuten aus dem Ruhr-Steinkohlenbergbau mit und ohne Silikose sowie von einem Kontrollkollektiv, das nicht im Bergbau tätig war [5]
Parameter | Röntgenklassifikation |
| Kontrollen | Bergleute |
| 0 | 0 | Si I (ILO 1971) (Kat. 1/0 - 1/2, ILO 1980) | Si II (ILO 1971) (Kat. 2/1 - 2/3, ILO 1980) | Si III (ILO 1971) (Kat. ≥3/2, ILO 1980) | Pinhead (< 1,5 mm, submiliare Si) |
VC (mL)
| 4150 ± 94 | 3560 ± 97 | 3550 ± 64 | 3370 ± 64 | 3430 ± 82 | 3100 ± 89 |
FEV1 (mL)
| 2900 ± 81 | 2530 ± 62 | 2260 ± 68 | 2130 ± 58 | 2150 ± 75 | 2010 ± 84 |
FRC (mL)
| 2980 ± 77 | 3330 ± 107 | 3290 ± 94 | 3220 ± 57 | 3190 ± 100 | 3310 ± 107 |
RV (mL)
| 1920 ± 74 | 2260 ± 83 | 2450 ± 67 | 2360 ± 83 | 2220 ± 83 | 2530 ± 98 |
VD/VT
| 0,31 ± 0,03 | 0,38 ± 0,03 | 0,38 ± 0,03 | 0,39 ± 0,02 | 0,38 ± 0,02 | 0,39 ± 0,02 |
VD,O2
| 162 ± 17,1 | 201 ± 13,7 | 218 ± 13,7 | 241 ± 15,4 | 244 ± 16,7 | 232 ± 17,4 |
P(A-a),O2
(mmHg)
| 15,3 ± 1,2 | 27,8 ± 1,8 | 26,5 ± 1,4 | 28,7 ± 1,0 | 26,6 ± 1,2 | 31,9 ± 1,3 |
Angegeben sind jeweils Mittelwerte und Standardabweichung. Berücksichtigt man die Streuung der Lungenfunktionsparameter in den einzelnen Kollektiven, so ergibt sich, dass die Werte von Bergleuten ohne Pneumokoniose deutlich überhäufig außerhalb des Bereichs der Kontrollen liegen und damit als pathologisch anzusehen sind. Si = Silikose; es sind die ILO-Klassifikationen von 1971 und 1980 [43] angegeben.
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Tab. 3 Lungenfunktionsbefunde von 50- bis 60-jährigen Bergleuten aus dem Ruhr-Steinkohlenbergbau mit und ohne Silikose sowie von einem Kontrollkollektiv, das nicht im Bergbau tätig war (Ulmer u. Mitarb., 1968; zitiert in: [10])
Parameter | Röntgenklassifikation (ILO 1971) |
| Kontrollen | Bergleute |
| 0 | 0 | A p q r | B C |
VC (mL)
| 3800 | 3400 | 3200 | 3300 |
FEV1 (mL)
| 2800 | 2500 | 2450 | 2200 |
Rt (kPa · L-1 · s)
| 0,305 | 0,395 | 0,40 | 0,53 |
Angegeben sind jeweils die Mittelwerte. Berücksichtigt man die Streuung der Lungenfunktionsparameter in den einzelnen Kollektiven, so ergibt sich, dass die Werte von Bergleuten ohne Pneumokoniose deutlich überhäufig außerhalb des Bereichs der Kontrollen liegen und damit als pathologisch anzusehen sind.
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Tab. 4 Lungenfunktionswerte (in Prozent des Sollmittelwertes) in Abhängigkeit vom Röntgenbefund [2] von Silikose-Patienten [36]
Röntgenbefunda
| VC | FEV1
| FEV1/VC% (Delta%)b
| DL,CO
c
|
| n | MW | ± SD | n | MW | ± SD | n | MW | ± SD | n | MW | ± SD |
Patienten nur mit kleinen Lungenschatten
| 130 | 83 ± | 16 | 130 | 88 ± | 23 | 130 | + 6,2 ± | 11,4 | 125 | 82 ± | 21 |
Kategorie 1
| 52 | 82 ± | 19 | 52 | 89 ± | 26 | 52 | + 7,0 ± | 11,6 | 50 | 85 ± | 23 |
Kategorie 2
| 66 | 83 ± | 14 | 66 | 88 ± | 20 | 66 | + 6,4 ± | 11,1 | 63 | 82 ± | 18 |
Kategorie 3
| 12 | 78 ± | 14 | 12 | 81 ± | 27 | 12 | + 5,5 ± | 12,2 | 12 | 65 ± | 20 |
Patienten mit großen Lungen-schatten
| 9 | 77 ± | 14 | 9 | 74 ± | 25 | 9 | - 0,4 ± | 14,5 | 9 | 56 ± | 13 |
Angegeben sind jeweils Sollmittelwert (MW) und Standardabweichungen (SD). a) Kategorie 1 = 1/0 - 1/2, Kategorie 2 = 2/1 - 2/3, Kategorie 3 = 3/2 - 3/+. b) Delta% bezeichnet die positive (+) oder negative (-) Abweichung vom FEV1/VC%-Sollmittelwert. c) Statistisch signifikante Differenz der DL,CO (Student's t-test) zwischen Kategorie 3 vs. Kategorie 1 (p < 0,01) und Kategorie 3 vs. Kategorie 2 (p < 0,01), Patienten mit großen Lungenschatten vs. Patienten ohne große Lungenschatten (p < 0,001)
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Tab. 5 Relation (Prozent) von 130 Silikose-Patienten mit kleinen Lungenschatten, die in Abhängigkeit vom Röntgenbefund [2] eine eingeschränkte Lungenfunktion aufwiesen [36]
