psychoneuro 2004; 30(8): 420-421
DOI: 10.1055/s-2004-833527
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Duloxetin [*] bei unipolarer Depression - Zukünftige Behandlungsmöglichkeiten bei psychischen und körperlichen Beschwerden im Rahmen der Depression

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Publication Date:
10 September 2004 (online)

 
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Depressionen sind ein zunehmendes gesamtgesellschaftliches Problem, weltweit leiden etwa 340 Millionen Menschen daran. Nach Schätzungen der WHO werden sie bis zum Jahr 2020 auf Platz zwei der besonders belastenden Erkrankungen liegen [7]. Mittlerweile steht eine Vielzahl von Therapieoptionen für diese Patienten zur Verfügung, aber nur ungefähr ein Drittel erreicht eine Remission der Symptomatik (d.h. HAMD-17 ≤ 7), wie Prof. Thomas Schläpfer, Bonn, auf einem APA-Nachfolgesymposium im Juni ausführte. Obwohl etwa jeder zweite auf eine initiale Monotherapie mit Antidepressiva anspricht (Response definiert als 50% Verbesserung des HAMD-17-Scores), leidet der Großteil der Patienten an depressiven Restsymptomen. Damit ist jedoch auch ein höheres Rückfallrisiko verbunden. 76% der Patienten mit Restsymptomen erleiden einen Rückfall [2], [6], [9]. Von diesen berichten 94% über körperliche Beschwerden, wie Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, abdominelle Beschwerden, Appetitminderung und Schwindel. Körperliche Schmerzen werden auch als häufigster Grund für den Arztbesuch angegeben [10].

Psychische und körperliche Beschwerden sind eng miteinander verknüpft, denn es wird vermutet, dass depressive Symptome ebenfalls wie die Schmerzsymptome durch eine Dysregulation der Neurotransmitter Noradrenalin und Serotonin gekennzeichnet sein können. Diese Dysregulation könnte, so Schläpfer, zu einer erhöhten Schmerzempfindlichkeit führen. Medikamente, die über eine duale Wiederaufnahmehemmung die Konzentration beider Transmitter erhöhen, könnten daher bei depressiven Patienten mit körperlichen Beschwerden, insbesondere Schmerzen, vermutlich eine vielversprechende Behandlungsoption bieten.

Möglicherweise profitieren depressive Patienten daher von dem selektiven Serotonin- und Noradrenalinwiederaufnahmehemmer (SSNRI) Duloxetin. Duloxetin ist ein neues Antidepressivum, das seit August 2004 in den USA zugelassen ist und vermutlich ab Anfang 2005 auch in Deutschland zur Verfügung stehen wird. Es weist eine hohe Affinität sowohl zu Noradrenalin- als auch 5HT-Transportern auf, wobei in pharmakologischen Studien gezeigt werden konnte, dass die Affinität zu beiden Systemen unter Duloxetin im Vergleich zu anderen Antidepressiva sehr ausgewogen ist [1], [11].

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Wirksamkeit

Die hohen Remissionsraten von Duloxetin belegen die Wirksamkeit, wie in plazebokontrollierten Studien nachgewiesen werden konnte. Bereits ab der zweiten Wochen beobachteten Detke et al. [3] eine im Vergleich zu Plazebo signifikante Verbesserung der depressiven Symptomatik (Abb. [1]). Nach neun Wochen erzielten in dieser Studie mit 236 Patienten 44% unter Duloxetin (60 mg/ Tag) eine Remission, d.h. eine Abnahme ihrer depressiven Symptomatik auf einen Wert _ 7 nach der HAMD-17-Skala. Unter Plazebo erreichten dagegen nur 16% eine Remission. In einer Poolanalyse konnte gezeigt werden, dass die Remissionsraten unter selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) nach acht Wochen im Durchschnitt bei 38% liegen, wie Thase et al. [12] berechneten (Abb. [2]). Unter Duloxetin lag die Remissionsrate nach acht Wochen dagegen bei 43%.

Eine der häufigsten Komorbiditäten bei depressiven Störungen sind Angsterkrankungen. Die Wirksamkeit von Duloxetin wurde daher auch bei dieser Symptomatik im Rahmen einer Depression überprüft [5]. Die Angstsymptomatik der Patienten, bestimmt nach der HAMD-Angstskala, nahm bereits nach zwei Wochen signifikant gegenüber Plazebo ab.

