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DOI: 10.1055/s-2004-833553
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Für Sie gelesen - Ultraschallpraxis - Geburtshilfe und Gynäkologie
Publication History
Publication Date:
04 October 2004 (online)

A. Strauss
Springer-Verlag Heidelberg 2003
€ 129,95; sFr 205,-
ISBN: 3-540-43950-1
Immer noch kommt es vor, dass junge Ärztinnen und Ärzte an ihrem ersten Ausbildungstag im Fach Gynäkologie und Geburtshilfe in einen dunklen Raum gesteckt werden, dessen Einrichtung aus einem Bildschirm mit Tastatur, Knöpfen und Kabeln und daneben einer Liege besteht. Das, so wird ihnen erklärt, sei der Ultraschall, und hier sollen sie ab sofort arbeiten; wenn sie sich nicht auskennen, dann sollen sie einen älteren Assistenten oder einen Oberarzt rufen, der ein paar Türen oder ein paar Stockwerke weiter entfernt arbeitet.
Welches Buch gibt man so einem allein gelassenen Geschöpf in die Hand, um es daran zu hindern, sofort aus der Gynäkologie in die stressärmeren Fächer wie Transplantationschirurgie oder Gerichtsmedizin zu flüchten? Bisher war die Antwort auf diese Frage schwierig, die Gyn- Ultraschallbücher der deutschen Verlage waren meist das, was die Amerikaner "heavy German stuff" nennen, wobei heavy neben Inhalt auch auf das messbare Gewicht und den Preis zutraf.
Das hat sich nun schlagartig geändert: Mit dem Ultraschallpraxis-Buch von Alexander Strauss ist nun ein Buch auf dem Markt, bei dem der Titel auch dem Inhalt enstpricht. Was man an erlernbaren Inhalten überhaupt in einem Buch unterbringen kann - ohne Medien wie DVDs und Ähnliches in Anspruch zu nehmen -, ist in diesem Buch enthalten.
Das Konzept ist didaktisch bestechend klar. Auf der linken Seite sind jeweils 2-3 große und übersichtliche Bilder, auf der rechten Seite der dazugehörige Text. Der Text ist gegliedert in eine kurze Einleitung von ein paar Zeilen, danach folgt die Beschreibung des jeweiligen Krankheitsbildes nach dem bewährten Schema Epidemiologie - Ätiologie - Differenzialdiagnose. Die Beschreibungen der sonographischen Kerninhalte zu dem Kapitel sind gelb unterlegt, man kann auch beim hastigen Querlesen im Halbdunkel des Ultraschallraumes rasch die wesentlichen Punkte finden. Der Text endet auch nicht mit der Diagnose. Besonders verdienstvoll ist, dass jedem Syndrom, jedem Problem ein Unterkapitel "geburtshilfliches Vorgehen" gewidmet ist. Dies schließt sich mit den Kapiteln zu "Prognose" und "Therapie" zu einem umfassenden diagnostisch-therapeutischen Kompass für jede Fehlbildungskonstellation zusammen, vom Lymphangiom bis zum Herztumor. Aus den unzähligen möglichen Fehlbildungen wurde eine realistische Selektion getroffen sodass die Fehlbildungen, die im Laufe eines "Ultraschallerlebens" ein paarmal auftauchen, alle erfasst sind.
Die Ultraschallbilder sind gut editiert, das Layout ist einheitlich, die zahlreichen Zahlenkombinationen am Bildrand, die mit schwarzem Stift übermalten Patientennamen an der Oberkante und der langatmige Klinikname, wie man sie aus vielen anderen Büchern kennt und die nur vom eigentlichen Bild ablenken, sind konsequent herausretouchiert. Die Ultraschallbilder sind realistisch, es wurden nicht nur Idealbilder von Feten mit Polyhydramnion gewählt, sondern solche, wie sie eben im klinischen Alltag wirklich auftauchen. Postpartale Fotos, Obduktionsfotos, histologische Abbildungen, plausible Skizzen und Karyogramme ergänzen die Ultraschallfotos in vortrefflicher Weise.
Das Buch beginnt mit einem Einführungskapitel zu den physikalischen Grundlagen und zu den Sicherheitsaspekten. Hier ist der Verzicht auf ein Literaturverzeichnis ein wenig störend: Gerade die Sicherheitsaspekte sind wegen der regelmäßig von den Medien hochgespielten Pränatal-Ultraschall-Panikattacken ein Thema, mit dem sich jede(r), die/der Schwangere schallt, ständig befassen muss. Ein Verweis auf die Sicherheitsempfehlungen auf den Homepages der DEGUM, WFSUMB und ISUOG fehlt hier - diese Sicherheitsempfehlungen werden ständig erneuert und geben die Möglichkeit, auch auf die kritischsten Patientinnenfragen eine richtige Antwort geben zu können. (Hier sind die Portale für alle Interessierten: www.efsumb.org www.isuog.org www.degum.de
Etwas kurz geraten ist die Zervixlängenmessung, die nur im Kapitel "Normalbefunde im 2. und 3. Trimenon" in einem Absatz erwähnt wird. Die vaginal-sonographische Zervixlängenmessung beginnt zunehmend, die bimanuelle Untersuchung in der Schwangerschaft zu ersetzen, in jedem Krankenhaus liegen Schwangere am Tokolyse-Tropf, bei denen aus völligem Wohlbefinden heraus im Ultraschall eine gefährlich verkürzte Zervix festgestellt worden war. Die Probleme mit der Zervixlängenmessung, sowohl als Entscheidungsgrundlage für eine stationäre Behandlung wegen drohender Frühgeburt als auch bei der Entscheidung zu einer medikamentösen Geburtseinleitung, verdient mehr Raum. Das Wort "Funneling" kommt im Stichwortverzeichnis gar nicht vor. Dabei ist "Funneling" schon zur Indikation und Zuweisungsdiagnose für einen Hubschraubertransport von einem kleinen Krankenhaus zu einem Perinatalzentrum geworden!
Dies sind marginale Kritikpunkte bei einem insgesamt sehr gelungenen Buch. Die Behandlung der Ultraschallaspekte von geburtshilflicher Pathologie wie Präeklampsie und Gestationsdiabetes ist präzise und souverän, das Kapitel zum gynäkologischen Ultraschall umspannt in wenigen Seiten viele Themen. Besonders verdienstvoll sind die Kapitel zum Bauchdeckenultraschall und zur Nierensonographie - erneut für die eingangs beschriebene junge Ausbildungsassistentin, die, wenn sie dem Ultraschall entwachsen ist, dann auf der operativen Abteilung mit den ersten Bauchdeckenhämatomen und gestauten Nieren zu kämpfen hat.
Alexander Strauss und dem Ultraschall-Team der Frauenklinik des Klinikums Großhadern ist zu diesem Buch nur zu gratulieren. Allen Gynäkologinnen und Gynäkologen, ob in der Weiterbildung oder schon niedergelassen, die den Ultraschall erlernen oder einfach "dranbleiben" wollen, ist es wärmstens zu empfehlen.
C. Brezinka, Innsbruck