Röntgenbefunda
| VC < 80 % Sollmittelwert | FEV1 < 80 % Sollmittelwert | FEV1/VC% < - 13 % Sollmittelwert | DL,CO < 80 % Sollmittelwert |
| Relationb
| (%) | Relationb
| (%) | Relationb
| (%) | Relationb | (%) |
Kategorie 1
| 25 : 52 | 48 | 18 : 52 | 35 | 4 : 52 | 8 | 22 : 50 | 44 |
Kategorie 2
| 29 : 66 | 44 | 22 : 66 | 33 | 3 : 66 | 5 | 28 : 63 | 44 |
Kategorie 3
| 6 : 12 | 50 | 6 : 12 | 50 | 2 : 12 | 17 | 9 : 12 | 75 |
Total
| 60 : 130 | 46 | 46 : 130 | 35 | 9 : 130 | 7 | 59 : 125 | 47 |
a) Kategorie 1 = 1/0 - 1/2, Kategorie 2 = 2/1 - 2/3, Kategorie 3 = 3/2 - 3/+ b) Die Anzahl der Patienten mit eingeschränkter Lungenfunktion in Relation zu allen Patienten in der jeweiligen Röntgen-Kategorie
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Tab. 6 Spiroergometrische Befunde von Bergleuten aus dem Ruhr-Steinkohlenbergbau mit Silikose der Kategorie 1 und 2 sowie eines Kontrollkollektivs, das nicht im Bergbau tätig war [39]
Parameter | Kontrollen | Bergleute |
(VE/VO2)
| 25,71 ± 2,88 | 32,90 ± 4,23 |
(VE/VCO2)
| 30,98 ± 3,85 | 39,40 ± 4,59 |
PET,O2 (mmHg)
| 99,08 ± 7,42 | 115,60 ± 4,76 |
PET,CO2 (mmHg)
| 44,04 ± 4,10 | 38,38 ± 4,51 |
Angegeben sind Mittelwerte und Standardabweichungen
Für sämtliche Parameter liegen signifikante Unterschiede zwischen beiden Gruppen vor.
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Fazit
Nach langjähriger Einwirkung von Stäuben mit kristallinen Kieselsäuren kommt es zu einem erhöhten Risiko für die Verursachung einer chronischen Bronchitis, von Lungenfunktionsstörungen mit restriktiver und/oder obstruktiver Komponente, einem Lungenemphysem und radiologisch nachweisbaren intrapulmonalen silikotischen Läsionen. Dosis-Wirkungs-Beziehungen werden konsistent in vielen Studien berichtet. Die Funktionseinschränkungen sind nicht eng mit dem Ausmaß der Veränderungen in der konventionellen Röntgen-Thorax-Aufnahme verbunden. Eine Personengruppe mit geringgradiger Silikose ohne wesentlich erhöhtes Risiko für diese Gesundheitsstörungen lässt sich nicht abgrenzen. Auch in der konventionellen Röntgen-Thoraxaufnahme geringgradig erscheinende silikotische Veränderungen sind überhäufig mit klinisch relevanten Lungenfunktionseinschränkungen assoziiert.
Konsequenzen für die Begutachtung
Die frühere Moerser Konvention entspricht nicht dem heutigen medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand. In Anbetracht der geringen Sensitivität atemmechanischer Parameter sollten im Rahmen der Begutachtung auch Bestimmungen der Diffusionskapazität sowie eine Spiroergometrie mit Blutgasanalyse bei entsprechender submaximaler Belastung erfolgen. Es wird festgestellt, dass auch gering gestreute Silikosen (Streuungsgrad 1/1 und größer) mit einer messbaren Funktionseinschränkung (restriktiv und/oder obstruktiv) sowohl bei Rauchern als auch bei Nichtrauchern einhergehen. Im Steinkohlenbergbau liegt dabei eine kumulative Dosis von in der Regel etwa 100 Feinstaubjahren vor. Durch diesen Parameter der Exposition lassen sich Zweifel an der arbeitsbedingten Ursache der Funktionsstörungen weitgehend ausräumen. Im Einzelfall sind also auch bei gering gestreuter Silikose Lungenfunktionseinschränkungen hinsichtlich ihrer Ursache im Rahmen der Rechtstheorie der wesentlich mitwirkenden Bedingung zu überprüfen. Falls eine als haftungsbegründend anzusehende Einwirkung von Stäuben mit kristallinen Kieselsäuren vorlag und andere Ursachen fehlen bzw. für das Krankheitsbild nicht als überragend bedeutsam anzusehen sind [42], sind solche Funktionsstörungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf diese Berufskrankheit zurückzuführen.