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... auch bei körperlichen Beschwerden

In der Zulassungsstudie von Detke et al. [3] wurde außerdem die Veränderung auf körperliche Beschwerden, insbesondere Schmerzen im Rahmen der Depression, z.B. diffuse Schmerzen, untersucht. Auf einer visuellen Analogskala (VAS) beurteilten die Patienten ihr Gesamtschmerzempfinden als deutlich verbessert.

Im Vergleich zu den Ausgangswerten zeigte die neunwöchige Studie z.B. statistisch signifikante Verbesserung der depressiven Symptomatik und der körperlichen Beschwerden, insbesondere Schmerzen (Abb. [3]).

Die höheren Remissionsraten, die bei dual wirkenden Substanzen versus SSRIs beobachtet wurden, scheinen darauf zu beruhen, dass die kombinierte Verstärkung beider Transmitter einen größeren therapeutischen Effekt zu haben scheint, als die Verstärkung von jeweils nur einem Transmitter [13].

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Verringerung der Krankheitsrückfälle

Jüngst konnte eine weitere Studie von Detke et al. [4] zeigen, dass das Rückfallrisiko unter Duloxetin im Vergleich zu Plazebo signifikant gesenkt werden kann, wenn die Patienten ausreichend lang - auch über die depressive Episode hinaus - behandelt werden. In dieser sechsmonatigen Studie wurden insgesamt 533 akut depressive Patienten zunächst über zwölf Wochen offen mit Duloxetin 60 mg/Tag behandelt. In dieser Zeit erzielten 53% der Patienten eine Remission ihrer Symptomatik. Anschließend erhielten die remittierten Patienten für 26 Wochen randomisiert entweder weiter Duloxetin (n = 136) oder Plazebo (n = 142).

Von den Patienten, die Duloxetin erhalten hatten, erlitten nach Einschätzung der Untersucher innerhalb der sechs Monate nur 22% der Patienten einen Rückfall, in der Plazebogruppe dagegen 43%. Der Unterschied war statistisch signifikant.

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Verträglichkeit von Duloxetin

In der sechsmonatigen Studie von Detke et al. [4] wurden während der plazebokontrollierten Studienphase hinsichtlich der Nebenwirkungen keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen Duloxetin und Plazebo beobachtet.

Nach Schläpfer entspricht das Verträglichkeitsprofil von Duloxetin dem anderer moderner Antidepressiva.

Die Studien belegen die Wirksamkeit bei depressiven und Angstsymptomen, bei körperlichen Beschwerden, insbesondere Schmerzen, im Rahmen einer Depression, hohe Remissionsraten sowie die Verringerung von Krankheitsrückfällen.

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Quelle: Symposium "Neues vom 157. American Psychiatry Association Congress" am 19. Juni 2004 in München, veranstaltet von Lilly Deutschland GmbH und Boehringer Ingelheim Pharma GmbH und Co. KG

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Literatur

  • 1 Bymaster FP , et al.  . .  Neuropsychopharmacology . 2001;  25(6) 871-880
  • 2 Cornwall PL , Scott J. . .  Acta Psychiatr Scand. 1995;  95(4) 265-271
  • 3 Detke MJ , et al.  . .  J Clin Psychiatry. 2002;  3 308-315
  • 4 Detke MJ , et al.  . Vortrag präsentiert auf dem APA 2004.  . ; 
  • 5 Dunner DJ , et al.  . .  Depression and Anxiety . 2003;  19(2) 53-61
  • 6 Keller MB , et al.  . .  JAMA. 1984;  252(6) 788-792
  • 7 Murray CJL , Lopez AD . .  Lancet. 1997;  349 1498-1504
  • 8 Nemeroff et al. . .  Psychopharmacol Bull. 2002;  36(4) 106-132
  • 9 Paykel et al. . .  Psychol Med. 1995;  25 1171-1180
  • 10 Stahl SM. . Essential Psychopharmacology.  N.Y. Cambridge University Press . 2000; 
  • 11 Tatsumi M , et al.  . .  Eur J Pharmacol. 1997;  340 249-258
  • 12 Thase ME , et al.  . Poster präsentiert auf dem APA 2003.  . ; 
  • 13 Tran PV , et al.  . .  J Clin Psychopharmacol. 2003;  23 78-86

01 in der klinischen Entwicklung

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01 in der klinischen Entwicklung

 
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